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Schadensprävention am Bau

Handwerker gelten als besonders unfallgefährdet. Eine Berufsunfähigkeitsversicherung schützt vor unkalkulierbaren Folgen

Bild: Fotolia/WoGi

 

Dr. Annabel Oelmann. Für die Vorstandsvorsitzende bei der Verbraucherzentrale Bremen zählt die Berufsunfähigkeitsversicherung zu den wichtigsten Vorsorgemaßnahmen von Berufstätigen. Bild: Verbraucherzentrale Bremen

Im Jahr 2014 ereigneten sich 880 000 meldepflichtige Unfälle von Handwerkern. Und doch ist es für den einzelnen mitunter schwierig, eine Berufsunfähigkeitsversicherung abzuschließen. Bild: Project Photos/Reinhard Eisele

Es mag verwundern, aber der Grad einer Behinderung und die Berufsunfähigkeit stehen nicht im direkten Zusammenhang: Eine Person, die zu 50 % schwerbehindert ist, ist nicht im selben Grad auch berufsunfähig. Jeder Fall wird individuell und unabhängig vom festgestellten Behinderungsgrad bewertet und eingestuft.

Die Gesundheitsfragen des Versicherers beim Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung beziehen sich meist auf die letzten fünf Jahre, Krankenhausaufenthalte und schwerere psychische Erkrankungen müssen meist für bis zu zehn Jahre rückwirkend angegeben werden.

 

Soll ich als Handwerker eine Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) abschließen? Wie kann ich mich am besten informieren? Wie lassen sich Kosten minimieren und worauf habe ich alles bei Vertragsabschluss zu achten? Diese und weitere Fragen beantworten wir hier. Außerdem stellen wir verschiedene Standpunkte und Fakten gegenüber.

Jeder vierte Berufstätige ist durch Unfall oder Krankheit vorzeitig von Berufs- oder gar Erwerbsunfähigkeit bedroht. Viele Handwerksberufe wie Dachdecker oder Gerüstbauer zählen zu den gefährlichsten Berufen in Deutschland. Allein im Jahr 2014 ereigneten sich 880 000 meldepflichtige Unfälle von Handwerkern, und 50 % aller Handwerker müssen bzw. gehen schon lange vor Erreichen des offiziellen Eintrittsalters in Rente.
Doch nur wenige haben für den Ernstfall mit einer BU oder einem ähnlichen adä­quaten privaten Vertrag vorgesorgt. Viele bekommen aufgrund von Vorerkrankungen gar keinen oder keinen ausreichenden Schutz. Diejenigen, die wie viele Handwerker einen risikoreichen Beruf ausüben, können sich häufig den Schutz nicht leisten. Daher ist eine Vorsorge unbedingt erforderlich. Das sagen nicht etwa die Versicherungsgesellschaften, sondern der Bund der Versicherten und die Verbraucherzentrale NRW in einem gemeinsamen Positionspapier.

Geringe gesetzliche Erwerbsminderungsrente
„Die Berufsunfähigkeitsversicherung zählt zu den wichtigsten Versicherungen überhaupt“, sagt Dr. Annabel Oelmann, Vorstandsvorsitzende der Verbraucherzentrale Bremen. „Dies gilt insbesondere für Arbeitnehmer, die nach 1960 geboren sind. Denn sie haben bei Verlust ihrer Arbeitskraft – wenn überhaupt – nur noch Anspruch auf eine gesetzliche Erwerbsminderungsrente.“ Diese reicht aber in der Regel bei Weitem nicht aus, um den bisherigen Lebensstandard zu sichern. Für einen nach 1960 geborenen Arbeitnehmer gilt: Eine Erwerbsminderungsrente erhält er oder sie überhaupt nur, wenn in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung mindestens drei Jahre Pflichtbeiträge gezahlt wurden.
Die volle Erwerbsminderungsrente beträgt aus der gesetzlichen Rentenversicherung rund 32 % des zuletzt erzielten Bruttoeinkommens. Doch diese wird nur bezahlt, wenn eine Person keiner beruflichen Tätigkeit mehr nachgehen kann. Kann sie noch zwischen drei und sechs Stunden am Tag eine beliebige Arbeit ausüben, steht ihr lediglich die halbe Erwerbsminderungsrente zu. Die durchschnittliche Rente bei voller Erwerbsminderung lag 2012 bei rund 700 Euro. Die Zahlbeträge der Erwerbsrenten sinken seit 2001 kontinuierlich. Außerdem sind Kranken- und Pflegeversicherungsbeträge sowie grundsätzlich Steuern auf die Erwerbsminderungsrenten zu entrichten.

