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PV-Anlagen: harmlos oder brandgefährlich? Sind PV-Anlagen bei Bränden ein Risiko für die Feuerwehr?

Bei Bränden können PV-Anlagen ein Risiko für die Feuerwehr sein. Jetzt sollen Warnaufkleber und Verhaltensregeln die Feuerwehrleute vor etwaigen Gefahren schützen. Die DKE plant neue Installationsstandards.

 

Solardächer gefährden die Feuerwehr, hieß es im Juni im Magazin „Der Spiegel“. Beim Löschen mit Wasser drohe Feuerwehrmännern unter Umständen ein tödlicher Stromschlag. Im Zweifelsfall ziehe es die Feuerwehr daher vor, ein derartiges Haus kontrolliert abbrennen zu lassen; so geschehen laut „Spiegel“ im Februar 2010 im ostfriesischen Schwerinsdorf. Schaden: Über eine halbe Million Euro. Stimmt nicht, heißt es beim Deutschen Feuerwehrverband in Berlin. „In dem Haus in Ostfriesland gab es Probleme, von innen gegen den Brand vorzugehen, weil sich das Gebäude bereits sehr aufgeheizt hatte“, sagt Sprecherin Silvia Darmstädter. In solchen Fällen beschränke sich die Feuerwehr darauf, das Gebäude zu Kühlen und ein Übergreifen auf andere Gebäude zu verhindern. Man lässt es kontrolliert abbrennen. „Mit der Solarstromanlage hatte das nichts zu tun.“



Mit der Zahl neuer Solarstromanlagen steigt die Wahrscheinlichkeit, dass künftig häufiger Gebäude brennen, die eine PV-Anlage auf dem Dach haben.


Zusätzliche Gefahrenvariante

Andere Medienberichte suggerierten, dass Feuerwehren Gebäude per se nicht mehr löschen, wenn sie mit einer PV-Anlage ausgestattet sind. Darmstädter widerspricht: „Das ist in Deutschland unmöglich, dass die Feuerwehr nicht löscht.” Solarstromanlagen seien eine zusätzliche Variante möglicher Gefahren durch elektrischen Strom, mit denen die Einsatzkräfte seit jeher rechnen müssen.
Bislang sei ihr kein Fall bekannt, bei dem ein Feuerwehrmann durch eine PV-Anlage schwer verletzt oder getötet wurde, sagt Darmstädter. Aber mit der Zahl neuer Solarstromanlagen steigt die Wahrscheinlichkeit, dass künftig häufiger Gebäude brennen, die eine PV-Anlage auf dem Dach haben. Damit muss man im Fall eines Falles umgehen können. Jüngst haben der Feuerwehrverband und der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) ein Faltblatt erarbeitet, wie die Feuerwehrleute sich verhalten sollen, wenn es brennt.
Das Wichtigste ist, Abstand zu halten. „PV-Anlagen sind Niederspannungsanlagen, genau wie Steckdosen und Lichtanschlüsse. Hier gilt ein Sicherheitsabstand von 5 m beim Löschen mit Vollstrahl und 1 m beim Löschen mit Sprühstrahl“, sagt David Wedepohl vom BSW.
Die bisherigen Regeln, wie man am Besten mit etwaigen Gefahren durch elektrische Anlagen vor Ort im Brandfall umgeht, greifen zu kurz. „In der Regel schaltet die Feuerwehr zuerst die gesamte Stromversorgung aus, wenn sie ein Gebäude betritt“, sagt Heinz Engels von der Feuerwehr Düsseldorf. So reduziert sie das Risiko eines Unfalls, etwa wenn spannungsführende Leitungen von der Decke herabhängen, deren Kunststoffisolierung sich durch die Hitze aufgelöst hat oder Ähnliches. Teile der Solarstromanlage können aber auch nach dem Abschalten des Hausnetzes noch unter Spannung stehen.
„Das betrifft vor allem die Verbindungsleitungen von den Solarmodulen zum Wechselrichter. Unter Umständen können die Leitungen durch das gesamte Haus führen“, sagt Heribert Schmidt vom Fraunhofer-Institut für solare Energiesysteme in Freiburg; so z.B. dann, wenn die Wechselrichter nicht unter dem Dach, sondern im Keller montiert sind.
Diese Leitungen könnten im Brandfall unter Umständen Feuerwehrleute gefährden, sagen Experten.



Bei diesem Brand im Vorjahr in Thaden in Schleswig-Holstein wurde ein Teil der PV-Anlage auf dem Dach einer Scheune zerstört.

