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Tierarzneimittel - ein Problem für das Grundwasser?

Studie gibt Entwarnung - Umweltbundesamt rät dennoch zur Vorsicht

In der Intensivtierhaltung wird Antibiotika in großem Umfang eingesetzt. Bild: Gina Sanders/Fotolia.com

 

 

Antibiotika werden in der Intensivtierhaltung in großem Umfang eingesetzt, vor allem bei Schweinen und Geflügel, aber auch bei Rindern. Einen Großteil der Stoffe scheiden die Tiere im Kot und Urin unverändert wieder aus. Kommt derart belastete Gülle auf die Felder, gelangen die Arzneimittel auch in die Umwelt. Wie diese in der Umwelt wirken, ist nicht abschließend geklärt. Aber wie groß ist die Gefahr, dass die Arzneimittel vom Acker in das Grundwasser gelangen? Eine neue Studie des Umweltbundesamtes (UBA) gibt zunächst Entwarnung: Auch unter besonders ungünstigen Standortbedingungen gelangen die Medikamente nur selten ins oberflächennahe Grundwasser. Dennoch rät das Umweltbundesamt zur Vorsicht.

Für die Studie1) untersuchte das Umweltbundesamt in den Jahren 2012 und 2013 an 48 Messstellen in vier Bundesländern jeweils mindestens zweimal Grundwasserproben auf 23 Wirkstoffe. Bei 39 Messstellen wurden keinerlei Wirkstoffe gefunden. Bei sieben Messstellen in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen fanden sich allerdings Sulfonamide. Die Werte waren mit max. 11 Nanogramm pro Liter (ng/l) sehr gering – zum Vergleich: Der Grenzwert für Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffe im Grundwasser liegt zehnfach höher bei 0,1 Mikrogramm/Liter bzw. 100 ng/l. Lediglich bei zwei Messstellen wurde der Wirkstoff Sulfamethoxazol in Konzentrationen von mehr als 100 ng/l gefunden, dieser lag also über dem Grenzwert für Pflanzenschutzmittel oder Biozide im Grundwasser.
UBA-Vizepräsident Thomas Holzmann: "Wir haben in unserer Studie bewusst ein Worst-case-Szenario genommen und Messstellen ausgewählt, bei denen die Wahrscheinlichkeit einer Grundwasserkontamination durch Antibiotika besonders hoch war. Beruhigend ist, dass wir nur selten fündig wurden und die Belastung keineswegs flächendeckend stattfindet. Dennoch rät UBA-Vizepräsident Thomas Holzmann: "Aus Vorsorgegründen sollten wir den Grenzwert für Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffe von 0,1 Mikrogramm pro Liter (mg/l) im Grundwasser auch auf Tierarzneimittel übertragen. Bei Überschreitungen hätten die Länder so eine Rechtsgrundlage für adäquate Maßnahmen, um das Grundwasser zu schützen. Im Einzelfall denkbar ist etwa, mit der Gülleausbringung zu warten, ganz auf sie zu verzichten oder mit antibiotikafreiem Mineraldünger zu düngen."
Als Kriterien für eine hohe Gefährdung von Grundwasser könnte gelten, was das UBA in seiner Studie zugrunde legte:

  • in der Region (Einzugsgebiet der Messstelle) findet eine intensive Tierhaltung statt und es werden große Mengen an Gülle ausgebracht,
  • die Stickstoff-Gehalte im Grundwasser sind hoch, deuten auf intensive landwirtschaftliche Nutzung hin und zeigen, dass eine signifikante Stoffverlagerung ins Grundwasser erfolgt,
  • die Böden sind sandig und gut durchlässig, d. h. sie bilden nur einen geringen natürlichen Schutz für das Grundwasser,
  • der Grundwasserflurabstand ist gering und
  • die Grundwasserneubildung bzw. die Auswaschungsrate ist hoch.

Zu viel Antibiotika in der Landwirtschaft

Nach Angaben des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) wurden 2012 in Deutschland rund 1619 t Antibiotika an Tierärzte abgegeben, das entspricht etwa dem Zwei- bis Dreifachen des Antibiotikaeinsatzes in der Humanmedizin (630 t). Die antibiotischen Wirkstoffe werden nur zu einem geringen Anteil im Organismus abgebaut, sodass je nach Wirkstoff etwa 60 bis 80 % der verabreichten Menge unverändert mit dem Kot und Urin der Tiere ausgeschieden wird. Mit der Gülle gelangen sie dann auf die Böden und können in sehr ungünstigen Einzelfällen ins Grundwasser ausgewaschen werden. Bisher gibt es weder einen Grenzwert für solche Stoffe in der deutschen Grundwasserverordnung noch in der Trinkwasserverordnung.
Ungeachtet davon bleibt das Hauptproblem für das Grundwasser in Deutschland die zu hohe Belastung mit Nitrat. Dieses kommt etwa mit zu viel stickstoffhaltigem Dünger auf die Felder oder stammt aus der Gülle der Mastställe und den Gärrückständen der Biogasanlagen. Was die Pflanzen nicht brauchen, wird in die organische Substanz des Bodens eingebaut oder endet als Nitrat im Grundwasser. "Rund 50 % aller Grundwasser-Messstellen in Deutschland zeigen derzeit erhöhte Nitrat-Konzentrationen von über 10 mg/l. 15 % des Grundwassers halten gar den für Grundwasser geltenden Grenzwert von 50 mg/l nicht ein. Aus dem Grundwasser gewonnenes Trinkwasser ist jedoch fast allerorten unbelastet - nur 0,08 % der Trinkwasseruntersuchungen liegen in Deutschland über dem Wert von 50 mg/l. Allerdings müssen die Wasserversorger dafür mittlerweile einigen Aufwand betreiben: Manche verdünnen zu stark belastetes Grundwasser schlicht mit unbelastetem Wasser. Immer mehr Versorger sehen die Notwendigkeit, das Nitrat technisch aus dem Rohwasser zu entfernen, weil nicht überall genügend unbelastetes Grundwasser vorhanden ist. Das ist teuer und erhöht letztlich die Wasserrechnung der Verbraucher.

TV-Tipp zum Thema

Der NDR hat am 20. März eine Reportage unter der Überschrift "Antibiotika aus der Tiermast im Grundwasser?" ausgestrahlt. Anzuschauen unter: www.ndr.de/regional/niedersachsen/antibiotika309.html

1) Der Forschungsbericht kann unter www.umweltbundesamt.de/publikationen/antibiotika-antiparasitika-im-grundwasser-unter heruntergeladen werden.

 


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