Unsichtbar, gefährlich und fast überall: Legionellen
„Rein und genusstauglich“ muss es sein – die aktuelle Trinkwasserversorgung stellt hohe Ansprüche an unser Trinkwasser. In Deutschland unterliegt es strengen Grenzwerten und kann bedenkenlos getrunken und verwendet werden. Trotzdem: Es ist nicht steril und enthält von Natur aus Mikroorganismen, die in normalerweise geringer Anzahl jedoch kein Problem darstellen. Nimmt deren Anzahl aber zu, muss sofort gehandelt werden.
Ein erhöhtes Legionellenrisiko besteht überall dort, wo kein regelmäßiger und vollständiger Wasseraustausch stattfindet, wie häufig z.B. in Großwohnanlagen, Schulen, Kindergärten, Krankenhäusern, Gaststätten und anderen Gemeinschaftseinrichtungen. Auf Anlagen wie diese, aus denen Wasser für die Öffentlichkeit bereitgestellt wird, richten Gesundheitsämter oft ein besonderes Augenmerk, da die aktuelle Trinkwasserverordnung in öffentlichen Gebäuden eine jährliche Untersuchung auf Legionellen vorschreibt. Dabei sollte der sogenannte „Technische Maßnahmenwert“ von 100 Legionellen pro 100 ml Trinkwasser weder erreicht, noch darf er überschritten werden. Ist dies der Fall, muss das Gesundheitsamt informiert werden. Dieses prüft und legt fest, welche Maßnahmen ergriffen werden müssen. Dazu kann z.B. die oft umfangreiche technische Sanierung des Warmwassersystems bezüglich Wassertemperatur und Stagnationsvermeidung gehören.
Bei mehr als 1000 Legionellen pro 100ml Trinkwasser muss unverzüglich eine weiterführende Untersuchung gemäß dem DVGW-Arbeitsblatt W551 durchgeführt und in der Regel als Sofortmaßnahme die Standdesinfektion der Wasserverteilungsanlage nach DVGW-Arbeitsblatt W291 (zukünftig auch DVGW-Arbeitsblatt W557) eingeleitet werden. Ab 10000 Legionellen pro 100ml Trinkwasser kann ein sofortiges Duschverbot auferlegt werden. Und dies nicht ohne Grund: Unkontrolliert wachsende Keime können beim Menschen schwere Krankheiten auslösen, wie das Pontiac-Fieber und die Legionärskrankheit. Während es sich beim Pontiac-Fieber um eine grippeähnliche Erkrankung handelt, liegt bei der Legionärskrankheit eine schwere Form der Lungenentzündung vor. Deshalb gehören Legionellen auch zu den Krankheitserregern, deren Nachweis meldepflichtig ist. Laut Aussagen des Robert Koch Instituts erkranken jährlich zwischen 6000 und 10000 Menschen an einer Legionelleninfektion, wobei die Todesrate je nach Therapie und Grundleiden bei rund 15% liegt.
Verantwortung trägt der Betreiber
Für Betreiber von Trinkwasseranlagen kann eine vernachlässigte Hygiene in Trinkwasseranlagen rechtliche Konsequenzen haben. Nach §24 der Trinkwasserverordnung macht sich strafbar, wer vorsätzlich oder fahrlässig Wasser abgibt oder anderen zur Verfügung stellt, das nicht den Anforderungen der Trinkwasserverordnung entspricht. Ebenfalls macht sich strafbar, wer durch eine vorsätzliche Handlung Krankheiten oder Krankheitserreger nach §§6 und 7 des Infektionsschutzgesetzes verbreitet. Die möglichen Folgen neben rechtlichen Konsequenzen sind bei gewerblichen Betreibern erhebliche wirtschaftliche Schäden, wie Duschverbote in Hotels oder Produktionseinschränkungen in Gewerbebetrieben – ganz zu schweigen von daraus resultierenden Imageverlusten.
