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Vom Labor in die Praxis - Modellversuch in Bottrop will 100 KWK-Anlagen ins Feld bringen und auswerten

Im Rahmen eines Modellprojekts in Bottrop werden in repräsentativen Gebäudetypen mit unterschiedlichen Wärmestandards bis zu 100 KWK-Systeme unterschiedlicher Technologien installiert, um einen „Vorher-Nachher-Vergleich“ durchzuführen. Analysiert werden sollen Energieeinsatz, CO2-Einsparpotenzial, Nutzungsgrad, Treibhausgas-Emissionen sowie Installation, Wartung und Nutzerkomfort.

 

Ausgangssituation

Deutschland hat sich im Bereich der Energie- und Klimapolitik anspruchsvolle Ziele gesetzt, um die Treibhausgas-Emissionen deutlich zu senken. So soll bis 2020 gegenüber dem Referenzjahr 1990 eine Reduktion um 40% erreicht werden. Gleichzeitig sollen die Energieeffizienz weiter gesteigert und der Anteil der Regenerativen Energien an der Strom- und Wärmeerzeugung ausgebaut werden. Das Ener­giekonzept der Bundesregierung aus dem Jahr 2010 verlängerte den Zeitraum bis in das Jahr 2050 hinaus und gab noch stringentere Ziele mit einer Reduktion der Treibhausgas-Emissionen im Vergleich zu 1990 um 80% verbunden mit einem noch höheren Anteil Regenerativer Energien vor. 2011 wurde der Beschluss ergänzt, bis spätestens 2022 aus der Nutzung der Kern­energie auszusteigen.
Die Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) ist im Energiekonzept der Bundesregierung nicht als eigener Handlungsschwerpunkt formuliert, vielmehr wird sie nur im Kontext mit Energieeffizienz und Kraftwerken erwähnt. Im Januar 2009 trat die Novelle des KWKG (Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz: Gesetz für die Erhaltung, die Modernisierung und den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung) in Kraft, mit dem Ziel, bis zum Jahr 2020 den Anteil des in KWK-Anlagen erzeugten Stroms an der gesamten Erzeugung auf 25% zu erhöhen. In Tabelle 1 sind die wesentlichen Zielgrößen der Energie- und Klimapolitik in Deutschland zusammengefasst [1,2,3].
Bild 1 zeigt den Anteil der KWK-Stromerzeugung für Deutschland für die Jahre 2005 bis 2011. Zusätzlich ist das Ausbauziel von 25% für 2020 angegeben. Es wird deutlich, dass noch große Anstrengungen erforderlich sind, das Ausbauziel im Jahr 2020 zu erreichen.
Ein Blick auf die Kennzahlen des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) zur Förderung von Mini-KWK-Anlagen belegt, dass der Ausbau von Anlagen mit kleineren elektrischen Leistungen bis 20 kWel zwar forciert wurde, insgesamt aber erst am Anfang steht. Die Auflistung förderfähiger Anlagen durch die BAFA umfasst mittlerweile über 70 KWK-Anlagen der verschiedensten Hersteller [4]. Seit Beginn des am 1. April 2012 neu aufgelegten Förderprogramms für Mini-KWK-Anlagen bis 20 kWel, die in Bestandsgebäuden installiert werden, wurden 4270 Anlagen (Evaluierung vom 08.08.2013) gefördert. Es wurde eine elektrische Gesamtleistung von ca. 19 MWel mit folgender Aufteilung nach der elektrischen Leistung installiert:
12,5%     bis 3 kWel
47,5%     3,1 bis 10 kWel
40,1%     10,1 bis 20 kWel.

Die regionale Aufteilung der durch dieses Förderprogramm berücksichtigten KWK-Anlagen ist in Bild 2 dargestellt.

