Verschärfte Vorschriften – Anforderungen, Auswirkungen und Erläuterungen zur novellierten Trinkwasserverordnung 2011
Der Schutz des Trinkwassers wird durch zahlreiche Regelwerke beschrieben. Dazu die Trinkwasserverordnung, die mit ihrer Novelle seit dem 1. November 2011 die Anforderungen für den Betrieb von Trinkwasseranlagen verschärft hat. Über die wichtigsten Neuerungen sprach die IKZ-Redaktion mit Dipl.-Ing. Jörg Schütz, Geschäftsführer Technik des Fachverbands SHK Bayern und Mitglied in verschiedenen Normungsgremien.
IKZ-HAUSTECHNIK: Herr Schütz, vor rund sechs Monaten ist die novellierte Trinkwasserverordnung in Kraft getreten. Wie sieht aus Ihrer Sicht ein erstes Fazit aus?
Jörg Schütz: Das Thema wurde von der gesamten Branche enorm gut angenommen. In Bayern haben wir z. B. innerhalb von drei Monaten rund 30 Innungsveranstaltungen mit etwa 2000 Teilnehmern abgehalten. Dazu kommen etliche Ganztagesfortbildungen, wie die vom ZVSHK zum Fachkundigen für Hygiene und Schutz des Trinkwassers, und zweitägige Schulungen zum zertifizierten Probennehmer. Alle Veranstaltungen waren ausgebucht. Das Engagement der Branche ist auch wichtig, da betroffene Hauseigentümer und -verwalter Ansprechpartner brauchen, die ihnen die neuen Anforderungen kompetent und korrekt erläutern können. Denn aus der Trinkwasserverordnung selbst sind die Details teilweise nur schwer herauszulesen bzw. nicht leicht verständlich.
IKZ-HAUSTECHNIK: Das Thema Trinkwasserhygiene ist regelmäßig in den Medien präsent. Inzwischen sollte auch der Endverbraucher darüber informiert sein, dass eine hygienische Beeinträchtigung – die in jeder Trinkwasseranlage eintreten kann – im schlimmsten Fall nicht nur die Gesundheit, sondern auch das Leben gefährden kann. Welche Änderung bewerten Sie vor diesem Hintergrund als die wichtigste in der novellierten Trinkwasserverordnung?
Jörg Schütz: Ganz klar, die Pflicht regelmäßiger Probennahmen in vermieteten Mehrfamilienhäusern. Regelmäßig heißt dabei nach heutigem Kenntnisstand jährliche Beprobung, um direkt dem Gerücht zuvorzukommen, dass die Intervalle u. a. wegen personeller Engpässe in den Gesundheitsämtern gestreckt werden sollen. Voraussetzungen für die Pflicht zur regelmäßigen Probennahme und ggf. unverzüglichen Meldung betroffener Anlagen beim Gesundheitsamt sind: die Bereitstellung des Trinkwassers im Rahmen einer sogenannten gewerblichen Tätigkeit, eine Großanlage zur Trinkwarmwasserbereitung und das eine Einrichtung zur Vernebelung von Trinkwarmwasser vorhanden ist – hier sind vor allem Duschen gemeint.
IKZ-HAUSTECHNIK: Unter dem Begriff „gewerbliche Tätigkeit“ kann viel verstanden werden. Sind damit nun auch die im Mietwohnungsbau installierten Trinkwasseranlagen als solche zu werten?
Jörg Schütz: Ja, genau diese Anlagen sind damit gemeint. Die Definition wurde in die Trinkwasserverordnung neu aufgenommen als „gewerbliche Tätigkeit“ mit Gewinnerzielungsabsicht. Dahinter versteckt sich vor allem die Vermietung von Wohnraum. Wie zuvor schon gesagt, ist es etwas schwierig, das was der Verordnungsgeber mit der Trinkwasserverordnung im Detail bezweckt, aus dieser so herauszulesen.
IKZ-HAUSTECHNIK: Und was ist mit Büro- und Produktionsgebäuden? Dies sind doch auch gewerbliche Anlagen.
