Schwarzer Peter fürs Handwerk
Gerichte urteilen bei ungeklärten Korrosionsfällen gegen Handwerksbetriebe
Ungeklärte Korrosionsfälle in Trinkwasserinstallationen aus Kupferrohr machen dem Fachhandwerk immer noch zu schaffen. Wie schon Mitte 2014 berichtet, ist überwiegend ein Wasserversorgungsgebiet in den Bereichen Dorsten, Gladbeck und Bottrop betroffen. Da die Ursache für das vermehrte Auftreten von Rohrleitungsschäden nicht bekannt ist, hatte die Landesfachgruppe Installateur und Heizungsbau des Fachverbandes SHK NRW bereits vor gut einem Jahr den Mitgliedsbetrieben empfohlen, im Bereich des betreffenden RWW-Wasserwerkes Holsterhausen bis auf weiteres Trinkwasserinstallationen nicht in Kupfer auszuführen.
Die Lage ist nach wie vor unklar. Die Qualität des Trinkwassers entspreche den Vorgaben, bekundete schon damals der Versorger. Material- oder Herstellungsmängel am Kupferrohr schließen die Rohrhersteller unter Berufung auf Laboranalysen aus. Den schwarzen Peter hat derweil das Handwerk. Inzwischen gibt es fünf Gerichtsurteile, die allesamt gegen das Handwerk entschieden wurden. Der Schaden geht in die Hunderttausende. Ein Ende ist noch nicht abzusehen.
„Die Schäden treten ausschließlich an den Kaltwasser führenden halbharten Kupferrohrleitungen in den Dimensionen 15 bis 22 mm auf – und zwar in der sogenannten 6-Uhr-Position“, berichtet Thomas Cirkel von der H. Grefer GmbH aus Dorsten bei einem Besuch in der Redaktion. Steigleitungen seien kaum betroffen, weiches Kupferrohr von der Rolle oder harte Kupferrohre gar nicht. „Die Korrosionsfälle treten bei Installationen aus den Jahren 2005 bis 2012 auf. Etwa 500 Schadensfälle liegen – über alle betroffenen SHK-Betriebe betrachtet – bislang schon vor“, führt der Handwerksmeister weiter aus.
Das bereits 1925 gegründete Unternehmen Grefer mit 30 Mitarbeitern setzt schon seit mehr als 60 Jahren Kupferrohre für Sanitär- und Heizungsinstallationen ein. „Bis zum Jahre 2005 hatten wir damit auch keine Probleme“, sagt Cirkel.
Vorsorglicher Austausch der Rohrleitungen gefordert
Doch nicht allein die Reparaturen der Schadensfälle bereiten dem Unternehmen Sorgen. Nach einem jüngst gesprochenen Urteil muss der traditionsreiche SHK-Fachbetrieb in einem Pflegeheim mit 60 Wohneinheiten sämtliche zurückliegenden und in Zukunft auftretenden Schäden beheben. Doch das reicht dem Betreiber nicht mehr. Er drängt jetzt sogar darauf, die komplette Installation austauschen zu lassen – vorsorglich, wie es heißt. „Wenn das Gericht diesem Anliegen folgt, dann können wir den Betrieb schließen“, sagt Cirkel. „Auf den Kosten würden wir hängen bleiben.“ Denn die Gebäudeversicherungen der Betreiber bzw. die Betriebshaftpflichtversicherungen der Handwerksunternehmen springen nur für die Beseitigung der Schäden ein. Wie Cirkel gegenüber der Redaktion versichert, verarbeitet er ausschließlich Kupferrohr zweier in Deutschland bekannter Hersteller, die mit ihrer Markenqualität werben. Beide haben diesen Fall (nur) unter dem Gesichtspunkt der Kulanz behandelt und bisher noch die Schadensbeseitigung – ohne Anerkenntnis einer Schuld – finanziell übernommen. Nach dem aktuellen Urteil gegen den Betrieb hat der in diesem Fall betroffene Rohrhersteller seine finanzielle Garantiezusage jedoch zurückgenommen. Es muss die Betriebshaftpflichtversicherung einspringen. „Eine Höherstufung oder die Erhöhung der Eigenbeteiligung bei künftigen Schadensfällen wäre noch das geringste Übel“, sagt Cirkel. „Aber wenn uns die Versicherung kündigt, wird‘s wohl sehr schwer, eine neue Gesellschaft zu finden, die den Betrieb künftig versichert.“
