Praxiswerte statt COPs aus dem Labor
Monitoring ermöglicht die gezielte Nachsteuerung von Anlagenparametern und gewährleistet so die Effizienz von Wärmepumpenanlagen – ein Beispiel aus der Praxis
Erdwärme als Energiequelle bietet eine solide Grundlage für den wirtschaftlichen und umweltfreundlichen Betrieb von Wärmepumpen. Oftmals allerdings werden in der Praxis die berechneten und technisch möglichen Jahresarbeitszahlen (COP) nicht erreicht, weil trotz korrekter Auslegung und Installation der Wärmepumpenanlage die Feineinstellung der Anlagenkomponenten vom Bedarf abweicht. Ein Projekt aus der Praxis zeigt, wie Planung, Umsetzung und Betrieb von Erdwärmesystemen ineinander greifen können – um im Ergebnis ein dauerhaft effizientes System zu schaffen.
In Sankt Augustin entstand in 2011 ein Mehrfamilienhaus mit insgesamt 25 Wohneinheiten. Die Wohnungen werden mit kontrollierter Wohnungslüftung und Fußbodenheizung ausgestattet. Die Heizlast der 2500 m² Wohnfläche wurde mit 96 kW berechnet. Für die Kälte- und Wärmeversorgung des Gebäudes wurde Erdwärme als Energiequelle vorgesehen. In der Umsetzung jedoch schwierig, da es räumliche Beschränkungen gab. Die ursprüngliche Planung ging von Doppel-U-Sonden mit 1600 m Sondenlänge aus, bei denen das zur Verfügung stehende Bohrfeld für eine 100%ige Deckung des Energiebedarfes aufgrund einer Bohrtiefenbegrenzung nicht ausgereicht hätte. Um den Energiebedarf zu decken, wurden in Zusammenarbeit mit dem Erdwärmeexperten Wolfgang Kievernagel schlussendlich großvolumige Erdwärmesonden (geoKOAX) integriert – diese kommen am Standort mit wesentlich weniger Bohrmetern und damit geringerem Platzbedarf aus. Es wurden 32 Sonden mit einer Länge von jeweils 23 m abgeteuft, die Gesamtlänge beträgt ca. 736 m. Eine Besonderheit der Anlage besteht darin, dass die Bohrungen ausschließlich unterhalb des Gebäudes eingebracht wurden.
Optimale Einstellung der Heizungsanlage
Die Heizungsanlage besteht aus einer Sole/Wasser-Wärmepumpe mit 88 kW Heizleistung, die über zwei Verdichterstufen abgerufen werden können. Zur Wärmeverteilung ist auf einer Fläche von 2500 m² eine Fußbodenheizung mit geringen Vorlauftemperaturen eingesetzt. Zusätzlich integriert wurde ein Pufferspeicher mit einem Fassungsvermögen von 1500 l. Die Auslegung der speziellen Fußbodenheizung mit integrierter Lüftung (Klimaboden Proklima von EHT), basiert auf einem Temperaturniveau von 38/33 °C. Hocheffizienzpumpen für die Sole, den Heizkreislauf sowie die Ladepumpe für den Pufferspeicher runden das Konzept ab.
Im Sommerbetrieb ist die Anlage so konzipiert, dass das gesamte Gebäude „passiv“ gekühlt werden kann. Über den Wärmetauscher wird eine Systemtemperatur von +18 °C gehalten, die in die Fußbodenheizung eingespeist wird. Es wird eine Absenkung der Raumtemperatur von 3 bis 4 K erzielt. Auf der Kostenseite fallen hierbei nur die Stromkosten für den Betrieb der Heizkreis- und Solepumpe an. So wurde das gesamte Objekt beispielsweise im sehr warmen Juni 2014 über die Anlage gekühlt – hierfür sind weniger als 50 Euro Stromkosten für das gesamte Gebäude in dem Monat aufgelaufen. Umgelegt auf die Wohneinheiten bedeutet dies, dass die Kühlung für nur 2 Euro pro Wohnung erfolgt ist. Eine ähnliche Kühlleistung mittels Klimaanlage hätte mehr als 5-mal höhere Kosten verursacht.
Durch die Kühlung wird die Regeneration des Erdreichs aktiv unterstützt, sodass insbesondere durch die in den Übergangszeiten in die Volumensonden injizierte Wärme, in der anschließenden Heizphase in einer höheren Sonden-Vorlauftemperatur resultiert. Dadurch erhöht sich der Effizienzgrad der Erdwärmeanlage nochmals deutlich.
