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Plusenergiehaus: Zukunftsvision oder bereits Realität?

Die Berliner Energietage sind einer der wichtigsten Fachkongresse der deutschen Energiebranche und gelten als Leitveranstaltung für Energieeffizienz. Ein Hauptsponsor der Veranstaltung war auch in diesem Jahr die HEA – Fachgemeinschaft für effiziente Energieanwendung e.V., die eine vielbeachtete Fachtagung im Rahmen der Energietage durchführte. Kernthema der HEA-Tagung waren Chancen, Herausforderungen und Perspektiven, die sich bei Planung, Projektierung, Bau und Betrieb von Plusenergiehäusern ergeben.

 

HEA-Geschäftsführer Dr. Jan Witt wies in seiner Begrüßung auf die Dringlichkeit von Maßnahmen und die wichtige Rolle des Gebäudebereichs für die Steigerung der Energieeffizienz hin. Er beschrieb die Entwicklung der Mindestanforderungen an den Heizwärmebedarf von Gebäuden, angefangen mit der Wärmeschutzverordnung 1997 über die aktuelle Energieeinsparverordnung 2014 bis hin zu den Weiterentwicklungen Passiv-, Null- und Plusenergiehaus. Witt machte deutlich, dass heute nur etwa jedes zehnte Gebäude in Deutschland modernen Anforderungen entspricht. Letztlich entscheidet aber der Nutzer bzw. der Bauherr mit seiner Investitionsbereitschaft über die Standards der Zukunft. „Wichtig ist, dass der Bewohner den Nutzen erkennt, dass er sich mit seiner Entscheidung wohl fühlt und er es am Ende auch bezahlen kann“, so Witt. Ein vollbesetztes Auditorium mit über 200 Teilnehmern zeigte, ebenso wie die regen Diskussionen im Anschluss an die Vorträge der Experten aus Baupraxis, Wissenschaft und Energiewirtschaft, das große Interesse am Tagungsthema.

Energieeffizienz und gutes Design schließen sich nicht aus
Nullenergie- und Plusenergiehäuser haben eines gemeinsam: Sie sind wärme- und anlagentechnisch auf höchstem Niveau. Während das Plusenergiehaus aufs Jahr gerechnet mehr Energie erzeugt, als seine Bewohner für Heizung, Warmwasser und Haushaltsstrom verbrauchen, kommt das Nullenergiehaus auf eine ausgeglichene Energiebilanz. In beiden Gebäudetypen liefert meist eine Photovoltaikanlage auf dem Dach die notwendige elektrische Energie.
Prof. Ludwig Rongen, renommierter Architekt, zertifizierte Passivhausplaner und Stadtplaner mit weltweiten Projekten, beschrieb in seinem Einführungsvortrag praxisorientiert die Realisierung von Plusenergiehäusern. Aus seiner Sicht sind die Projekte planerisch zwar anspruchsvoll, aber mittlerweile Stand der Technik. Mehrkosten von 5 bis 10 Prozent sollten bei deutlich niedrigeren Betriebskosten selbst für scharf kalkulierende Investoren zu verkraften sein. Außerdem zahlen sich die Mehrkosten langfristig aus, wie er eindrucksvoll am Beispiel des Gymnasiums Baesweiler in Nordrhein-Westfalen, der Sanierung einer 40 Jahre alten Schule auf Passivhaus-Neubaustandard, belegte. Hier konnte mit einem finanziellen Mehraufwand von knapp über 5 Prozent gegenüber einer Standard-EnEV-Lösung Energieeinsparungen von rund 93 Prozent erzielt werden. Neben der enormen Energieeinsparung konnte durch Lüftungsmaßnahmen auch das Raumklima entscheidend verbessert werden, eine Win-Win-Situation für Bauherr und Schüler. Nicht umsonst war dieses Projekt Sieger im Wettbewerb „Kommunaler Klimaschutz 2010“.
Sein Fazit: „Es geht nicht darum, möglichst viel eigene Energie zu erzeugen“, An erster Stelle sollte das Einsparen von Energie stehen. Ausgewogenheit ist auch aus Kostengesichtspunkten oberstes Prinzip.“ Er wies deutlich darauf hin, dass die Arbeiten am Gebäude durchgehend qualifiziert und hochwertig ausgeführt sein müssen und nach geschulten Handwerkern verlangen, worin sich übrigens alle Referenten der Fachtagung einig waren. Weiteres Kriterium ist laut Rongen ein ansprechendes Design: Schöne Architektur und energieeffizientes Wohnen dürfen und müssen sich nicht ausschließen!

