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Von der Straße direkt vors Gericht

Jüngste richterliche Entscheidungen rund um Rechte und Pflichten von Autofahrern im Straßenverkehr

Eine Abstandsunterschreitung über einen Zeitraum von über drei Sekunden kann mit einem Bußgeld geahndet werden. Bild: michael hirschka/pixelio.de

Der Standstreifen ist tabu. Er darf nur nach Freigabe durch die Polizei genutzt werden. Bild: Rainer Sturm/pixelio.de

Ein eingeschränktes Tempolimit von montags bis freitags gilt auch an wöchentlichen Feiertagen. Wer geblitzt wird, muss zahlen. Bild: Anne Garti/pixelio.de

Bei einem Unfall muss der Unfallverursacher für die Abschleppkosten des Unfallgegners aufkommen. Allerdings hat dies Grenzen. Bild: POM´in/pixelio.de

Parkverbotsschilder darf nicht jeder aufstellen wie und wo er möchte. Sie müssen von einer Behörde für den Einzelfall freigegeben werden. Bild: piu700/pixelio.de

Jede rote Ampel hat eine Schutzzone im Umkreis von rund 15 Metern. Davor oder dahinter kann ein anderer Weg benutzt werden, um die Ampel zu umfahren. Bild: Uwe Schlick/pixelio.de

Im Auto sollten so viele Warnwesten wie Sitzplätze vorhanden sein. Bild: GTÜ/pixelio.de

 

Die Uhr tickt. Der nächste Termin naht. Alles hat beim letzten Kundentermin länger gedauert als geplant. Längst müsste man schon auf der nächsten Baustelle sein. Da kommt schon mal der Gedanke, ein bisschen mehr aufs Gaspedal zu drücken. Könnte man nicht auf dem Standstreifen schnell am Stau vorbeifahren? Oder der langsame Pkw vor einem. Ein bisschen drängeln vielleicht? Besser nicht, lohnt sich nicht.

Abgesehen davon, dass solche Verhaltensweisen ein hohes Sicherheitsrisiko darstellen, können sie viel Geld kosten und einige Punkte in Flensburg nach sich ziehen. Insbesondere seit Inkrafttreten des neuen Bußgeldkatalogs im Mai dieses Jahres haben sich die Konsequenzen verschärft, die auf solche Regelverstöße folgen. In jedem Fall ist es gut, Gesetze und aktuelle richterliche Entscheidungen zu kennen. Auch, um zu wissen, welche Rechte man selbst einfordern darf.

Ab drei Sekunden
Autofahrer müssen sich nach einem Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm nun auf schärfere Grenzen für bußgeldpflichtiges Drängeln einstellen. Wer mindestens drei Sekunden oder über eine Strecke von mindestens 140 m zu dicht auffährt, kann zu einem Bußgeld verurteilt werden. Die Richter bestätigten damit eine in erster Instanz getroffene Entscheidung und präzisierten diese, indem sie konkrete Werte festlegten. Tritt nur kurzzeitig ein zu geringer Abstand zum vorderen Fahrzeug auf, sei das tolerierbar. Dies könne beispielsweise passieren, wenn der Vordermann plötzlich die Fahrspur wechsele oder unvorhersehbar abbremse, so das Gericht. Unter Berücksichtigung üblicher Reaktionszeiten sei von einem Fahrzeugführer zu verlangen, dass er innerhalb von drei Sekunden reagiere, um den Sicherheitsabstand wieder zu erhöhen (Oberlandesgericht Hamm, Az. 1 RBs 78/13).

Tempolimit an Feiertagen
Tempolimits, die an bestimmte Zeiten und Wochentage gebunden sind, dienen häufig dem Lärmschutz oder der Sicherheit von Kindern. Beschränkt ein Zusatzschild montags bis freitags die Geschwindigkeit, so gilt dieses Tempolimit auch an Feiertagen, die in die Woche fallen, z.B. Pfingstmontag oder Karfreitag.
In einem Fall vor dem Oberlandesgericht Brandenburg (Az. (2 Z) 53 Ss-OWi 103/13 (50/13)) kamen die Richter zu dem Urteil, eine Geschwindigkeitsbegrenzung sei nicht an Werktage gekoppelt. In dem konkreten Fall war ein Autofahrer in einer Tempo-30-Zone (montags bis freitags) mit 64 km/h geblitzt worden. Das Tempolimit sei ausnahmslos von montags bis freitags gültig. Nicht der einzelne Verkehrsteilnehmer habe die Verkehrszeichen auszulegen und zu entscheiden, ob die Anordnung einer Geschwindigkeitsbegrenzung auch für Feiertage gelte, so die Richter. Der Straßenverkehr fordere im Interesse der Verkehrssicherheit einfache und klare Regeln. Interpretationen könnten zu gefährlichen Verhaltensfehlern führen.

