Umfassendes Planungsinstrument für raumflächenintegrierte Heiz- und Kühlsysteme Teil 1: Erweiterte Anwendungsbereiche und Übersicht über die neue Europäische Normenreihe DIN EN 1264
In unserer zweiteiligen Artikelserie zur neuen Normenreihe EN 1264 wird das umfassende Planungsinstrument für raumflächenintegrierte Heiz- und Kühlsysteme vorgestellt. Das in seinem Anwendungsbereich auf Heiz- und Kühlflächen an Wand und Decke erweiterte technische Regelwerk bildet somit die Grundlage zur Planung effizienter Heiz- und Kühlsysteme, die in Verbindung mit modernen Wärmeerzeugern immer mehr an Bedeutung gewinnen. Neben einem Überblick über die einzelnen Anwendungsbereiche gehen die Autoren auf die Auslegungsrichtlinien und Berechnungsmethoden für Flächenheizungen ein und stellen ein Konzept für die Auslegung von Flächenkühlsystemen vor. Der erste Teil gibt zunächst eine Einführung zu den Anwendungsbereichen sowie den Prüfverfahren und Berechnungsmethoden zur Bestimmung der Heiz- und Kühlleistung.
Die europäische Normenreihe EN 1264 geht zurück auf die frühere deutsche Normenreihe DIN 4725 (1992) „Warmwasserfußbodenheizungen.“
Mit dem Teil 2 „Wärmetechnische Prüfung“ dieser Normenreihe wurde seinerzeit eine Prüfnorm für Warmwasserfußbodenheizungen geschaffen. Diese Prüfnorm machte es möglich, für alle marktüblichen Systeme solcher Heizflächen reproduzierbare, nach einheitlicher Methode bestimmte und somit zertifizierbare Leistungswerte zu ermitteln. Seitdem können unterschiedliche Systeme und Ausführungsvarianten von Warmwasserfußbodenheizungen bezüglich ihrer thermischen Parameter (z.B. spezifische Norm-Wärmeleistung und zugeordnete Norm-Heizmittel-Übertemperatur) objektiv miteinander verglichen werden. Darüber hinaus wurde gegenüber den Radiatoren und Konvektoren, für die – mit der früheren DIN 4704 und der europäischen Norm DIN EN 442 – schon lange eine einheitliche Grundlage für die Bestimmung der Wärmeleistung bestand, eine leistungsbezogene Vergleichbarkeit hergestellt.
Was bedeutet raumflächenintegriert?
DIN 4725 wurde 1997 in die europäische Normenreihe DIN EN 1264 „Fußbodenheizung, Systeme und Komponenten“ überführt, und zwar ohne nennenswerte inhaltliche Änderungen. Gegenüber dieser Normfassung besteht die Neuausgabe DIN EN 1264: 2009, 2011 nicht nur aus einer Überarbeitung des früheren Inhaltes, sondern darüber hinaus in einer beträchtlichen Erweiterung des Anwendungsbereichs. Dieser umfasst jetzt von den Heizflächenanordnungen im Raum neben dem Fußboden auch Decken und Wände sowie zusätzlich die Anwendung als Kühlflächen.
Der Titel der Normenreihe benennt mit dem Begriff „raumflächenintegriert“ eine grundsätzliche Festlegung für den Anwendungsbereich. Es handelt sich demnach um Heiz- und Kühlflächen, die in die Raumflächen des Baukörpers integriert, d.h. mit der Rohdecke bzw. mit der Rohwand – z.B. durch Verputzen, Verkleben oder Verschrauben - fest verbunden sind. Systeme, die diese Bedingung nicht erfüllen, also z.B. unter der Decke abgehängte Heiz- oder Kühlflächen, gehören nicht zum Anwendungsbereich dieser Norm.
Normberechnungsverfahren und experimentelle Methode
Die DIN EN 1264: 2009, 2011 „Raumflächenintegrierte Heiz- und Kühlsysteme mit Wasserdurchströmung“ besteht aus den folgenden fünf Teilen:
- Teil 1: Definitionen und Symbole (wird 2011 veröffentlicht).
- Teil 2: Fußbodenheizung: Prüfverfahren für die Bestimmung der Wärmeleistung unter Benutzung von Berechnungsmethoden und experimentellen Methoden (Ausgabe Januar 2009).
