Strom und Wärme aus Wasserstoff
Blockheizkraftwerke von 2G Energy arbeiten mit reinem Wasserstoff
Die Corona-Pandemie hat eine Neuausrichtung der Energieversorgung in Deutschland bewirkt: Das am 4. Juni 2020 von der Bundesregierung vorgestellte Konjunkturpaket enthält auch Vorfestlegungen in Sachen Aufbau und Nutzung einer Wasserstoffinfrastruktur. Das eröffnet neue Möglichkeiten, wie das Beispiel eines Wasserstoff-BHKWs beweist.
Stadtwerk Haßfurt als Vorreiter für H2-BHKW
Bereits im Jahr 2016 ist das Stadtwerk Haßfurt damit gestartet, Wasserstoff per Elektrolyse selbst zu erzeugen und als Speichermedium für überschüssigen Windstrom zu nutzen. Das übergeordnete Ziel war die 100%-Integration von Windstrom in das Versorgungssystem – ein Kernpunkt der Energiewende.
„Die Energiewende fängt im Kleinen an“ – mit diesem Satz bringt Norbert Zösch, Chef der Stadtwerk Haßfurt GmbH, die Philosophie des Versorgers der ca. 14 000 Einwohner zählenden Gemeinde im bayerischen Unterfranken auf den Punkt. Es ging um den Beweis, dass eine sichere und wirtschaft lich wettbewerbsfähige Stromversorgung auf Basis Erneuerbarer Energien möglich ist.
Wasserstoff basierte und CO2-freie Speicherkette
Im Oktober 2016 nahm die Windgas Haßfurt GmbH & Co. KG – ein Gemeinschaft sunternehmen des Stadtwerks Haßfurt und der Hamburger Ökoenergiegenossenschaft Greenpeace Energy – eine Power-to-Gas-Anlage (PtG) in Betrieb. Herzstück der Anlage ist ein containergroßer PEM-Elektrolyseur des Typs „Silyzer 200“ von Siemens mit 1,25 MW Spitzenleistung. Die Anlage wandelt überschüssigen Strom aus Windenergie- und PV-Anlagen in Wasserstoff um, auch Windgas genannt. Dadurch müssen die Erneuerbaren-Anlagen nicht abgeregelt werden, wenn das Netz den Strom nicht aufnehmen kann. Pro Jahr erzeugt der Elektrolyseur bei einem Wirkungsgrad von 70 % rund 1 Mio. kWh des Öko-Gases.
Inbetriebnahme des ersten Wasserstoff -BHKWs
Die Inbetriebnahme des Wasserstoff - Blockheizkraft werks zur Rückverstromung von regenerativ gewonnenem Wasserstoff erfolgte in Haßfurt im Juni 2019. Bei dem H2-BHKW handelt es sich um ein „agenitor 406 H2“ von 2G Energy mit einer elektrischen Leistung von 140 kW beim Betrieb mit Wasserstoff. Das Blockheizkraft werk ermöglicht – im Unterschied zur bisher praktizierten Beimischung von Wasserstoff in das Erdgasnetz – einen Betrieb mit reinem Wasserstoff, also ohne fossile Brennstoff anteile. Damit wurde erstmals in der kommunalen Praxis eine wasserstoffb asierte und CO2-freie Speicherkette für regenerativen Strom umgesetzt. Auf Basis einer nunmehr einjährigen Betriebserfahrung kann festgestellt werden, dass die hohen Erwartungen an das System hinsichtlich Verfügbarkeit und Wirtschaftlichkeit erfüllt werden.
Norbert Zösch bewertet die Vervollständigung der Speicherkette als einen wichtigen Beitrag für den Ausgleich von Erzeugung und Bedarf: „Da sowohl die PtG-Anlage als auch das H2-BHKW eine hohe Dynamik aufweisen, können mit dem Gesamtsystem Elektrolyseur/Speicher/H2-BHKW Stromüberschüsse und Unterdeckungen aus der erneuerbaren Stromerzeugung im lokalen Bilanzkreis oder übergeordnet mit Regelenergie im Verteilnetz ausgeglichen werden.“
H2-BHKW-Technik – Anpassung statt Neukonstruktion
Technisch gesehen ähnelt ein H2-BHKW weitgehend einem klassischen Erdgas-BHKW. Aufgrund der besonderen Eigenschaften des Gases Wasserstoff sind allerdings Anpassungen notwendig. So sorgen zum Beispiel Hochdruckinjektoren für die Gemischbildung erst kurz vor dem Brennraum. Die Brennraumgeometrie selbst ist an den schnell brennenden Wasserstoff angepasst und auch einige Werkstoffe im Motor sowie in der Peripherie sind auf Wasserstofftauglichkeit ausgelegt. Darüber hinaus gibt es viele regelungstechnische Parameter, die speziell auf den H2- Betrieb abgestimmt sind.