Vorsätzliche Tempoüberschreitung beweisen
Wer auf einem längeren Streckenabschnitt auf der Autobahn erheblich schneller fährt als zulässig, handelt in der Regel vorsätzlich. Denn es ist davon auszugehen, dass ordnungsgemäß aufgestellte Verkehrsschilder normalerweise auch wahrgenommen werden. So hat es das Oberlandesgericht Celle in einem Urteil bekräftigt (Az. 322 SsRs 280/13). Jedoch mit einer Einschränkung. Der Vorsatz könne nur bei einer Überschreitung des Tempos von mehr als rund 40% unterstellt werden. Bei einer Überschreitung von 25% wie im vorliegenden Fall, bedürfe es weiterer Indizien. Liegen solche nicht vor, so sei eine besonders hohe Geldbuße nicht gerechtfertigt.

Aufstellen von Halteverbotsschildern
Für den Erlass verkehrsregelnder Anordnungen sind in der Regel nur die Straßenverkehrsbehörden und die Straßenbaubehörde zuständig. Privat aufgestellte Halteverbotsschilder, beispielsweise von Hausherren auf der Straße vor ihrer Baustelle bleiben wirkungslos. Das trifft nicht nur auf Privatpersonen zu, sondern auch auf Unternehmen.
In einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes Baden-Württemberg
(Az. 1 S 3263/08) dürfen amtliche Halteverbotsschilder nicht nach eigenem Gutdünken aufgestellt werden. In einem konkreten Fall erhielt ein Unternehmen für die Dauer eines Jahres amtliche Halteverbotsschilder – jedoch ohne weitere Absprachen mit der Straßenverkehrsbehörde. Das sei rechtswidrig, befanden die Mannheimer Richter.
Dennoch: Wer trotz rechtswidrigen oder unsinnig erscheinenden Parkverbotsschildern sein Fahrzeug parkt, sollte nicht zu früh frohlocken. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf (Az. 14 K 2727/12) bestand in einem Fall darauf, ein Verbot auch dann zu respektieren und zu beachten, wenn man wisse, dass ein Verkehrsschild rechtswidrig aufgestellt sei.

Beide sind zur Hälfte Schuld
Fährt jemand gegen die offene Fahrertür eines parkenden Fahrzeugs, so hat er einen Teil des Unfallschadens zu tragen, entschied das Oberlandesgericht Frankfurt (Az. 16 U 103/13). Im besagten Fall fuhr eine Autofahrerin in die offen stehende Fahrertür eines Fahrzeuges, das am Straßenrand parkte. Der Fahrer des parkenden Autos war gerade beim Beladen und befand sich hinter der geöffneten Tür. Er wurde dabei verletzt. Der Geschädigte verklagte die Fahrerin auf Schadenersatz und Schmerzensgeld. Die Fahrerin hingegen war der Meinung, sie habe nicht mit Ladetätigkeiten an parkenden Fahrzeugen zu rechnen. Man hätte ja das Fahrzeug von der anderen, der nicht dem fließenden Verkehr zugewandten Seite beladen können.
Das Oberlandesgericht Frankfurt hielt eine hälftige Schadensteilung für angemessen. Nach dessen Ansicht mache es nämlich einen Unterschied, ob die Tür erst geöffnet würde oder wie in diesem Fall bereits geöffnet war. Hier hätte die Fahrerin der offenen Tür mit angemessenem Sicherheitsabstand ausweichen müssen.

