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Unsicherheit beim Schutz des Trinkwassers Doppelte Normung?

Unsere deutsche Trinkwasserverordnung (TrinkwV-2001) [1] fordert im §4, ebenso wie die VOB/B §4 [2], die AVBWasserV im §12 [3] und selbst das StGB [4] im §319 (Baugefährdung) die Anwendung der allgemein anerkannten Regeln der Technik (aaRdT). Hier wird ein Begriff justiziabel hergenommen, der im allgemeinen Sprachgebrauch nur umständlich zu definieren ist und in der Praxis mitunter zu Verwirrung führt.

Das Bild zeigt auf, dass durch fortschreitendes Allgemeinwissen und technische Entwicklung die geschriebenen technischen Regeln hinter den anerkannten Regeln der Technik zeitweilig zurückbleiben können. Andererseits kann durch eine Neufassung technischer Regeln der vermutete Stand der aaRdT überholt werden. Die aaRdT definieren somit die Basis in der Planung und Ausführung.

Das Entnahmeventil mit Schlauchanschluss ohne Rückflussverhinderer und Belüfter der Bauform C ist nach DIN 1988 nur mir der Sicherungskombination zulässig.

Nicht zulässig: Heizungsfüllventil ohne DVGW-Prüfzeichen, ohne

Sicherungskombination und zudem als „dauerhafte Verbindung“.

 

Eine aaRdT ist per Definition eine Festlegung, die von der Mehrheit der Fachleute als zutreffend anerkannt wird. Sie muss in einem Verfahren zustande kommen, das allen beteiligten Fachkreisen die Möglichkeit der Mitwirkung bietet. DIN-Normen, VDI-Richtlinien und DVGW-Arbeitsblätter tragen also zunächst einmal die Vermutung in sich, dass sie aaRdT sind, da sie vorab als Gelbdruck erscheinen und jedem Interessierten die Möglichkeit bieten, Einsprüche, Hinweise oder Ergänzungswünsche gegen die neuen Regeln zu formulieren.

Eine aaRdT ist per Definition eine Festlegung, die von der Mehrheit der Fach­leute als zutreffend anerkannt wird.

Was die allgemein anerkannten Regeln der Technik angeht, so muss sorgfältig unterschieden werden: Es gibt Normen, die aktuell sowohl juristisch als auch von der Fachwelt als aaRdT akzeptiert sind, und es gibt Normen, die erst noch den Status einer aaRdT erreichen müssen. AaRdT sind daher "technische Regeln für den Entwurf und die Ausführung baulicher Anlagen, die in der technischen Wissenschaft als theoretisch richtig anerkannt sind und feststehen sowie insbesondere in dem Kreise der für die Anwendung der betreffenden Regeln maß­geblichen, nach dem neuesten Erkenntnisstand vorgebildeten Techniker durchweg bekannt und aufgrund fortdauernder praktischer Erfahrung als technisch geeignet, angemessen und notwendig anerkannt sind". [5] Im Übrigen leitet sich aus dieser Definition auch die Forderung nach regelmäßiger Schulung und Weiterbildung der verantwortlichen Fachleute ab.

Regelwerk kann nur komplett zurückgezogen werden
Seit 1988 wurden die Anforderungen an den Schutz des Trinkwassers gegen Rücksaugen, Rückdrücken und Rückfließen durch den Teil 4 der DIN 1988 [6] definiert. Obwohl diese Norm den technischen Stand von vor über 20 Jahren darstellt, ist sie doch allen relevanten Fachkreisen seit Jahrzehnten bekannt und vertraut, was es schwer macht, sich von gewohnten Verfahren und Anwendungen zu lösen.
Im Jahr 2000 wurde jedoch durch die technische Entwicklung und im Zuge der europäischen Harmonisierung bereits die europäische Norm EN 1717 veröffent­licht, die nach EU-Vorgabe im Jahr 2001 als DIN EN 1717:2001 [7] in das nationale deutsche Regelwerk übernommen wurde und heute parallel zur DIN 1988-4 die Thematik des Trinkwasserschutzes behandelt.
Da die nationale DIN 1988 aber als Blocknorm aus insgesamt 8 Teilen besteht, kann dieses Regelwerk auch nur insgesamt zurückgezogen werden, d.h. erst wenn alle 8 Teile vollständig in europäische Regeln umgesetzt wurden. Der Teil 4 der DIN1988 kann formaljuristisch nicht alleine für sich zurückgezogen werden, was dazu führt, dass es in Deutschland derzeit zwei Normen gibt, die ein und dasselbe Thema behandeln, jedoch unterschiedliche Anforderungen an die Absicherung und Ausführung von Trinkwasseranschlüssen stellen. Es wäre jedoch ein Fehler zu denken, man könne sich aussuchen, nach welcher Norm man arbeitet, da die früheren Teile 1-8 der DIN 1988 bereits veraltet sind und auch aufgrund ihres Alters heute nicht mehr die aaRdT definieren können.
Das europäische Normungskomitee (CEN) arbeitet derzeit mit Hochdruck am europäischen Trinkwasser-Regelwerk, das in Form der EN 806 bereits in mehreren veröffentlichten Teilen vorliegt. Ebenso arbeitet das Deutsche Institut für Normung (DIN) im Augenblick an verschiedenen nationalen Ergänzungsnormen, die ebenso als 10er- oder 100er-Teile der DIN 1988 veröffent­licht werden sollen (z.B. DIN 1988 Teil 60 oder Teil 400). Diese Neufassungen liegen größten Teils im Gelbdruck vor und haben als vorauseilende Neufassungen noch nicht den Status einer aaRdT erreicht.