Private Vorsorge: oft gar nicht so einfach
„Ein privater Berufsunfähigkeitsschutz ist daher gerade für die Altersgruppe nach 1960 geboren ein Muss“, meint Dr. Oelmann. Tatsächlich sei es für viele aber gar nicht so einfach, einen solchen Vertrag zu bekommen, sagen die Verbraucherschützer. Der Gesetzgeber fordere die Arbeitnehmer zwar auf, selbst privat vorzusorgen. „Er selbst hat aber keinerlei Vorsorge getroffen, dass jeder, der möchte, auch eine private Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen kann“, kritisiert die Vorstandsfrau. Die Erfahrung zeige, dass sich die Versicherer ihre Kunden aussuchen könnten.
Erwerbstätige erhielten deshalb zumeist eine Ablehnung oder nur einen Vertrag, bei dem bestimmte Krankheitsbilder ausgeschlossen seien. Nämlich gerade solche, die das vorrangige Risiko bilden. „Opfer der rigiden Aufnahmekriterien sind tendenziell ganze Beschäftigungszweige, weil sie erfahrungsgemäß ein sehr hohes Berufsunfähigkeitsrisiko bergen“, sagt Dr. Oelmann. Vor allem aber seien Personen betroffen, die bereits Vorerkrankungen aufweisen.
Manche Antragssteller sind deshalb versucht, bei den Gesundheitsfragen nicht alles anzugeben. Mitunter werden sie sogar von Versicherungsvertretern dazu ermuntert, die selbst ein Interesse daran haben, dass der Vertrag zustande kommt. „Vor solchen Auslassungen können wir jedoch nur eindringlich warnen“, sagt Dr. Oelmann. „Das ist eine finanzielle Zeitbombe. Tritt Berufsunfähigkeit ein, prüfen die Versicherer nämlich zunächst, ob wichtige gesundheitliche Details verschwiegen wurden.“ Würden sie fündig, drohe unter Hinweis auf die Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten die Verweigerung der Rente und die Kündigung des Vertrags.
Wenn bestimmte Berufszweige nicht abgelehnt werden, so wird es zumindest teuer. „Die Probleme der Handwerker ergeben sich häufig daraus, dass der Schutz sehr teuer und für viele unbezahlbar ist“, sagt Bianca Boss, Pressesprecherin beim Bund der Versicherten. Ob zu teuer oder abgelehnt: Das Ergebnis bleibt dasselbe. „Daher ist es besonders wichtig, dass diese Zielgruppe möglichst früh eine Berufsunfähigkeitsversicherung abschließt. Dann sind die Beiträge noch etwas geringer als im höheren Alter“, rät Boss.