- Teil 3: Auslegung (Ausgabe November 2009).
- Teil 4: Installation (Ausgabe November 2009).
- Teil 5: Heiz- und Kühlflächen in Fußböden, Decken und Wänden – Bestimmung der Wärmeleistung und der Kühlleistung (Ausgabe Januar 2009).
Wesentlicher Kern der Normenreihe ist nach wie vor Teil 2. Dieser enthält das für die Bestimmung der Wärmeleistung von Fußbodenheizungen anzuwendende Norm-Berechnungsverfahren sowie zusätzlich eine experimentelle Methode für die Leistungsbestimmung solcher Systeme, für die das Norm-Berechnungsverfahren nicht anwendbar ist. Letzteres trifft auf Heizsysteme zu, bei denen die Parameterwerte außerhalb der Anwendungsgrenzen liegen oder deren Systemaufbau nicht den Typen A bis D nach Teil 2 der Norm entsprechen.
- Typ A und C: Systeme mit Rohren innerhalb des Estrichs.
- Typ B: Systeme mit Rohren unterhalb des Estrichs oder des Holzfußbodens.
- Typ D: Systeme mit Flächenelementen.
Beide Methoden sind in soweit adäquat, als dass die experimentelle Methode auch für berechenbare Systeme im Rahmen der erreichbaren Genauigkeit das gleiche Ergebnis liefert wie das Norm-Berechnungsverfahren. Aufgrund der Verfügbarkeit beider Methoden zur Leistungsbestimmung werden alle marktgängigen Systeme lückenlos erfasst, wobei in der Mehrzahl der Fälle das Norm-Berechnungsverfahren einsetzbar ist.
Leistungsberechnung für Heiz- und Kühlfall
Die Kombination von Teil 2 mit Teil 5 der Normenreihe ist als maßgebliche Neuerung hervorzuheben. Das für Teil 5 entwickelte Berechnungsverfahren erlaubt die Umrechnung von Ergebnissen aus Teil 2, die als solche nur für Anordnung der Heizfläche im Fußboden gültig sind. Es ermöglicht die Leistungsbestimmung für die veränderten thermischen Bedingungen bei Verwendung des betreffenden Heizsystems an Wand- und Decke oder auch für die Verwendung in allen Raumflächen als Kühlsystem. Die praktische Handhabung besteht darin, dass jedes Heiz- bzw. Kühlsytem im ersten Schritt in Teil 2 als (fiktives) Fußbodenheizsystem zu behandeln ist, damit aus diesem Zwischenergebnis im zweiten Schritt unter Anwendung des Umrechnungsverfahrens nach Teil 5 die thermische Leistung des eigentlichen Anwendungsfalls ermittelt werden kann.
Bild 1: Mit der neuen Normenreihe DIN EN 1264 wird erstmals auch die Bestimmung der Leistung von Wand- und Deckensystemen zum Heizen und Kühlen möglich. Bild: Roth Werke GmbH
Teil 3 der Normenreihe behandelt die Verwendung der Ergebnisse aus Teil 2 und Teil 5 für die praktische Planungsarbeit des Ingenieurs, definiert Leistungsbegrenzungen und legt in Verbindung mit Teil 4 Anforderungen für die System-Wärmedämmung fest.
Teil 4 der Normenreihe benennt die bauseitigen Voraussetzungen und formuliert Anforderungen für den konstruktiven Aufbau der zur Heizung oder Kühlung dienenden Fußböden, Decken- und Wände. Diese Anforderungen gelten nur für die unmittelbar zum Heiz- bzw. Kühlsystem gehörenden Bauteile. Mit den zuletzt genannten Normenteilen 3 und 4 beschäftigt sich der 2.Teil dieser Artikelserie.
Definitionen und Formelzeichen im Entwurf
Teil 1 der Normenreihe, dessen Entwurf inhaltlich von den zuständigen Normungsgremien verabschiedet ist, wird nach Durchlaufen des für europäische Normen üblichen formalen Procederes erst im Laufe des Jahres 2011 veröffentlicht werden. Er enthält alle Definitionen und Formelzeichen, die in den übrigen Teilen der Normenreihe Verwendung finden. Für Anwender irritierend ist allerdings, dass derzeit anstelle dieses Ent-wurfs in allen bereits veröffentlichten Teilen der Normenreihe im Abschnitt „Normative Verweisungen“ leider noch die inhaltlich völlig unzureichende EN 1264-1:2007 (Fußbodenheizung – Systeme und Komponenten – Teil 1: Definitionen und Symbole) zitiert wird.