Für die Praxis zum Schutz des Trinkwassers bedeutet das, dass man sich aus Gründen der Rechtssicherheit ausschließlich auf die Regelungen der DIN EN 1717 beziehen sollte.

Mit dem Teil 400 der neuen DIN 1988 wird eine Ergänzung zur DIN EN 1717 herausgegeben. Im Wesentlichen ist in dieser Ergänzung der Inhalt aus dem derzeitigen nationalen Anhang NA informativ zur DIN EN 1717 enthalten. Mit dem eigenen Normenteil der DIN 1988 Teil 400 soll aus dem derzeitigen Status "informativ" die Anforderung "normativ" werden und deshalb mehr Bedeutung bekommen [8].
Für die Praxis zum Schutz des Trinkwassers bedeutet das, dass man sich aus Gründen der Rechtssicherheit ausschließlich auf die Regelungen der DIN EN 1717 beziehen sollte und über die Forderung nach der Einhaltung der aaRdT nicht die Wahl hat, heute noch nach den Festlegungen der DIN 1988 Teil 4 zu arbeiten.

Praxisbeispiel Füllschlauch
In diesem Zusammenhang sei als Praxisbeispiel der Füllschlauch der Heizungsanlage genannt, der nach DIN 1988-4 mit minderwertiger Absicherung für den kurzzeitigen Anschluss zugelassen war. Er hat seine Daseinsberechtigung in europäischen Kellern längst verloren, da die Erfahrung gezeigt hat, dass er in den meisten Fällen aus Bequemlichkeit (regelwi­drig) niemals entfernt wurde.
Vor diesem Hintergrund definiert die DIN EN 1717 heute jede Verbindung einer Nichttrinkwasseranlage mit einem Trinkwasseranschluss als ständige Verbindung und fordert die entsprechende Sicherungseinrichtung gemäß der jeweils angeschlossenen Flüssigkeitskategorie. Im Falle einer Heizungsnachspeisung bedeutet das also Flüssigkeitskategorie 3 oder sogar 4, je nachdem ob sich im Heizungswasser noch Additive und/oder chemische Zusätze zur Korrosionsminderung o.Ä. befinden oder nicht. Als Sicherungsarmatur kann nach DIN EN 1717 hier nur ein Systemtrenner vom Typ CA oder BA zum Einsatz kommen.
Übrigens hat diese erwähnte Absicherung noch niemals Geltung gehabt, auch nicht nach DIN 1988 (alt). Entweder wurde ein einfacher Rückflussverhinderer installiert, der nach DIN 1988-4 lediglich zur Absicherung bis Wasserklasse 2 zuge­lassen war. Oder man hat mit einer Sicherungskombination abgesichert, also einem Zapfhahn mit Rückflussverhinderer und Rohrbelüfter, der gewöhnlich unten im Keller hinter dem Kessel montiert war. Diese Sicherungskombination durfte zwar seinerzeit bis Wasserklasse 3 absichern, aber nur wenn der Rohrbelüfter min. 150 mm über dem höchst möglichen Nichttrinkwasserspiegel platziert war. Bei einer Heizungsanlage mit oberer Verteilung zum Beispiel hätte die Nachfülleinrichtung folglich draußen am Kamin installiert sein müssen...

Literatur:
[1] TrinkwV-2001: Verordnung über die Qualität von Trinkwasser für den menschlichen Gebrauch
[2] VOB/B: Vergabe- und Vertragordnung für Bauleistungen (VOB) Teil B - VOB/B Ausgabe 2006 "Allgemeine Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen"
[3] AVBWasserV: Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser vom 20. Juni 1980 (BGBl. I S. 750, 1067), zuletzt geändert durch Artikel 19 des Gesetzes vom 9. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3214)
[4] StGB: Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 31. Oktober 2008 (BGBl. I S. 2149)
[5] Ingenstau-Korbion, VOB-Kommentar, 15.Aufl., §4 VOB/B, Rz. 48
[6] DIN 1988-4: Technische Regeln für Trinkwasser-Installationen (TRWI); Schutz des Trinkwassers, Erhaltung der Trinkwassergüte; Technische Regel des DVGW
[7] DIN EN 1717: Schutz des Trinkwassers vor Verunreinigungen in Trinkwasser-Installationen und allgemeine Anforderungen an Sicherheitseinrichtungen zur Verhütung von Trinkwasserverunreinigungen durch Rückfließen - Technische Regel des DVGW; Deutsche Fassung EN 1717:2000
[8] F.J. Heinrichs, "Praxisgerechte Normen rund um Trink- und Abwasser", Gentner Verlag 2006

Autor: Arnd Bürschgens, Schulungsleiter der Honeywell GmbH und zuständig für den Bereich Trinkwasserarmaturen.

www.honewell.de/haustechnik

 


StGB §319
(1) "Wer bei der Planung, Leitung und Ausführung eines Bauwerkes oder des Abbruchs eines Bauwerkes gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik verstößt und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer in Ausübung eines Berufs oder Gewerks bei der Planung, Leitung oder Ausführung eines Vorhabens technischer Einrichtungen in ein Bauwerk einzubauen oder solche Einbauten zu ändern, gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik verstößt und dadurch Leib und Leben eines anderen Menschen gefährdet."

 

 


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