Nicht auf den Blinker verlassen
Wer an der Kreuzung wartet und losfahren könnte, weil ein vorfahrtsberechtigtes Fahrzeug blinkt und damit anzeigt, es möchte abbiegen, sollte vorsichtig sein. Es reicht nämlich nicht, darauf zu vertrauen, dass der Fahrer auch tatsächlich abbiegt und nicht weiter geradeaus fahren wird.
In einem Fall vor dem Oberlandesgericht Dresden (Az. 7 U 1501/13) kam es auf einer Kreuzung zu einem Unfall. Der Linksabbieger nahm an, dass der Vorfahrtsberechtigte nach rechts abbiegt, weil er seinen Blinker gesetzt hatte. Allerdings fuhr dieser geradeaus. Infolgedessen rammte das eine Fahrzeug das Auto des Vorfahrtsberechtigten.
Das Blinken sei kein Freibrief, so das Gericht. Erst, wenn sich die Geschwindigkeit deutlich verringere oder der Abbiegevorgang eingeleitet würde, wäre der Fahrer befugt gewesen abzubiegen. Wartepflichtige müssten besonders vorausschauend agieren, so die Richter. Daher verurteilten sie den Linksabbieger zu 70% Schadens­übernahme.

Beteiligung an Abschleppkosten ist begrenzt
Bei einem Verkehrsunfall hat der Geschädigte die Kosten für die Regulierung des Schadens so gering wie möglich zu halten. Er kann nicht seinen Wünschen entsprechen, wenn damit höhere Kosten entstehen, entschied ein Amtsgericht in Ratingen (Az. 9 C 292/13). Der Fall betraf einen Autobesitzer, der am Unfallort das Abschleppunternehmen veranlasste, sein nicht mehr funktionstüchtiges Fahrzeug zu seiner „Vertrauenswerkstatt“ zu bringen. Dafür war ein erheblich längerer Weg notwendig als bis zur nächsten Vertragswerkstatt des Fahrzeugtyps. Die Richter entschieden zugunsten des Unfallverursachers und seiner Kfz-Haftpflichtversicherung. Diese brauchte sich damit nur zu etwa einem Drittel an den entstandenen Abschleppkosten beteiligen.

Abrutschen von der Kupplung
Das Amtsgericht Gummersbach hatte in einem Auffahrunfall zu entscheiden. Eine Autofahrerin kam vor einem ihr haltenden Auto zum Stehen. Sie rutschte dann aber von der Kupplung ab, sodass ihr Fahrzeug ruckartig auf das vordere Fahrzeug auffuhr. Ein Krankenhausarzt diagnostizierte einen Bruch des rechten Schlüsselbeins und eine Dehnung des Schultergelenks. Daraufhin verlangte die Geschädigte Schmerzensgeld und zog vor Gericht.
Die Verursacherin des Unfalls war jedoch der Auffassung, der Aufprall sei nicht stark genug gewesen, um derartige Verletzungen herbeizuführen. Der Richter gab der Klage statt. Er berief sich auf den Grundsatz, dass der Abstand immer so groß sein müsse, dass ein Fahrzeug rechtzeitig angehalten werden könne. Arztberichte und Röntgenbilder befand das Gericht als ausreichende Beweismittel (Az. 12 C 78/13).

Rot heißt nicht immer Rot
In einem Fall vor dem Oberlandesgericht Hamm (Az. 1 RBs 98/13) ging es um einen Autofahrer, der vor einer Kreuzung stand. Seine Ampel zeigte Rot. Dennoch bog er nach links auf eine im Eckbereich der Kreuzung liegende Tankstelle ab. Der Fahrer überquerte die Tankstelle, bog links in die Straße und vermied damit die Wartezeit an der Ampel. Wegen „vorsätzlicher Nichtbefolgung eines Wechselzeichens“ verurteilte das zuständige Amtsgericht ihn zu einer Geldbuße und einem Fahrverbot von einem Monat.
Der Autofahrer legte Einspruch ein und das Oberlandesgericht Hamm gab ihm statt. Ein Rotlicht zu umfahren, sei innerhalb einer bestimmten Schutzzone von etwa 15 m vor und hinter der Ampel nicht erlaubt. Jedoch verbiete eine rote Ampel nicht grundsätzlich vor ihr abzubiegen und sich hinter der Schutzzone wieder in den Verkehr einzugliedern. Das Auffahren und Verlassen eines Privatgrundstücks sei keine Ordnungswidrigkeit. Ob sich der Betroffene zivilrechtlich, also im Verhältnis zum Tankstellenbetreiber, korrekt verhalten hat, war nicht Gegenstand des Verfahrens.