Unterschiede bei Versicherungsgesellschaften
Durchaus gibt es Unterschiede zwischen den Versicherern. Sie kristallisieren sich erst im individuellen Einzelfall heraus. „Das kann bedeuten, dass Personen mit gesundheitlichen Vorbelastungen bei möglichst vielen Versicherern einen Antrag stellen müssten – in der Hoffnung, dass es bei dem einen oder anderen dann klappt“, sagt die Bremer Verbraucherschützerin Dr. Annabel Oelmann. Allerdings: Wenn ein Versicherer nach Prüfung des Gesundheitszustandes ablehnt, bleibt dies nicht geheim. Der Vorgang wird in der zentralen Wagnisdatei gespeichert, auf die alle Versicherungsgesellschaften zugreifen können. „Der Antragssteller läuft dann schnell Gefahr: einmal abgelehnt, immer abgelehnt“, sagt Dr. Oelmann. Sie rät daher zunächst zu einer anonymisierten Risikovorabfrage. Dabei wird ein Antrag an ausgesuchte Versicherer weitergeleitet. Einige Makler bieten einen solchen Service an.

Kleingedrucktes genau prüfen
Auf jedes Wort und Detail ist zu achten, verweist der Bund der Versicherten. Der Versicherungsnehmer sollte darauf achten, dass der Versicherer uneingeschränkt auf sein Recht der abstrakten Verweisung verzichtet. Denn sonst bekommt man die Berufsunfähigkeitsrente erst, wenn neben dem eigenen Beruf keine vergleichbare Tätigkeit mehr ausgeübt werden kann. Dabei ist unerheblich, ob tatsächlich eine Anstellung in einem anderen Beruf gefunden wird oder nicht.
Zu unterscheiden ist auch zwischen konkreter und abstrakter Verweisung. Typisches Beispiel einer konkreten Verweisung ist, wenn ein SHK-Handwerker als Verkäufer in einem Fachmarkt arbeitet. Auf die abstrakte Verweisung sollte der Versicherer auch bei der Nachprüfung der Berufsunfähigkeit verzichten.
Hinsichtlich des Prognosezeitraums ist zu prüfen, ob die Versicherung bereits eintritt, wenn der Arzt eine Berufsunfähigkeit von voraussichtlich sechs Monaten vorhersagt und ob die sogenannte vermutete Berufsunfähigkeit gilt. Das heißt, ob der Versicherer auch nach Ablauf von sechs Monaten rückwirkend von Beginn an zahlt, wenn der Arzt keine Vorhersage abgeben konnte.
Gut ist ebenfalls, wenn der Versicherer auf sein Kündigungs- und Vertragsanpassungsrecht verzichtet, wenn eine Vorerkrankung schuldlos nicht angegeben wurde. Wichtig sind auch Nachversicherungsgarantien, denn Lebensumstände ändern sich. Hierbei kann der Versicherungsnehmer Leistungen bei bestimmten Ereignissen wie Heirat, Geburt, Immobilienerwerb oder auch die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit ohne erneute Gesundheitsprüfung erhöhen.

Alternativen als 2. Wahl
Eigentlich ist eine BU alternativlos. Doch wenn es partout nicht klappt, kommen ­Alternativen infrage, die zumindest ­einen Teilschutz bieten. Dazu Dr. Annabel Oelmann, von der Verbraucherzentrale Bremen: „Wer keine Berufsunfähigkeitsversicherung mehr bekommt, kann mit einer Unfallversicherung wenigstens für punktuellen Schutz sorgen“. Diese leistet, wie der Name schon sagt, nach einem ­Unfall eine Einmalzahlung und/oder Rente.
Eine weitere Alternative kann die Funktionsinvaliditätsversicherung sein. Sie versichert einzelne Grundfunktionen des Körpers. Damit ermöglicht sie zumindest eine Mindestabsicherung und setzt sich aus mehreren Bausteinen zusammen, die je nach Anbieter geringfügig voneinander abweichen können. Die meisten Versicherer kombinieren folgende Elemente: Grundfähigkeitsrente, Pflegerente, Organrente und Unfallrente. Allerdings enthalten die Kombielemente Lücken. Insbesondere fehlt die Absicherung von psychischen Erkrankungen, die häufigste Ursache der Berufsunfähigkeit. 