Der Fall Grefer ist indes kein Einzelfall – leider. Auch andere Betriebe wurden aufgrund von Korrosionsschäden in Sanitärinstallationen in den betroffenen Regionen verurteilt und stehen in der Haftung. Inzwischen haben sich 16 Firmen in der sogenannten Innungsmitglieder-Vereinigung SHK-NRW zusammengeschlossen. Gemeinsames Ziel: Gegenseitiger Informationsaustausch und, wenn möglich, die Ermittlung der Korrosionsursache(n). Das allerdings scheint ein beinahe unmögliches Unterfangen zu sein. Denn Material- oder Herstellungsfehler werden ausgeschlossen. Vielmehr handele es sich den Laborberichten nach um eine Lochkorrosion in kaltem Wasser. Zitat aus einem Gutachten: „Bekanntlich kann bei dieser Korrosionsart nicht immer exakt nachvollzogen und nachgewiesen werden, was letztendlich die definitive Schadensursache darstellt, da bei einem Korrosionsvorgang in der Regel immer mehrere unterschiedliche Faktoren beteiligt sind und die Voraussetzung für das spätere Auftreten von Lochkorrosion erfahrungsgemäß oftmals in der Zeit der Inbetriebnahme geschaffen werden.“
Gutachter sieht keine Hinweise für korrosionsfördende Betriebsbedingungen
Mangelnde Sorgfalt bei der Inbetriebnahme? Oder eine übermäßig lange Stagnationsphase zwischen der Installation und dem Regelbetrieb? Cirkel verneint. „Alle unsere Installationen werden sorgfältig gespült. Überdies haben wir die
Korrosionsfälle nur in dem einen betroffenen Gebiet, und das, obwohl wir überregional tätig sind. Sollen unsere Monteure außerhalb des betroffenen Wasserversorgers etwa anders arbeiten?“ Was die Stagnationsphasen angeht, so müsse sich der Fachbetrieb auf die Aussagen der Betreiber verlassen. In einem Fall sei durch Zufall bekannt geworden, dass eine Pflegestation offenbar deutlich später in Betrieb gegangen ist, als angegeben. Doch ob ein Gericht solchen Argumenten folgt? Eher nicht. In einem jüngst entschiedenen Verfahren sieht der bestellte Gutachter keine Hinweise für korrosionsfördende Betriebsbedingungen wie etwa Stagnation, führt das aber nicht weiter aus. Da auch die Wasserqualität grundsätzlich die Ausbildung einer Schutzschicht zulasse, zieht der Gutachter den Schluss, dass die Bauausführung als einzige Ursache für die Korrosion infrage komme. In Fachkreisen werden dieses Gutachten und die daraus gezogenen Schlüsse stark angezweifelt. Obwohl diese Bedenken von der beklagten Fa. Grefer nach entsprechender Stellungnahme des nordrhein-westfälischen Fachverbandes auch bei Gericht vorgetragen wurden, folgten die Richter dem kritischen Gutachten und verurteilten den Betrieb zur Schadensbehebung. „Dass die Korrosionsschäden weitestgehend auf einen Wasserversorger begrenzt sind, haben die Gerichte lediglich zur Kenntnis genommen. Mehr nicht“, bedauert Cirkel. „Die anderen Gerichtsurteile zielen alle in die gleiche Richtung: Sind Wasser und Werkstoff okay, dann muss das Werk des Unternehmers mangelhaft sein. So einfach ist das.“ Die bedenkliche Tendenz von Sachverständigen und Gerichten, mangels Anhaltspunkten für materialbedingte, betriebsbezogene oder wasserseitige Ursachen den Betrieb ins Visier zu nehmen, sieht auch der SHK-Fachverband NRW, der die Fachbetriebe unter diesen Umständen aus Gründen der Risikominimierung zu großer Sorgfalt bei der Materialauswahl und der Dokumentation der regelgerechten Ausführung der Installation angehalten hat.
Nach wie vor ist die tatsächliche Ursache für die Korrosionsfälle unbekannt. Möglicherweise, so wird aktuell gemutmaßt, ist die Kombination aus Wasserbeschaffenheit, Stagnation und Inbetriebnahme ursächlich. Bewiesen ist das aber längst nicht. Und so ist die Gefahr groß, dass die Betriebe nach wie vor beim Schadensfall in der Haftung stehen.
Ein wenig Luft verschafft derweil die aktuelle Situation: Seit Dezember letzten Jahres dosiert der Wasserversorger RWW nach dem Aufbereitungsprozess Phosphat zu. Angeblich, um optisch nicht ansprechende Trübungen und Braunfärbung des Trinkwassers entgegenzuwirken. Seitdem, sagt Cirkel, habe es seinen Informationen zufolge keinen neuen Korrosionsfall in Kupferrohrleitungen gegeben. Das ändert an der schwierigen Situation für die Handwerksunternehmen faktisch nichts.
Aufruf der Redaktion
Sind Sie als Handwerksunternehmen in dieser oder einer anderen Region ebenfalls von Schadensfällen betroffen? Welche Erfahrungen haben Sie dabei gemacht? Wie sind Sie bei den Korrosionsfällen vorgegangen? Setzen Sie sich mit Thomas Cirkel in Verbindung und schließen Sie sich zusammen (Tel.: 02362 24514, Info@h-grefer-gmbh.de). So kann es vielleicht gelingen, die Ursachen herauszufinden und zukünftige Schäden zu verhindern.