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„Probleme mit Legionellen auch im Kaltwasser“

Um sicheres Trinkwasser in öffentlichen Gebäuden und Anlagen zur Verfügung zu stellen, ist heute in vielen Fällen ein großer planerischer und technischer Aufwand erforderlich. Probleme mit Legionellen stellen hier eine erhebliche Herausforderung dar, weil im Falle einer schweren Kontamination die Sicherheit der Bürger und die vielfach notwendige weitere Nutzung der Gebäude in Einklang gebracht werden müssen. Über seine Erfahrungen zum praktischen Vorgehen in einer solchen Situation berichtet Frank Sperber, Haustechniker der IAB Immobilien-Verwaltung der Stadt Herford.

Über Erfahrungen und Vorgehensweise bei einem Legionellenbefall in einer Trinkwasseranlage sprach Frank Sperber, Haustechniker der IAB Immobilien-Verwaltung der Stadt Herford, mit dem Medizinjournalisten Daniel Neubacher. Bild: Pall

Gedämmte Trinkwasserleitung kalt in einem Technikraum. Bild: IKZ

In Neubauten empfiehlt es sich, dass Kaltwasser separat von den Warmwasser-, Zirkulations- oder Heizungsleitungen zu verlegen. So lassen sich ungewollte Erhöhungen der Kaltwassertemperatur vermeiden. Bild: Deutsche Energie-Agentur

Einbau eines Sterilwasserfilters am Beispiel einer Kopfbrause: Die vorhandene Kopfbrause wird entfernt, das spezielle Adapterstück montiert. Der Sterilwassserfilter wird daran per Schnellkupplung montiert bzw. nach seiner zugelassenen Standzeit demontiert (ausgewechselt). Bilder: Pall

 

IKZ-FACHPLANER: Herr Sperber, in welchen Einrichtungen/Anlagen der Stadt Herford sind Probleme mit Legionellen festgestellt worden?

Sperber: Wir haben unter unserer Aufsicht unter anderem Sporthallen, Kindergärten, Grund- und Hauptschulen, Gymnasien, Feuerwehren und Sportlerheime. Da ist es aus meiner Sicht schwierig und auch nicht zielführend, Probleme z.B. einem bestimmten Gebäudetyp zuzuweisen. Wir müssen uns häufig mit veralteten, nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechenden Installationssystemen auseinandersetzen, die entsprechend große Probleme verursachen. Wir sehen aber auch, dass man bei Neubauten nicht automatisch auf der sicheren Seite ist, sondern mit teilweise massiven Schwierigkeiten konfrontiert wird. Man sollte also differenziert den Einzelfall betrachten. Das Problem tritt in vielen Varianten auf.

IKZ-FACHPLANER: Wie gehen Sie mit der Problematik um?

Sperber: Nachdem wir vor einigen Jahren [in 2009] eine massive Legionellen-Kontamination in einem Schulgebäude mit mehr als 10.000 KBE/100 ml Wasser hatten, befassen wir uns sehr intensiv mit humanpathogenen Wasserkeimen. Seit der Zeit werden umfangreiche Maßnahmen zur Vorbeugung getroffen, die wir kontinuierlich noch verbessern. Wir sehen regelmäßige Gebäudebegehungen mit Gefährdungs­analyse vor, bei denen mögliche Schwachstellen analysiert werden. Bei Auffälligkeiten wie Speicherausfall, Erwärmung des Kaltwassers, Wassertrübung, defekte Ventile etc. leiten wir unmittelbar und außerhalb unserer jährlichen Beprobungsintervalle eine Trinkwasseruntersuchung ein. Ein Beispiel: Die letzte mit Legionellen aufgetretene Problematik war hervorgerufen durch den Ausfall eines Rückschlagventils in einer Sicherheitsgruppe einer Warmwasserspeicherbefüllung. Da hat es durch ungünstige hydraulische Verhältnisse eine Vermischung von Kalt- und Warmwasser gegeben. Das Problem wurde im Rahmen einer Gebäudebegehung erkannt, sodass wir sehr zeitnah reagieren konnten.

IKZ-FACHPLANER: Welcher Laborbefund wurde für die Trinkwasseranlagen/Duschen erhoben? Was waren die Konsequenzen?

Sperber: Der Laborbefund, die Kontamination, lag auch hier bei Werten von mehr als 10.000 KBE/100 ml Wasser, sodass wir als Sofortmaßnahme zur Gefahrenabwehr Pall-Wassersterilfilter installiert haben. Der Vorteil war hier, dass die Maßnahme quasi am gleichen Tag umgesetzt werden konnte. Dazu muss ich sagen, dass wir mit diesen Filtern schon seit zwei Jahren arbeiten, sodass wir einen gewissen Vorrat auf Lager halten. Das Unternehmen bietet aber auch einen 24-Stunden-Service, was wichtig ist, wenn man von jetzt auf gleich reagieren muss. Und das haben wir in der Vergangenheit mehrfach festgestellt. Im erwähnten Beispiel war durch die Sofortmaßnahme die Nutzung der Anlage weiterhin möglich. Parallel dazu laufen derzeit bautechnische Maßnahmen, die mit der notwendigen Sorgfalt ausgearbeitet werden können, weil wir mit dem Filtereinsatz ein gewisses Zeitfenster gewinnen.