Jörg Schütz: Wenn es um vermietete Räume geht, dann ja. Ansonsten: nein. Bei Vorhandensein von Duschen könnten Untersuchungen des eigenen Produktionsgebäudes aber aus anderen Gründen, wie z. B. der Fürsorgepflicht gegenüber den Beschäftigten, auf jeden Fall zu empfehlen sein. Neben der „gewerblichen Tätigkeit“ sind aber immer noch die erwähnten weiteren Kriterien einzuhalten. Wir reden aber gerade nur über die Pflicht zur Untersuchung. Die Anforderungen der Trinkwasserverordnung an die Qualität des Trinkwassers müssen natürlich immer eingehalten werden, egal, ob das Wasser beprobt wird oder nicht.
IKZ-HAUSTECHNIK: Gerade der Begriff der „Großanlage“ scheint für einige Verwirrung zu sorgen, z. B. in Zusammenhang mit großen Speichern in Ein- und Zweifamilienhäusern. Welche Definition steckt hinter dem Begriff?
Jörg Schütz: Zunächst, wenn es Großanlagen gibt, gibt es auch Kleinanlagen. Das wird manchmal übersehen und Gebäude folglich nur auf die Kriterien einer Großanlage hin bewertet.
Kleinanlagen sind alle Ein– und Zweifamilienhäuser, unabhängig von den Leitungs- oder Speicherinhalten, sowie alle sonstigen Anlagen mit Trinkwassererwärmern › 400 l Inhalt und Leitungsinhalten › 3 l in jeder Leitung zwischen Austritt aus dem Trinkwassererwärmer und den jeweiligen Zapfstellen, wobei die Zirkulationsleitung bei der Berechnung nicht berücksichtigt wird.
Großanlagen sind alle anderen Anlagen, das heißt ab dem Dreifamilienhaus, entweder mit einem Trinkwassererwärmer > 400 l und/oder mindestens einer Leitung mit mehr als 3 l Inhalt zwischen Speicher und Zapfstelle. Aber Achtung: Im zugehörigen Regelwerk, dem DVGW-Arbeitsblatt W 551, ist ein Fehler enthalten. Bei der Definition der Großanlagen muss dort jede Leitung über 3 l Inhalt haben. Dieser Fehler wird offensichtlich, wenn man im Arbeitsblatt W 551 die Definition der Kleinanlagen mit der der Großanlagen vergleicht und sich fragt, wozu Anlagen zählen, die sowohl Leitungen mit Leitungsinhalten > 3 l als auch > 3 l aufweisen. Dem Arbeitsblatt zufolge wäre z. B. eine Anlage mit 50 Leitungen a > 3 l Inhalt und bereits nur einer kurzen Warmwasserleitung < 3 l Inhalt keine Großanlage. Im Sinne der Trinkwasserverordnung muss dies aber eine Großanlage sein.
IKZ-HAUSTECHNIK: Von der Unklarheit in dem DVGW-Arbeitsblatt wieder zurück zur Trinkwasserverordnung. Ebenso unklar ist hier das Kriterium „Einrichtungen zur Vernebelung von Trinkwasser“. Um welche Einrichtungsgegenstände handelt es sich, da mitunter auch einige Waschtischarmaturen – bedingt durch die Bauart und die verwendeten Strahlregler – einen Vernebelungseffekt erzeugen?
Jörg Schütz: Es geht in erster Linie um Einrichtungen zum Duschen, ein Diskussionsansatz in Richtung Strahlregler ist mir in Zusammenhang mit der Trinkwasserverordnung bisher nicht bekannt. In der Begründung zur neuen Verordnung vom September 2010 sind aber Waschbecken in einem beispielhaften Fall ausdrücklich von der Untersuchungspflicht ausgenommen. Ich vermute, dass die Formulierung „Einrichtungen zur Vernebelung“ einfach eine generelle Öffnungsklausel darstellt.
Kleinanlagen sind alle Ein– und Zweifamilienhäuser?...