Autorin: Angela Kanders, freie Journalistin
www.verbraucherzentrale-bremen.de

www.bundderversicherten.de

www.verbraucherzentrale.nrw

www.buforum24.de

www.bvvb.de


Tipps für Vertragsabschlüsse
Der Bund der Versicherten hält viele Tipps parat. Die wichtigsten in Kürze.

Vertragsabschluss
Eine BU sollte möglichst früh abgeschlossen werden. Am besten schon zu Beginn einer Ausbildung, denn dann sind die Prämien vergleichsweise niedrig. Je später jemand sich für eine BU entscheidet, desto eher können Erkrankungen die Annahme eines Antrags erschweren oder gar verhindern. Zum Vergleich: Bei voller Gesundheit ist ein Vertragsabschluss mit 40 Jahren ungefähr 40 % teurer als im Alter von 30.
Kombinationsversicherung
Die BU kann man entweder separat oder als Zusatz einer Risikolebensversicherung abschließen. Diese Kombination ist häufig günstiger als ein Einzelvertrag. Sie kann interessant sein, wenn kein Todesfallschutz nötig ist. Dann am besten die Versicherungssumme für den Todesfall so gering wie möglich wählen.

Laufzeit
Die Vertragslaufzeit sollte möglichst bis zum Ende des Erwerbslebens reichen – heute i. d. R. bis zum 67. Lebensjahr. Eine kürzere Laufzeit ist nur ratsam, wenn jemand bereits vorher aus anderen Quellen wirtschaftlich abgesichert ist.

Versicherungssumme
Die Höhe der BU sollte sich aus den monatlichen Ausgaben, aus Lebensunterhalt, Versicherungen, Geldanlage usw. zusammensetzen, abzüglich weiterer Einkünfte, die nicht aus dem Arbeitseinkommen stammen. Die BU sollte auch spürbar über den staatlichen Sozialleis­tungen liegen.

Inflation
Um die Inflation auszugleichen, ist eine Dynamik zu vereinbaren. Dadurch erhöht sich jährlich die Versicherungssumme, allerdings auch der Beitrag. Die meisten Versicherer begrenzen die versicherbare Berufsunfähigkeitsrente der Höhe nach auf einen Bruchteil des Brutto- oder Nettoeinkommens, volle Absicherung ist im Normalfall nicht möglich.

Unabhängige Berater
Bereits bei Antragsstellung und Beantwortung der Gesundheitsfragen sollte der Kontakt zu einem unabhängigen Berater gesucht werden, z. B. bei Verbraucherzentralen, bei behördlich zugelassenen Versicherungsberatern oder als Mitglied beim Bund der Versicherten. Auch im Versicherungsfall ist fremde Hilfe kostbar.


 

 


 

Literaturtipps
Die Verbraucherzentrale hat gemeinsam mit der ZDF-Sendung WISO zwei sehr übersichtliche und informative, neue Ratgeber veröffentlicht.

Berufsunfähigkeit gezielt absichern
Der Ratgeber gibt Tipps für die Suche nach der richtigen Police und beantwortet Fragen zur richtigen Einschätzung der Versorgungslücke, was guter Versicherungsschutz kosten darf, worauf man beim Vergleich von Versicherungsbedingungen achten sollte, wie man mit den Gesundheitsfragen umgeht und wie die Rente durchzusetzen ist. Auch Alternativen zur Berufsunfähigkeit werden durchleuchtet.

Richtig versichert. Wer braucht welche Versicherung?
Viele Versicherungen sind überflüssig und teuer. Gleichwohl sind einige in bestimmten Lebenssituationen unerlässlich. Dieser Ratgeber zeigt, welcher Versicherungsschutz tatsächlich notwendig ist und wie die passende Police gefunden wird.

Zu bestellen im Online-Shop unter www.ratgeber-verbraucherzentrale.de oder unter Tel.: 0221 3809-555. Die Ratgeber sind auch in den Beratungsstellen der Verbraucherzentralen und im Buchhandel erhältlich.


 


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