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Unter anderen Umständen

Spätestens wenn einem Arbeitgeber die Schwangerschaft einer Mitarbeiterin bekannt wird, muss er eine Gefährdungsbeurteilung durchführen

Gesetzlich gefordert ist eine Beurteilung jeder Tätigkeit der werdenden Mutter. Das heißt, auch für eine Bürokraft, die z. B. Angebote erstellt oder Rechnungen schreibt, ist eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen. Können keine Gefährdungen ermittelt werden kann die Mitarbeiterin unter Berücksich­tigung des Mutterschutzgesetztes weiterbeschäftigt werden. Bild: ThinkstockPhotos-g-stockstudio

 

Die Anlagenmechanikerin für Sanitär-, Heizungs-, und Klimatechnik, Christin K., ist in der 10. Woche schwanger. Beim zweiten Vorsorgetermin spricht sie ihr Frauenarzt auf ihre berufliche Tätigkeit an. Sie berichtet, dass sie als Anlagenmechanikerin arbeitet und sich dabei häufig bücken und hocken sowie schwere Lasten tragen muss. Der Arzt sieht daraufhin eine Gefährdung und schreibt sie krank.

Alles richtig gelaufen?
Nein. Denn bei allen Schwangerschaften ist zuerst der Arbeitgeber zur Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung verpflichtet, sobald er über die Schwangerschaft informiert wurde. Diese Bestimmung ist vielen Arbeitgebern in kleinen und mittelgroßen Unternehmen nicht bekannt.

Gesetzliche Grundlagen
Die Rechtsvorschriften für die Beschäftigung von schwangeren und stillenden Mitarbeitern sind in Deutschland im Mutterschutzgesetz und in der Verordnung zum Schutz der Mütter am Arbeitsplatz geregelt. Nach diesen Schutzvorschriften hat jede berufstätige Schwangere und stillende Mutter ein Anrecht auf einen Arbeitsplatz, an dem ihre Gesundheit und die ihres Kindes nicht gefährdet werden. Der Arbeitgeber trägt dafür die Verantwortung.
Der Arbeitgeber hat die Beurteilung unverzüglich nach Bekanntgabe der Schwangerschaft selbst durchzuführen. Alternativ kann er eine zuverlässige und fachkundige Person schriftlich damit beauftragen oder sich beraten lassen, beispielsweise durch die Fachkraft für Arbeitssicherheit, den Betriebsarzt oder das staatliche Amt für Arbeitsschutz.

Gefährdungsbeurteilung
In der Gefährdungsbeurteilung werden detailliert die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmerin abgefragt. Dieses betrifft chemische Gefahrstoffe (z. B. Farben, Gase, Stäube), biologische Arbeitsstoffe (z. B. Viren Hepatitis A und B), physikalische Schadfaktoren (z. B. Lärm am Arbeitsplatz), Arbeitsumgebung (z. B. Kälte, Nässe), Verfahren der Arbeitsbedingungen (z. B. Benutzung von Leitern und Gerüsten, ständiges Stehen oder Sitzen) oder die Arbeitszeit (z. B. Sonntags- und Feiertagsarbeit, Nachtarbeit). Werden dabei Gefährdungen für die Schwangere oder das ungeborene Kind ermittelt, so ist zu prüfen, ob Schutzmaßnahmen eingeleitet werden können.
Hier ist in erster Linie zu klären, ob die Arbeitsbedingungen oder die Arbeitszeiten umgestaltet werden können. Falls dies nicht möglich ist, sollte geprüft werden, ob innerbetrieblich der Arbeitsplatz gewechselt werden kann. Ist dies ebenfalls nicht machbar oder nicht zumutbar, muss die Arbeitnehmerin, nachdem alle Möglichkeiten ausgeschöpft worden sind, freigestellt werden. Es wird ein allgemeines Beschäftigungsverbot ausgesprochen, da eine unverantwortbare Gefährdung der Gesundheit für sie und ihr Kind nicht ausgeschlossen werden kann. Des Weiteren erfolgt eine Schwangerschaftsanzeige an die zuständige Bezirksregierung.

Beschäftigungsverbot
Die Lohnfortzahlung erfolgt bis zum Eintritt der Schutzfristen des Mutterschutzes weiter durch den Arbeitgeber (sechs Wochen vor dem errechneten Geburtstermin). Er bekommt aber auf Antrag bei der zuständigen Krankenkasse die Lohnfortzahlungskosten zuzüglich des Arbeitgeberanteils an den Sozialversicherungsbeiträgen voll zurückerstattet. Dieses ist durch das Aufwendungsausgleichsgesetz geregelt. Angesetzt wird der Durchschnittsverdienst der letzten 13 Wochen oder der letzten drei Monate vor Eintritt der Schwangerschaft. Weitere Auskünfte erteilen dazu Krankenkassen, Gewerbeaufsichtsämter und andere staatliche Stellen für Arbeitsschutz.
Dieses allgemeine Beschäftigungsverbot ist zu unterscheiden von einem individuellen Beschäftigungsverbot, welches der Frauenarzt oder der Hausarzt aussprechen kann. Hier steht eine individuelle Erkrankung der Schwangeren im Vordergrund, die eine Weiterbeschäftigung nicht möglich macht. Ein Beispiel aus der Praxis: Die Anlagenmechanikerin Hannah B. kommt nach einem Jahr Erziehungszeit zurück an ihren alten Arbeitsplatz und arbeitet in Teilzeit weiter. Zwei Jahre später erwartet sie ihr zweites Kind. Bei Kenntnisnahme der Schwangerschaft führt ihr Arbeitgeber mit ihr eine Gefährdungsbeurteilung durch. Viele Tätigkeiten sind für sie und ihr Kind gefährlich, beispielsweise das Heben von Lasten mehr als 5 kg, die Arbeit auf Baustellen mit erhöhten Unfallgefahren sowie im Lärmbereich und das häufige Bücken und Hocken. Da es sich um einen Kleinbetrieb mit drei Mitarbeitern handelt, können die Arbeitsbedingungen nicht verändert werden. Daher spricht der Arbeitgeber ein Beschäftigungsverbot aus und macht eine Meldung an die Bezirksregierung. Hannah B. erhält ihren vollen Lohn weiter gezahlt. Ihr Arbeitgeber stellt einen Antrag bei der zuständigen Krankenkasse und erhält die Lohnkosten über das Umlageverfahren vollständig erstattet.
Die Gewerbeaufsichtsämter/staatliche Stellen für Arbeitsschutz der Bundesländer haben hierzu unterschiedliches Informationsmaterial, Merkblätter und Formulare auf ihrer Internetseite eingestellt. Das sind z. B. Schwangerschaftsanzeige oder eine Checkliste zur Gefährdungsbeurteilung.

Autorin: Sabine Kowalewski, Betriebsärztin/Fachärztin für Innere Medizin bei der BG BAU – Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft, Wuppertal

www.bgbau.de

 


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