Unsichtbare Modernisierung im historischen Flair
Nach der Kernsanierung sorgen statische Heizflächen, Raumlüftung sowie Kühldecken für eine optimale Temperierung von Büroräumen im Berliner Bezirk Mitte
In zentraler Lage im Berliner Bezirk Mitte unweit des Pariser Platzes wird gebaut. Ehemals leerstehende Gebäude werden kernsaniert oder gar abgerissen. Eines dieser Bauvorhaben wurde in direkter Nachbarschaft zur ungarischen Botschaft im Jahr 2017 nach drei Jahren Bauzeit vollendet. Statische Heizflächen, Raumlüftung sowie Kühldecken sorgen in dem Gebäude für ein optimales Raumklima.
Das kernsanierte Objekt in der Wilhelmstraße 64, welches 1911 errichtet wurde, kann auf eine wechselhafte Geschichte zurückblicken. Das vom Architekten Ernst Scharnke als Hotel Königshof konzipierte Gebäude wurde zeitweise als Büro, Wohngebäude und Botschaft genutzt. Aufgrund der geringen technischen Anpassungen seit der letzten Sanierung des Gebäudes im Jahr 1975 stand es in den 2000er-Jahren leer. Zukünftig werden dort Abgeordnete des Deutschen Bundestages ihrer Arbeit nachgehen.
Vollklimatisierte Büroräume für Abgeordnete
Im Gebäude selbst sind je Etage 16 Büroräume mit Vollklimatisierung entstanden, welche im 3-Raumkonzept je einem Abgeordneten zur Verfügung stehen. Das Objekt weist einen typischen unterkellerten mehrgeschossigen Mauerwerksbau der Berliner Gründerzeit auf, in dem die TGA-Anlagen einzubringen waren. Diese anspruchsvolle Aufgabe wurde vom Architektenbüro Abelmann-Vielan-Pock (AVP) gemeinsam mit dem TGA-Planungsbüro der EBERT-Ingenieure gemeistert.
Der Leitgedanke der Konzeption war eine nahezu unsichtbare Modernisierung mit Blick auf die ursprüngliche Gebäudebeschaffenheit. Dank moderner 3D-CAD Modelle konnten die Konstrukteure vom Büro Ebert die haustechnischen Anlagen und die zugehörigen Trassenverzüge im Vorfeld optimal planen. Außerdem wurden die Zentralen der Elektro-, Raumluft-, Heizungs- und Kältetechnik vorab vollständig ausgestattet und im Kern des Gebäudes untergebracht.
Einen Gewinn für die Konzipierung der Gebäudeversorgung stellte der hofseitig „versteckte“ Neubau dar. Auf der neuen Dachfläche von brutto 80 m² sind zwei Großkälteanlagen (je ca. 270 kW Leistung), ein Freikühler (60 kW Leistung) sowie drei geräumige Wartungsgänge untergebracht. Die Anlagen versorgen die Kühldecken, die RLT-Anlagen sowie die Umluftkühlgeräte.
Das Aufsetzen des neuen 5. Obergeschosses führte zur gewünschten räumlichen Einfügung in das Stadtbild. Es wurde als Stahlkonstruktion mit einer Betonelementplatten-Bekleidung konzipiert. Auf der Straßenseite des Dachgeschosses befindet sich die Dachschräge mit großzügigen Gaubenfenstern, welche in die Planung der Haustechnik mit einbezogen wurde.
Behaglichkeit auf Nutzerwunsch
Mit einem durch die Gebäudeautomation gesteuerten Anlagenmix aus statischen Heizflächen, Lüftung und Kühldecken sind alle Büro- und Aufenthaltsräume separat regelbar, sodass die zukünftigen Abgeordneten und deren Angestellten ihre Räume gemäß eigenen Vorstellung individuell und behaglich temperieren können. Im Planungskonzept sind auch längere Dienstreisen der Nutzer berücksichtigt. So werden bei geschlossenen Fenstern alle Räume mit dem hygienischen Mindestluftwechsel belüftet und die Wärme- bzw. Kältesysteme regulieren die Räume autark. In den Räumen selbst sind die technischen Anlagen in den Schränken, Wänden und Zwischendecken versteckt installiert, lediglich die statischen Heizflächen, die Bodentanks der ELT und die Lüftungsauslässe lassen ein hoch technisiertes Gebäude erkennen.