Situation in Nordrhein-Westfalen

Das von der Bundesregierung angestrebte Ziel, bis zum Jahr 2020 mindes­tens 25% des Stromes mit hocheffizienten KWK-Technologien zu erzeugen, wurde u.a. auch vom Land Nordrhein-Westfalen aufgegriffen. Im Rahmen einer Studie hat das Bremer Energie Institut 2011 für das Land NRW ermittelt, dass ein wirtschaftlich darstellbares Potenzial für das System „KWK-Fernwärme“ von jährlich 75 TWh vorliegt, wobei ca. 2/3 auf Städte mit mehr als 150.000 Einwohnern entfallen. Dies entspricht ca. 36% des Nutzwärmebedarfs in NRW. Nach den Analysen könnte bei einer installierten Leistung von 20 GW eine jährlich Strommenge von 80 TWh erzeugt werden, sofern die festgestellten KWK-Potenziale durch neue hocheffiziente KWK-Anlagen erschlossen und entsprechend neue Wärmesenken aufgebaut sowie vorhandene Wärmenetze verdichtet und ausgebaut würden [5,6].
Um den begonnenen Ausbau weiter zu verstetigen und natürlich auch zu forcieren, wurde vom NRW-Klimaschutzministerium das KWK-Impulsprogramm aufgelegt. Zentraler Bestandteil dieses KWK-Impulsprogramms sind zwei Förderinstrumente. Bereits im Oktober 2012 wurde eine Richtlinie zur Förderung von Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen bis einschließlich 50 kWel erlassen (siehe Programm Rationelle Energieverwendung, Regenerative Energien und Energie sparen unter www.progres.nrw.de). Diese Richtlinie (NRW/EU.KWK-Investitionszuschuss) regelt Zuschüsse für Unternehmen in NRW (vorwiegend KMU) zur Förderung von hocheffizienten dezentralen KWK-Anlagen bis einschließlich 50 kWel. Darüber hinaus bietet der NRW/EU.KWK-Investitionskredit zinsverbilligte Darlehen für Anlagen mit Kraft-Wärme-Kopplung in Unternehmen. Das KWK-Impulsprogramm in NRW bündelt somit neben Förderungs- und Finanzierungsmöglichkeiten für die Kraft-Wärme-Kopplung auch Beratungsinstrumente sowie F&E-Demonstrationsprojekte.
Mit der Kampagne „KWK.NRW – Strom trifft Wärme“ (www.kwk-fuer-nrw.de) will die EnergieAgentur.NRW den Bekanntheitsgrad von KWK verbessern und für deren forcierten Ausbau werben. Die Kampagne begleitet das KWK-Impulsprogramm der NRW-Landesregierung, das mit einem Volumen von rund 250 Mio. Euro über mehrere Jahre ausgestattet ist.

Anlass und Zielsetzung des 100-KWK-Projekts

Im Rahmen der Innovationsoffensive Gastechnologie des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches (DVGW) wurden umfangreiche Untersuchungen zur Einführung und Optimierung von energieeffizienten Anwendungstechnologien durchgeführt. In den Forschungsprojekten „Anwendungspotenziale innovativer Gasanwendungstechnologien: Kraft-Wärme-Kopplung und Brennstoffzellen im System Gebäude und Anlagentechnik“ wurden vom Gas- und Wärme-Institut Essen (GWI) und Partnern verschiedene Mikro- und Mini-KWK-Technologien (Stirling- und Otto-Motoren) sowie Brennstoffzellen (SOFC- und PEMFC-Systeme) im Labor nach neuesten Prüfverfahren bewertet [8]. Dabei zeigte sich, dass alle untersuchten KWK-Technologien hocheffizient arbeiten.
Es folgten erweiterte Laborversuche im GWI-Demonstrationshaus [8] unter praxisnahen Randbedingungen, u.a. Langzeituntersuchungen verschiedener KWK-Technologien unter reproduzierbaren Nutzer- und Lastprofilen, Degradationsverhalten von Brennstoffzellenstacks. Diese Phasen (Schritt I und II) konnten mit Erfolg abgeschlossen werden, sodass die Überführung der Erkenntnisse zum optimalen Betrieb von KWK-Anlagen in die Praxis nun in Schritt III erfolgt (Bild 4).
Die bisherigen Analysen zeigten, dass der Ausbau von Mini-KWK-Anlagen bis 20 kWel erst am Anfang steht. Hier zeigt sich in besonderem Maße das nach wie vor ungelöste Problem des Sanierungsstaus im Heizungskeller. Hierzu soll das Demonstrationsprojekt „Vom Labor in die Demonstration – KWK-Modellversuch zur CO2-Reduktion in der InnovationCity Bottrop“ entscheidende Impulse liefern. Im Rahmen des von der Landesregierung Nordrhein-Westfalen mitten im Ruhrgebiet geförderten Leuchtturmprojekts sollen bis zu 100 KWK-Anlagen im Wohnungs- und kleineren Gewerbebestand in Gebäudetypen mit unterschiedlichen Dämmstandards installiert, über mehrere Heizperioden betrieben und mit einem geeigneten Monitoring-Programm begleitet werden. Zum Einsatz kommen Otto- und Stirling-Motoren ebenso wie Brennstoffzellen. Folgende Kriterien werden zur Analyse herangezogen: Energieeinsatz und Ener­gieverbrauch, Gebäudeeignung sowie Installation, Wartung und Nutzerkomfort. Ferner ist eine differenzierte energetische Bewertung durch die Integration gleicher Technologien bei unterschiedlichen Dämmstandards der ausgewählten Gebäude vorgesehen, um ein technisches und wirtschaftliches Optimum zu finden. Außerdem sollen für ausgewählte Referenzsysteme zusätzlich Speichergrößen variiert werden, um auch in Kombination mit dem Nutzerverhalten Aussagen zur optimalen Dimensionierung von Speichern zu verifizieren. Nicht zuletzt ist vorgesehen, die Smart Grid Option zur Anlagenverknüpfung und zu Netz­interaktionen zu berücksichtigen.
Das Demonstrationsprojekt ist im Wesentlichen in zwei Phasen differenziert:

