Serie (1): 60 Jahre im Verband organisierte Flüssiggaswirtschaft (1949 - 1959) - Mit vereinten Kräften die zentralen Aufgaben der Nachkriegsjahre gemeistert
Auf 60 Jahre Verbandsarbeit blickt in diesen Wochen die deutsche Flüssiggaswirtschaft zurück. Unmittelbar nach Gründung der Bundesrepublik am 23. Mai 1949 machten sich knapp zwei Dutzend Flüssiggas-Händler auf, eine neue erfolgreiche Zusammenarbeit zum Wohle ihrer Branche auf die Beine zu stellen. Zudem wollten sich alle im neu erwachten Wirtschaftsleben mehr Gehör verschaffen. Nur wenige Monate nach der Staatsgründung in Bonn konstituierte sich am 13. September desselben Jahres die AFWL, die "Arbeitsgemeinschaft der Energieversorgungsunternehmen für den Vertrieb von Flüssiggas zur Gewinnung von Wärme und Licht", und legte damit den Grundstein für eine aktive Verbandsarbeit in Deutschland. Mit einer sechsteiligen Serie wollen wir von der "Flüssiggas" diese Zeit der erfolgreichen Verbandsarbeit (1949 bis 2009) würdigen.
Bevor es 1949 soweit war, mussten noch zahllose behördliche Klippen umschifft und viele Gespräche geführt werden. Die eigentliche Verwendung von Flüssiggas begann aber schon Anfang der 30er-Jahre, als die ersten Einsatz- und Verwendungsmöglichkeiten – zum Beispiel der Gasherd – realisiert wurden. 1932, im letzten Jahr der Weimarer Republik, wurde dann die erste deutsche Großanlage zur Erzeugung von Propan in Leuna in Betrieb genommen. Die Raffinerie-Technik entstammte ganz amerikanischem Vorbild. Es gab damals sogar ein erstes Handbuch über Butan und Propan, das u.a. Informationen über Lagerung, Transport, Vertrieb und die Verwendung von Flüssiggas enthielt.
Nach ersten Schriften und Prospekten (z.B. 1934: „Die Flaschenversorgung mit Leuna-Propan“) gab es bereits 1934 erste Groß- und Unterverteiler (also Vertriebsstellen) im Namen der I.G. Farbenindustrie AG. Nach dem ersten Flüssiggas-Straßentanklastzug 1937 wurde 1942 das sogenannte Propan-Syndikat zur „Ordnung der Marktverhältnisse auf dem Propangebiet“ gegründet, das die Verkaufsorganisation der I.G. Farben und der Raffineriegesellschaft Deurag übernahm. Wegen der immer knapper werdenden Treibstoffe, besonders in den letzten Kriegsjahren, wurde Flüssiggas immer stärker zulasten des Brenngas-Verbrauchs dem Verkehr zugeführt. In der Spitze, so schätzt man, gab es damals bereits cirka 60.000 Fahrzeuge mit Autogas-Antrieb.
26 Unternehmen gründen die AFWL
Nach dem Krieg wurde das Syndikat sofort zerschlagen, die geringen Flüssiggas-Mengen, die noch produziert wurden, fielen unter die strengen Bewirtschaftungs-Anordnungen der Besatzungsmächte. Die Genehmigung zum Handel mit Flüssiggas hatten damals noch die sich im Aufbau befindlichen Länder bzw. deren Länderregierungen auszusprechen. Die bestehenden bzw. sich noch in Gründung befindenden Großvertriebe – teilweise noch Leuna-Agenturen aus der Kriegs- und Vorkriegszeit – suchten nach engerer Zusammenarbeit, um ein stärkeres Gewicht gegenüber der Politik zu erzielen. Hier ergriff Georg Tyczka gezielt die Initiative, der gemeinsam mit seinem Freund, dem Vorstandsvorsitzenden der Deurag Hannover, Dipl.-Ing. Johannes Brand, die Zusammenführung von 26Unternehmen nachhaltig beschleunigte. Das Konglomerat der Firmen bestand aus 25 Flüssiggas-Großvertrieben, darunter kommunalen Energieversorgungsunternehmen und Sanitärbetrieben und zusätzlich einer Raffinerie.