Investitionskosten schützen und Betrieb sicherstellen
Bereits in der Planungsphase kommt die Fragestellung zur Sicherheit der gesamten Investition und des Erdwärmesystems auf – ist die dauerhafte Versorgung mit Wärme und Kälte gewährleistet, wie können Risiken bei der Nutzung der Energiequelle „Erdreich“ minimiert und die Investition geschützt werden. Im vorgestellten Projekt ist die dauerhafte Sicherung der Investition von über 150 000 Euro den Eignern der Wohnanlage genauso wichtig wie ein effizienter Betrieb, um die laufenden Stromkosten von jährlich mehr als 12 000 Euro im Griff zu haben und zu reduzieren. Hierfür wurde das Erdwärmemanagement-System der Firma Recogizer aus Bonn integriert.
Die Überwachung der Anlage mittels Monitoring lässt eine detaillierte Sicht auf das Zusammenspiel aller Komponenten zu – Taktprofil, Laufzeiten und Stromverbrauch von Wärmepumpe, Sole- und Heizkreispumpe, Energieverluste zwischen Wärmepumpe, Pufferspeicher und Heizkreis oder Temperaturdifferenzen im Vor-/
Rücklauf des Systems sowie der realisierte Temperaturhub.
Im Projektmonitoring wurden bereits nach wenigen Wochen Laufzeit einige Bereiche identifiziert, wo nachgesteuert werden konnte: Die Laufzeiten und Taktungen der Hocheffizienzpumpen wurden angepasst, ergänzend wurden die beiden Verdichter neu kalibriert – alles im Kontext der Quelle. Daraus resultiert eine Effizienzverbesserung – die JAZ (Jahresarbeitszahl) konnte über 4,0 gehoben werden. Auch der Nachweis zur Nachhaltigkeit der Anlage konnte einfach erbracht werden – allein im zweiten Halbjahr 2014 wurden verglichen mit einer konventionellen Lösung bereits mehr als 8 t CO² Emissionen eingespart.
Heizungsbauunternehmen nutzt automatisierte Überwachung
Zusätzlichen Nutzen aus dem Monitoring und Management der Anlage zieht das betreuende Heizungsbauunternehmen, die Firma Ritter. Wenn Auffälligkeiten in der Anlage auftreten, wird automatisch der Service-Mitarbeiter per E-Mail oder SMS informiert. Eine schnelle Prüfung am PC oder Tablet im Portal von Recogizer ermöglicht eine sofortige Analyse – und die Entscheidung, ob ein Monteur vor Ort an die Anlage muss oder nicht. Die sofortige Information bei Ausfall von Komponenten oder Unter-/Überschreitung von Schwellwerten sichert Effizienz – es gibt keinen unbemerkten Ausfall oder Verschlechterung der Anlagenleistung.
Für die Beteiligten ist der Betrieb der Anlage in Sankt Augustin ein Erfolg. Das Gebäudekonzept ist aufgegangen, die Energiequelle liefert die notwendige Leistung. Durch die nachgewiesene Leistungszahl und Feineinstellung konnte die JAZ erhöht werden. Ohne ein Monitoring und Management der Anlagenkomponenten wäre jedoch die vom Hersteller versprochene Leistungszahl von 4,3 (Quelle: SIMAKA; Heizleistung/COP (B0/W35) kW/-) Theorie geblieben und damit auch die Anlage unter ihren Möglichkeiten geblieben.
Bilder: Bayer Ingenieure; Recogizer Group GmbH
Objekt in Sankt Augustin – Projektbeteiligte
- TGA Planungsbüro: Bayer Ingenieure, Herbert Bayer
- Heizungsbauunternehmen: Ritter Sanitär Heizung GmbH, Dieter Ritter
- Erdwärmexpertise: Wolfgang Kievernagel
- Geologie und ganzheitliche Bewertung: tewag GmbH, Prof. Dr. Simone Walker-Hertkorn
- Monitoring, Betrieb, Projektleitung: Recogizer Group GmbH, Carsten Kreutze
Nachgefragt
IKZ-FACHPLANER: Ein umfassendes Monitoring gilt in Expertenkreisen inzwischen als unverzichtbares Instrument zur Sicherung der Anlageneffizienz – insbesondere bei Wärmepumpenanlagen. Warum reichen eine sorgfältige Planung und eine darauf aufbauende Erstellung und Einregulierung der Anlage nicht mehr aus?