IKZ-HAUSTECHNIK: Genug der Unklarheiten, die die tägliche Praxis und die Arbeiten der SHK-Betriebe nicht einfacher machen. Aber mal ganz grundsätzlich: Wird der Installateur und Heizungsbauer in der Trinkwasserverordnung direkt angesprochen?
Jörg Schütz: Der Installateur und Heizungsbauer wird indirekt angesprochen, über den Begriff der allgemein anerkannten Regeln der Technik, der vielfach erwähnt wird. Und für richtige Planung, Bau und Inbetriebnahme ist der Installateur der Fachmann. Dazu kommt die Instandhaltung, die beauftragt werden muss und vor allem der richtige Betrieb, für den zwar der Betreiber zuständig ist, er aber bei der Anlagenübergabe vom SHK-Unternehmer eingewiesen werden muss.
IKZ-HAUSTECHNIK: Welche weiteren wichtigen Änderungen sind in der neuen Trinkwasserverordnung enthalten?
Jörg Schütz: In der Fassung von 2001 musste Trinkwasser frei von Krankheitserregern sein, heute wird davon abweichend gefordert, dass man von Krankheitserregern im Trinkwasser nicht krank werden darf. Dies bedeutet, dass eine gewisse Rate zulässig ist. Wasser muss also nicht steril oder keimfrei sein. Des Weiteren haben sich einige formale Dinge geändert. Heute reden wir von Trinkwasser, früher von Wasser für den menschlichen Gebrauch. Früher gab es nur drei Arten von Wasserversorgungsanlagen, heute sechs. In § 17 wurden Hinweise für zertifizierte Produkte und Verfahren aufgenommen. Das fordert von den Betrieben noch mal ausdrücklich nur zugelassene und geeignete Produkte in Trinkwasserinstallationen einzubauen. Die wichtigsten Änderungen haben aber mit den Trinkwasserinstallationen in vermieteten Gebäuden zu tun, wie die Untersuchungs- und Meldepflicht. Dazu kommt u. a. gemäß § 21 die jährliche Information über die Qualität des gelieferten Wassers mit Aushang in Mietshäusern oder in schriftlicher Form, also per Brief, an die Verbraucher bzw. Mieter. Das gilt auch für den Bereich der „öffentlichen Tätigkeit“, also in Gebäuden mit einem wechselnden Personenkreis, wie Schulen und Kindergärten.
Es geht in erster Linie um Einrichtungen zum Duschen?...
IKZ-HAUSTECHNIK: Wenn eine Trinkwasseranlage der Untersuchungspflicht unterliegt, wer ist für die Veranlassung der Untersuchung verantwortlich?
Jörg Schütz: In der Trinkwasserverordnung wird der „Unternehmer und der sonstige Inhaber einer Wasserversorgungsanlage“ zur Meldung beim Gesundheitsamt und zur Veranlassung der Untersuchung aufgefordert. Zu diesem Personenkreis gehören natürlich in erster Linie Eigentümer, Hausverwalter oder andere Beauftragte des Eigentümers, wie z. B. Facility Manager. Aber auch Pächter oder Mieter können hierfür zuständig sein, je nachdem wie die Aufgabenverteilung beim jeweiligen Objekt vertraglich geregelt ist. Der SHK-Unternehmer ist es aber nicht.
###newpage###
IKZ-HAUSTECHNIK: An welchen Stellen sind die Prüfungen in einer Trinkwasseranlage durchzuführen? Und was ist, wenn die Anlage nicht über die notwendigen Probennahmeeinrichtungen verfügt?