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Dann, am 13. September 1949, war es soweit. Die Gründung der „Arbeitsgemeinschaft der Energieversorgungsunternehmen für den Vertrieb von Flüssiggas zur Gewinnung von Wärme und Licht“ (AFWL) in Hannover wurde vollzogen. Der Vorläufer des Verbandes der Flüssiggas-Großvertriebe (VFG) und des Deutschen Verbandes Flüssiggas (DVFG) war aus der Taufe gehoben. Erster Vorsitzender wurde Johannes Brand, Georg Tyczka wurde Vorstandsmitglied, der ihn vier Jahre später im Vorsitz ablöste. Weitere Vorstandsmitglieder waren der stellvertretende Vorsitzende Obering. Heinz Goch (Progas Dortmund), Georg Müller (Pfister & Langhanss, Nürnberg), Richard Hartmann (Schabert, München), Josef Waltermann (Waltermann, Münster) und Wolfgang Wagner (Westdeutscher Propanhandel, Düren). Der Sitz des neu geschaffenen Verbandes wurde 1953 München, nachdem zuvor Frankfurt a.M. und Mainburg/Niederbayern vorläufige Sitze der AFWL-Geschäftsstelle waren.
Laut Satzung war der erste Zweck der Vereinigung „an einer zuverlässigen und technisch sicheren Versorgung der Allgemeinheit mit Flüssiggas zur Gewinnung von Wärme und Licht mitzuarbeiten und die gemeinsamen Interessen der Mitglieder zu fördern“.
Besonders technische, rechtliche und sicherheitstechnische Angelegenheiten standen dabei im Vordergrund. Weitere Zwecke der AFWL, die in der Satzung standen, waren der Austausch von gemeinsamen Erfahrungen und die Pflege der „Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden, den übrigen Zweigen der Energiewirtschaft und der einschlägigen Industrie für die Herstellung von Versorgungs- und Verbrauchsgeräten“.
Die neu organisierten Flüssiggas-Firmen wuchsen in den darauf folgenden Jahren und waren Teil des Wirtschaftsaufschwunges, den Ludwig Erhard besonders durch die 1948 parallel zur Währungsreform erfolgte Freigabe der Preise beförderte. Weiter beflügelt wurden die Geschäfte 1951, als Flüssiggas aus der Preisbindung entlassen wurde. In der Folge konnten immer mehr Unternehmen, die die Genehmigung nach § 5 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) besaßen und somit seitens der Verwaltungen als Vertriebsunternehmen zugelassen waren, mit Flüssiggas handeln.
Aufschwung in den 50er-Jahren
Auch außenpolitisch tut sich in diesem Jahr einiges. Denn die Westalliierten verwerfen das ungeliebte Besatzungsstatut und räumen der jungen Bundesregierung in Bonn erweiterte Befugnisse bei der Gestaltung der Außenpolitik ein. Im Gegenzug erklärt sich Bundeskanzler Adenauer bereit, die Rohstoffpolitik mit den westlichen Alliierten abzustimmen. Auch dies wird zu einem wichtigen Pfeiler der wirtschaftlichen Gesundung. Der gesamten Wirtschaft und mit ihr auch der Flüssiggasbranche.
Der erst langsame, dann in der zweiten Hälfte der 50er-Jahre sich verstärkende Aufschwung führte auch zur Gründung weiterer Handelsunternehmen für Flüssiggas und damit auch zur Erhöhung der Mitgliederzahl des Verbandes. Während 1953 die AFWL immerhin schon 39 Mitglieder hatte, waren es 1955 bereits 78, und vier Jahre später 96.
Mit der Aufstockung der Mitgliederzahl erweitern sich auch die Aufgaben des Verbandes. So findet 1952 das erste Mal ein einwöchiger Sonderlehrgang zusammen mit der Gesellschaft für technisch-wissenschaftliche Fortbildung statt, der bis heute alle 2 Jahre abgehalten wird.