Carsten Kreutze: Um eine Wärmepumpenanlage dauerhaft sicher und effizient zu betreiben, ist eine fundierte Planung für alle beteiligten Gewerke natürlich die Basis. Wir sehen übergeordnet einen zweigeteilten Prozess: Planungsphase und Betriebsphase. In der Planung wird neben der Gebäudeanforderung für die Wärme- und Kälteversorgung auch die Quellseite detailliert betrachtet. Bei Erdwärmesystemen zum Beispiel bildet die optimale Dimensionierung von Erdwärmefeld, Wärmepumpe und z. B. Pufferspeicher eine wesentliche Grundlage für den späteren effizienten Betrieb des Systems. Oft wird in dieser Phase mit Sicherheitsaufschlägen geplant, was in zusätzlichen Bohrmetern für Erdwärmesonden und/oder größeren Wärmepumpen resultiert. Die Erstellungskosten fallen dadurch höher aus als notwendig. Erkenntnisse aus Monitoring-Projekten und Expertise von Erdwärmeexperten können aber in einer optimalen Auslegung – ohne Aufschläge – münden.
IKZ-FACHPLANER: Können Sie das erläutern?
Carsten Kreutze: Die Betriebsphase beginnt mit der Einregulierung des Systems, was in der Praxis mal mehr, mal weniger gewissenhaft vollzogen wird. Im Ergebnis bleiben bereits in dieser Phase Effizienzgewinne liegen, weil die Wärmepumpe nicht optimal auf die Anforderungen des Gebäudes eingestellt wird. Dies führt zu höheren Betriebskosten als notwendigt. Dazu kommt: Mit der Standard-Einregulierung durch betreuende Unternehmen endet oft auch die nachhaltige Begleitung. Transparenz zu erstellten Wärme-/Kältemengen, Abgleiche mit Anforderungen, Analyse von Temperaturverläufen oder verbrauchter Energie werden nicht vorgenommen. Im Ergebnis laufen Anlagen jahrelang unter ihren Möglichkeiten. Monitoring und automatisierte Auswertung der gesammelten Daten (Massendatenmanagement) setzen genau dort an: Die aus dem Monitoring resultierende Transparenz zu Leistungsdaten der Anlage hilft, Potenziale zu identifizieren und in Form einer angepassten Regelung umzusetzen, Schwachstellen aufzudecken und zielgerichtet abzustellen, Alarmierung bei kritischen Systemzuständen auszulösen oder Soll/Ist-Abweichungen zu melden. So können auch kleinste Störungen in kürzester Zeit abgestellt werden. Das Ergebnis ist ein dauerhaft sicherer und effizienter Betrieb.
IKZ-FACHPLANER: Damit geht ein Monitoring über die reine Sicherstellung von Effizienz hinaus.
Carsten Kreutze: Ja, richtig. Mit Blick auf Green Building Zertifizierungen etwa ist Monitoring natürlich auch ein relevanter Baustein, um nachweisbar effizient Gebäude zu versorgen und Qualität sicherzustellen. So lassen sich vermiedene Emissionen ausweisen oder auch die Entwicklung der Stromkosten abrufen. Behördliche Auflagen können mittels Berichten aus den Messdaten bedient werden.
IKZ-FACHPLANER: Wie groß ist der technische Aufwand für ein Monitoring? Vielleicht beschreiben Sie es am Praxisbeispiel aus St. Augustin.
Carsten Kreutze: Der Aufwand zur Umsetzung eines Monitorings und Anlagenmanagements lässt sich klar eingrenzen. So bieten wir eine schlüsselfertige Lösung, bestehend aus einer „ControlBox“, die in die Anlage integriert wird, sowie dem „EnergyPortal“, das dediziert auf Wärmepumpensysteme zugeschnitten wurde. Aufsatzpunkt sind in die Anlage integrierte Wärmemengen- und Stromzähler. Diese sind teilweise bereits seitens der technischen Gebäudeausrüster vorgesehen, abhängig von der Zielsetzung des Monitorings kann es noch zu Erweiterungen kommen. In der beschriebenen Anlage in Sankt Augustin bilden die Messdaten der Elektroenergie- und Wärmemengenzähler die Grundlage. So werden relevante Messgrößen, wie z. B. Volumenstrom, Vor- und Rücklauftemperaturen in Sole- und Heizkreis, die Wirkarbeit und Wirkleistung der Verbraucher – Pumpen, Verdichter, Peripherie –, separat erfasst und korrespondierende Werte im Minutentakt von der „ControlBox“ via M-Bus abgefragt. Von dort aus werden die Daten verschlüsselt über eine gesicherte Verbindung an unser Backend zur weiteren Verarbeitung geschickt. Anschließend können die Daten bei uns im Portal visualisiert werden. Im Dashboard sind die wichtigsten Kennzahlen und auch Fehlermeldungen auf einen Blick ersichtlich und nutzergruppenspezifisch aufbereitet. Detaillierte Auswertungen für das betreuende Heizungsbauunternehmen, eine Sicht für den TGA-Planer zur Nutzung für vertriebliche Zwecke oder den Betreiber zur Kontrolle von Kosten sind vorkonfiguriert, sodass kein technischer Aufwand anfällt.
