Unerreicht
Nach dem Bad sieht die Welt anders aus
Twitter, Facebook, YouTube: Neue Ideen gehen in Sekundenschnelle um die Welt. Die Wenigsten machen sich jedoch Gedanken, wo sie entstehen: Im Bad!
Inspirationen sprudeln im Bad
„Meine Plädoyers bereite ich unter der Dusche vor. Es gibt keinen vergleichbaren Ort, an dem es sich so gut konzentrieren und nachdenken lässt“, erzählt ein Anwalt aus Hamburg. Jeder in der Runde weiß sofort, wovon er spricht: Beim Duschen sagt man der Vergangenheit ade, blendet die Gegenwart aus und plant die Zukunft.
Beim Duschen erhält aber auch die eigene Kreativität einen Schub, wie eine repräsentative Studie im Auftrag von Hansgrohe ermittelte. Immerhin jeder fünfte Deutsche braust demnach aus diesem Grund gezielt los, jeder dritte hatte schon mal einen richtig guten Einfall. Und darauf angesprochen, weshalb gerade unter der Dusche die Ideen besonders sprudelten, gaben die meisten der Befragten „Ruhe und Alleinsein“ an.
Alleinsein im Bad. „Das Beste daran ist, dass niemand wissen will, warum ich im Bad allein sein möchte“, sagt die Dame des Hauses. In Zeiten, in denen ständige Erreichbarkeit an der Tagesordnung sei, brauche es schließlich Rückzugsorte, in denen sich der Alltag abstreifen und gleichzeitig neue Energie tanken lasse. Da komme ihr das Badezimmer als quasi entöffentlichter Ort gerade recht. „Ich bin dann mal im Bad!“ – Wer mag bei dieser klaren Ansage noch stören?
Doch es ist nicht nur die Lust am Privaten, die den Stellenwert des Bades vor allem in den letzten Jahren deutlich angehoben hat. Es ist auch das Wasser, das von kleinen technischen Wunderwerken, wie Armaturen und Duschköpfe es heute sind, geformt und dargereicht wird – mal als klarer, kraftvoller Schwall, mal als sanfter Strahl, mal als Landregen oder mal als tropischer Guss.
Wie neu geboren
Wasser und ganz für sich sein sind ein Quell neuer Lebenskraft und zudem eine Kombination, die auch in der Badewanne Entschleunigung von der schnellen Außenwelt bringt. Prickelnder Schaum umhüllt Oberkörper, Schultern und Hals. Eine wohltemperierte Woge schwappt beim Abtauchen über den Kopf. Wie neu geboren atmen wir tief durch, wenn wir wenig später in ein vorgewärmtes Handtuch gewickelt wieder auf dem Boden stehen. Es stimmt: Nach dem Bad sieht die Welt anders aus.
Ebenfalls ein wichtiger Aspekt in modernen Bädern ist neben dem Wasser die Behaglichkeit. Dazu passt, dass das Möbeldesign – die ISH 2015 wird es zeigen – wieder weicher und emotionaler wird. Leichtfüßig und grazil covern Konsolenwaschtische Vorbilder aus den 50er- und 60er-Jahren. Badeoasen, die up to date sein wollen, öffnen sich u. a. dem Industrial-Style mit Beton- oder freiliegenden Backsteinwänden und kombinieren dazu klassische Möbelstücke und weiche Textilien.
Im Vorjahr allerorten noch solo zu finden, mixt man Kupfer nun mit anderen Metallen und mit Tönen wie Petrolgrün oder Nuancen von Pink, Rosa und Apricot. Nach wie vor die Treue gehalten wird grauen Noten und vor allem Weiß. Das Multitalent unter den Farben kann sowohl puristisch als auch – wie zunehmend gewünscht – warm und gemütlich wirken und jeden Raum erhellen.
Und es ward Licht
Natürlich lebt ein Bad nicht nur von Materialien, Formen und Farben, sondern auch von richtiger Beleuchtung. Vom technischen Standpunkt lässt sich sagen, dass LED endgültig angekommen ist. Auf der Messe „Light + Building 2014“ gab es kaum noch eine Leuchte ohne die winzigen Leuchtdioden. Sie sind nicht nur im Hinblick auf Energie von Vorteil, sondern wissen zudem mit platzsparenden Eigenschaften zu überzeugen. Darüber hinaus lassen sich über sie Licht, Farben und Dynamik der Natur täuschend ähnlich reproduzieren. Wie sehr LED-Technologie inzwischen das Thema Licht bestimmt, zeigt sich am Beispiel von Erco. Das Traditionsunternehmen hat bereits seit gut einem Jahr 65 Leuchtenserien mit rund 5000 Produkten auf LED umgestellt.
Ob indirekt, direkt, farbig oder weiß, gedimmt, strahlend hell oder atmosphärisch in Form von LEDs, mal punktuell, mal als umrahmendes, akzentuierendes Band: Auch im Bad spielen Licht und seine Inszenierung eine wichtige Rolle. Daher ist die auf Kundenwünsche abgestimmte Lichtplanung ein wichtiger Baustein etwa im Weiterbildungsangebot der Bad-Akademie der Vereinigung Deutsche Sanitärwirtschaft (VDS). Drei Punkte muss die Lichtplanung erfüllen, lernen die Teilnehmer: Sie soll architektonisch unterstützen, sie hat die Funktionalität zu gewährleisten, etwa mit dem richtigen Make-up-Licht am Spiegel, und sie muss emotional ansprechen.
„Gerade das Thema Licht wird von vielen Handwerkern unserer Branche vernachlässigt oder nur als Pflichtfeld im Bad gesehen“, sagt Thomas Hennig von der HTS Haustechnik & Service GmbH in Dresden. Dabei gebe es viele Dinge bei der Lichtplanung zu beachten. Teilweise seien es nur ein paar Millimeter, und schon strahlten die neuen Möbel in einem tollen Licht. Darüber hinaus koste vieles, was Licht im Bad angehe, nicht einmal mehr. „Es verlangt einfach nur einen richtigen Partner bei der Realisierung“, weiß der Bad-Akademie-Absolvent und frisch zertifizierte Bad-Manager.
Dass sich Farblicht auf unser Befinden auswirkt, ist wissenschaftlich belegt. Wenn also Dusch- und Vollbäder bereits alleine in jeder Beziehung bereichernd sind, um wie viel mehr erhellen sie uns erst in Kombination mit innovativer Lichttechnik? Die Ideen, so darf vermutet werden, gehen uns vermutlich niemals aus.
Autorin: Dipl.-Ing. Cornelia Paulien-Hausberger, Journalistin, PR-Beraterin bei Linnigpublic Agentur für Öffentlichkeitsarbeit GmbH, Büro Hamburg