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Solarstrom für Mieter

Mieterstrommodelle sind umstritten, aber im Kommen

Himmlische Aussichten für die PV-Branche? Laut der vom BMWi im Januar 2017 vorgelegten Studie „Mieterstrom“ gibt es in Deutschland rund 360 000 dafür geeignete Wohngebäude mit rund 3,8 Mio. Wohnungen. Bild: pixabay.com

Über den Mieterstrom vervielfältigen sich für Wohnungsunternehmen die Möglichkeiten, PV-Anlagen ins Auge zu fassen. Über Mieterstrom öffnen sich die Dächer nun außerdem für Contractoren jeglicher Art und für Immobilienbesitzer selbst. Bild: Andreas Preuß/pixelio.de

Über den Mieterstrom vervielfältigen sich für Wohnungsunternehmen die Möglichkeiten, PV-Anlagen ins Auge zu fassen. Über Mieterstrom öffnen sich die Dächer nun außerdem für Contractoren jeglicher Art und für Immobilienbesitzer selbst. Bild: Andreas Preuß/pixelio.de

Selbst wenn Mieterstrom nicht auf staatlich unterstützte Weise kommen sollte wird er kommen, weil die Zeichen der Zeit längst schon darauf ausgerichtet sind. Die steigenden Strompreise und der Wunsch nach Unabhängigkeit davon machen die Eigenstromversorgung attraktiv. Bild: SMA

 

Installateure sind oft die ersten Ansprechpartner, wenn es um die Ob-Frage von Investition in eine PV-Anlage geht. Mit dem Thema Mieterstrom kommt eine neue Dimension auf sie zu, die Chancen birgt und neue Interessenten bringt. Fachunternehmen sollten sich deshalb damit befassen.

„Der Mieterstrom kommt!“ Als Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypris knapp 3 Wochen nach ihrer Amtseinführung Ende Februar auf dem Neujahrs­empfang des Bundesverbands Erneuerbare Energien (BEE) dies verkündete, erntete sie Applaus. Diese Erleichterung unter den Zuhörern war auch kein Wunder. Denn zuletzt war unter Beobachtern doch der Eindruck entstanden, dass die Bundesregierung – vom Erneuerbare-Energien-Gesetz dazu zwar ausdrücklich ermächtigt – sich mit der Förderung von Mieterstrom, so wie es das Gesetz bestimmt (verringerte EEG-Umlage), sehr schwer tat.

Entwurf für ein Mieterstromgesetz
Eine gesetzliche Definition von Mieterstrom gibt es bis heute indes nicht. Die besagte Verordnungsermächtigung (§ 95 EEG) sieht zur Förderung von Mieterstrommodellen vor, dass Solaranlagenbetreiber eine verringerte EEG-Umlage für Strom aus ihrer Solaranlage zahlen müssen, wenn der Strom innerhalb des Gebäudes zum Verbrauch an Dritte geliefert wird. Außerdem muss es sich bei dem Gebäude um ein Wohnhaus handeln.
Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) hatte sich nie richtig anfreunden können, den Mieterstrom so zu fördern, wie es die Verordnungsermächtigung des EEG vorsieht. Der Alternativ-Vorschlag lautet: Betreiber von Mieter-Solargeneratoren sollen eine Vergütung erhalten.
Das BMWi legte Mitte März einen entsprechenden Referentenentwurf für ein Gesetz zur Förderung von Mieterstrom vor („Mieterstromgesetz“). Im Wesentlichen geht es um die Einführung eines Mieterstromzuschlags auf Basis der Einspeisevergütungen nach EEG für Photovoltaik (PV). Dieser Zuschlag soll um 8,5 Cent tiefer liegen als der jeweils gültige Vergütungssatz für die betreffende Anlage.
Wenn also Strom erzeugt und dieser an Wohnungsmieter verkauft wird, statt ihn ins Netz einzuspeisen, wird der staatliche Zuschlag gezahlt – auf den Preis, den der Verkäufer für den Verkauf seines Stroms an den Wohnungsmieter erhält, der zugleich Endverbraucher des Stroms sein muss. Hinzu kommt, dass dieser Strom von Netzentgelten, netzseitigen Umlagen, Stromsteuer und von kommunalen Konzessionsabgaben befreit sein soll. Laut Referentenentwurf werde diese Konstruktion Mieterstromprojekte einerseits wirtschaftlich machen und es würden andererseits „Überrenditen“ vermieden.
Konkret würde das bedeuten: Für Anlagen, die 2017 ans Netz gehen, wären das in der Leistungsklasse bis 10 kW 3,81 Cent/kWh Zuschlag (Vergütung bei Einspeisung: 12,31 Cent), für Anlagen über 10 kW
bis 40 kW 3,47 Cent/kWh (Vergütung: 11,97 Cent) und für Anlagen über 40 kW bis 100 kW 2,21 Cent/kWh (Vergütung: 10,71 Cent). Die Zuschläge sollen über die EEG-Umlage refinanziert werden.

