Werbung

PV in der Vertikalen

Gebäudeintegrierte Photovoltaik ist ein Nischensektor – doch das soll sich bald ändern

Vorzeigeprojekt: Die Hauptfassade der E+ Kita Marburg besteht aus speziellen Solarmodulen aus schwarzem Verbundsicherheitsglas, die sich perfekt in das architektonische Gesamtbild einfügen. Bild: Ertex Solartechnik

Dünn, leicht und biegsam: Solarfolien aus organischen Halbleitern lassen sich leicht herstellen und können dank ihrer Produkteigenschaften nahezu überall eingesetzt werden. Bild: Tim Deussen, Berlin

Die Fassadensanierung des Pilotprojekts für gebäudeintegrierte Photovoltaik wurde mit dem VHF-System „Sto-Ventec G“mit 524 auf Trägerplatten aufgeklebten schwarzen Glas-Modulen realisiert, kombiniert mit dem VHF-System „Sto-Ventec Artline“ mit Photovoltaik-Panels. Bild: Sto SE & Co. KGaA

Monokristalline Siliciumsolarzellen sind nicht nur hocheffizient, sondern lassen sich farblich auch sehr gut variieren. Bild: Ertex Solartechnik

Schlicht und streng geometrisch: die neue Propsteikirche St. Trinitatis in Leipzig, ausgeführt mit dem VHF-System „Sto-Ventec Artline“ mit Rochlitzer Porphyr – am markanten Kirchturm in Kombination mit Photovoltaik-Panels. Bild: Sto SE & Co. KGaA

Energetische Sanierung mit Solarfassade: Das Wohnungsbauunternehmen Vivawest machte mit 170 PV-Modulen an der Fassade und 90 PV-Modulen auf dem Dach aus einem Mehrfamilienhaus in Bottrop aus den 1960er-Jahren ein Plusenergie-Haus. Bild: Vivawest Wohnen GmbH

 

Noch zieren Solarmodule vor allem Dächer. Solarmodule zum Einbau in die Gebäudehülle finden sich eher selten. Große Flächen von Häusern bleiben somit ungenutzt. Gründe sind hohe Kosten, fehlende Integrationsmöglichkeiten oder schlicht mangelndes Interesse der Architekten. Doch die Elemente werden dank effizienter Solarzellen und neuer Dimensionen, Formen und Transparenzgraden günstiger und vielseitiger. Damit bergen sie Potenzial zum Mainstream.
Photovoltaik an der Fassade ist eine zukunftsweisende Energiequelle. Als Strom erzeugende Komponenten eignen sich Bauwerkintegrierte Photovoltaik-Module, BIPV (Building Integrated Photovoltaics), weil mit Solartechnik ausgestattete Gebäude weniger schädliches Kohlendioxid ausstoßen und damit wesentlich zu den Klimaschutzzielen beitragen können. Gebäude spielen hierbei eine Schlüsselrolle: Neubauten sollen ab 2020 fast keine Energie mehr für Heizung, Warmwasser, Lüftung und Kühlung benötigen und den restlichen Energiebedarf selbst decken. BIPV ist hier eine Lösung. Wo sich Module nicht auf dem Dach anbringen lassen, können sie in die Gebäudehülle integriert werden. Gerade auch im innerstädtischen Bereich ist die Integration von BIPV in Fassaden eine sehr gute Möglichkeit zur Ener­giegewinnung, weil dort der Anteil der Fassaden- gegenüber den Dachflächen zumeist überwiegt. 

Markt mit Entwicklungsmöglichkeiten

Noch ist BIPV aber eine Nischenanwendung und fällt im Vergleich zur weltweiten PV-Gesamtinstallation kaum ins Gewicht. Von den knapp 40 GW Solarstromleistung, die 2014 weltweit neu installiert wurde, entfiel nur knapp ein GW auf die BIPV. Damit liegt ihr Marktanteil gerade einmal bei 2,5 %. Ein Markthemmnis sind die relativ hohen Kosten. Diese resultieren z. B. aus sehr kleinen Produktionen, weil Module aufgrund von unterschiedlichen baurechtlichen und technischen Anforderungen der Länder und Regionen maßgefertigt werden müssen. „Das erschwert die Produktion größerer Stückzahlen und Kostensenkungen“, sagt Gaëtan Masson, Vizepräsident der European Photovoltaic Technology Platform (EUPVTP). Um so wie die konventionelle PV von Größenkostenvorteilen zu profitieren, müsse sich die BIPV-Industrie stärker auf wettbewerbsfähige Marktsegmente konzentrieren. „Dann könnten die Unternehmen die Produktion vorfabrizierter BIPV-Elemente starten“, so Masson. Zudem seien bessere politische Rahmenbedingungen nötig, um der Industrie auf die Sprünge zu helfen, heißt es. Schon vor einigen Jahren diagnostizierte der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar), allein in Deutschland würden sich 2,3 Mrd. m² Grundfläche für den Einsatz von BIPV eignen. Damit ließe sich etwa ein Drittel des gesamten Strombedarfs decken. Die Menge an Strom ist beachtlich, variiert allerdings mit der im Einzelfall eingesetzten PV- bzw. Modulartechnik.

