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Vom Auslaufmodell zum Ökostromspeicherofen? – Der Bundestag hat das für 2019 geplante Verbot von Nachtspeicheröfen gekippt

Der Retro-Look hat derzeit Konjunktur. Nicht nur in der Mode- und Einrichtungswelt, auch im Armaturenbereich für Küche und Bad bieten die Hersteller eine Vielzahl von klassisch-eleganten Armaturen und Accessoires im Stil der zwanziger Jahre an. Nun kündigt sich eine Retro-Welle der gänzlich anderen Art an. Nachtspeicheröfen – die Urgesteine unter den Stromheizungen und seit Jahren verpönt aufgrund ihrer hohen Betriebskosten – sollen künftig als (Wärme)Energiespeicher bei Stromüberschuss dienen. Der Bundestag hat Mitte Mai dafür den Weg geebnet. Hintergründe und Reaktionen aus dem Markt.

Viele Nachspeicheröfen verrichten schon seit Jahrzehnten ihren Dienst.

Wir brauchen echte Strom-zu-Strom-Speicher und keine ineffizienten Strom-Wärme-Tauscher, meint Franz Untersteller, Umweltminis­ter in Baden-Württemberg.

Als einen Sieg der ökologischen und ökonomischen Vernunft bezeichnet Haus & Grund-Präsident Rolf Kornemann die Entscheidung pro Nachtspeicheröfen.

 

Wir erinnern uns: In den 60er-Jahren wurden die sperrigen und schwergewichtigen Speicheröfen durch die Energieversorger mit günstigen Nachtstromtarifen subventioniert. Das Ziel damals: Die Kraftwerke sollten besser ausgelastet werden. Lang ist’s her.

Richtig günstige Nachtstromtarife gibt es längst nicht mehr. Nachtspeicheröfen gelten heute als Energieverschwender mit wenig Komfort. In den älteren Baureihen wurde zudem Asbest verbaut. Greenpeace verweist nicht nur auf einen hohen Energieverbrauch, sondern auch auf ihre starke Klimafeindlichkeit: Nachtspeicheröfen geben im Vergleich zu einer Pellet-Heizung zehnmal mehr Klimagase in die Atmosphäre ab, selbst gegenüber einem konventionellen Gas-Brennwertkessel sind ihre Emissionen dreimal höher, sagen die Umweltschützer.

Eigentlich hatte die Politik beschlossen, die vor 1990 eingebauten Nachtspeicheröfen im Jahr 2019 einzumotten. Später installierte Öfen sollten für insgesamt 30 Jahre laufen dürfen. Nun hat der Bundestag anders entschieden: Die rund 1,5 Mio. Nachtspeicherheizungen in Deutschland können auch über das Jahr 2020 hinaus betrieben werden. Ein entsprechendes Verbot aus den Zeiten der großen Koalition wurde im Mai mit den Stimmen von CDU/CSU und FDP gekippt.

Begrüßen werden diese Entscheidung vor allem die großen Energiekonzerne. Bereits zu Beginn des Jahres war bekannt geworden, dass RWE und EnBW Pilotprojekte fahren, bei den Nachtspeicheröfen mit moderner Regeltechnik ausgestattet werden und dann als Zwischenspeicher für Strom aus Windkraftanlagen dienen sollen (siehe Infokasten). Flächendeckend soll das Verfahren ab 2016 zur Verfügung stehen.

PV-Batteriespeicher statt Elektro-Nachtspeicheröfen

Greenpeace hält die Unverzichtbarkeit von Nachtspeicheröfen für die Zwischenspeicherung von Ökostrom für eine Farce und bekommt Unterstützung vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiewirtschaft. Erst vor wenigen Monaten hatte das Institut in seiner „Speicherstudie 2013“ aufgezeigt, dass Lösungen für die Speicherung von dezentral erzeugter Regenerativer Energie bereits vorhanden seien.

Im Ergebnis kommt die Studie zum Schluss, dass Batteriespeicher in Verbindung mit einer Photovoltaik-Anlage maßgeblich die Stromnetze entlasten, die Verfügbarkeit von Solarstrom ausweiten und zugleich die von den Verbrauchern zu tragenden Ener­giewende-Kosten senken können. Aus dem Bundesverband Solarwirtschaft, der die Studie beauftragt hatte, heißt es dazu: „Die dezentralen Solarbatterien speichern den erzeugten Solarstrom während des Tages zwischen, geben ihn zeitversetzt wieder ab und glätten so die Einspeisespitzen. Damit erhöhen Batteriespeicher die Aufnahmefähigkeit bestehender Stromnetze um bis zu 66%.“