Ohne frische Luft geht es nicht
Dicht und gut gedämmt reicht allerdings noch nicht aus: Ohne Lüftungstechnik gibt es kein energieeffizientes und gesundes Wohnen im Plusenergiehaus. „Luft ist das zentrale Element zum Leben“, sagte Benedikt Zimmermann, Geschäftsführer bei der Zimmermann GmbH & Co. KG, in seinem Vortrag. „Unsere Raumluft ist von außen verschiedenen Umwelteinflüssen ausgesetzt und durch Feinstaub, Pollen, etc. stark belastet“, erklärte der Lüftungsexperte. Aber die eigentliche Gefahr lauert im Innenbereich. Durch die Dichtheit der Gebäude steigt die Belastung in den Wohnräumen so stark an, dass Gesundheit und Wohlbefinden gefährdet sind. Auch wird die sich im Haus bildende Feuchtigkeit nicht abgeführt und kann zu massiven Bauschäden führen. Deshalb wird in der Normung empfohlen, alle 2 Stunden ausgiebig zu Lüften. „Das ist gerade nachts oder am Arbeitsplatz unrealistisch und auch nicht wirklich energiesparend“, so Zimmermann. Lüftungsanlagen dagegen sorgen für ständige Zufuhr von Frischluft und helfen dabei Energie zu sparen: Sie filtern Schadstoffe heraus und leiten die saubere Luft – erwärmt oder gekühlt – in die Wohnräume. Die Systeme sind daher erste Wahl in hochwärmegedämmten Gebäuden und gehören berechtigterweise zum Standard.

Oder doch lieber Strom selbst erzeugen?
Immer mehr Hausbesitzer denken über die eigene Stromerzeugung nach, was sich nach Ansicht von Oliver Bast, Energiemanagementexperte bei Stiebel Eltron, durchaus lohnen kann. Allerdings hat die Eigenstromerzeugung ein entscheidendes Handicap: Der Strom lässt sich meistens nicht genau dann nutzen, wenn gerade die Sonne scheint.
Gutes Beispiel, das ein Zusammenspiel funktionieren kann, ist die Kombination von Photovoltaikanlage und Wärmepumpe. Fürs Heizen und die Warmwasserbereitung benötigt die Wärmepumpe im Winter den meisten Strom. Genau dann also, wenn die Photovoltaik-Anlage vergleichsweise wenig produziert. Wichtig sei deshalb ein gutes Zusammenspiel zwischen einem Batteriespeicher und der Wärmepumpe, so Bast. Zusätzlich hilft ein Energiemanagementsystem: Stiebel Eltron hat in Zusammenarbeit mit dem Solartechnikunternehmen SMA den Sunny Home Manager entwickelt, ein Smart Home System, das eine effiziente Nutzung von PV-Strom ermöglicht. „Das System berechnet wie viel Solarstrom im Laufe des Tages zur Verfügung stehen wird, wie viel Strom man selbst erzeugt und verbraucht, und wie viel eingespeist oder dazugekauft werden muss“, erklärt Bast. Daneben steuert es selbstständig die Wärmepumpe und viele andere Haushaltsgeräte, und zwar immer dann, wenn es wirklich Sinn macht.

Die Energiewende im Praxistest
In dem Forschungsprojekt „Smart E“ untersucht RWE Effizienz aktuell in Kooperation mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB), das Zusammenspiel zwischen regenerativen Energien, stationärer Speicherung und Elektromobilität. „Zu diesem Zweck haben wir zehn Haushalte in Mülheim an der Ruhr auf den Kopf gestellt und mit modernster Technik ausgestattet“, erzählt Claus Fest, Projektleiter Smart E bei RWE Effizienz. Ausgerüstet wurden die Probanden mit dem notwendigen Equipment eines Smart Home, einem Energiemanagementsystem, einer Photovoltaikanlage, einer Wärmepumpe bzw. einer Mikro-KWK-Anlage, einem Stromspeicher, intelligenter Gebäudesystemtechnik sowie einer Ladestation und einem Elektroauto. Das Pilot-Projekt, das auf zweieinhalb Jahre angelegt ist, soll die Gestaltung von Tarifmodellen voranbringen und zeigen, welche Anreize geschaffen werden müssen, damit die Energiewende alltagstauglich wird. „Kunden sind oft nicht ausreichend informiert und müssen für das Thema sensibilisiert werden“, sagt Fest. „Wenn es uns gelingt, die Effizienztechnologien in das Leben der Menschen zu integrieren, können wir die breite Masse der Gesellschaft für die weitere Verbreitung von Elektromobilität und Erneuerbaren Energien begeistern.“

 


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