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Plusenergiehäuser haben Bewährungsprobe bestanden Freiburger Solarcity auf Expansionskurs – es folgen ähnliche Projekte

Eine klima- und energieneutrale Öko-Stadt: Dieser Menschheitstraum tief in der Wüste Abu Dhabis hat zwar bisher viel Staub aufgewirbelt. Doch nun sind Management und Investoren von „Masdar City“ finanziell und logistisch schwer ins Trudeln geraten. Die Fertigstellung des 22-Milliarden-Dollar-Projekts wird daher wohl noch lange auf sich warten lassen. Eine kleinere Ausgabe der Vision von einer „nachhaltigen Stadt“, die sogar mehr regenerative Energie erzeugt, als sie selbst verbrauchen kann, feiert dagegen 10-jähriges Jubiläum: die Solarsiedlung am Freiburger Schlierberg.

Solarsiedlung: Im Hintergrund das Sonnenschiff.

 

Als im Mai des Jahres 2000 die ersten Bewohner ihre Solarhäuser am Rand der Freiburger City bezogen, fiel dem Architekten und Initiator ein Stein vom Herzen. Denn auch Rolf Disch fand zunächst für seine Pläne dieser ersten und bislang größten Plusenergiehaussiedlung der Welt keine Geldgeber. Weder Banken noch Bauträger ließen sich damals von der Rentabilität überzeugen. „Zu teuer“ hieß es, „technisch unmöglich“, „unverkäuflich“, ja geradezu „verrückt“ seien die Pläne.


Sonnenschiff Süd-West.

Deutliches Energieplus

Rolf Disch blieb nichts anderes übrig, als ein eigenes Bauträgerunternehmen zu gründen. Private Investoren sprangen ein. Sie glaubten an Rolf Disch und seine Idee von der Plusenergie – es sollte endlich Schluss sein mit herkömmlichen Bauweisen, die Energie verschwenden und dadurch das Klima schädigen. Die Zeitschrift „Capital“ kürte Rolf Disch seinerzeit für diese wirtschaftliche Meisterleistung zum „Ökomanager des Jahres“.
Doch die Freiburger Solarcity rechnete sich nicht nur für die Investoren, sondern vor allem für die 160 Bewohner und die kommerziellen Nutzer des angegliederten Gewerbekomplexes, dem sogenannten „Sonnenschiff“. Anstelle von Nebenkosten für Heizung, Warmwasser und Strom tritt unter dem Strich ein deutliches Plus in der Energiebilanz der Gebäude und dem Geldbeutel ihrer Nutzer.

Die Eckdaten:

  • 50 Einfamilien-Reihenhäuser und 9 Pent-häuser mit insgesamt 7903 m² Wohnfläche.
  • Gewerbekomplex „Sonnenschiff“: 125 m Gebäudelänge, 3 bis 6 Stockwerke, 4800 m² Gewerbefläche, 2 Tiefgaragen- und Kellergeschosse.
  • Gesamtinvestitionsvolumen: 40 Mio. Euro.


Paneele vor Lüftungssystem.

Die großzügigen Tafeldächer sind vollständig mit PV-Paneelen besetzt. Die Siedlung erzeugt mit diesen insgesamt 445 kWp starken Anlagen 420000 kWh Solarstrom pro Jahr. Dagegen fällt der Verbrauch von Primärenergie verhältnismäßig gering aus: Jährlich gerade einmal 79 kWh pro m² haben Wissenschaftler des Wuppertaler Fachinstituts für Bauphysik in einer kürzlich durchgeführten Feldstudie für die Freiburger Solarsiedlung errechnet.
Zum Vergleich: Altbauten verbrauchen vielerorts bis zu 450 kWh. Der derzeit gesetzlich vorgeschriebene Mindeststandard für Neubauten beträgt nach der Energieeinsparverordnung (EnEv 2009) immerhin 260 kWh und selbst ein Passivhaus darf noch 120 kWh pro m² jährlich verbrauchen.
Ein weiteres Ergebnis der Studie: Den ungewöhnlich geringen Verbrauchswerten der Freiburger Plusenergiehäuser steht deren Solarstromproduktion von durchschnittlich 115 kWh pro m² jährlich gegenüber. Unter dem Strich bilanzierten die Bauphysiker aus Wuppertal unter Leitung von Professor Dr. Karsten Voss für die Freiburger Schlierberghäuser ein Energieplus von 36 kWh pro m² jährlich.