Reaktionen pro und contra

Die Reaktionen über das gekippte Verbot von Nachtspeicheröfen differenzieren freilich je nach Interessenlage. „Was nützt es denn, überschüssigen Strom aus Photovoltaik-Anlagen im Sommer in Wärme-Energie zum Heizen der Wohnung umzuwandeln? Was wir brauchen sind echte Strom-zu-Strom-Speicher, aber doch keine ineffizienten Strom-Wärme-Tauscher“, sagt beispielsweise Franz Untersteller. Der baden-württembergische Umweltminister weist darauf hin, dass die Nachtspeicher­öfen an kalten, wind- und sonnenarmen Tagen im Winter zum Heizen hochwertigen Strom aus den dann ohnehin schon angespannten Netzen ziehen müssten.

Da solche Strom-Heizungen unter den energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen für ihre Besitzer auch wirtschaftlich unvernünftig seien, sei es sinnvoller, den Austausch von Elektrospeicherheizungen mit modernen Heizsystemen zu begleiten und mit gezielten Beratungsmaßnahmen zu unterstützen. „Das Verbot von Nachtspeicheröfen ab dem Jahr 2020 halte ich nach wie vor für richtig“, urteilt der Minister.


„Auf in die Sechzigerjahre!“, kommentiert Cornelia Ziehm, die Leiterin Klimaschutz und Energiewende der Deutschen Umwelthilfe (DUH), bereits im Vorfeld der Entscheidung. Der derzeitige Bestand an Nachtspeicherheizungen in Deutschland sei verantwortlich für eine gewaltige Stromverschwendung von 10 bis 15 Terawattstunden (TWh) – das entspreche rund 2 bis 3% des nationalen Strombedarfs. Dass sie den aufgrund von Netzengpässen abgeregelten Strom aus Erneuerbaren Energien (2011: 0,42 TWh) aufnähmen, sei im Vergleich zu anderen Optionen wie Wärmepumpen oder stromgeführte KWK ineffektiv und nicht immer möglich.

Im Gegenteil: Nachtspeicherheizungen bräuchten vor allem im Winter Strom, auch wenn bei Höchstlast kein Wind wehe. Sie würden dann zu einer Zusatzbelastung für das Stromsystem, wie man in Frankreich bei jedem strengen Frost beobachten könne. „Nachtspeicherheizungen wurden in Deutschland in den Sechziger- und Anfang der Siebzigerjahre des letzten Jahrhunderts eingeführt, um überschüssigen Atom- und Braunkohlestrom zu verheizen. Auch in Zukunft würden sie wohl eher zu einer höheren Auslastung klimaschädlicher RWE-Braunkohlekraftwerke im Winter dienen“, erklärte Ziehm. „Es bleibt dabei: Ineffiziente, asbesthaltige Heizungen gehören nicht in Schlaf- und Wohnzimmer.“


Als einen Sieg der ökologischen und ökonomischen Vernunft bezeichnet dagegen Haus & Grund-Präsident Rolf Kornemann die Entscheidung pro Nachtspeicheröfen: „Wir sollten jede zur Verfügung stehende Möglichkeit nutzen, um das zeitweise Überangebot etwa von Wind- und Solarstrom zu speichern. So werden aus Öfen, die früher mit Nachtstrom aus Atom- und Kohlekraftwerken betrieben wurden, Ökostromspeicheröfen.“ Diese Nutzung sei zumindest so lange sinnvoll, bis neue und leis­tungsfähigere Stromspeicher entwickelt würden.

Schlussbemerkung

Die Entscheidung, Nachtspeicher­öfen zeitlich unbefristet weiter betreiben zu können, steht. Es scheint so, als habe sich die Stromlobby mal wieder durchgesetzt und der Politik den Weg gewiesen. Ob Elektrospeicherheizungen in naher Zukunft tatsächlich eine tragende Rolle als Speicher für überschüssigen Strom aus erneuerbaren Energiequellen übernehmen können, sei dahingestellt. Auch bleibt die Frage, ob es tatsächlich Sinn macht, alte Öfen mit neuer Regeltechnik auszustatten?

Dämmung, Speichersteine, Ventilator und auch die internen Regelkreise – an allen Komponenten nagt der Zahn der Zeit. Eine Laderegelung macht noch kein modernes Heizsystem. Also am besten gleich neue Nachtspeicher installieren? Dann bleibt die Abhängigkeit des Nutzers vom Energieversorger, der die Konditionen für die Kilowattstunde und auch die Ladezeiten diktiert. Die Nutzung regenerativer Energien wie solare Wärme schließt sich damit weiterhin aus.