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Im März 1955 bekam die Flüssiggaswirtschaft dann endlich auch ihre eigene Zeitschrift. In Zusammenarbeit mit dem STROBEL VERLAG (Arnsberg) wurde der „Flüssiggas-Dienst“ ins Leben gerufen. Nur 3 Monate später wird die Bundesrepublik auch militärisch formell unabhängig, indem zunächst die Bundeswehr-Verwaltung eingerichtet, dann am 12. November darauf die ersten 101 Rekruten vereidigt werden.
Aus dem anfangs nur wenige Seiten umfassenden Heft wird bald ein modernes Magazin, das sich im Laufe der Jahre weiterentwickelt und unter dem Titel „Flüssiggas“ erst monatlich, dann alle zwei Monate erscheint.
Zur Bewältigung der komplexen Aufgaben besteht innerhalb des Verbandes zunehmend Beratungs- und Gesprächsbedarf. In der Folge findet am 18. November 1955 die erste „Herbst-Arbeitstagung“ in Goslar statt.
Auf der Tagung 1956 beschließt der Verband eine Namensänderung. Aus der AFWL wird der „Verband der Flüssiggas-Großvertriebe“ (VFG). Aber nicht nur äußerlich gibt es einen Wandel. Den neuen Herausforderungen der aufstrebenden Bundesrepublik will sich der Verband nicht verschließen. So werden neue Aufgaben in die Arbeit der Korporation aufgenommen und die Satzung geändert. Der VFG will zum Beispiel im Rahmen der Versorgung der Verbraucher auch durch die „Ausarbeitung von Gesetzesvorlagen, Richtlinien und Empfehlungen“ mitarbeiten.
Außerdem entschloss man sich, die Aufnahme von außerordentlichen Mitgliedern offiziell zu ermöglichen. Dennoch hatte die AFWL bis zu diesem Zeitpunkt bereits 35 „außerordentliche“ Mitglieder. Nach der Satzung durften ordentliche Mitglieder nur inländische Flüssiggas-Großvertriebe sein, die aufgrund des Energiewirtschaftsgesetzes für den Vertrieb von Flüssiggas zugelassen waren.
Vielfältige Aufgaben und unterschiedliche Probleme
Die Aufgabenfülle war bereits Anfang der 50er-Jahre so groß und ausdifferenziert, dass man sich zur Lösung der Fragestellungen zur Bildung von Ausschüssen gezwungen sah. Dieser Akt der verbandlichen Differenzierung geschah bereits in der Gründungsversammlung 1949. Allerdings tagten diese Gremien nur vorübergehend. Sie wurden nach der Lösung der jeweiligen Probleme wieder aufgelöst. Aus heutiger Sicht hatten diese Gruppen also mehr den Charakter von Ad-hoc-Ausschüssen. Die regionalen Arbeitsgruppen, die damals gegründet wurden, behielt man aber bei. Denn zu unterschiedlich waren die Flüssiggas-Probleme in den einzelnen Bundesländern. Gewählt wurden aus diesen regional geprägten Gruppen die Obleute, die auch heute noch in einem Beirat zusammengefasst sind und ein Bindeglied zwischen den Mitgliedern und dem Vorstand sind. Und auch heute noch bringen sie regionale Belange in die Verbandsarbeit ein.
Feste Sachausschüsse wurden hingegen erst ab 1953 gebildet: zuerst der „Technische Ausschuss“ und dann der Ausschuss „Wirtschaft und Recht“.
Die AFWL bzw. der VFG suchten bereits in den 50er-Jahren die Nähe verwandter oder befreundeter Verbände, um gemeinsame technische und wirtschaftliche Interessen besser gegenüber der Politik und den Verwaltungsorganen vertreten zu können.
Sehr erfolgreich ist die Zusammenarbeit mit dem VGW (heute: Bundesverband der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft, kurz BGW) und dem DVGW (Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e.V.) bis heute. Zu dritt arbeitete man wiederum zusammen mit dem Mineralölwirtschaftsverband, in Normenausschüssen und im Deutschen Druckgasausschuss (DGA)/Deutscher Druckbehälterausschuss (DBA).