Kristallines Silicium versus Dünnschicht
Mono- oder polykristalline Siliciummodule sind die klassische Variante bei PV in der Fassade, die viele Bauherren schon aus der Verwendung als Dachinstallation kennen. Diese Module bieten einen hohen Wirkungsgrad von bis zu 20 %, eine erprobte Langzeithaltbarkeit und ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. Auch Sondermaße lassen sich im Gegensatz zu Dünnschichtmodulen einfacher realisieren. Der Nachteil liegt in der bekannten PV-Optik und sichtbarer Zellstruktur, die so manchen Planer und Architekten abschrecken mag. Zudem weisen Siliciummodule eine leichte Bewegung innerhalb des Moduls auf, weshalb bei senkrechtem Einbau diese Technik weniger formstabil ist als Dünnschichtmodule.
Bei Dünnschichtmodulen werden die Halbleitermaterialien in einer dünnen Schicht auf Glas aufgedampft. Damit bieten sie die gleichen gestalterischen Möglichkeiten wie Glasfassaden. Außerdem besitzen sie eine hohe Formstabilität entsprechend des verwendeten Glases. Am Markt sind semitransparente Modultypen, die so auch als Sonnenschutz dienen und unterschiedliche Verschattungsgrade im Bereich von 10 bis 60 % Lichtdurchlässigkeit ermöglichen. Eine komplette Durchsicht ist nicht möglich.