Die hauptsächlichen Kritikpunkte daran
Die Reaktionen darauf waren geteilt. Während die einen sehen, dass es über diesen Weg zur weiteren Verzögerung kommen wird, da für dieses Modell das EEG novelliert werden muss, sehen andere darin erstmals eine Art Bekenntnis der Bundesregierung zum Mieterstrom. Natürlich gab es – je nach Interessenausrichtung – zum Entwurf Zustimmung und Kritik. Zu den wesentlichen Kritik-Punkten zählen diese:

  • Das Gesetz sieht vor, dass es nur für Anlagen gilt, die nach seinem Inkrafttreten in Betrieb genommen werden. Da das noch in den Sternen steht, befürchten Kritiker nun eine Abwartehaltung und eine Diskriminierung derer, die bereits jetzt in Betrieb gehen.
  • Offen ist noch die räumliche Auslegung des Mieterstrombegriffs: Gilt er nur, wenn der Strom auf dem Dach erzeugt wird, unter dem der Mieter wohnt? Der PV-Branche ist das zu wenig und wichtig, dass auch Quartierslösungen möglich werden. Sie formuliert, dass das Kriterium sein sollte, dass der Strom nicht ins öffentliche Netz eingespeist wird.
  • Wichtige steuerrechtliche Fragen sind noch offen, werden aber derzeit auf Ressortebene der beteiligten Ministerien schon weiter behandelt: Wie verhält es sich dann bei der Gewerbe- und der Körperschaftssteuer? Laufen Wohnungsunternehmen Gefahr, wenn sie ihren Mietern Strom verkaufen, ihre weitgehende Befreiung von der Gewerbesteuer zu verlieren (und im Falle von Wohnungsgenossenschaften auch die Befreiung von der Körperschaftssteuer)?
  • Außerdem in den Details Fragen zu den Messkonzepten: Summenzählermodell versus Smart-Meter-Modell? Das erste ist eingeführt, aber nicht geeignet zur individuellen Ermittlung tatsächlich verbrauchten Mieterstroms pro Einheit. Smart-Meter-Modelle tun dies – kosten aber mehr. Eine überflüssige Diskussion? Nicht ganz. Summenzähler zählen zwar zur Vergangenheit und Smart-Meter sind Pflicht (Digitalisierungsgesetz). Im Detail geht es aber darum, ob auch die Unterzähler beim Mieterstrom dann Smart-Meter sein müssen. Dann würden Stromverbräuche allerdings exakt abgerechnet.
  • Eine eklatante Unsicherheit für alle Projektierer: Der Entwurf sieht vor, dass Anlagen, die zu spät Antrag auf Mieterstromzuschlag stellen, keinen Anspruch mehr auf Förderung besitzen, wenn die geförderte Menge von jährlich 500 Megawatt (MW) bereits ausgeschöpft ist. Außerdem wird alles, was über die 500 MWhinausgeht, auf das nächste Jahr übertragen, sodass sich die geförderte Leis­tung im folgenden Kalenderjahr um den Übertrag aus dem Vorjahr verringert. Die Bundesnetzagentur (BNetzA), die die Zahlen und das Datum des Überschreitungszeitpunkts veröffentlicht, wird damit für Projektierer zu einem deutschen Orakel von Delphi. Hinzu kommt, dass der geförderte Ausbau von PV nach dem EEG 2017 bei jährlich 2500 Megawatt peak (MWp) gedeckelt ist. Mieter-PV-Anlagen stehen folglich auch in Konkurrenz zu allen anderen PV-Anlagen unter dem staatlichen Leis­tungsdeckel. Laut BNetzA gingen 2016 PV-Anlagen mit einer Leistung von 1520 MWp ans Netz. Der BSW-Solar erwartet schon für 2017 ein weiteres Marktwachstum. Der Eigenstrom-/Speichermarkt boomt. Gut möglich, dass da für geförderte Mieterstromprojekte nach dem EEG nicht mehr viel Luft bleibt.


Das Gesetz wird noch in dieser Legislaturperiode kommen. Dafür sprechen drei Faktoren. Der erste: Das Mieterstromgesetz ist ein Anliegen der SPD gewesen, ein Scheitern wäre für die Regierung schlecht. Im Kern muss dazu zwar das EEG geändert werden; dieses ist aber nicht zustimmungspflichtig, muss also nur durch den Bundestag. Vonseiten des Bundesrats, in dem die SPD-geführten Länder die Mehrheit besitzen, ist kein ernsthaftes Sperrfeuer zu erwarten. Das Bundeskabinett beschloss den Entwurf am 26. 4. und machte damit den Weg frei für das weitere parlamentarische Verfahren. Da der Beschluss wiederum intensive Verhandlungen der Regierungsfraktionen voraussetzte ist anzunehmen, dass das Gesetz von der Parlamentsmehrheit dieser Legislaturperiode beschlossen wird.

