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Potenziale durch mehr Energie

L-/H-Gas-Marktraumumstellung: Was Handwerksbetriebe wissen sollten und tun können, um davon zu profitieren

Die Marktraumumstellung ist nicht zu unterschätzen: Bis 2030 müssen 5 – 6 Mio. Gasgeräte in Deutschland angepasst werden. Bild: Enervie Service GmbH

Jährlich umzustellende Gasverbrauchsgeräte einfügen. Bild: Umsetzungsbericht 2017 der Fernleitungsnetzbetreiber.

Bei einer Anpassung von rund 450 000 bis 500 000 Gasgeräten pro Jahr zwischen 2020 bis 2030 müssen laut Schätzungen etwa 1000 Monteure pro Jahr bereitstehen. Bild: Enervie Service GmbH

Aufstellung der verbindlich angekündigten Umstellungsbereiche 2018 – 2021 (Auszug).

Volker Neumann, Geschäftsführer der Enervie Service GmbH, sieht Marktpoten­ziale für das SHK-Handwerk durch die Erdgas-Marktraum­umstellung. Bild: Enervie Service GmbH

Für Wolfgang Diebel, Leiter Produktmarketing bei Buderus Deutschland, ist die Sanierung einer alten Heizungsanlage mit Vorteilen für alle Beteiligte verbunden. Bild: Buderus

 

Die Umstellung von L-Gas auf H-Gas gehört zu den größten Infrastrukturprojekten der Bundesrepublik. Es startete im Mai 2015 mit ersten, vereinzelten Projekten. Bis 2030 wird ein großer Teil des Erdgasnetzes schrittweise angepasst werden, in das derzeit noch L-Gas eingespeist wird. In der Summe bedeutet das, 5 – 6 Mio. Gasgeräte müssen erfasst und umgerüstet werden. Verantwortlich für die Erdgasumstellung sind die regionalen Netzbetreiber. Auch Handwerksbetriebe sind involviert.

Von der Erdgas-Marktraumumstellung betroffen sind die Bundesländer Niedersachsen, Bremen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Hessen. Details dazu finden sich im jährlich erscheinenden Netzentwicklungsplan Gas (NEP Gas), den die Fernleitungsnetzbetreiber und die Bundesnetzagentur auf ihren Internetseiten veröffentlichen. Die Umstellung von L-Gas (low calorific gas, niedriger Energiegehalt) aus deutschen und niederländischen Quellen ist stark rückläufig und muss durch H-Gas (high calorific gas, höherer Energiegehalt) vorwiegend aus Norwegen, Russland und Großbritannien ersetzt werden. Das bedeutet, dass die Gasbeschaffenheit im gesamten Netz umgestellt werden muss, neue Gasleitungen gebaut, Verdichterstationen erweitert und Gasverbrauchseinrichtungen angepasst werden müssen.

Lokale Netzbetreiber in der Verantwortung
Rund 5 Mio. Verbrauchsgeräte in Haushalten, aber auch Industrieanlagen und Kraftwerke, sind auf die neue Gasbeschaffenheit – i. d. R. durch Düsentausch und Adjustierung der Luftzufuhr – anzupassen. Die Gesamtkosten für die notwendigen Infrastrukturanpassungen werden von der Bundesnetzagentur auf etwa 1,7 Mrd. Euro geschätzt.
Die örtlichen Netzbetreiber müssen dafür sorgen, dass alle Gasgeräte ihrer Privat- und Geschäftskunden rechtzeitig angepasst werden. Doch sie allein können diese gewaltige Aufgabe nicht bewältigen. Sie benötigen Marktpartner, z. B. die Enervie Service GmbH aus dem westfälischen Hagen. Die Umstellung ist noch lang hin, könnte man meinen. Doch tatsächlich laufen die Vorbereitungen und die Suche nach Kooperationspartnern bei der Enervie Service bereits.
„Wir beschäftigen uns seit etwa zwei Jahren mit dem Thema und haben schon einige Kontakte in der Branche knüpfen können“, sagt Volker Neumann, Geschäftsführer der Enervie Service. „Generell sind wir in der Region Südwestfalen gut vernetzt und pflegen erfolgreiche Partnerschaften mit den Innungen und konzessionierten Handwerksunternehmen in der Umgebung. In Zukunft planen wir, diese Partnerschaften noch auszuweiten“, fährt er fort.
Die Marktraumumstellung teilt sich dabei in drei Etappen. Der erste Schritt ist die Erhebung der Gasverbrauchsgeräte. Dabei wird zum Beispiel erfasst, welcher Haushalt wie viele und welche Gasgeräte besitzt und um welche Modelle und welches Alter es sich dabei handelt. Danach folgen die eigentliche Anpassung der Gasgeräte und die Qualitätskontrollen von Erhebung und Anpassung, welche stichprobenartig durchgeführt werden.