Jeder Büro- und Besprechungsraum ist mit einer Kühldecke der Firma Lindner ausgestattet. Die Unterkonstruktion wurde dafür als Metallgitternetz hergestellt, welches vor Ort an die jeweilige Raumkubatur angepasst wurde. Da bekannter Weise Altbauten auch Abweichungen in der Raumkubatur aufweisen, sind die technischen Anlagen an diese anzupassen. Nicht jeder Winkel hat wie gewünscht genau 90° und nicht jede Decke ist wölbungsfrei. Aufgrund der Verwendung des Gitternetzes waren abweichende Toleranzen kein Bauhindernis. Selbst kleinere Ausklinkungen um Pfeiler und Stützen wurden ohne nennenswerten Bauzeitverlust Teil der Konstruktion. Die eigentlichen Kühldecken, welche aus einer Trägerplatte und einem vormontierten Rohr bestehen, wurden an diesem Netz befestigt. Diese Systemplatten können in unterschiedlicher Länge von Werk aus geliefert werden und zusätzlich auf der Baustelle gekürzt werden. Diese Änderungen der werksseitigen Installation kann ohne Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit und ohne Zerstörung der Wärmeleitplatten ausgeführt werden. Gerade in der Altbausanierung zeigt sich ein
solch modularer und damit anpassungsfähiger Aufbau als ideale technische Lösung.
Wärmeabgabe über Strahlung
Bei den angewandten Strahlungsdecken erfolgt die Wärmeabgabe zu 60 % über die Strahlung. Da dieser Wert durch die Fläche der Decke bestimmt wird, wurden die Räume vollständig mit wärmeleitenden Platten ausgestattet. So können auch die Bereiche, in denen keine kälteführende Rohrleitung eingearbeitet wurde, mittels der Wärmeübertragerplatten als nutzbare Fläche aktiviert werden. Bei der Auslegung bzw. der Verortung der aktiven Flächen wurde der Deckenspiegel einschließlich der zukünftigen Installation berücksichtigt.
Die Kühldecken erfüllten mit dieser Konstruktion zusätzlich zur vorgesehenen Kühlungsfunktion auch akustische Aufgaben ohne Komforteinbuße. Es konnten aufgrund des Alters des Bauwerkes nur geringe zusätzliche Lasten eingebracht werden, was die Herstellung eines trittschallgedämmten Fußbodens nur bedingt zuließ. Um diesen Schwachpunkt zu kompensieren, liegen über der Kühldeckenunterkonstruktion Mineralwollplatten, welche zu einer deutlichen Verbesserung der raumakustischen Eigenschaften führen.
Die Kühldecken werden mit einer Spreizung von 6 K bei VL = 16 °C und RL = 18 °C betrieben. Um Tauwasserbildung zu vermeiden wurden Taupunktfühler installiert, welche an die GLT angebunden sind und den Betrieb der Decken regeln.
Kühlung dort wo sie gebraucht wird
Vom Erdgeschoss bis zum 5. OG sind Kühldecken montiert. In den jeweiligen Räumen wurden immer die horizontalen Decken aktiviert. Als Besonderheit der Aktivierung wurden im Dachgeschoss sowohl die horizontalen als auch die geneigten Dachflächen und sogar die Decke der Gaube mit Kühldecken bestückt. Mit den zusätzlichen Flächen konnte der aktive Bereich nahezu verdreifacht werden. Mittels Mineralwollplatten wurden außerdem der Wärmeschutz zwischen Kühldecke und Dachkonstruktion sowie der Wärmeschutz nach außen verbessert.
Der Anschluss der Kühldecken, horizontale und schräge Flächen, erfolgt über einen gemeinsamen Anschluss an die Hauptleitungen. Beide Kühlflächen sind miteinander gekoppelt. Die Entlüftung konnte über die höher gelegene Kühldeckenkonstruktion auf der Dachseite als Schleife vom obersten Punkt über die horizontale Fläche zurück neben dem Anschlusspunkt außerhalb des Büros realisiert werden. Mit der Kopplung der beiden Flächen war auch die Entleerung beider Flächen an einem gemeinsamen Punkt vorgesehen. Mit der Anordnung der Gaubenfenster in der Mitte der Dachfläche musste die Anordnung der Kühldeckenfläche an beiden Fensterseiten getrennt voneinander geführt werden. Daher wurden diese beidseitig der Fenster oberhalb des Drempels am untersten Punkt der Kühldecke installiert.
Autor: Daniel Anspach, Ebert Ingenieure GmbH, Leipzig
Bilder: Ebert Ingenieure
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