Abschaltmöglichkeiten

Um das zu vermeiden, sollen künftig Aufkleber auf der Zähleranlage und dem Hausanschlusskasten angebracht werden, die darauf hinweisen, dass auf dem Gebäude eine Solarstromanlage steht. Feuerwehrleute sollen dadurch rechtzeitig mögliche Gefahren erkennen; ob das reicht, um Unfälle zu verhindern, wird sich zeigen.
Der VDE hat 2006 bereits eine Installationsvorschrift erlassen, um zu verhindern, dass PV-Anlagen zu einem Sicherheitrisiko werden. Laut VDE 0100 Teil 712 müssen Wechselrichter auf der Eingangs- und Ausgangsseite abgeschaltet werden können.
Die Vorschrift hat das Problem aber offenbar nicht gelöst. Wo genau diese Schalteinrichtungen einzubauen sind, wird nämlich nicht bestimmt. Nach Möglichkeit sollte ein Schalter so nah wie möglich bei den Modulen installiert sein, sagt Schmidt.
„Oft ist nicht klar, wo die Schalter sich befinden und was sie überhaupt schalten“, sagt Heinz Engels. „Es herauszufinden, kostet Zeit. Die hat man aber meist nicht, wenn es brennt.“ Eine Zeitlang glaubte man, dem Problem Herr zu werden, indem man die Anlagen mit Löschschaum besprüht. Versuche zeigten aber, dass der Schaum auf einem um 30° geneigten Solarmodul nicht haftet. Bereits nach weniger als einer Minute war das Löschmittel komplett heruntergelaufen, sagt Engels.
In den Niederlanden gab es vor rund zwanzig Jahren Versuche mit Notausschaltern, die außen unter dem Dach montiert wurden. Im Falle eines Falles konnte die Feuerwehr damit die PV-Anlage außer Betrieb nehmen, bevor sie das Gebäude be-trat. Allerdings brauchte man immer Leitern oder lange Stangen, um die Schalter zu erreichen und zu betätigen.
In Berlin hat ein Ausschuss der Ständigen Konferenz der Landesinnenminister im März darüber beraten, ob Solarmodule künftig eine Abschaltvorrichtung haben müssen, heißt es bei der Deutschen Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (DKE) in Frankfurt am Main. Die Gremien der DKE beraten zurzeit, welche technischen Möglichkeiten es gibt, damit Solarstromanlagen nicht zum Sicherheitsrisiko werden. „Ziel ist, für den Menschen gefährliche Spannungen über 120 V Gleichspannung zu vermeiden“, sagt Arno Bergmann vom DKE. Vermutlich wird jetzt die Installationsvorschrift präzisiert.
Eine Abschaltmöglichkeit direkt auf dem Dach oder auch das Verlegen der Leitungen außerhalb des Gebäudes oder in entsprechenden Schutzrohren würde das Risiko minimieren, sagt Heribert Schmidt.
„Ideal wäre das sogenannte Fail-Safe-Verfahren. Damit schaltet man die einzelnen Module auf dem Dach gezielt ein. Im Normalzustand sind sie abgeschaltet, und erst bei einem Freigabesignal, z.B. durch den Wechselrichter, werden sie aktiviert.“
Bei solchen zusätzlichen Einrichtungen müsse aber immer das Verhältnis von Aufwand zu Nutzen beachtet werden, sagt Schmidt. „Denn der Energieertrag wird zwangsläufig reduziert und die Zuverlässigkeit und Lebensdauer sinken ebenfalls mit jeder zusätzlichen Komponente. Auch ist z.B. bei einer Freiflächen-Anlage zu hinterfragen, ob die Abschaltung jedes einzelnen Moduls tatsächlich erforderlich ist.“



Hier wird kein Strom mehr produziert. Nach einem Dachstuhlbrand war diese Solarstromanlage ein Fall für die Versicherung.


