Schwarz auf Weiß
Das Werkvertragsrecht ab 2018: Die wesentlichen Neuerungen für Handwerksbetriebe im Überblick (Teil 2)1)
Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hatte 2011 in einem Fall zum Nachteil eines Handwerksbetriebs entschieden: Die zusätzlichen Aufwendungen wie Ein- und Ausbaukosten von fehlerhaftem Material muss der Auftragnehmer tragen. Das neue Recht ab 2018 schafft nun einen Anspruch auf Erstattung dieser Kosten. Bild: Gerichtshof der Europäischen Union
Dr. Henning Gandesbergen, Rechtsreferent ZVSHK, kritisiert u. a. die komplizierte Ausgestaltung des sogenannten einseitigen Anordnungsrechts im neu geschaffenen Bauvertrag im BGB. Bild: ZVSHK
Ab dem 1. Januar 2018 tritt nach BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) ein neues Werkvertragsrecht in Kraft. Die Reform war notwendig, weil das bisherige Werkvertragsrecht im Hinblick auf die vielen Vertragsgegenstände sehr allgemein gehalten war. Wesentliche Fragen waren nicht geregelt, sondern der Vereinbarung der Parteien bzw. der Rechtsprechung überlassen. Mit der aktuellen Reform soll dies nun geändert werden. Nachfolgend sind die wesentlichen Neuerungen aufgeführt wobei insbesondere die sogenannte Mängelhaftung im Fokus steht.
Vorab: Das neue Gesetz gilt für solche Verträge zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer, die ab dem 1. Januar 2018 geschlossen werden. Altverträge sind nicht betroffen.
Haftungsfrage jetzt geklärt
Im März 2017 bestätigte der Bundesrat die Reform des Mängelgewährleistungsrechts und die Einführung eines neuen Bauvertragsrechts. Dazu erklärte der Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), Holger Schwannecke: „Der Bundesrat macht mit seinem Beschluss den Weg frei für eine der rechtspolitisch wichtigsten Reformen. Künftig haften Handwerker und andere materialverbauende Betriebe nicht mehr pauschal für die Folgen von Materialfehlern, die sie nicht verursacht haben. Dies ist ein entscheidender Schritt für faire und verantwortungsgerechte Haftungsregeln.“
Die Änderung zielt auf das Werkvertragsrecht und dort auf die Ein- und Ausbaufälle von Produkten bzw. Materialien ab, die Mängel aufweisen. Denn die Praxis zeigt: Mängelansprüche eines Kunden basieren häufig auf fehlerhaften Materialien. Da diese die werkvertraglichen Leistungen umfassen, fallen sie in den Gewährleistungsumfang eines SHK-Betriebs. Das Handwerksunternehmen hat aber die Materialien zuvor bei einem Lieferanten gekauft und muss sich hinsichtlich der Güte von Materialien auf seinen Lieferanten verlassen können. Die Mängelansprüche des Installateurs hingegen richteten sich aber nicht auf der Grundlage des Werkvertragsrechts, sondern des Kaufrechts.
Problematisch war dabei vor allem der ausschließlich kostenfreie Ersatz der fehlerfreien Materialien durch den Lieferanten: Der Installateur aber schuldet einem Endkunden mehr als nur den Materialersatz, nämlich auch den Aus- und Einbau. Nach bisheriger Rechtsprechung galt, dass der Handwerker häufig auf diesen Nebenkosten sitzen blieb, weil der Lieferant/Händler nicht die herstellerbedingten Fehler an den Materialien zu vertreten hatte. Aber auch an den Hersteller des Materials konnte sich der Fachbetrieb nicht wenden, weil zwischen beiden keine direkte Rechtsbeziehung bestand.
Beispiel: Ein SHK-Betrieb baut im Rahmen eines Werkvertrags eine Fußbodenheizung ein. Später treten Undichtigkeiten auf, die auf fehlerhafte Rohre zurückzuführen sind. Nach altem Recht bekommt er von seinem Lieferanten, z. B. einem Fachgroßhändler, die Rohre ersetzt. Die Aus- und Einbaukosten gehen aber zu Lasten des Betriebes – was auch häufig der Fall war.