Die folgenden Erläuterungen zu den einzelnen Teilen der Normenreihe sollen dem Zweck dienen, dem Anwender die praktischen Verwendungsmöglichkeiten und die Anwendungsgrenzen aufzuzeigen. Demgegenüber wird auf den vollständigen Normeninhalt im Detail nicht eingegangen, hierzu wird auf das Regelwerk selbst verwiesen.
Prüfergebnisse richtig interpretieren
Unter Anwendung von Berechnungs- und experimentellen Methoden erfolgt in DIN EN 1264 Teil 2 das Prüfverfahren für die Bestimmung der Wärmeleistung von Fußbodenheizungen.
Diese Norm ist eine Prüfnorm, vergleichbar mit der Heizkörper-Prüfnorm DIN EN 442 „Radiatoren und Konvektoren, Teil 2 Prüfverfahren und Leistungsangabe“. Die Leistungsbestimmung nach dieser Norm obliegt Prüflaboratorien, die nach EN ISO/IEC 17025 für das betreffende Prüfgebiet akkreditiert und deren Prüfstände und Software in Übereinstimmung mit Abschnitt 12 „Prüfsystem“ der Norm verifiziert sind. Auf diese Weise erzielte Prüfergebnisse können zertifiziert werden und erhalten von einer hierfür autorisierten Stelle ein Zertifizierungszeichen. In der Bundesrepublik Deutschland ist dies DIN CERTCO mit Sitz in Berlin. Hieraus folgt, dass der in der Praxis tätige Ingenieur diese Norm selbst nicht anwendet, sondern ausschließlich die – in den technischen Planungsunterlagen der Systemanbieter – niedergelegten Prüfergebnisse. Dennoch ist die Kenntnis der Norm für die richtige Interpretation der Prüfergebnisse prinzipiell notwendig. Die Ergebnisse werden – neben einer tabellarischen Dokumentation – in Form eines Kennlinienfeldes vorgelegt (Bild 2).
Kenngrößen für Systemvergleiche
Kennlinien für Decken- und Wandheizungen
Mit dem Kennlinienfeld verfügt man für ein gegebenes Fußboden-Heizsystem über die systemcharakteristischen Höchstwerte der spezifischen Wärmeleistung sowie über das Teillastverhalten. Aus dem Kennlinienfeld ergibt sich für jede Leistungskennlinie eine Gleichung der Art
Die jeweilige Kennliniensteigung KH wird als äquivalenter Wärmedurchgangskoeffizient bezeichnet. Gegenüber der früheren Normfassung wurde der Anwendungsbereich des Berechnungsverfahrens beträchtlich erweitert. Dies betrifft einerseits die Einbeziehung hoher Werte der Estrichüberdeckung, wie sie bei Heizsystemen für Industrieflächen zur Anwendung kommen. Andererseits konnte die berechenbare Estrichüberdeckung von früher 25mm auf 12 mm, diejenige von Putzen von 18 mm auf 10 mm vermindert werden. Auch eine Erweiterung für die Anwendung unterschiedlicher Materialien als Lastverteilschicht, wie zum Beispiel Holz, konnte erreicht werden.
Bild 2: Kennlinienfeld mit Bestimmung der Grenzwerte der spezifischen Wärmeleistung nach DINEN 1264-2.
Als völlig neu im Vergleich zur früheren Normfassung und als bedeutsamste Erweiterung des Anwendungsbereichs ist die Verwendung von Teil 2 der Normenreihe als Grundlage für die Leistungsbestimmung von Systemen, die keine Fußbodenheizungen sind, hervorzuheben. Die obengenannten Erweiterungen der Anwendungsmöglichkeiten des Norm-Berechnungsverfahrens gewinnen durch diesen Umstand besondere Bedeutung. Mit „anderen“ Systemen sind Decken- und Wandheizungen sowie Fußboden-, Decken- und Wandkühlsysteme gemeint. Für diese erfolgt die bereits zuvor erwähnte Umrechnung für die tatsächliche Anwendung in Teil 5 der Normenreihe. Man ermittelt zum Beispiel für eine Wandheizung ein Kennlinienfeld für den Fall, dass diese (gedanklich) statt als Wandheizung als Fußbodenheizung angeordnet wird. Das auf diese Weise gewonnene Kennlinienfeld wird mit Teil 5 der Norm in das Kennlinienfeld einer Wandheizung umgewandelt.