IKZ-FACHPLANER: Wie aufwendig war die unmittelbare praktische Umsetzung des Filtereinsatzes?

Sperber: Der Aufwand ist nicht hoch. Das Unternehmen bietet eine Vielzahl an Adaptern an, sodass die Filter an Duschen und Waschbecken in der Regel unproblematisch installiert werden können. Das Setzen der Adapter und die Erstinstallation lassen wir von einem Sanitärfachbetrieb ausführen. Anschließend kann der Filterwechsel vom Hauspersonal vorgenommen werden, wobei wir eine kurze Einweisung für sinnvoll halten, weil man auch dies sorgfältig machen sollte.

IKZ-FACHPLANER: Wie sind die Erfahrungen mit den Sterilfiltern insgesamt? Wie ist die Kostensituation?

Sperber: Unsere bisherigen Erfahrungen haben eindeutig gezeigt, dass der Schritt zum Einbau von Sterilfiltern bei entsprechender Problemlage jedes Mal der richtige war. Die Kosten erscheinen möglicherweise im ersten Moment hoch, wenn 40 oder 50 Zapfstellen auszurüsten sind. Aber die Alternativen sind ja oft noch ungünstiger: Wenn keine Ausweichmöglichkeiten vorhanden sind, wie z.B. bei einer Sporthalle, die wöchentlich von 1500 Personen genutzt wird, ist eine Sperrung oder Nutzungseinschränkung oft sehr schwierig, bzw. nicht umsetzbar. Setze ich Duschcontainer ein, entstehen wahrscheinlich noch höhere Kosten und es besteht das zusätzliche Problem, dass der Anschluss an das Stadtwassernetz hygienisch ebenfalls heikel ist. Wenn ich nicht weiß, wo der Container vorher gesessen hat, müsste der ja ebenfalls untersucht werden, um vor dem Anschluss an das Leitungsnetz eine Kontamination auszuschließen. Sonst vergrößere ich das Problem für die Nutzer am Ende noch. Die Sterilfilter geben uns vor allem auch die Möglichkeit, mit Überlegung an die immer wieder anders gelagerten Probleme heranzugehen. Das ist im Einzelfall sehr wichtig, um eine Eskalation zu vermeiden. Eine Sanierung muss ja gut geplant und abgestimmt sein.
Dazu kommt, dass wir uns zum Ziel gesetzt haben, in allen Gebäuden bei denen Sanierungsmaßnahmen anfallen, wie auch im Neubaubereich, durchströmte Trinkwassersysteme zu installieren. In Verbindung mit endständig gesetzten Spülautomaten, um eine Stagnation des Trinkwassers zu vermeiden. In prägnanten Leitungsführungen, die über unsere Leittechnik gesteuert werden, bauen wir Temperaturkontrollen ein, damit wir sofort sehen können, wenn Probleme auftreten. Wir verwenden Strömungssensoren, um sicherzustellen, dass die Spülautomaten tatsächlich im 72-Stunden-Rhythmus einen Wasserwechsel bewirken. Das ist im Einzelfall kompliziert und kostet Zeit. Aber wir haben uns zum Ziel gesteckt, für die Zukunft mehr Sicherheit zu schaffen. Noch ein weiteres Beispiel: Der mikrobiologische Parameter Pseudomonas aeruginosa wird in der TWVO bei der Beprobung in öffentlichen Gebäuden heute nicht gefordert. Wir haben aber bei Stichproben in den Gebäuden festgestellt, dass bei Neuinstallation, aber auch bei Teilsanierung, durch Installation bzw. Einbringung von außen sehr schnell eine Verkeimung entsteht. Wir können diese Situationen ja glücklicherweise mit Sterilfiltern absichern. Aber Sie sehen, dass auch diese Beobachtungen in unsere Überlegungen einfließen.
Wir sind durch die schwere Kontamination in 2009 schon sehr geprägt. Das hat viel aufgewirbelt und wirkt bis heute nach, sodass wir einen hohen Aufwand betreiben, dem Nutzer ein hohes Gefühl der Sicherheit zu geben. Dadurch haben wir heute allerdings auch keine Probleme, die Ergebnisse der Wasseranalysen z.?B. den Schulen zur Verfügung zu stellen. Wir können denen sagen: Ihr könnt das Wasser trinken, Ihr könnt duschen, Ihr könnt damit machen, was Ihr wollt.