IKZ-FACHPLANER: Und wer plant ein solches System?
Carsten Kreutze: Die Planung für Monitoring und Management von Wärmepumpenanlagen ist abhängig von Anlagengröße und Zielsetzung des Betreibers. Das Grundkonzept haben wir für unterschiedliche Gebäudetypen erstellt, gemeinsam mit dem Auftraggeber nehmen wir die Detailplanung vor. Damit können wir das gesamte Gewerk aus einer Hand umsetzen, bedarfsweise ziehen wir Partner hinzu.
IKZ-FACHPLANER: Angesichts der Vorteile in Sachen Verbrauchstransparenz stellt sich die Frage: Lassen sich auch andere Gewerke in ein solches Monitoring einbeziehen – Trinkwasser, Beleuchtung, Klimatisierung?
Carsten Kreutze: Eine ganzheitliche Sicht auf Verbräuche und Anlagenzustände in größeren Gebäudekomplexen ist realisierbar. Unsere Lösung ist modular aufgebaut. Trink-/Warmwasser-Verbräuche lassen sich unter Einbezug der entsprechenden Messtechnik aufnehmen, ebenso wie die Beleuchtung – Stichwort Energiedatenmanagement. Der Bereich Klimatisierung ist abhängig von der genutzten Lösung: Gut geplante Erdwärmesysteme werden heute bereits im aktiven oder passiven Kühlbetrieb genutzt – Verbrauchsdaten oder aufgewendete Energiemengen laufen automatisiert in das System. Das Monitoring-Konzept ist aber auch auf BHKW-Anlagen übertragbar. Grundlage bildet unser zukunftsfähiges, modulares „Software as a Service Baukastensystem“.
IKZ-FACHPLANER: Vom Nutzen zu den Kosten: Wie hoch sind die Aufwendungen für die Installation des Systems, wie hoch die laufenden Kosten?
Carsten Kreutze: Die Umsetzung ist in erster Linie abhängig von der Anlagengröße. Beispielhaft für eine Anlage mit 100 kW Leistung und aufsetzend auf der integrierten MSR-Technik, liegen die Kosten für die Inbetriebnahme des Systems und der ControlBox unter 3000 Euro. Die laufenden Kosten sind abhängig vom Service-Umfang und der Anlagengröße. Demgegenüber stehen bereits nach der ersten Heizperiode Einsparungen in Bezug auf Elektroenergie von oftmals 10 %. Für die meisten Projekte schnüren wir ein individuelles Komplettpaket für den Betrieb von 5 Jahren.
IKZ-FACHPLANER: Abschließende Frage: Ist das Monitoring für das angesprochene Projekt zeitlich begrenzt oder handelt es sich um einen permanenten Prozess über die gesamte Anlagenlebensdauer?
Carsten Kreutze: Die Anlage wird über die gesamte Lebensdauer von uns begleitet. Der Nutzen hat nicht nur die Eigentümergemeinschaft als Anlagenbetreiber, sondern auch das betreuende Heizungsbauunternehmen überzeugt. Der Eigentümergemeinschaft wird ein jährlicher Report zur Anlagenperformance, eingesparten Emissionen und Energiekostenverteilung zur Verfügung gestellt. Sie können sicher sein, dass die Wärmepumpe, das Erdwärmefeld und die Peripherie dauerhaft funktionieren und effizient arbeiten. Das betreuende Heizungsbauunternehmen nutzt das „EnergyPortal“ für die Ferndiagnose. Ein Service-Techniker-Auftrag wird nur dann ausgelöst, wenn er wirklich notwendig ist. Perspektivisch wird zudem unsere intelligente Regelstrategie auf die „ControlBox“ migriert, um noch deutlich höhere Einsparpotenziale zu realisieren. Oberstes Ziel ist eine dauerhafte Betriebskostenreduktion.
Kontakt: Recogizer Group GmbH, Godesberger Allee 139, 53175 Bonn, Tel. 0228-536 88805, www.recogizer.com