Wärmewiderstand von Bodenbelägen
In der Bundesrepublik Deutschland wurden bereits alle früheren Ausgaben der Norm als Prüfnorm akzeptiert mit dem Ziel, im wirtschaftlichen Verkehr mit einheitlich bestimmten, zertifizierbaren Leistungswerten in Wettbewerb zu treten. Diese Auffassung war im übrigen Europa bisher weniger ausgeprägt. Durch Einführung eines neuen Abschnitts 12 „Prüfsystem“ wurde dieser Sachverhalt nun unmissverständlich verankert. Der Abschnitt regelt die Voraussetzungen und den Verifizierungsvorgang für die Anerkennung von Prüflaboratorien, deren Prüfergebnisse als zertifizierungsfähig anerkannt werden und macht deutlich, dass einheitlich bestimme Leistungswerte nur aus dem Kreis solcher Prüfstellen hervorgehen können.
Für die Praxis ist noch Abschnitt 8 „Wärmeverlust nach unten“ von Interesse. Es handelt sich um ein vereinfachtes Verfahren zur Berechnung der Wärmeverluste von Fußbodenheizungen an darunter liegende Räume. Dieses wurde auf Wunsch anderer europäischer Ausschussmitglieder eingefügt, ob-wohl es thematisch besser zum Inhalt von Teil 3 der Norm passen würde.
Bild 3: Beispiel für das Kennlinienfeld eines Heizsystems nach DIN EN 1264-5.
Leistungsbestimmung für Wand- und Deckenflächensysteme
Teil 5 der DIN EN 1264 beschäftigt sich mit der Bestimmung der Wärme- und Kühlleistung von Heiz- und Kühlflächen in Fußböden, Decken und Wänden.
Er besitzt ebenso wie Teil 2 den Status einer Prüfnorm und enthält das bereits mehrfach erwähnte Umrechnungsverfahren, das die Umrechnung der Ergebnisse von Teil 2 für andere Oberflächenausrichtungen im Raum sowie für die Anwendung als Kühlflächen ermöglicht. Auf diese Weise werden die Wärmeleistung von Decken- und Wandheizsystemen sowie die Kühlleistung von Fußboden-, Decken- und Wandkühlsystemen bestimmt. Dieses Vorgehen mit dem „Umweg“ über das Kennlinienfeld einer „fiktiven“ Fußbodenheizung mag auf den ersten Blick umständlich erscheinen. In der Realität trifft das Gegenteil zu. Dabei ist zu beachten, dass auf dem Gebiet der Flächenheizungen ausschließlich für Fußbodenheizungen ein allgemein anerkanntes, validiertes Verfahren der Leistungsbestimmung zur Verfügung steht. Mit der hier angewendeten Methode werden die auf solche Weise qualifizierten Werte in Leistungswerte der übrigen Flächenheiz- und Kühlsysteme transformiert, die damit als Prüfergebnisse eine vergleichbare Genauigkeit erreichen. Dieses Verfahren ist ungleich einfacher als der Versuch, für alle genannten Heiz- und Kühlsysteme separate Lösungsansätze für Ergebnisse mit entsprechender Genauigkeit zu entwickeln.
Das Umrechnungsverfahren wird in der Norm selbst und unter Hinweis auf eine einschlägige Literaturstelle erläutert. Die zugrundeliegenden Überlegungen sollen aber kurz angedeutet werden.
Bild 4: Beispiel für das Kennlinienfeld eines Kühlsystems nach DIN EN 1264-5.
Kennlinien aus Fußbodenheizsystem abgeleitet
Der zweite und abschließende Teil des Beitrags befasst sich mit Teil 3 „Auslegung“ und Teil 4 „Installation“ der Normenreihe. So wird neben den Auslegungsrichtlinien für Flächenheizungen ein Konzept für die Auslegung von Flächenkühl-Systemen vorgestellt.
Autoren: Prof. Dr.-Ing. Günter Zöllner und Dr.-Ing. Martin Konzelmann, beide WTP Wärmetechnische Prüfgesellschaft mbH, Berlin