Geschäftsperspektive für Solarteure
Doch selbst wenn Mieterstrom nicht auf diese staatlich unterstützte Weise kommen sollte wird er kommen, weil die Zeichen der Zeit längst schon darauf ausgerichtet sind. Die steigenden Strompreise und der Wunsch nach Unabhängigkeit davon machen die Eigenstromversorgung attraktiv, was bereits zu neuen Geschäftsmodellen für das Eigenheim führt (siehe IKZ 6/2017 „Vision oder Marketingtrick?“). Auch beim Mieterstrom werden längst geeignete Geschäftsmodelle diskutiert und praktiziert.
Es handelt sich um Stromerzeugungsanlagen, die auf Dächern (Photovol­taik) oder innerhalb (z. B. Blockheizkraftwerke) von Mietshäusern installiert werden und die Mieter (sofern diese wollen) mit Strom aus der Anlage direkt versorgen (also Strom erhalten, ohne dafür das öffentliche Netz zu brauchen). Erste Projekte gibt es bereits. Beteiligt sind die unterschiedlichsten Initiatoren, z. B. Stadtwerke, private Stromanbieter oder Wohnungsunternehmen.
Mieterstrom ist insbesondere für alle Akteure der Solarbranche eine Chance. Denn laut der vom BMWi im Januar 2017 vorgelegten Studie „Mieterstrom“ gibt es in Deutschland rund 360 000 dafür geeignete Wohngebäude mit rund 3,8 Mio. Wohnungen. „Die Betrachtung [...] zeigt auf, dass in Mieterstrommodellen [...] bedeutende zusätzliche PV-Strommengen erschließbar wären“, resümieren die Autoren der beauftragten Prognos AG und der Boos Hummel & Wegerich (BH&W), eine auf Energiewirtschaftsrecht spezialisierte Kanzlei aus Berlin.
Zum Vergleich: Laut Bundesnetzagentur wurden im vergangenen Jahr rund 51 900 PV-Anlagen installiert, der Branchenverband BSW-Solar spricht in seinem Geschäftsklimaindex vom höchsten Stand seit 7 Jahren. Die niedrigen Zinsen und die Aussicht auf hohe Eigenstromversorgung in Verbindung mit einem Solarakku locken zum Bau einer PV-Anlage – im Sektor Wohnen bisher auf Einfamilienhausdächer. Wenn hier eine PV-Anlage installiert wird, versorgt sie einen Haushalt. Ein Mietshaus besitzt, wenn man die Zahlen der Studie zugrunde legt, im Schnitt 10 Wohnungen/Haushalte.

Neue Anfragen werden kommen
Installateure werden in Zukunft also nicht nur vermehrt Anfragen von Eigenheimbesitzern zum Kauf und zur Installation von PV-Anlagen erhalten, die im Hintergrund mit Eigenstrom-/Reststrom-Versorgungskonzepten bzw. Paketlösungen kombiniert sind. Sondern auch von Immobilienbesitzern/-gesellschaften, die an Mieterstrom interessiert sind und zu diesem Zweck nach Rat und Angebot fragen. Für Installateure dürfte es deshalb nicht von Nachteil sein sich darüber auszukennen, worin ein solcher Interessent sich zum Zeitpunkt der Anfrage mit seiner Invest-Entscheidung gedanklich bereits bewegt.
Über den Mieterstrom vervielfältigen sich für Wohnungsunternehmen die Möglichkeiten, PV-Anlagen ins Auge zu fassen. Der klassische Weg war und ist, dass Gebäudeeigentümer das Dach nutzen, um Anlagen zu installieren, die Solarstrom ins öffentliche Netz einspeisen, um diesen vergütet zu bekommen. Alternativ haben sie Dächer an Dritte verpachtet, die dann selbiges taten. Über Mieterstrom öffnen sich die Dächer nun außerdem für Contractoren jeglicher Art (für lokale Energieversorger, zum Beispiel Stadtwerke, wie für neu am Markt auftretende Grünstromanbieter, die irgendwo sitzen können), für Immobilienbesitzer selbst, denen sich die möglicherweise reizvolle Idee bietet, statt irgendwohin ins anonyme Netz einzuspeisen, diesen lokal zu verwerten.

Regio ist das neue Öko
Die Lebensmittelproduktion macht es bereits vor: Das neue „Öko“ sind nicht mehr die Labels, die jedem Produzenten auf dem Erdball die Bioqualität zertifizieren. Das neue Bio ist „Regio“: Verbraucher möchten die Art und das Woher wieder konkret sehen. Ihnen ist die Selbstkontrolle wichtiger als ein Gütezeichen, das ihnen die Kontrolle abnimmt, aber gleichzeitig viel Vertrauen voraussetzt. Dieser Trend überträgt sich gerade auf den Ener­giemarkt, wo mit „Ökostrom“, den mittlerweile auch jeder anbietet, nicht mehr zu punkten ist außer über den Preis, und die Herkunft immer fragwürdig ist. Der neue Weg, sich am Energieanbieter-Markt zu positionieren, ist der über Lokalität und Transparenz, die glaubwürdig ist. Mieterstrom ist ein solcher. Und deswegen wird dieser Weg Schule machen. Er wird kommen. Ob mit Gesetz oder nicht.

Autor: Dittmar Koop

 


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