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Solarstrom und ästhetische Akzeptanz gewinnen

Wissenschaftler der HTWK Leipzig entwickeln ­Design-Solarfassaden

Projektmitarbeiter Adrian Heller von der HTWK Leipzig bei der Entwurfsplanung der Solarfassade. Bild: HTWK Leipzig

Darstellung des Entwurfs Metallfassade. Bild: HTWK Leipzig

Darstellung des Entwurfs Solarziegel. Bild: HTWK Leipzig

Darstellung des Entwurfs Kiemenfassade. Bild: HTWK Leipzig

Die Tabelle zeigt den Variantenvergleich. Im Ergebnis zeigt sich, dass die Kiemenstruktur beim Gesamtenergie-Ertrag deutlich punkten kann. Allerdings geht es auch um den spezifischen Ertrag pro m2 PV-Fläche, und hier kann die gefaltete Fassade gut mithalten.

Die Entwurfsvariante „gefaltete Metallfassade“ wurde technisch und konstruktiv bis zum ­Demonstrator ausgearbeitet. Die Fassadenelemente bestehen aus gefalteten Aluminium-­Verbundplatten, in die Glas-PV-Folie-Kleinmodule eingesetzt sind. Bild: Fraunhofer CSP

 

Im Forschungsprojekt „Solar.shell“ untersuchten Architekten und Wissenschaftler der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK Leipzig) verschiedene Varianten, wie sich Fassadendesign und Integration von Photovoltaik vereinbaren lassen bei gleichzeitiger Ertragsoptimierung.

Die Ausgangslage: In Deutschland soll bereits ab 2020 der Gebäudestandard „Niedrigst­energiehaus“ für alle Neubauten verbindlich werden, der alternative Ener­gieerzeuger im oder in der Nähe des Gebäudes vorschreibt. Zudem sollen bis 2050 alle Gebäude „klimaneutral“ sein. Daraus ergibt sich ein großes Potenzial für gestalterisch hochwertige gebäudeintegrierte Photovoltaik (BIPV), deren Ertrag durch Ausrichtungsoptimierung noch erhöht werden kann.

Gegenstand des Forschungsvorhabens
Solar.shell beleuchtete Potenziale und Möglichkeiten zur Entwicklung ertragsoptimierter, architektonisch hochwertiger Photovoltaikfassaden (PV-Fassaden). Dabei wurde – entgegen aktuellen Trends – auf Kleinteiligkeit der PV-Module gesetzt. Diese können mit vielfältigen Fassadenmaterialien variabel kombiniert werden und durch eine parametrisch-generativ optimierte Ausrichtung zur Sonne dann maximale Leistungen erbringen. Für die Entwicklung des Elementdesigns wurde im Projekt das parametrisch-generative Entwerfen eingesetzt, welches eine Symbiose zwischen CAD-basierten Modellen, Programmierung und Architektur ist. Hierbei werden 3D-Modelle anhand von Algorithmen und Parametern beschrieben und können so bspw. hinsichtlich gewünschter Eigenschaften optimiert werden.
Die Simulationsalgorithmen geben ein direktes Feedback zum architektonischen Entwurf und erzeugen eine hohe Anzahl von Varianten bei relativ geringem Zeitaufwand. In der Forschung wurde diese Methodik genutzt, um Entwürfe hinsichtlich des solaren Eintrages zu bewerten und diese durch geometrische Anpassung zu steigern.
Dazu wurden zunächst geeignete parametrisch-generative Optimierungsprinzipien ermittelt, Fassadenmaterialien und -systeme sowie PV-Technologien hinsichtlich ihrer Eignung für BIPV untersucht und ihre Kombinierbarkeit bewertet. Als vorteilhaft haben sich u. a. vorgehängte hinterlüftete Fassaden aus Metall, Beton und Kunststoff sowie Verblendschalen aus Mauerziegeln herausgestellt, welche exemplarisch als BIPV-Fassadenentwürfe ausgearbeitet wurden.

Gefaltete Metallfassade
Die Variante einer gefalteten Fassade mit integrierten PV-Lamellen bietet aufgrund ihrer hohen Anpassungsfähigkeit ein potenziell breites Einsatzfeld. Die Fassade besteht aus 3D-gefalteten kassettenartigen Modulen. Im digitalen Entwurfsprozess ist die PV durch Rotation in 2 Achsen beweglich, im konkreten Einsatzszenario wird eine solar optimierte, fixe Ausrichtung bestimmt. Durch die 3D-Faltung ist eine saubere Ecklösung zwischen Elementen unterschiedlicher Ausrichtung umsetzbar. Zur Ertragsmaximierung wurde der Einsatz monokristalliner Hochleistungszellen vorgesehen.