Hoher Bedarf an Monteuren
Volker Neumann von Enervie weiß, ohne das Handwerk ist das Projekt nicht zu stemmen. Eine direkte Zusammenarbeit bei der Erhebung und Anpassung der Gerätedaten wird zurzeit beim DVGW (Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches) ausgelotet. Sie ist noch nicht in die Praxis umgesetzt, da der DVGW die Durchführung der Aktionen durch zertifizierte Fachunternehmen vorsieht. „Um eine Zusammenarbeit zu entwickeln, sind wir bei unseren Planungen im stetigen Kontakt mit dem SHK-Handwerk“, sagt Neumann. Denn schließlich sei das SHK-Handwerk schon heute im Spiel, wenn Gasgeräte oder Heizungsanlagen errichtet, modernisiert und gewartet werden und somit i. d. R. ers­ter Ansprechpartner für Kunden.
Neumann sieht mit der Anpassung auf H-Gas Chancen für die SHK-Branche: „Wenn ein Handwerksunternehmen für die Marktraumumstellung mit Anpassungsmonteuren aufgestellt ist, eröffnen sich weitere Geschäftsmöglichkeiten und Möglichkeiten zur Kooperation“. Was das in Zahlen bedeutet, zeigt der Geschäftsführer für die Jahre 2020 und 2021 (Stand Mai 2017). „Nach heutigen Schätzung werden etwa 400 000 Gasgeräte in 2020 und 520 000 in 2021 angepasst. Dafür sind laut DVGW etwa 1000 speziell geschulte Monteure notwendig.“
Um Anpassungen vornehmen zu können, müssen sich SHK-Handwerksbetriebe nach DVGW-Regelwerk G 676-B1 zertifizieren lassen. Das ist nur noch eine kleine Hürde, wenn der Betrieb bereits nach G 676 zertifiziert ist. Darüber hinaus ist für den Betrieb eine Weiterentwicklung für überregionale Tätigkeiten sowie entsprechende Fortbildungen für den Einsatz zur Anpassung von Gasgeräten auf die neue Gasbeschaffenheit notwendig.
Über den Mehrwert durch die Geschäftstätigkeiten der Anpassung hinaus sieht Volker Neumann von der Enervie Service GmbH weitere Chancen für die Handwerksbetriebe: „Die Marktraumumstellung bietet SHK-Fachunternehmen die Möglichkeit zur langfristigen Kundenbindung und zum Wachstum“, meint er.

Konkurrenz durch Anpassungsfirmen?
In den Markt drängen allerdings schon Firmen, die die Anpassungen an den Gasgeräten übernehmen möchten. Manche Unternehmen seien bereits nach G 676-B1 zertifiziert und hätten sich durch Schulungen und Fortbildungen entsprechend qualifiziert, sagt der Chef der Enervie Service. Jedoch könnten sie den hohen Bedarf an Monteuren keinesfalls allein bewältigen. Der DVGW wolle daher auch das SHK-Handwerk einbeziehen. „Eine gute Zusammenarbeit zwischen Handwerk und Anpassungsfirmen ist aus unserer Sicht unbedingt notwendig“, sagt Neumann und weist ausdrücklich darauf hin: „Das Ziel des Einsatzes von Anpassungsfirmen ist die Schaffung von Synergieeffekten und nicht die Ausgrenzung des SHK-Handwerks“. Zudem sieht er einen weiteren Vorteil: „Mithilfe der Anpassungsfirmen wird bis zum Jahr 2030 fachlich geschultes Personal aufgebaut. Nach der Umstellung kann das Handwerk dann von diesem Angebot an Fachpersonal profitieren.“ Seine Empfehlung an die Betriebe lautet daher ganz klar, sich bereits jetzt mit dem jeweils örtlichen Netzbetreiber in Verbindung zu setzen.

