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TÜV warnt vor Rohrinnensanierung mit Epoxidharz, Gerichte urteilen in gleicher Richtung, Branchenverbände widersprechen

Hamburg. Der TÜV NORD rät eindringlich vor der Methode der Innenrohrbeschichtung von Trinkwasserinstallationen mit Epoxidharz ab. Das eingesetzte Epoxidharz enthalte die gesundheitsgefährdende und krebserregende Chemikalie Bisphenol A (BPA). Diese könne in das Trinkwasser abgegeben werden, heißt es in der Begründung.

 

Hintergrund: Um Kosten zu sparen, wird bei der Sanierung von Rohrleitungen mitunter auf das sogenannte Relining-Verfahren zurückgegriffen – eine Methode, bei der Epoxidharz verwendet wird. Das Problem: Epoxidharz ist ein Kunstharz, das neben verschiedenen kritischen Bestandteilen auch Bisphenol A (BPA) beinhaltet. Dies ist eine hormonell wirksame Chemikalie, welche die Kommunikation der Zellen im Körper stört und sich daher tiefgreifend auf die Gesundheit auswirken kann. Besonders für Schwangere ist BPA gefährlich, da die Substanz die Plazenta durchdringen und zu Entwicklungsstörungen sowie Geburtsfehlern führen kann.

„Nicht nur das bei dieser Methode eingesetzte Material ist kritisch zu betrachten. Auch das Verfahren an sich ist fragwürdig, da gültige Richtlinien zur Umsetzung, Prüfung und Qualifizierung fehlen. Dadurch ist es fraglich, ob es den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht“, erklärt David Dreesen, Mitarbeiter des Arbeitsgebiets gefährliche Stoffe bei TÜV NORD. Der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW) zog seine herausgegebenen Richtlinien zurück und distanzierte sich so von dieser Methode. Einige Wasserversorger gingen sogar so weit, dass sie das Verfahren in ihrer Region ganz verbieten ließen. Erschwerend kommt hinzu, dass keines der eingesetzten Harze beim Umweltbundesamt (UBA) als unbedenklich registriert ist. Dennoch wird die Methode von zahlreichen Unternehmen angeboten und eingesetzt, kritisiert der TÜV NORD.

Systematische Kontrollen notwendig
Besonders problematisch sei, dass es keine vorgeschriebenen, regelmäßigen und systematischen Kontrollen der Wasserqualität nach einer Rohrinnensanierung mit Epoxidharz gäbe. Unklar sei auch, wie viele Schadstoffe nach einer solchen Behandlung ins Trinkwasser gelangten. „Wir empfehlen Immobilienbesitzern und -betreibern immer eine klassische Rohrsanierung, das heißt, den Austausch der alten Leitungen durchführen zu lassen. Sie ist zwar kostenintensiver, aber gesundheitlich ist man auf der sicheren Seite,“ rät Dreesen. „Mieter können sich bei den Hauseigentümern erkundigen, ob vorhandene Leitungen mit Epoxidharz saniert wurden. Wenn ja, sollten sie auf jeden Fall eine regelmäßige Überprüfung der Wasserqualität fordern.“

Methodik einer Sanierung
Bei der Innenrohrsanierung mit dem Relining-Verfahren werden zunächst die Rohrleitungen mit speziell aufbereiteter Luft getrocknet. Anschließend werden die Rohre durch Sandstrahlen von Rost und Ablagerungen gereinigt. Dabei kommt ein bestimmtes Strahlgut mit unterschiedlicher Körnung zum Einsatz. Wenn alles gesäubert ist, wird die Epoxidharzbeschichtung aufgetragen. Hierbei müssen bestimmte Mischungsvorschriften, Temperaturen, Aushärtungszeiten etc. beachtet werden. „Wird auch nur der kleinste Fehler bei der Reinigung der Rohre gemacht und es bleiben Rostrückstände zurück, kann die Beschichtung nicht einwandfrei aufgebracht werden“, warnt der Experte von TÜV NORD. Aber auch eine zu kurze Trocknungsphase nach dem Auftragen des Epoxidharzes könne zu einer höheren Belastung des Wassers führen. Besonders heikel werde es bei Bleirohren. „Rohre, die aus Blei bestehen, sind besonders empfindlich und können daher bei unsachgemäßer Behandlung schnell Schaden nehmen. Zusätzlich wird durch das Strahlen die Oxidschicht zerstört, die das Trinkwasser sonst vor dem Blei schützt. Wenn es dann zu einem Fehler beim Auftragen des Epoxidharzes kommt, kann der Bleigehalt im Wasser enorm ansteigen.“

Branchenverbände widersprechen der Warnung
Indes hat der Verband der Rohrinnensanierer der Warnung des TÜV deutlich widersprochen. Auch das Epoxy Resins Committee (ERC) von PlasticsEurope in Brüssel hat die Veröffentlichung kritisch kommentiert. Kunststoffprodukte und -anwendungen mit BPA – so heißt es – seien sicher. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) habe erst Anfang des Jahres in einer umfangreichen Untersuchung erneut das Gesundheitsrisiko durch Bisphenol A für Verbraucher bewertet und komme zum Schluss, dass BPA bei der derzeitigen Verbraucherexposition für keine Altersgruppe ein Gesundheitsrisiko darstelle.

Das ERC-Dokument findet sich hier.

Die Stellungnahme von PlasticsEurope Deutschland e.V. findet sich im Anhang als PDF-Datei.

Gerichte urteilen gegen die Innenbeschichtung
Unabhängig davon kommen zwei aktuelle Gerichtsurteile zum Schluss, dass die Innenbeschichtung mit Epoxidharz im Trinkwasserbereich nicht den anerkannten Regeln der Technik entspricht. So gab das Landgericht Mannheim (Urteil vom 23.10.2014 – 3 O 17/14 – noch nicht rechtskräftig) einem Mannheimer Wasserversorger recht, der die Rohrinnensanierung mittels Epoxidharz in seinem Versorgungsbereich für unzulässig erklärt hatte. Ein Installationsbetrieb hatte gegen den Wasserversorger geklagt. Auch das Landgericht Frankfurt/Main (2-31 O 205/12 – ebenfalls noch nicht rechtskräftig) kommt in seinem Urteil vom 13. Februar 2015 zum Schluss, dass die Sanierung mittels Epoxidharz nicht den anerkannten Regeln der Technik entspricht. Geklagt hatte ein Handwerksunternehmen, welches das strittige Verfahren einer Wohnungseigentümergemeinschaft angeboten hatte.

Tipp der Redaktion: In einer der kommenden Ausgaben der IKZ-HAUSTECHNIK werden wir das Thema Rohrinnensanierung von Trinkwasserinstallationen ausführlich beleuchten.

www.tuev-nord.de
www.plasticseurope.de

 


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