Wasserstoffmotoren müssen mit einem Lambda › 2,5 (Verhältnis Luft zu Brennstoff) betrieben werden, um emissionsfrei zu arbeiten. Somit ist eine der Herausforderungen, einen Motor mit Verbrennungsluftaufladung zu entwickeln, der einerseits mit einem möglichst hohen Lambda arbeitet, aber gleichzeitig den Erdgasbetrieb nicht beeinträchtigt. Neben der Aufladegruppe gehört eine optimierte Vorkammerzündkerze (VKZK) zu den Schlüsseltechnologien. Sie muss es ermöglichen, dass der Gasmotor entweder mit Wasserstoff oder Erdgas mit höchstmöglichem Wirkungsgrad bei geringsten Emissionen betrieben werden kann. Eine VKZK ähnelt einer konventionellen Zündkerze mit dem Unterschied, dass sich der Elektrodenspalt in einer Vorkammer befindet. Hier wird die Verbrennung eingeleitet.
Wasserstoffstrategie in Deutschland
Das Ziel der Wasserstoffstrategie soll es sein, Deutschland zum „Ausrüster der Welt“ zu machen. Die Bundesregierung möchte bis zum Jahr 2030 Wasserstoffproduktionsanlagen von bis zu 5 GW Gesamtleistung einschließlich der dafür erforderlichen Offshore- und Onshore-Energiegewinnung realisieren. Der sogenannte grüne Wasserstoff steht also im Fokus, der das volle Klimaschutzpotenzial bietet durch die Elektrolyse von Wasser mittels Strom aus erneuerbarer Erzeugung.
Trotz diverser Anpassungen an den Wasserstoff-Betrieb muss der Betreiber eines Erdgas-BHKW der Modellreihe „agenitor“ von 2G bei der Umstellung auf Wasserstoff nicht eine komplette Neuinvestition einkalkulieren. Wo die Restlaufzeit eines Erdgas-Moduls dies nahelegt, ist der Umbau vor Ort möglich und wirtschaftlich darstellbar. Aktuell werden seitens 2G als Neuanlagen H2-Aggregate in der Bandbreite von 115 kW bis 360 kW elektrischer Leistung mit einem Gesamtwirkungsgrad von über 80 % angeboten.
H2-BHKW-Projekte liefern Praxiserfahrungen
Das BHKW „agenitor 406 H2“ hat die 2G Energy AG als anschlussfertige Containerlösung nach Haßfurt geliefert. Frank Grewe, Entwicklungsleiter der 2G Energy AG, erwartet einen zunehmenden Bedarf an H2-BHKWs. „Nach der ersten Installation bereits in 2012 am Flughafen BER in Berlin haben wir in Haßfurt den nächsten Schritt mit einem Standard-BHKW der ‚agenitor‘-Baureihe gemacht. Es wurde für die wahlweise Nutzung von reinem Wasserstoff, einem Wasserstoff/Erdgas-Gemisch oder Erdgas angepasst.“ Weitere Aufträge wie die Lieferung eines „agenitor 412 H2“ (360 kWel) an die Siemens AG in 2019 für ein Projekt auf der arabischen Halbinsel und an den Rostocker Anlagenbauer APEX Energy Teterow GmbH („agenitor 404c H2“, 115 kWel) sowie an die Green Hydrogen Esslingen GmbH („agenitor 406 H2“, 150 kWel) für die Quartierslösung „Neue Weststadt Esslingen“ in 2020 bestätigen diese Erwartung hinsichtlich der Marktentwicklung.
Planung und Installation von H2-BHKW – keine Herausforderung
Grundsätzlich gilt die Faustformel, dass in allen Projekten, in denen die kombinierte Erzeugung von Wärme und Strom wirtschaftlich Sinn macht, dies auch mit H2-BHKW möglich ist. Die elementare Voraussetzung dafür ist, dass Wasserstoff z. B. aufgrund industrieller Prozesse oder per Elektrolyse zur Verfügung steht. Hinsichtlich der Planung, Montage und Inbetriebnahme sind gegenüber der Installation eines Erdgas-BHKW keine grundlegend anderen Regeln und Voraussetzungen zu berücksichtigen. Die im BHKW-Modul selbst und in der Peripherie zur Anwendung kommenden Materialien müssen natürlich für den Betrieb mit Wasserstoff geeignet sein und Diffusion sicher verhindern, ebenso müssen sich Beschichtungen unter H2-Atmosphäre als resistent erweisen. Eine Druckprüfung am BHKW ist Standard, Schweißnähte werden hinsichtlich Dichtigkeit je nach spezifischen Anforderungen geröntgt.
Autor: Julian Efker, Marketing 2G Energy AG
Elektrolyseur
Elektrolyseure auf Basis der PEM-Technologie (PEM = polymer electrolyte membrane) machen als Windgas-Anlagen Erneuerbare Energien in enormen Mengen langfristig speicherbar und gewährleisten so auch bei hohen Anteilen erneuerbarer Stromerzeugung Versorgungssicherheit.
Bei der Elektrolyse wird Wasser in Sauerstoff – der in die Umgebungsluft abgelassen wird – und Wasserstoff mit einem hohen Reinheitsgrad aufgespaltet. Im PEM-Elektrolyseur in Haßfurt läuft der Vorgang bei einer Temperatur zwischen ca. 30 und 70 °C und bei einem Druck von 35 bar ab.