Jörg Schütz: Zentrale Trinkwassererwärmungsanlagen werden systemisch auf das Vorhandensein von Legionellen untersucht. Systemische Untersuchung heißt, es wird sowohl im Bereich des zentralen Trinkwassererwärmers als auch am Steigstrangende das Warmwasser an vorhandenen Zapfstellen, meist in den Bädern, jährlich beprobt. Wenn die Probennahmestellen, das heißt je eine Probennahmearmatur am Austritt des Warmwasserbereiters und vor dem Wiedereintritt in der Zirkulationsleitung, nicht vorhanden sind, fordert die Trinkwasserverordnung ausdrücklich deren Nachrüstung. Wenn Unsicherheiten bzw. Unklarheiten zu dieser Thematik bestehen, ist das Gesundheitsamt die zuständige Behörde. Falls schon ein Labor eingeschaltet wurde, kann man sich auch mit diesem abstimmen, da es die Verantwortung übernimmt, dass die Proben entsprechend der DIN EN ISO 19458, wie in der Verordnung gefordert, gezogen werden.
IKZ-HAUSTECHNIK: Die einmal im Jahr vorgeschriebene Trinkwasserprobennahme und Analyse durch ein akkreditiertes Labor ist zwar in der neuen Trinkwasserverordnung vorgeschrieben, eine Überwachung der Durchführung ist jedoch nicht ausreichend geregelt. Ist die neue Verordnung damit nicht schon jetzt wieder verbesserungsbedürftig?
Jörg Schütz: Da verlässt sich der Verordnungsgeber wie z. B. bei der Energieeinsparverordnung auf die Regelung durch den Markt. Allerdings geht es bei der Trinkwasserverordnung um den Schutz der Gesundheit. Was man im Sinne der Betreiber kritisch sehen muss, ist, dass diese nicht zum Handeln aufgefordert werden. Das heißt, es gibt kein Anschreiben, keine Erinnerung – die Verantwortlichen müssen selber tätig werden. Wenn der Betreiber dies nicht mitbekommt, schützt – wie bekannt – Unwissenheit vor Strafe nicht. Angesichts der in der Trinkwasserverordnung enthaltenen Paragraphen zu Ordnungswidrigkeiten und Straftaten kann man jedem in der Verantwortung stehenden nur raten, die Anforderungen der Verordnung zu erfüllen.
IKZ-HAUSTECHNIK: Zahlreiche Institutionen bieten Zertifizierungsschulungen für Probennahmen an. Wäre die Durchführung von Probennahmen, aufgrund der hohen Anzahl zu untersuchender Anlagen, auch ein lukratives Geschäftsfeld für den SHK-Profi? Und wie könnten sich SHK-Betriebe diesen Markt erschließen?
Jörg Schütz: Ganz klar, auf jeden Fall, denn wer versteht mehr von Trinkwasserinstallationen als die Fachleute aus dem SHK-Bereich?
Probennahme, Gefährdungsanalyse und anschließende Sanierung runden das übliche Angebot des SHK-Betriebes perfekt ab. Trinkwasseruntersuchungen, die sogenannten Probennahmen, dürfen aber nur von zugelassenen, akkreditierten Laboren durchgeführt werden, die die Anforderungen des § 15 der Trinkwasserverordnung erfüllen. Der an der Tätigkeit der Probennahme interessierte Installateur muss z. B. in Bayern eine zweitägige Grundschulung mit Prüfung absolvieren und kann dann als externer Probennehmer für ein zugelassenes Labor tätig werden. Dazu muss er mit dem Labor einen Vertrag schließen und wird von diesem in dessen Qualitätssicherungssystem eingebunden.
IKZ-HAUSTECHNIK: Allgemein herrscht die Meinung vor, dass solange Wasser fließt, es keine hygienischen Probleme in Trinkwasseranlagen gibt. Aber ist das wirklich der Fall? Schließlich sind aus der Praxis einige Fälle bekannt, in denen u. a. Materialien, Hilfsstoffe, Komponenten und auch Einbauteile als Ursache für gefährliche Kontaminationen ermittelt wurden.
Jörg Schütz: Dass Wasser im Sinne der Trinkwasserhygiene fließen muss, ist natürlich richtig. Aber was heißt denn fließen genau? Und wie oft wird denn der Wasserinhalt ausgetauscht? Fragen, die sich nicht leicht beantworten lassen. In dem Entwurf der DIN 1988-200 gibt es dazu einen Hinweis, dass bei einer Anlage mit hohem Wasseraustausch der Speicherinhalt alle drei Tage ausgetauscht wird.