Bei anstehenden Sanierungsmaßnahmen sollte die Umstellung von Nachtspeicheröfen auf ein umweltschonendes und sparsames Heizsystem mit Einbindung Erneuerbarer Energien deshalb grundsätzlich in Betracht gezogen werden. Horrende Stromkosten und das nervige Blasen der Raumheizer hätten dann ein Ende. Zum Wohle der Nutzer.

RWE-Feldstudie – Elektroheizungen als Speicher nutzen

Im Forschungsprojekt „Windheizung“* hat die RWE Effizienz GmbH, eine Tochter der RWE Deutschland, ein Lademodell für Fußbodenspeicherheizungen erprobt, das überschüssigen Strom aus Wind- und Sonnenenergie nutzbar macht. Die Endkundenanlagen fungieren dabei als Bedarfsspeicher. In 50 Testhaushalten in Essen-Stoppenberg wurden hierfür die herkömmlichen starren Ladezeiten der Heizungen aufgehoben und durch einen flexiblen Ladeprozess ersetzt. Dabei lag die Regelung der Raumtemperatur in den Händen der Nutzer. Das Steuerungskonzept passte sich daran an und gab lediglich die Zeit vor, wann die Speicherheizungen geladen wurden.

„Der Feldtest beweist die technische Machbarkeit des neuen Lademodells. Damit könnten in Zukunft auch andere ökologische Heizsysteme wie z.B. Wärmepumpen gesteuert werden. Es eignet sich auch für Elektroautos“, resümierte Geschäftsführer Dr. Norbert Verweyen im Dezember letzten Jahres. „Unsere Probanden bestätigen uns, dass der Wohnkomfort steigt. Hier gewährleistet die Windheizung, dass sowohl eine ausreichende Energiemenge gespeichert wird als auch genug Wärme zum Heizen zur Verfügung steht.“

In einem weiteren Schritt will der Energiekonzern die gesammelten Erfahrungen hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit auswerten. Außerdem soll dieses Konzept auf vergleichbare Technologien ausgeweitet werden. Im Herbst 2012 gingen in Meckenheim bereits weitere Pilotanlagen (überwiegend in Mehrfamilienhäusern) mit konventionellen elektrischen Speicheröfen an den Start. Zukünftig, so die Planungen, sollen auch Wärmepumpen integriert werden. Diese könnten über entsprechende Pufferspeicher und über die Warmwassererzeugung ebenfalls weitgehend unabhängig vom aktuellen Heizenergiebedarf betrieben werden.

Verordnung zur Änderung der Energieeinsparverordnung

(EnEVÄndV): §10a Außerbetriebnahme von elektrischen Speicherheizsystemen
(Geltung vom 1.10.2009, Auszug)

(1) In Wohngebäuden mit mehr als fünf Wohneinheiten dürfen Eigentümer elektrische Speicherheizsysteme nach Maßgabe des Absatzes 2 nicht mehr betreiben, wenn die Raumwärme in den Gebäuden ausschließlich durch elektrische Speicherheizsysteme erzeugt wird. Auf Nichtwohngebäude, die nach ihrer Zweckbestimmung jährlich mindestens vier Monate und auf Innentemperaturen von mindestens 19°C beheizt werden, ist Satz 1 entsprechend anzuwenden, wenn mehr als 500m² Nutzfläche mit elektrischen Speicherheizsystemen beheizt werden. Auf elektrische Speicherheizsysteme mit nicht mehr als 20 W Heizleistung pro m² Nutzfläche einer Wohnungs-, Betriebs- oder sonstigen Nutzungseinheit sind die Sätze 1 und 2 nicht anzuwenden.

(2) Vor dem 1. Januar 1990 eingebaute oder aufgestellte elektrische Speicherheizsysteme dürfen nach dem 31. Dezember 2019 nicht mehr betrieben werden. Nach dem 31. Dezember 1989 eingebaute oder aufgestellte elektrische Speicherheizsysteme dürfen nach Ablauf von 30 Jahren nach dem Einbau oder der Aufstellung nicht mehr betrieben werden. Wurden die elektrischen Speicherheizsysteme nach dem 31. Dezember 1989 in wesentlichen Bauteilen erneuert, dürfen sie nach Ablauf von 30 Jahren nach der Erneuerung nicht mehr betrieben werden. Werden mehrere Heizaggregate in einem Gebäude betrieben, ist bei Anwendung der Sätze 1, 2 oder 3 insgesamt auf das zweitälteste Heizaggregat abzustellen.

 


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