Solarziegelfassade
Ein Solarziegel bietet aufgrund seiner Kleinteiligkeit große Flexibilität zur Steuerung der solaren Erträge. Durch Herausschieben der Mauersteine aus der Fassadenebene entstehen Flächen, die mit kris­talliner oder organischer PV belegt und aktiviert werden können. Je nach Fassadenausrichtung drehen sich die Solarziegel mehr oder weniger weit heraus. Bereits bei einachsiger Ausrichtungsoptimierung können über den Jahresverlauf hohe Erträge erreicht werden. Durch das große Individualisierungspotenzial der Fassade ist eine Eckausbildung ohne Ertragseinschränkungen umsetzbar.

Kiemenstruktur-Fassade
Fassadenhoch aufgefächerte Flächen werden als Kiemenstruktur über Rotation in der vertikalen Achse solar ausgerichtet. Aufgrund der am oberen und unteren Fassadenrand gebogen auslaufenden Kiemen ist der Einsatz flexibler organischer PV sinnvoll. Das Gestaltungsprinzip ist nur bei einseitig westlich oder östlich orientierten Fassaden sinnvoll einzusetzen, kann jedoch zur Steigerung des Potenzials auf die Dachflächen erweitert werden. Als schlanke und frei formbare Fassadenmaterialien kommen z. B. Textilbeton, Bleche oder Kunststoffe infrage.

Variantenvergleich
Es zeigt sich, dass die gefaltete Fassade die eingesetzte PV am effizientesten ausnutzt, die Kiemenvariante dafür aufgrund der größten nutzbaren Fläche maximale Gesamterträge ermöglicht.

Demonstrator
Die Entwurfsvariante „gefaltete Metallfassade“ wurde technisch und kons­truktiv bis zum Demonstrator ausgearbeitet. Dieser zeigt den Fassadenausschnitt einer süd-west-ausgerichteten Gebäudeecke im Maßstab 1:2. Die Fassadenelemente bestehen aus gefalteten Aluminium-Verbundplatten, in die Glas-PV-Folie-Kleinmodule eingesetzt sind. Die Verschmelzung von architektonischer Ästhetik und Ertragsmaximierung durch die beschriebene Entwurfsmethodik sollen daran beispielhaft verdeutlicht werden.

Ein Fazit
Im Projekt wurden die generelle Machbarkeit neuartiger solar optimierter Fassaden in qualitätvoller Gestaltungsvielfalt unter Anwendung parametrisch-generativer Entwurfsmethodiken zur Ertragserhöhung nachgewiesen. Durch optimale Ausrichtung kleinteiliger Photovoltaikmodule kann der Ertrag pro m2 eingesetzter PV-Fläche zwischen 40 % und 55 % gegenüber vertikal installierten Modulen gesteigert werden. So wird es möglich, bereits mit einem geringeren PV-Anteil in der Fassade einen nennenswerten Ertrag zu erzielen. Im Zusammenspiel von Fassadenmaterial und PV-Modul können damit neue architektonisch-gestalterische Lösungen entstehen, wodurch die eingesetzten Fassadenmaterialen erlebbar bleiben. Sollte der maximale solare Ertrag im Fokus stehen, sind, wie bei jedem Entwurf, die Varianten gegeneinander abzuwägen. Die konventionellen PV-Fassadenlösungen haben hinsichtlich der Flächeneffizienz dabei ebenfalls ihre Berechtigung, erlauben jedoch nur eingeschränkten Gestaltungsspielraum.
Solar.shell bietet für Architekten und Fassadenplaner eine mögliche Antwort auf die Frage nach zukünftiger Designvielfalt von PV-Fassaden.

Autoren: Dipl.-Ing. (FH) Adrian Heller, Prof. Frank Hülsmeier, Architekt, Stefan Huth, M.A., ­Architekt, Sarah Knechtges, M. Sc., Dipl.-Ing. (FH) Jana Reise, HTWK Leipzig
Das Projekt wurde mit Mitteln des ­Bundesinstitutes für Bau-, Stadt und ­Raumforschung unter dem Förderkennzeichen SF-SWD-10.08.18.7-15.56 gefördert.

 


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