IKZ-FACHPLANER: Gab es im beschriebenen Kontaminationsfall eine Empfehlung für eine Maßnahme vom zuständigen Gesundheitsamt?

Sperber: Es gab Empfehlungen in Bezug auf Desinfektionsmaßnahmen. Parallel dazu bin ich Anfang des Jahres 2010 in einer Schulung auf die Wassersterilfilter aufmerksam geworden und habe die Maßnahme anhand der entsprechenden Datenblätter beim Gesundheitsamt vorgestellt. Mein Vorschlag, die Filter bei Bedarf einzusetzen, ist dann vom Gesundheitsamt befürwortet worden. Zur Zusammenarbeit mit dem Amt kann ich sagen, dass wir uns sehr intensiv abstimmen und die Zusammenarbeit hervorragend funktioniert. Wenn es Probleme oder Auffälligkeiten gibt, machen wir eine gemeinsame Begehung und versuchen, entsprechende Lösungen gemeinsam zu erarbeiten. Wir legen im Alltag großen Wert auf Transparenz, was z.?B. die ganzen Trinkwasseranalysen angeht. Das akkreditierte Trinkwasserlabor ist z.?B. angewiesen, alle erhobenen Befunde 1:1 an das Gesundheitsamt zu übermitteln. Alle geplanten Bau- und Sanierungsmaßnahmen werden von uns vorgelegt. Das Amt hat daher jederzeit Einblick, wie der Zustand unserer Gebäude ist. Und wenn Probleme auftreten, können wir in jedem Fall gemeinsam reagieren. Wir haben mit dieser Vorgehensweise sehr gute Erfahrungen gemacht.

IKZ-FACHPLANER: Gibt es einen Austausch zwischen Städten und Gemeinden zu den gemachten Erfahrungen?

Sperber: Das ist eine Sache, die wir uns für die Zukunft vorgenommen haben. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass es im Fall einer Kontamination mit Legionellen sehr schwierig sein kann, gleich die richtigen Schritte zu gehen. Wir hätten in der einen oder anderen Situation von einem Erfahrungsaustausch bestimmt profitieren können. In diesem Sinn würden wir einen solchen zukünftig gerne mit den umliegenden Kommunen erreichen. Obwohl wir uns schon seit Längerem mit der Materie befassen und nach unserer Überzeugung auch fachgerecht damit umgehen, stoßen wir immer wieder an Grenzen, werden immer wieder mit neuen Problemen konfrontiert.
Ein Beispiel sind die von mir vorhin angesprochenen aktuellen Probleme in Neubauten. Hier sehen wir zurzeit, dass durch diese neuen Anforderungen der Energieeinsparverordnung für Gebäude teilweise so dichte Gebäudehüllen geschaffen werden, dass die in den Gebäuden entstehende Wärme nicht mehr abgeführt werden kann. Durch erhöhte Umgebungstemperaturen in den Schächten oder den abgehängten Decken tritt eine Wärmeübertragung auf, die dazu führt, dass wir Kaltwassertemperaturen im für Legionellen hoch kritischen Temperaturbereich von 30 bis 35°C messen. Man kann sagen, dass wir momentan im Bereich Kaltwasser viel mehr Probleme mit Legionellen haben als im Warmwasser. Als Konsequenz weisen wir heute zum Teil bei Neubauten explizit darauf hin, dass Kaltwasser separiert werden muss, also in parallel geführten Leitungen mit Warmwasser, mit der Zirkulation oder der Heizung nicht mehr akzeptiert werden. Nur so können wir eine konstante, vernünftige Kaltwassertemperatur bewerkstelligen. Das alles in Verbindung mit endständigen Spülautomaten in einem durchströmten Trinkwassersys­tem.
Angesichts solcher relativ neuer Entwicklungen wäre es für mich schon interessant und auch hilfreich zu sehen, wie andere Kommunen solche Probleme angehen. Gerade bei der Kaltwasserproblematik sehe ich momentan erhebliche Schwierigkeiten auf alle Städte und Kommunen zu kommen, nicht zuletzt, weil die geforderte gesetzliche Probenahme auf Legionellen in erster Linie nur im Warmwasser erfolgt. Insofern wäre ein fachlicher Austausch aus meiner Sicht ein gro­ßer Fortschritt, der letztlich allen hilft. Es ist aber wahrscheinlich auch so, dass wir aufgrund unserer Vorgeschichte mit der Problematik momentan viel sensibler umgehen, als Kommunen, die noch nie mit einem ernsten Legionellenproblem konfrontiert wurden. Das ist ja irgendwo auch verständlich, aber man muss schon befürchten, dass in verschiedenen Städten und Kommunen einige Zeitbomben ticken, die jederzeit hoch gehen können.

Das Interview führte für uns Daniel Neubacher, Diplombiologe und freier Medizinjournalist, Oberursel.

 


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