Warnweste ist Pflicht

Seit dem 1. Juli 2014 gilt in Deutschland die Pflicht, eine Warnweste im privaten Fahrzeug mitzuführen. Für gewerblich genutzte Fahrzeuge gilt das schon lange. Mindestens eine Warnkleidung ist mitzuführen, besser aber so viele Warnwesten, wie Sitzplätze vorhanden sind. Das Fehlen ist eine Ordnungswidrigkeit, die mit einem Bußgeld belegt werden kann. Jeder Unternehmer ist zudem verpflichtet, seine Mitarbeiter über das Tragen von Warnwesten zu unterrichten. Diese Unterweisung muss mindestens einmal jährlich erfolgen und schriftlich festgehalten werden.


Punkte- und Bußgeldkatalog 2014

Seit dem 1. Mai dieses Jahres gilt ein neuer Punkte- und Bußgeldkatalog mit der Neuregelung des Fahreignungsregisters (FAER) sowie einem neuen Punktesystem in Flensburg. Einige allgemein gültige Aussagen zu den Änderungen sind hier zu finden. Weitere Neuerungen und zum neuen Punktesystem gibt es auf zahlreichen Seiten im Internet (s. u.).

Welche Bußgelder erhöhen sich?
Die Neuregelung achtet stärker auf verkehrssicherheitsrelevante Verstöße. Für diese Art von Zuwiderhandlungen muss somit tiefer in die Tasche gegriffen werden. Dazu zählen beispielsweise Verstöße wie Behinderung von Rettungsfahrzeugen durch verbotswidriges Parken, Handynutzung am Steuer, Rotlicht- oder Vorfahrtverstoß sowie die Missachtung der Winterreifenpflicht.

Welche Verkehrsverstöße sind zukünftig punktefrei?
Straftaten und Ordnungswidrigkeiten, die keinen Einfluss auf die Verkehrssicherheit haben, werden zukünftig nicht mehr im Verkehrszentralregister festgehalten. Keine Punkte mehr gibt es beispielsweise bei der Nichterfüllung der Fahrtenbuchauflage, bei der Missachtung der Feststellungspflichten hinsichtlich Gesamtgewicht, Anhängerlast und Achslast sowie bei der verbotenen Einfahrt in Umweltzonen.
Teuer werden kann es trotzdem. Teilweise gilt ein höheres Bußgeld.

Wie viele Punkte und mit welcher Konsequenz?
Je nach Schwere der Ordnungswidrigkeit ist mit einem Eintrag von 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7 oder sogar 8 Punkten zu rechnen.
• 1 bis 3 Punkte:
• Vormerkung ohne eine weitere Maßnahme.
• 4 oder 5 Punkte:
• Hier erfolgt eine Ermahnung. Mit einem freiwilligen Fahreignungsseminar lässt sich 1 Punkt abbauen. Ein Punktabzug wird generell nur einmal in 5 Jahren gewährt.
• 6 oder 7 Punkte:
• Verwarnung und der Hinweis, dass ein Fahreignungsseminar freiwillig besucht werden kann, allerdings ohne Möglichkeit des Punkteabbaus.
• 8 oder mehr Punkte:
• Entziehung der Fahrerlaubnis. Der Führerschein kann nach frühestens einem halben Jahr und bestandener MPU neu beantragt werden. Eine neue Fahrprüfung muss hierfür in der Regel nicht gemacht werden.
Nach wie viel Jahren erfolgt eine Punktelöschung?
• Nach 2,5 Jahren werden Ordnungswidrigkeiten mit einem Punkt gelöscht.
• Nach 5 Jahren werden Ordnungswidrigkeiten und Straftaten mit 2 Punkten gelöscht.
• Nach 10 Jahren werden Straftaten mit 3 Punkten gelöscht.
Der Punktestand kann nach wie vor beim Kraftfahrt-Bundesamt (www.kba.de) erfragt werden.

Autorin: Angela Kanders, freie Journalistin

www.kba.de
www.bussgeldkatalog.org
www.bussgeld-info.de
www.bussgeldkataloge.de

 


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