Gar nicht erwähnt haben Sie das sehr wichtige Kriterium „Temperatur“, das sowohl für den Warm- als auch für den Kaltwasserbereich gilt. Würde es gelingen, die Temperaturen „warm“ überall im Bereich von 60 °C und unter 20 °C im Kaltwasserbereich zu halten, was selbstverständlich nur in Kombination mit stetigem Wasserfluss zu erreichen ist, wäre das optimal. Für die Einhaltung der 60 °C können auch elektrische Temperaturhaltebändern sehr nützlich sein.
Die von Ihnen erwähnten weiteren Ursachen können natürlich wesentlich Einfluss auf die Trinkwasserqualität nehmen, beispielhaft seien Ausdehnungsgefäße ohne Zwangsdurchströmung, Leitungen zu Be- und Entlüftern, Inkrustationen in verzinkten Leitungen, fehlende Wartung, falscher Betrieb sowie gut gemeintes Energie– und Wassersparen genannt. Fazit ist, dass das Gesamtkonzept stimmen muss.
IKZ-HAUSTECHNIK: Und welche Rolle spielt das Thema Wartung bei Trinkwasserinstallationen?
Jörg Schütz: Das ist natürlich ein Bereich, der noch enormes Potenzial bietet. Auf die Instandhaltung, bzw. als ein Teil davon die Wartung, wird in allen einschlägigen Regelwerken zu Trinkwasserinstallationen ausführlich und unmissverständlich hingewiesen. Aber dies muss den Kunden erklärt werden, da diese meist nicht von alleine darauf kommen. In den meisten Kellern werden Sie Folgendes vorfinden: Speicher in der Regel nicht auf 60 °C eingestellt, Speicher und Filter nicht gewartet, Warmwasserarmaturen ungedämmt, Kaltwasserarmaturen sowieso, Armaturen nur zum Teil funktionsbereit und oft besteht für den Füllschlauch eine ständige Verbindung von der Heizung zur Trinkwasseranlage. Alles Dinge, die sofort und teilweise ganz einfach zu ändern wären.
IKZ-HAUSTECHNIK: Gibt es bei gesundheitlich relevanten Anforderungen für alte Anlagen Bestandsschutz, wenn sie nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik hinsichtlich Installation, Betrieb und Wartung entsprechen?
Jörg Schütz: Fragen zum Bestandsschutz sind immer schwierig, die eher andere Beteiligte, z. B. aus dem Bereich Recht, beantworten sollten. Aus meiner Sicht entsprechen Bestandsanlagen oft nicht dem aktuellen Regelwerk, da sich in den letzten Jahren doch einiges getan hat, z. B. die Auslegung von Zirkulationssystemen nach dem DVGW-Arbeitsblatt W 553. Grundsätzlich gilt Bestandsschutz für alle Anlagen, die dem zum Zeitpunkt der Abnahme gültigen Regelwerk entsprechen, und solange das abgegebene Wasser der Trinkwasserverordnung entspricht. Wenn die Anforderungen der Trinkwasserverordnung nicht mehr eingehalten werden, dann gibt es auch keinen Bestandsschutz mehr, und die Anlage ist anders zu betreiben und/oder umzurüsten.
IKZ-HAUSTECHNIK: Angenommen, es liegt der Befund einer kontaminierten Trinkwasseranlage vor. Welche Maßnahmen müssen dann durchgeführt werden? Und was ist dabei zu beachten?
Jörg Schütz: Dann ist unverzüglich das Gesundheitsamt zu informieren, und es sind Untersuchungen sowie Maßnahmen zur Abhilfe einzuleiten. Außerdem kann das Gesundheitsamt eine Gefährdungsanalyse veranlassen. Das zeigt, dass es für den Betreiber aufwendig werden kann. Deswegen sollte er alle ihm möglichen Maßnahmen, z. B. hinsichtlich Betrieb und Instandhaltung, ergreifen, um die Wahrscheinlichkeit einer unauffälligen Beprobung zu erhöhen.