Entwicklungen, Marktplayer und Beispiele
Auch wenn die politischen Rahmenbedingungen schwierig sind, stetige Innovationen lassen auf einen baldigen Durchbruch der Technik hoffen. Die Module werden effizienter und sind in immer mehr Ausführungen verfügbar. Den neuen Gestaltungsspielraum wissen Architekten zu schätzen.
„Wir spüren ein Anziehen des Marktes“, sagt Bernd Sprecher, Geschäftsführer der Manz CIGS Technology. Das Unternehmen entwickelt Produktionslinien für Dünnschichtmodule und fertigt in diversen, frei wählbaren Dimensionen und Formen. Manz dampft die photoaktive
CIGS-Schicht im Vakuum hauchdünn auf Floatglas auf. Dieser Prozess erlaube variable Modulgrößen und Sonderformen. Auch der verbesserte Wirkungsgrad dank optimierter Produktionsverfahren spricht für die Dünnschicht. CIGS-Module von Manz erreichen mittlerweile fast 15 % Wirkungsgrad. Langfristig sollen nach Sprecher sogar 20 % möglich sein.
Auch die Antec Solar GmbH bietet Dünnschicht-PV-Module an, z. B. „AFT Black Line,“ die  speziell für die Integration in eine solaraktive Großfassade konzipiert sind. Das Doppelglas-Modul aus Pyramidenglas ist besonders groß und erzielt durch eine tiefschwarze, samt-matte und reflexarme Oberfläche eine moderne und ästhetische Fassadenwirkung ohne Spiegelungen und Blendungen. Diese Module eignen sich besonders für Fassaden an Hochhäusern, Flugzeughallen, Firmengebäuden und Schallschutzwänden.
Masdar PV hat mit der Modulgruppe „Binaa“ farbig, transparente oder Isolierglasmodule im Programm. Diese Dünnschichtmodule sind nach IEC 61646 und EN 61720 für eine bauwerkintegrierte Photovoltaik zertifiziert. Als Aufmaßmodule bietet sie Architekten und Bauträgern vielfältige Gestaltungsoptionen und ersetzt als aktives Bauelement herkömmliche Fassadenmaterialien. 
Noch sind die Wirkungsgrade von Spitzenmodulen aus monokristallinem Silicium jedoch unerreicht. Entscheidender Grund, warum der BIPV-Spezialist Ertex Solartechnik vorwiegend Siliciummodule einsetzt. Um Ansprüchen von Architekten und Planern gerecht zu werden, hat Ertex gemeinsam mit Spezialisten aus der Architektur-, Glas- und PV-Branche neuartige Module mit hohen Ansprüchen an Ästhetik und Gestaltungsfreiheit entwickelt. Jede Ebene des Moduls – von der vorderen Glasfläche bis zum rückseitigen Glas – kann strukturiert und eingefärbt werden. Dieter Moor, Geschäftsführer Marketing und Sales bei ertex solartechnik, sagt: „Auf diese Weise ist die Solarzellenstruktur kaum mehr wahrnehmbar.“ Was mit BIPV-Paneelen inzwischen machbar ist, wird am E+ Kindergarten der Stadt Marburg deutlich. Das Gebäude überzeugt durch dreieckige Elemente mit leistungsstarken monokristallinen Siliciumzellen des Herstellers. Die schwarzen Oberflächen lassen nicht darauf schließen, dass es sich um hocheffiziente Stromgeneratoren handelt.
Dank neuer Halbleiter dürfen sich Planer, Architekten und Bauherren künftig auf noch mehr Gestaltungsspielräume mit Solartechnik freuen. So arbeiten die Dresdener Firma Heliatek und der belgische Flachglashersteller AGC Glass Europe an BIPV-Elementen, die organische Photovoltaikfolien verschiedener Ausmaße, Farbabstufungen und Transparenzen in Bauglas integrieren. Die Produktionskosten für die Solarfolien, für deren Herstellung im Rolle-zu-Rolle-Verfahren die Dresdener mit dem Green-Tec-Award ausgezeichnet wurden, sind deutlich niedriger als bei kristallinen Siliciumzellen. Heliatec erwartet für ihre Solarfolie einen Boom. „Wir werden mit Anfragen für Politprojekte regelrecht überrannt“, sagt Unternehmenssprecherin Kathleen Walter. Auch Crystalsol aus Wien stellt flexible Solarfolien zur Integration in Gebäudefassaden her. Belectric bietet ebenfalls Module auf Basis organischer Photovoltaik an, die besonders leicht, flexibel und biegsam sein sollen.
Der litauische Modulhersteller Soli-Tek stellt Fassaden-Solarmodule her, deren Formen, Farben und Größen über eine Planungssoftware vom Architekten individuell bestimmt und direkt an die Produktionslinie übermittelt werden können. Dabei wird das Front- und Rückglas zunächst auf die geforderte Größe und Form zugeschnitten und die PVB-Folie aufgelegt. Roboter positionieren die Solarzellen auf dem Frontglas in gewünschtem Abstand zueinander, sodass auch semi­transparente Module entstehen. Durch ein Siebdruckverfahren kann auf einer PV-Fassade auch ein flächendeckendes Foto aufgebracht werden.
Die Sto AG bietet als Systemanbieter Photovoltaik-Paneele, die sich mit vorgehängten hinterlüfteten Fassadensystemen kombinieren lassen. Eine solche PV-Fassade bietet großes Potenzial für die Umsetzung von ganzheitlichen Energiesparkonzepten. Insbesondere durch die Kopplung von Wärmedämmmaßnahmen in Außenwänden und der Verwendung einer PV-Fassade kann sowohl Strom produziert, als auch Heizenergie eingespart werden. Wie das funktioniert, zeigt ein Bauprojekt in Bottrop. Das Wohnungsunternehmen Vivawest ließ das Mehrfamilienhaus aus den 1960er-Jahren energetisch sanieren und zum Energieplushaus umbauen. Sowohl auf dem Dach als auch an der Südfassade wurden PV-Module installiert. Mehr als 205 Quadratmeter Fassadenfläche zieren nun PV-Dünnschichtmodule und liefern jährlich rund 4000 kWh Strom. Die Module wurden teils in die Unterkonstruktion der Giebelfassade eingehängt, teils in Sonderformaten im Gebäude installiert und enthalten eine integrierte Wärmedämmschicht.