Keine gesetzlich festgeschriebene AGB-Festigkeit
Ab Januar 2018 gilt grundsätzlich, so die gute Nachricht, dass Handwerker nicht mehr auf den Nachbesserungskosten wie Ein- und Ausbaukosten sitzen bleiben. „Die Neuregelung sieht nunmehr vor, dass der Gewährleistungsanspruch des Käufers die Aus- und Einbaukosten unterschiedslos für Verbraucher und Unternehmen umfasst“, sagt Dr. Henning Gandesbergen, Rechtsreferent beim ZVSHK. Außerdem wird nun der Handwerker bestimmen können, ob er selbst oder der Lieferant des fehlerhaften Materials die Reparatur übernimmt.
Allerdings hat die Sache einen Haken. Der Gesetzgeber hat diese Vorschrift nicht AGB-fest ausgestaltet. Das bedeutet: Lieferanten können die Haftung für Ein- und Ausbaukosten bei Materialfehlern durch die Allgemeinen Geschäftsbedingung (AGB) ausschließen. Damit hat der Gesetzgeber versäumt, für mehr Rechtssicherheit zu sorgen. Gleichwohl wird in der Rechtsprechung jetzt schon klargestellt, dass unverhältnismäßige Einschränkungen der AGB unwirksam sind.
Das heißt also im Klartext, dass mit der Reform kleine Betriebe noch nicht ausreichend geschützt sind. Denn sie können sich einen Rechtsstreit häufig nicht leisten. Es bleibt die Frage, ob der AGB-Schutz der Lieferanten tatsächlich wirkt oder erstritten werden muss. Rechtsexperte Dr. Gandesbergen empfiehlt, etwaige einschränkende AGB dem ZVSHK zu melden, sodass diese einheitlich geprüft werden können. Er ergänzt: „Eine abschließende Sicherheit vermittelt nach wie vor allein die Haftungsübernahmevereinbarung des ZVSHK, die im Falle eines Produktfehlers einen umfassenden Anspruch auf Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verschafft.“
Künftig sind Baukammern Pflicht
44 Monate dauert ein Baurechtsstreit durchschnittlich – allein in der ersten Instanz. Das ist zu viel, finden Handwerksverbände. Denn kleine Betriebe kann eine lange Dauer finanziell überfordern. Ursache für die lange Prozessdauer sind laut Prof. Stefan Leupertz vor allem Unerfahrenheit und das fehlende Fachwissen der Richter im Bereich Baurecht. Der Schiedsmann, Schlichter und Richter a. D. am Bundesgerichtshof bemängelt, dass die juristische Ausbildung Generalisten hervorbringe, die universal einsetzbar seien. Doch gerade im Baurecht sei Spezialwissen eklatant vonnöten. Und so werden die meisten Baurechtsstreitigkeiten mit einem Vergleich beendet. „Vergleiche, wie sie von Universaljuristen präferiert werden, sind aber in den seltensten Fällen der beste Weg“, sagt auch Dr. Ulrich Böttger, Mitglied des Geschäftsführenden Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft für Bau- und Immobilienrecht (ARGE Baurecht) im Deutschen Anwaltsverein (DAV).
Daher sieht das Gesetz nun vor, dass künftig bei allen Land- und Oberlandesgerichten spezialisierte Baukammern eingerichtet werden, um Bauprozesse effizienter zu bearbeiten und zu beschleunigen, etwa die Ansprüche von kleinen und mittleren Betrieben des Handwerks. So soll zum Beispiel ein Vergütungsanspruch künftig im einstweiligen Vergütungsverfahren vor den spezialisierten Baukammern durchgesetzt werden können.
Der Bauherr ist verpflichtet, innerhalb von 30 Tagen auf ein Nachtragsangebot zu reagieren. Ebenso wird es um die Durchsetzung der Vergütung für mögliche zusätzliche Arbeiten gehen, die bislang rechtlich unsicher sind. So soll der Bauunternehmer für die Nachtragsvergütung künftig 80 % seiner im Nachtragsangebot kalkulierten Mehrvergütung als Abschlagszahlung ansetzen können.