IKZ-HAUSTECHNIK: Neu in der Trinkwasserverordnung ist der von Ihnen gerade erwähnte Begriff der „Gefährdungsanalyse“. Was ist darunter zu verstehen und wer führt sie durch?
Jörg Schütz: Die Gefährdungsanalyse ist die Basis zur Klärung, welche technisch-hygienischen und organisatorischen Verbesserungen notwendig sind. Das heißt, dass die Trinkwasserinstallation auf Schwachstellen im Hinblick auf die Hygiene überprüft wird. Dies ist dann die Grundlage, um Maßnahmen und die Reihenfolge ihrer Durchführung festzulegen. Dazu werden meistens Bestandspläne gebraucht, um die Anlage systematisch, z. B. auf Temperaturen, Stagnationen und kritische Bauteile, untersuchen zu können. Durchgeführt wird die Gefährdungsanalyse in der Regel durch einen SHK-Fachbetrieb, ein Hygieneinstitut oder durch ein Fachplanungsbüro.
IKZ-HAUSTECHNIK: Sie haben gerade die Bestandspläne erwähnt, die aber oft gar nicht mehr vorhanden sind...
Jörg Schütz: Stimmt, damit ist zu rechnen, und das wird ein großes Problem sein. Ab einer bestimmten Gebäudegröße ist eine vernünftige Bewertung einer Trinkwasserinstallation ohne Pläne gar nicht mehr möglich. Sprich, die Dokumentation müsste dann nachträglich erstellt werden, um eine entsprechende Analyse sicher durchführen zu können.
IKZ-HAUSTECHNIK: Im Falle einer Kontamination wird meist vorschnell der Ruf nach einer Desinfektion des Rohrnetzes laut. Entweder über die Temperatur oder mittels Chemie. Wie stehen Sie zu diesen verfahrenstechnischen Maßnahmen?
Jörg Schütz: Vorweg, alle Maßnahmen haben Vor- und Nachteile, die es abzuwägen gilt. Details würden jetzt zu weit führen. Aber es ist auch klar, dass bei akuten Problemen kurzfristig Lösungen her müssen. So könnten die aus Krankenhäusern bekannten Sterilfilter eine erste schnelle Maßnahme sein. Ebenso eine thermische Desinfektion und der eventuelle anschließende Einsatz von – möglicherweise unterschiedlicher – Chemie. An meiner Ausdrucksweise erkennen Sie, dass man individuell vorgehen muss. Nicht bekannt sind oft die Wirkung bzw. der Einfluss der Maßnahmen auf die Lebensdauer der Bauteile. Hier sollte sich der Betrieb schriftlich vor Beginn der Desinfektion gegenüber dem Auftraggeber absichern. Da man in der Regel nur die Symptome und nicht die Ursachen bekämpft, ist eine Überprüfung der Installation und der Betriebsweise auf die allgemein anerkannten Regeln der Technik erforderlich. Wenn das unterlassen wird, sind weitere Verkeimungen und damit Desinfektionen wahrscheinlich.
IKZ-HAUSTECHNIK: Angenommen, es soll eine Desinfektion mit chemischen Mitteln durchgeführt werden. Muss dann der SHK-Unternehmer oder der Betreiber der Trinkwasseranlage dies, das heißt, den Einsatz der chemischen Mittel, dem Gesundheitsamt melden?
Jörg Schütz: Die sogenannten besonderen Anzeigepflichten, sind in § 16 der Trinkwasserverordnung geregelt, wie auch die Aufzeichnungspflichten von verwendeten Aufbereitungsstoffen. Wenn festgestellt wird, dass eine Meldung, das heißt Anzeige, nach § 16 beim Gesundheitsamt erforderlich ist, ist dies immer eine Aufgabe des „Unternehmers und des sonstigen Inhabers einer Wasserversorgungsanlage“ - sprich: des Betreibers.