Hygienerisiken/Auslegung der Trinkwasserinstallation
Planer und Installateure können eine Trinkwasserinstallation noch so gut geplant und in Betrieb genommen haben, wenn die Anlage vom Betreiber nicht „bestimmungsgemäß betrieben“ wird, besteht immer ein Risiko der Nachverkeimung. Einem erhöhten Hygiene-Risiko unterliegen Gebäude z.B., wenn in großen, verzweigten Wasserverteilungsanlagen kein regelmäßiger Wasseraustausch gegeben ist oder die Temperaturen falsch eingestellt sind. Dieses Risiko steigt weiter, wenn sich stagnierende Bereiche der Trinkwasserinstallation oder sogar Totleitungen darin verbergen. Auch eine mangelhafte Dämmung und die falsche Werkstoffauswahl stellen eine Gefahr dar – genau wie verkalkte und rostige Leitungen: Inkrustierungen im Rohr sind mit ihrer zerklüfteten Oberfläche ein ideales Besiedlungsgebiet für Keime.
Die Auslegung von Neuanlagen beginnt mit der Auswahl geeigneter Werkstoffe nach DIN EN 12502. Die Leitungen sind so zu konzipieren, dass gemäß VDI 6023 Stagnationszeiten möglichst kurz gehalten und Totleitungen vermieden werden. Idealerweise liegt dabei die Hauptentnahmestelle am Ende der Installation. Trinkwassererwärmer und Rohrleitungen sollten so klein wie möglich, aber so groß wie nötig sein. Es kann zudem sinnvoll sein, bereits bei der Planung die Option einer manuellen Desinfektion mit einzubeziehen.
Gemäß DIN 1988-200 ist es Pflicht, einen mechanischen Schutzfilter nach DIN EN 13443-1 und DIN 19628 einzubauen. Außerdem wird ein rückspülbarer Filter empfohlen. Einige Hersteller bieten dazu Filter an, die mit einem zusätzlichen Hygieneplus aufwarten können. Sie verfügen über ein Silbersieb, das das Verkeimungsrisiko des Siebes vermindert. Des Weiteren darf laut DIN 1988-200 „die Temperatur des Trinkwassers kalt 25°C nicht übersteigen und die Temperatur warm muss mindestens 55°C erreichen.“
Um die Hygiene von Altanlagen zu optimieren und das Stagnationsrisiko zu minimieren, sollten alle Totstränge und Wassersäcke abgetrennt werden. Die hydraulische und thermische Durchströmung der Warmwasserverteilung muss durch den fachgerechten Einbau und Betrieb von Regelarmaturen sichergestellt werden. Zudem ist es sinnvoll, die Warmwasserspeicherinhalte auf das Notwendige zu begrenzen.
Installation und Inbetriebnahme
Ob bei der Sanierung von Altanlagen oder der Installation von Neuanlagen: Weder Schmutz noch Bakterien dürfen in das System eingebracht werden. Abhilfe schaffen neben der sauberen Lagerung der zu installierenden Komponenten, wie Rohrleitungen und Armaturen, das Tragen von Einmalhandschuhen bei Reparaturen, die Desinfektion von betreffenden Werkzeugen und Geräten sowie die Verwendung geprüfter, vormontierter Geräte.
Die gezielte Zudosierung von Minerallösung bietet bei zu weichem, aggressivem Wasser sicheren Schutz vor Korrosion. Ist das Wasser zu hart, schaffen Anlagen zur Wasserenthärtung oder für den alternativen Kalkschutz effektive Abhilfe. Das Verfahren sorgt für eine Rohrinnenfläche ohne härtebedingte Verkrustungen, die ihrerseits wiederum Besiedelungsfläche darstellen kann.