Verbraucherbauvertrag
Mit dem neuen Recht werden spezielle Regelungen in das Werkvertragsrecht des BGB eingefügt: der Verbraucherbauvertrag. Dabei steht der Verbraucherschutz im Vordergrund. Der Verbraucherbauvertrag gilt bei Verträgen zwischen einem Unternehmen und einem Verbraucher im Rahmen eines Neubaus oder bei erheblichen Umbaumaßnahmen am Gebäude. Gerade SHK-Betriebe werden kaum den kompletten Bau eines Hauses oder große Umbaumaßnahmen koordinieren. Daher, so die Vermutung weiter Teile von Rechtsexperten, wird der Verbraucherbauvertrag keine Relevanz für das SHK-Handwerk haben.
Weitere Änderungen kurz gefasst
Die Abnahmefiktion
Gemäß den neuen Regelungen tritt die Abnahmefiktion ein, wenn der Auftraggeber sich nicht binnen einer vom Handwerksbetrieb festgesetzten, angemessenen Frist äußert oder wenn er die Abnahme verhindert, ohne einen konkreten Mangel zu beanstanden. Dabei ist zunächst unerheblich, ob der Mangel tatsächlich besteht, ob er wesentlich oder unwesentlich ist. Rügt der Besteller nicht rechtzeitig, wird die Abnahme auch dann fingiert, wenn tatsächlich wesentliche Mängel vorliegen. Gegenüber Verbrauchern/Privatkunden gilt die Abnahmefiktion aber nur, wenn der Betrieb auf die Folgen einer nicht erklärten oder ohne Angabe von Mängeln verweigerten Abnahme vorher in Textform hingewiesen hat.
Kündigungsrecht
Beide Vertragsparteien können den Vertrag nun ausdrücklich aus wichtigem Grund fristlos kündigen. Generell sind Kündigungen – also auch die sogenannte freie Kündigung des Bestellers – nunmehr schriftlich zu erklären, was aber schon bislang der Baupraxis entsprach. Die Kündigung per Mail genügt übrigens nicht.
Schlussbemerkung
Passen Sie Ihre Verträge, die Sie ab dem 1. Januar 2018 abschließen, dem neuen Bauvertragsrecht an. Viele Regelungen, abgesehen vom Verbraucherbauvertrag, lassen grundsätzlich die Möglichkeit zu, abweichende Vereinbarungen zu treffen. Lassen Sie sich bei Fragen von Fachleuten beraten. Der ZVSHK passt die Musterverträge und AGB für seine Mitglieder rechtzeitig an das neue Recht an. Mehr dazu www.zvshk-formularmuster.de
Autorin: Angela Kanders, freie Journalistin
1) Teil 1 der zweiteiligen Artikelfolge findet sich in Ausgabe 22, Seite 60.
Das Buch zum neuen Baurecht
Zur Bauvertragsnovelle 2018 gibt es ein Praxishandbuch: BGB und VOB – Kommentare und Musterbriefe für Handwerker und Bauunternehmer. Die Kommentare sind speziell für Handwerker und Bauunternehmer geschrieben. Praxisempfehlungen, Ablaufdiagramme und Beispiele zeigen Auftragnehmern, wie die neuen Regelungen des BGB 2018 anzuwenden sind. Schwerpunkt sind dabei Aufträge mit privaten Bauherren, aber auch die aktuelle VOB und die Rückwirkung des neuen BGB 2018 auf VOB-Verträge werden aus Handwerkersicht behandelt. Zusätzlich sind im Praxishandbuch mehr als 400 Formulare und Vordrucke enthalten, mit denen der Handwerker und Bauunternehmer seine Rechte durchsetzen kann. Die mitgelieferte CD enthält neben den Kommentaren Musterbriefe und Musterverträge.
Versandkostenfreie Bestellung: www.strobel-shop.de