Datenerhebung Solarsiedlung durch Uni Wuppertal.

Effiziente Baumaterialien

Wie kommt dieses enorme Plus zustande? Das Grundprinzip: Durch die exakte Berechnung der Dachüberstand- und Balkonkonstruktion wird die Sonne im Sommer effektiv abgeschattet, während die flach stehende Wintersonne die Räume auf natürliche Weise erwärmt. Erreicht werden die niedrigen Energiebedarfswerte aber auch durch den Einsatz besonders effizienter Baumaterialien und Gebäudetechnik, die auch noch zehn Jahre nach ihrer Verarbeitung als „State of the Art“ gelten dürfen:

  • Die Fenster der nach Süden ausgerichteten Holzfassaden sind hochgradig lichtdurchlässig, Infrarot reflektierend, dreifach verglast und mit wärmegedämmten Rahmenprofilen versehen.
  • Die gesamte Gebäudehülle ist wärmebrückenfrei gedämmt und dicht abgeschlossen. Die 30 cm dicke Fassadendämmung der Wohnhäuser aus Mineralwolle ist mit einem U-Wert von 0,12 W/m²K besonders effizient.
  • In der Fassade des Gewerbekomplexes „Sonnenschiff“ wurden Vakuumisolierpaneele – mit in spezieller Barrierefolie verschweißter Kieselsäure – verarbeitet. Trotz ihrer geringen Stärke von netto gerade einmal 3,0 cm entfaltet diese Spezialdämmung einen ungewöhnlich hohen Wirkungsgrad mit einem U-Wert von ca. 0,5 W/m²K über die gesamte Fassade.
  • Das Raumklima im „Sonnenschiff“ profitiert von einer Innenwandbeschichtung aus dünnen PCM-Platten: Mit Paraffin gefüllte Mikrokapseln absorbieren die Temperatur, indem sie bei 23°C schmelzen – eine Entwicklung des Fraunhofer Instituts und BASF.
  • In allen Räumen sorgt ein ausgeklügeltes Belüftungssystem mit Wärmerückgewinnung dafür, dass verbrauchte Luft stets gegen Frischluft ausgetauscht wird, die Wärme jedoch in den Räumen bleibt.


Grafik Sonneneinstrahlung.

Optimierte Beheizung
Keine Anwendung fanden Werkstoffe, die nicht die Anforderungen an ein gesundes, schadstofffreies Wohnen und Arbeiten garantieren – etwa PVC oder giftige Holzschutzmittel.
Obwohl die Gebäude durch das Zusammenspiel von optimaler Grundkonstruktion, kräftiger Dämmung und Wärmerückgewinnung nur noch wenig beheizt werden müssen, wirkt sich der Verbrauch von Heizwärme und Warmwasser auf die Energiebilanz aus.
Nach Berechnungen des beratenden Ingenieurbüros Stahl + Weiß beträgt etwa der Heizwärmeverbauch (inklusive Warmwasser) bei den Wohnhäusern am Freiburger Schlierberg 25 kWh/m²a, beim Gewerbekomplex „Sonnenschiff“ durchschnittlich 37 kWh/m²a – das entspricht einem Anteil von 31,6 bis 46,8% am gesamten Energiebedarf.
Dabei ist die Solarsiedlung an ein nahe gelegenes Blockheizkraftwerk angeschlossen, in dem überwiegend Holzhackschnitzel mit Wärme-Kraft-Kopplung verarbeitet werden. „Eine ökologisch sicher sinnvolle Heiztechnik“, attestiert Architekt Rolf Disch dem Betreiber, „aber  leider verheizt das Kraftwerk auch Erdgas, und zwar viel mehr, als ursprünglich geplant. Das führt zu einer schlechteren Ökobilanz und zu höherem  Primärenergieverbrauch. Wie man hört, will der Betreiber hier nachbessern.“
Die Lösungen für eine möglichst effiziente und kostensparende Beheizung von Plusenergiehäusern sind für Rolf Disch stark von der Größe, dem Nutzungszweck und dem regionalen Standort abhängig. Das Spektrum reicht von Holzpellet-Anlagen in waldnahen Gebieten bis hin zu solaren Warmwasserkollektoren.
Einen weiteren Lösungsansatz für eine optimierte Beheizung fand Disch auch in Kooperation mit der auf dezentrale Energieversorgung spezialisierten Freiburger Firma „2e“. Deren Geschäftsführer Karl-Ekkehard Sester erläutert das Prinzip: „Wir kaufen zunächst bei landwirtschaftlichen Erzeugern biologisches Rohgas in großen Mengen ein, wandeln dieses vor Ort in veredeltes Biogas um, das den Eigenschaften von fossil gewonnenem Erdgas entspricht, und entnehmen dem Netz die entsprechende Gasmenge schließlich wieder am Standort der Verbraucher.“ Dort, also etwa in einer der neuen Solarsiedlungen von Rolf Disch, könnte das veredelte Biogas in Blockheizkraftwerken zum Einsatz kommen. Diese sind nicht nur in der Lage, Häuser besonders effizient zu beheizen, sondern nebenbei auch noch zusätzlich Strom zu erzeugen.
Ebenso wichtig wie die Suche nach dem jeweils optimalen Heizsystem ist dem Freiburger Solararchitekturbüro eine Kühlung der Gebäude ohne Klimaanlage. Der Büro- und Gewerbekomplex „Sonnenschiff“ ist ein Beispiel dafür, dass dies auch bei einer kommerziellen Nutzung möglich ist. Auch der Einsatz besonders energieeffizienter Top-Runner-Produkte bei den Haushaltsgeräten spielt eine Rolle. Hier strebt das Architekturbüro Kooperationen mit Herstellern an, um den künftigen Bewohnern kostengünstige Low-Energy-Geräte auf dem jeweils letzten Stand der Energiespartechnik anbieten zu können.