  • Eine Start- bzw. Initialisierungsphase über einen Zeitraum von ca. sechs Monaten (Gebäudeauswahl, Technologietransfer in Abstimmung mit den Herstellern, Ausrüstung geeigneter Objekte sowie Aufsetzen eines abgestimmten Messprogramms und Auswerteverfahren, Kommunikation mit dem Projektträger und den Nutzern).
  • Anschließend ein weitgehend automatisiertes Monitoring-Programm mit einer Dauer von zwei Heizperioden, einschließlich Aus- und Bewertung der Messergebnisse.

Das Projekt befindet sich – nach Abschluss der europaweiten Ausschreibungsverfahren zur Beschaffung der KWK-Anlagen, Messtechnik und Installationsdienstleistungen – im Wesentlichen in der Installationsphase der KWK-Anlagen und der Messtechnik.
Mit ersten Ergebnissen aus den begleiteten KWK-Anlagen ist Ende 2014 zu rechnen. Insgesamt ist das Modellvorhaben auf 3 Jahre angelegt. Projektpartner sind die InnovationCity Management GmbH, die  Hochschule Ruhr-West, der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW) sowie die Emscher Lippe Energie GmbH (ELE). Das Demonstrationsprojekt wird gefördert mit Mitteln aus dem „Programm Rationelle Energieverwendung, regenerative Energien und Energiesparen“ und dem „Europäischen Fonds für regionale Entwicklung“.?
Literatur:
[1]    Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi): Energiewende auf
Erfolgskurs – Maßnahmen für eine sichere, bezahlbare und umweltschonende Energie­-
­versorgung, aktualisierte Ausgabe April 2013
[2]    Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) und Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktor­sicherheit (BMU): Energiekonzept für eine umweltschonende, zuverlässige und bezahl­bare Energieversorgung, September 2010
[3]    Wünsch, M. et al: Maßnahmen zur nach­haltigen Integration von Systemen zur gekoppelten Strom- und Wärmebereitstellung in das neue Energieversorgungssystem. Im Auftrag des BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V., Berlin, und des AGFW Der Energieeffizienzverband für Wärme, Kälte und KWK e.V., Frankfurt a. M. Prognos AG, Juli 2013
[4]    Mini-KWK-Anlagen – Liste der förderfähigen KWK-Anlagen bis einschließlich 20 kWel.
Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhr­kontrolle, Stand 17.03.2014
[5]    Eikmeier, B. et al: Potenzialerhebung von
Kraft-Wärme-Kopplung in Nordrhein-West­falen. Studie im Auftrag des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen, Bremer Energie Ins­titut, Mai 2011
[6]    Bartelt, M. et al: Perspektiven der Fernwärme im Ruhrgebiet bis 2050. Gutachten im Auftrag des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Ver­braucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen, BET Büro für Energiewirtschaft und technische Planung GmbH Aachen, Mai 2013
[7]    Anwendungspotenziale innovativer Gasan­wendungstechnologien: Kraft-Wärme-Kopplung und Brennstoffzellen im System Gebäude und Anlagentechnik (DVGW-F&E-Forschungsvorhaben G 8-01-10 und G 8-02-10). Abschlussbericht Gas- und Wärme-Institut Essen e.V., DBI-Gastechnologisches Institut gGmbH Freiberg, DVGW-Forschungsstelle am Engler-Bunte-Institut Karlsruhe, 2012
[8]    Albus, R.: Gasanwendungstechnologien im GWI-Versuchshaus – Technologiedemon­stration aus der DVGW-Innovationsoffensive am Gas- und Wärme-Institut Essen e. V. gwf-Gas | Erdgas (2012) Nr. 4, S. 282

Autoren: Dr.-Ing. Rolf Albus, Geschäftsführender Vorstand; M.Eng. Dipl.-Ing. Maren Wenzel, Projektingenieurin Brennstoff- und Gerätetechnik; M.Eng. Michael Buller, Teamleiter Gerätetechnik; Dipl.-Ing. Frank Burmeister, Abteilungsleiter Brennstoff- und Gerätetechnik, alle vier Gas- und Wärme-Institut Essen.

www.gwi-essen.de
www.energieagentur.nrw.de
www.100kwk.de

 


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