Vorbereitungen seitens der Hersteller
Doch nicht nur Energiedienstleister haben die Marktraumumstellung im Blick. Markenhersteller wie Buderus, Viessmann und Wolf sind für die bevorstehenden Anpassungen gerüstet. Damit die beteiligten Marktpartner bei der Gasartenumstellung umfassend über notwendige Änderungen informiert sind, stellen Gas-Gerätehersteller über die DVGW-Datenbank detaillierte Gerätelisten und Umstellungsunterlagen für Altgeräte bereit. Ferner bietet Buderus zum Beispiel Schulungen für die Marktraumumstellung an.
Für sehr alte Geräte liefern einige Hersteller Umrüstsätze und Montageanleitungen. Ein Kesseltausch ist dann nicht zwangsläufig notwendig. „Dennoch sollten alle Marktpartner die Modernisierungspotenziale von nicht mehr wirtschaftlichen Gasgeräten berücksichtigen und ihre Kunden informieren“, sagt Wolfgang Diebel, Leiter Produktmarketing bei Buderus Deutschland. „Moderne Heiztechnikprodukte überzeugen mit hoher Effizienz, umfangreicher Ausstattung und großer Zukunftssicherheit“, führt er weiter aus. Das entscheidende aber sei, dass sie den Energieverbrauch und damit die Heizkos­ten senken würden. Diebel spricht von bis zu 30 %.

Selbstanpassende Gas-Brennwertgeräte
Gas-Gerätehersteller haben ihr Portfolio um selbstkalibrierende Geräte erweitert. Der Vorteil ist, dass diese sich automatisch auf die neue Gasart einstellen. Alle Veränderungen der Gasversorgung sowie der Luft- und Abgasbedingungen werden selbstständig ausgeregelt. So bleibt die Verbrennung dauerhaft stabil, sauber und hocheffizient. 

Autorin: Angela Kanders, freie Journalistin


Was ist L-Gas, was H-Gas?
Ob L-Gas oder H-Gas gefördert wird, hängt von der Fundstätte ab.

L-Gas (low calorific gas)
L-Gas hat einen (niedrigen) Methananteil von 79,8 bis 87 Volumenprozent. Der Heizwert beträgt zwischen 8,2 und 8,9 kWh/m3. Ein Kilogramm L-Gas entspricht einem Energiegehalt von circa 1,2 l Benzin oder 1,1 l Diesel. L-Gas enthält etwas mehr Stickstoff und Kohlendioxid als H-Gas.

H-Gas (high calorific gas)
H-Gas hat einen Methananteil von 87 bis 99,1 Volumenprozent. Deshalb sind der Stickstoff- und Kohlendioxid­anteil gering. Der Heizwert liegt zwischen 10 und 11,1 kWh/m3. Ein Kilogramm H-Gas hat einen Energiegehalt von circa 1,5 l Diesel.

 


Marktraumumstellung – Relevante Leitfäden und Regelwerke

  • Der jährlich aktualisierte NEP (Netzentwicklungsplan Gas) der Fernleitungsnetzbetreiber nennt den Zeitplan.
  • Im BDEW-Leitfaden1) sind die operativen Abläufe zwischen den Netzbetreibern und ihren Marktpartnern beschrieben.
  • Die DVGW-Regelwerke G 260, G 600, G 613, G 676, G 680, G 695, die DVGW-Information Nr. 21 und die DIN EN 437 sind zur Gewährleis­tung der technischen Sicherheit bei der Marktraumumstellung und Gasverbrauchsgeräteanpassung maßgebend.
  • Die in den Regelwerken genannten Gesetze und Verordnungen sind zu berücksichtigen.

1) BDEW = Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V.

 


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