Konkurrenzlose Energiebilanz

Die künftig bei Plusenergiehaus-Siedlungen angestrebte Energiebilanz lässt sich nach Berechnungen des Architekturbüros Disch mithilfe neuer Heiztechnologien und weiteren optimierten Komponenten mittler-weile auf ein jährliches Plus von stolzen 200 kWh pro m² steigern – ein in der energetischen Architektur konkurrenzlos guter Wert.
Wo vor zehn Jahren noch jede Menge Steine im Weg lagen, eröffnen sich inzwischen zahlreiche neue vielversprechende Perspektiven für die Plusenergiearchitektur à la Rolf Disch. Der Solararchitekt erhält zunehmend Anfragen aus dem Ausland – etwa aus China und dem Libanon. In Freiburg entstehen derzeit die Pläne für eine Plusenenergie-hausgruppe im Fischerort Sambaqui nahe Florianópolis an Brasiliens Ostküste, südlich von Sao Paolo. Aufträge zur Erstellung von Konzepten für ganze Siedlungen kommen aus der norwegischen Hafenstadt Kristiansand und den dänischen Orten Arhus und Randers.
Angeregt von dem allgemeinen Trend zeigt sich neuerdings auch die Stadt München. Im Falle eines Zuschlags für die Olympischen Winterspiele 2018 will man die olympischen Dörfer in der bayerischen Landeshauptstadt und am Austragungsort Garmisch-Partenkirchen ebenfalls in Plus-energiehaus-Bauweise errichten.

KfW-Förderdarlehen stehen bereit

Die KfW-Bankengruppe hält derweil für Pläne dieser Art subventionierte Förderdarlehen bereit. Mit Zinssätzen, die derzeit deutlich unter 3 % liegen, werden sowohl die energetische Gebäudeausstattung als auch die Installation von Solaranlagen gefördert.
Ein weiteres Signal für mehr Plusenergie kam kürzlich auch aus Brüssel: Eine neue EU-Richtline sieht vor, dass Neubauten künftig kaum mehr Energie verbrauchen dürfen, als sie selbst erzeugen können. Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sind aufgefordert, die entsprechenden Vorgaben des europäischen Parlaments und der Europäischen Kommission in nationalen Gesetzen festzuschreiben.
Auch diesmal ist der Freiburger Solarpionier Rolf Disch seiner Zeit voraus. Denn seine Häuser erfüllen die künftigen Anforderungen schon heute – und weit mehr als das. Die neue EU-Richtlinie greift jedoch erst 2020. Bis dahin dürften dann vielleicht auch die ersten Bewohner in „Masdar City“ eingezogen sein.



Bilder: Disch

Autor: Rolf Disch SolarArchitektur, , 79100 Freiburg, Tel. 0761 459440, Fax 0761 4594444, info@rolfdisch.de, www.plusenergiehaus.de

 


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