IKZ-HAUSTECHNIK: Neben der Novelle der Trinkwasserverordnung wird sich das SHK-Handwerk auch mit den relevanten Normen auseinander setzen müssen. Einige europäische und nationale Normen wurden bereits umgesetzt oder stehen vor der Umsetzung, beispielsweise die DIN 1988-200 „Planung von Trinkwasseranlagen“, DIN 1988-300 „Berechnung und Dimensionierung“ oder DIN 1988-100 „Schutz des Trinkwassers“. Zum Teil liegen die Entwürfe der neuen Regelwerke schon vor. Auf welche neuen Anforderungen müssen sich Planer und Verarbeiter einstellen?
Jörg Schütz: Es ändert sich nicht die komplette Trinkwasserinstallation. Das was bisher richtig war, ist auch weitgehend weiterhin richtig. Das Regelwerk wird ja, wie schon gesagt, seit einigen Jahren vor dem Hintergrund der Trinkwasserhygiene weiterentwickelt. Meilensteine seit der Herausgabe der letzten DIN 1988 im Jahr 1988 waren 1993 und 2004 das Arbeitsblatt W 551, 1998 das Blatt W 553, 1999 und 2006 die VDI 6023, 2001 und 2011 die DIN EN 1717, 2004 und 2011 die ZVSHK Merkblätter zur Dichtheitsprüfung und 2005 zur Inbetriebnahme von Trinkwasserinstallationen. Wer diese Regelwerke verfolgt hat, ist schon auf einem sehr guten Stand. In den neuen Normen, die bis etwa zum Herbst 2012 erscheinen sollen, werden kleinere und größere Änderungen bzw. Ergänzungen erwartet. Beispiele sind neben neuen Berechnungsverfahren für Kalt– und Warmwasserleitungen, Ergänzungen bei der Dämmung von Kaltwasserleitungen – eventuell bis zu 100 %, Aussagen zu Ausstoßzeiten – max. 30 Sekunden bis zur Temperaturkonstanz, zu Verbrühungstemperaturen, Anlagen mit hohem Wasseraustausch, das heißt Austausch des Speichervolumens innerhalb von drei Tagen. Fachbetriebe sollten daher in nächster Zeit die Gelegenheit nutzen, ihr Fachwissen zu ergänzen, beispielsweise durch die Weiterbildungsveranstaltungen von Innungen und SHK Fachverbänden.
IKZ-HAUSTECHNIK: Was sind – in Stichworten gesagt – die wichtigsten Inhalte bezüglich einer hygienischen Trinkwasserinstallation aus diesen Regelwerken?
Jörg Schütz: Auf den Bedarf angepasste Auslegung der Anlage, Temperaturen Warmwasser 60/55 °C, Beachtung des Verbrühungsschutzes, einreguliertes, nach W 553 ausgelegtes Zirkulationssystem, Zirkulationspumpe durchlaufend, Kaltwasser – eventuell getrennt verlegt –maximal 25 °C, Minimierung von Stagnation, z.B. durch ein Spülsystem, fachgerechte Dämmung, geeignete Werkstoffe, z.B. auf W 270 geprüftes Schlauchmaterial, Beachtung der Sicherungsmaßnahmen nach DIN EN 1717, fachgerechte Dichtheitsprüfung und Inbetriebnahme, wartungsfreundliche Bauteile, Stichwort Speicherreinigung, richtiger Betrieb und Instandhaltung. Das sind natürlich Maximalforderungen, aber eine hygienische Trinkwasserinstallation ist möglich.
IKZ-HAUSTECHNIK: Herr Schütz, abschließende Frage: In wenigen Tagen findet in Nürnberg die IFH/Intherm statt. Die Trinkwasserverordnung wird dort bestimmt auch ein wichtiges Thema sein. Wo kann sich der Besucher Vorort informieren?
Jörg Schütz: Ganz sicher wird dies auf der Messe ein dominantes Thema sein. Informieren kann man sich natürlich bei den Herstellern und vor allem am Gemeinschaftsstand der Fachverbände SHK Bayern, Baden-Württemberg und Thüringen in Halle 8, Stand 8.111. Ich werde auch Vorort sein und freue mich schon jetzt auf interessante Gespräche.