Wenn bei bestehenden Systemen eine akute Verkeimungsproblematik mit den üblichen Maßnahmen nicht zu beseitigen ist, kann es auch sinnvoll sein, eine Anlage einzusetzen, die gemäß DVGW W224 Chlordioxid erzeugt und gleichzeitig mengenproportional in das Trinkwasser dosiert. Chlordioxid ist ein Trinkwasserdesinfektionsmittel im Kampf gegen Keime und Legionellen. Es besitzt eine gute Depotwirkung, baut Keime ab und vermindert deren Neubildung durch Verminderung des auf der Rohrinnenfläche befindlichen Biofilms. Darüber hinaus kann auch eine permanente UV-Bestrahlung zur Legionellenverminderung bzw. zur Verlängerung notwendiger Desinfektionsintervalle eingesetzt werden.
Bestimmungsgemäßer Betrieb
Legionellen vermehren sich vor allem zwischen 30 und 45°C – ein Temperaturbereich, den es zu vermeiden gilt: Trinkwassererwärmer sollten nach der neuen DIN 1988-200 auf eine Dauertemperatur von mindestens 60°C eingestellt werden, zirkulierende Installationenen dürfen höchstens einen Temperaturabfall von 5K aufweisen. Zudem ist es sinnvoll, Rohre gut zu dämmen. Gegebenenfalls können Zirkulationssysteme und/oder Begleitheizungen integriert werden.
Installateure und Planer sollten den Betreiber auf seine Pflichten gemäß DIN EN 806-5 hinweisen. Dem Betreiber muss vermittelt werden, dass Planung, Bau und Inbetriebnahme lediglich die Grundlage der Wasserhygiene darstellen und diese nur dann wirklich sichergestellt ist, wenn er das Trinkwassersystem bestimmungsgemäß betreibt.
Im Fall der Fälle: die Standdesinfektion
Für die erfolgreiche Sanierung eines legionellenkontaminierten Systems mittels chemischer Desinfektion ist vorab eine diskontinuierliche Zugabe des Desinfektionsmittels in hoher Konzentration erforderlich (Standdesinfektion). Zur Durchführung der Standdesinfektion wird das Desinfektionsmittel meist mit einer mechanischen Dosierpumpenanlage in das zu sanierende System eingebracht. Empfohlen wird eine Desinfektionsmittelkonzentration von 20 mg/l Chlordioxid. Die Lösung verbleibt für mindestens 12 Stunden im vollständig gefüllten Leitungsabschnitt. Dabei ist eine Trennung der zu desinfizierenden Rohrleitungen von in Betrieb befindlichen Rohrleitungen unerlässlich. Die Konzentration der Desinfektionsmittellösung und die Mindestkontaktzeit sind von der Zehrung des Wassers abhängig. Dabei soll Chlordioxid für einen sicheren Sanierungserfolg am Ende der Einwirkzeit mindestens noch zu 6mg/l nachweisbar sein. Es empfiehlt sich, die Chlordioxidzehrung regelmäßig alle drei Stunden zu prüfen. Nach Beendigung der Desinfektion ist das eingesetzte Mittel nachweislich wieder auszuspülen.
Fazit
Für eine optimale Trinkwasserhygiene gilt es einiges zu beachten: z.B. durch fachgerechte Auslegung und entsprechende Wasseraufbereitung die Grundlage für saubere Rohrleitungen zu schaffen, auf Hygiene bei Inbetriebnahme und Wartung zu achten sowie regelmäßige Untersuchungen vorzunehmen. Zu den wichtigsten Kriterien zählt dabei, dass die Trinkwasseranlage bestimmungsgemäß betrieben wird. Hier sind die Betreiber gefragt – und damit auch Planer und Installateure, die ihrer Hinweispflicht nachkommen müssen.
Autor: Dipl.-Ing. Stefan Gölz, Teamleiter Industrie und Gebäudetechnik bei der Judo Wasseraufbereitung GmbH
Bilder: Judo Wasseraufbereitung GmbH, Winnenden
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