Komplexere Systeme

Eaton Industries stellte in diesem Sommer einen Moeller-Lasttrenner speziell für PV-Anlagen vor, der mit einem Unterspannungsauslöser für das 230-V-AC-Netz ausgerüstet ist. Der „SOL30-SAFETY“ ist laut Hersteller für eine maximale Betriebsspannung von bis zu 1000 Volt DC zugelassen, der maximale Betriebsstrom beträgt 32 Ampere. Der Schalter kostet brutto 230 bis 275 Euro je nach Ausführung; er ist in drei Versionen lieferbar: für MC3- oder MC4-Stecker und für Direktanschluss.
Durch den integrierten Unterspannungsauslöser kann der Schalter aber auch von einem entfernten Standort mittels eines Tasters betätigt werden. Trennt die Feuerwehr im Brandfall das komplette Haus vom Stromnetz, so führt dies automatisch zur Auslösung des Feuerwehrschalters und somit zur Spannungsfreischaltung der PV-Leitungen. Eine Gefährdung der Einsatzkräfte im Brandfall  aufgrund spannungsführender Gleichstromleitungen ist somit ausgeschlossen, so das Unternehmen.
Prinzipiell möglich ist auch die Abschaltung der Module über die in letzter Zeit stark propagierten Maximizer. Mehrere Hersteller werben bereits mit dieser Option für die Produkte. Ein Vorteil ist, dass sie auch ein selektives Abschalten einzelner Solarelemente ermöglichen; ein Feuerwehrschalter kann das nicht: Er schaltet grundsätzlich alle Solarmodule ab. Kacos Maximizer-System z.B. kommuniziert laut Herstellerangaben drahtlos mit allen Modul-Maximizern und erlaubt so eine Steuerung aller Prozesse in Echtzeit. Zudem sendet es die Betriebsdaten an einen externen Server. So kann die Anlage online überwacht werden.
Das System der Firma Solaredge funktioniert ähnlich. Die sogenannte „Power Box“ wird direkt an ein Solarmodul angeschlossen; darin ist eine Elektronik integriert, um das Modul im Falle eines Falles vom Netz zu nehmen, wenn Gefahr droht. Z.B. dann, wenn der Wechselrichter inaktiv ist, wenn Lichtbögen entstehen oder wenn Sensoren melden, dass es zu heiß wird, so das Unternehmen.
„Den Sinn solcher Geräte“, sagt Heribert Schmidt vom ISE, „sehe ich aber vor-rangig bei gebäudeintegrierten Anlagen mit regelmäßigen Abschattungen.“ Die Elektronik der Maximizer machten das Gesamtsystem PV-Anlage insgesamt komplexer und damit störanfälliger; es sei auch noch unklar, ob diese Geräte die von den Normungsgremien geforderten Eigenschaften zur sicheren Abschaltung erfüllen, so Schmidt.



Eaton Industries hat seit Kurzem einen Schalter für DC-Netze bis 1000 V im Programm mit Spannungsüberwachung für 230-V-AC-Betrieb. Im Brandfall kann die Feuerwehr eine PV-Anlage damit schnell und sicher abschalten.

15 cm Abstand

Vermutlich wird jetzt die Installationsvorschrift für PV-Anlagen präzisiert. Bis es soweit ist, behelfen sich die Feuerwehren damit, dass sie ihre Mitarbeiter informieren. Viele Feuerwehrschulen bundesweit lehren inzwischen den Umgang mit PV-Anlagen, wenn Gebäude brennen.
Installateure und Planer können aber auch ohne neue Installationsvorschrift dazu beitragen, dass Solarstromanlagen im Brandfall niemanden gefährden. „Die Module sollten in einem Abstand von etwa 15 cm auf dem Dach montiert werden, damit Brandschneisen entstehen“, sagt Heinz Engels. „Dadurch bleibt die Dachfläche partiell offen und die Feuerwehr kann zwischen den Modulen an den Brandherd heran.“
Langfristig wäre es für das Ansehen der Solartechnik in der Öffentlichkeit vermutlich am besten, wenn die Hersteller alle Module ab Werk mit Abschaltmechanismus ausrüsten; aber das ist leichter gesagt, als getan. Die Solarwirtschaft prüft zurzeit, ob und welche Schalter oder Kontakte genauso lang halten wie ein Solarmodul. „PV-Anlagen sind sehr langlebig, daher ist es wichtig, dass jede bauliche oder elektrische Änderung ebenso langfristig zuverlässig arbeitet, wie die Anlage selbst“, sagt David Wedepohl vom BSW.

Autor: Holger Dirks

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Solaranlagen selten Versicherungsfälle
Ende 2009 waren bundesweit rund 580 000 PV-Anlagen mit einer Kapazität von rund 9,8 GW in Betrieb, so der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW). Nur selten sind Solaranlagen bislang ein Fall für Versicherungen. Insgesamt seien 2008 rund 4200 Fälle von den deutschen Versicherern reguliert worden, so der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft. Für 2009 lagen noch keine Zahlen vor. Für die beschädigten Anlagen zahlten die Versicherer rund 14 Mio. Euro an ihre Kunden. Durch Brände wurde demnach rund ein Viertel der Schäden verursacht.

 


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