Perowskit mit mehr Wirkungsgrad
Auf der Glasstec 2016 in Düsseldorf präsentierten Solarforscher eine weitere BIPV-Entwicklung: Zellen aus Perowskit. Das Mineral lässt sich ähnlich einfach und sparsam verarbeiten wie die Solarfolien, hat aber ein höheres Potenzial hinsichtlich des Wirkungsgrads. US-amerikanische Wissenschaftler wiesen im Labor fast 20 % nach. Sie erzeugten eine nur 1 mm starke Perowskitschicht, indem sie Glas mit organischen Molekülen und Bleikristallen bedampften. Dennoch erzeugte die Zelle ebenso viel elektrische Energie wie eine 150-fach dicke Siliciumzelle. Gelänge es, Perowskit-Zellen für die BIPV nutzbar zu machen, gäbe es keine Hemmnisse mehr in Bezug auf Technik und Kosten.
Die EU fördert deshalb die Weiterentwicklung der Technik über ihr Programm „Horizont 2020“ mit rund 3 Mio. Euro. Ziel des unterstützenden Forschungsprojektes „Got Solar“, an dem neben der Firma Dyesol sechs europäische Forschungseinrichtungen beteiligt sind, ist die Entwicklung einer für die industrielle Produktion geeigneten Versiegelungstechnik der Zellen. Denn was für Hiliateks Folien gilt, gilt noch mehr für Perowskite. Sie sind extrem empfindlich und müssen besonders gut vor äußeren Einflüssen geschützt werden. „Es geht darum, ihre Stabilität zu erhöhen“, erklärt Dyesol-Sprecherin Eva Reuter. Das Unternehmen will 2018 die Serienfertigung der Perowskit-Zellen starten.

Entscheidung für eine PV-Fassadenintegration
Die Entscheidung für BIPV ist abhängig von der Größe, Art und Ausrichtung der für eine Solarstromgewinnung geeigneten Fläche am Gebäude. So kann bei ungüns­tig geschnittenen bzw. orientierten Dachflächen eine PV-Anlage an der Südfassade durchaus die bessere Lösung sein. Dabei ist zu bedenken, dass Fassaden, die hohe Solargewinne erzielen, gleichzeitig auch einen geeigneten Sonnenschutz benötigen.
Aus technischer und gestalterischer Sicht ist eine PV-Integration in die Fassade am problemlosesten, wenn sie im Fall eines Neubaus gleich zu Beginn mit eingeplant wird. Doch auch die Nachrüstung von Bestandsbauten ist möglich. Bei Gebäuden mit vorgehängter Fassade beispielsweise ist eine nachträgliche PV-Integration im Allgemeinen mit geringem Aufwand machbar. Die Nachrüstung von Gebäuden der vorindustriellen Epochen aber zwingt häufig zu individuell angepassten, kleinteiligen und damit kostenintensiven Lösungen.
Auf Fachbetriebe, die sich im Fassaden-PV-Markt etablieren wollen, warten, abgesehen von den konstruktiven Herausforderungen, die meist ungewohnten Tücken der Elektrotechnik. Wer PV-Anlagen planen, in Fassadenelemente integrieren und montieren will, muss sich zur Fachkraft für Solartechnik oder zum Solarteur ausbilden lassen oder eine entsprechende Fachkraft einstellen, vorzugsweise einen Meister der Elektrotechnik. Denn nur er darf die Solaranlage zum Schluss auch an das Stromnetz anschließen.

Autorin: Angela Kanders, freiberufliche Journalistin


Literaturtipp
Ein neues Buch beschreibt, wie aus Bauwerken Kraftwerke werden: „Photovoltaik
Fassaden – Leitfaden zur Planung“ (ISBN 978-3-86780-9) ist seit Mai 2016 auf dem Markt und kann für 29,– Euro bestellt werden. Auf 188 Seiten stellt das Buch ein produktneutrales Grundlagenwerk zum Thema Bauwerkintegrierte Photovoltaik (BIPV) dar. Es informiert Architekten und Bauingenieure detailliert über Planung und Integration von Photovoltaikmodulen in Fassaden sowie über die Gestaltung der nicht Strom erzeugenden Teile der Fassade. Konzept und Inhalte des Buches wurden von Lithodecor in Zusammenarbeit mit dem Institut für Baukonstruktion an der TU Dresden entwickelt. Das Buch versteht sich als praktische Grundlage zur Planung, Konstruktion und Projektunterstützung, liefert aber auch wissenswerte und wichtige Details zu Baurecht, Anlagentechnik und Förderungsmöglichkeiten.

 


Artikel teilen:
Weitere Tags zu diesem Thema: