Planungssicherheit im Fokus Geberit Planerforum 2010 informierte über die Auswirkungen der neuen DIN 1988-300
Entspricht die Verwendung einer 22 Jahre alten Norm noch den anerkannten Regeln der Technik? Im Falle der DIN 1988-3 zur Dimensionierung von Trinkwasser-Rohrnetzen kann das sicher bezweifelt werden. Zu sehr haben sich inzwischen die Dimensionierungsgrundsätze und Installationsarten im Hinblick auf eine hygienisch einwandfreie Trinkwasserqualität verändert. Einen Ausblick auf die Änderungen, die mit der in Überarbeitung befindlichen nationalen Restnorm DIN 1988-300 als Teil der bereits 2006 eingeführten EN 806 auf Planer und Handwerker zukommen, gab das Planerforum „Sicher dabei“ von Geberit.
Das Geberit Planerforum „Sicher dabei“ widmete sich in diesem Jahr dem derzeit in der SHK-Branche und Planerkreisen stark diskutierten Thema der Zeta-Werte. „Der große Zulauf unterstreicht die Brisanz des Themas. Bereits drei Wochen vor dem Start der Veranstaltungsreihe, waren alle Termine restlos ausgebucht“, so Jürgen Dewald, Vertriebsleiter Technik bei Geberit. Mehr als 2000 Planer haben sich nach Angaben des Herstellers in den deutschlandweit neun Veranstaltungen über das Thema informiert.
Neufassung der DIN 1988-300 im Fokus
Die Beiträge der referierenden Professoren der Fachhochschule Münster, Fachbereich Energie – Gebäude – Umwelt, erwiesen sich als Hauptmagnet der Veranstaltungsreihe. Sie trugen die zentralen Inhalte des sanitärtechnischen Symposiums der Fachhochschule Münster („Steinfurter Symposium“) in die Breite und machten sie Planern und Fachleuten in ganz Deutschland zugänglich. Im Zentrum der Beiträge stand die Diskussion um die Neufassung der DIN 1988-300. Insbesondere die Bedeutung der Zeta-Werte zur Berechnung von Druckverlusten in Rohrleitungskomponenten hat zu Verunsicherungen geführt.
Bedeutung des Zeta-Wertes überbewertet
Prof. Dr.-Ing. Bernhard Mundus, Lehrgebiet Energietechnik, legte den Schwerpunkt seiner Ausführungen auf die Planung und Berechnung von Einzelwiderständen im Trinkwassersystem. Er zeigte auf, dass sich mit den derzeit publizierten Werten nach der Methode des Schweizerischen Vereins des Gas- und Wasserfaches (SVGW) die Realität nicht abbilden lässt. Nach seinen Erkenntnissen kommt man mit dynamischen Zeta-Werten als Funktion der Volumenstromaufteilung der Realität näher. Statische Zeta-Werte hingegen sind laut Prof. Mundus unbrauchbar bei Formteilen, die Volumenströme aufteilen oder vereinigen.
Prof. Dipl.-Ing Bernd Rickmann, Lehrgebiet computergestützte Planung, beschäftigte sich mit Möglichkeiten neuer Verteilungskonzepte für die Trinkwasserinstallation. In Risiko-Bereichen wie Krankenhäusern empfiehlt er Ringleitungs-Installationen innerhalb des Stockwerks, sodass ein möglichst schneller Austausch – notfalls über Spülsysteme – erfolgen kann. In den Ausführungen von Prof. Rickmann spielten aber auch die Zeta-Werte eine Rolle, deren Einfluss auf den Druckverlust überbewertet werde. Denn der Druckverlust durch Einzelwiderstände betrage in Relation zu anderen Einflussgrößen wie Wasserzähler, Absperrarmaturen, Apparate, Rohrreibung, Mindestfließdruck von Armaturen und geodätischer Höhe gerade mal rund 10 %. Letztlich gehe es darum, Druckverluste intelligent in einer Trinkwasserinstallation zu verteilen statt eine Einflussgröße überzubewerten. „Messungen zeigen, dass die Druckverluste von Rohrnetzen mit Innensteck-Systemen und Kupfer-Fittings gleichwertig sind, da bei Mehrschicht-Verbundrohrsystemen im Falle kleiner Dimensionen oftmals deutlich weniger Fittings Verwendung finden, als bei typischen T-Stück-Installationen in Kupferrohr“, so Rickmann. Eine generelle Vergrößerung der Rohrdurchmesser bei Innenstecksystemen aufgrund höherer Zeta-Werte der Fittings sei darüber hinaus nicht erforderlich und käme allenfalls punktuell in hydraulisch ungünstig gelegenen Strängen in der Stockwerksinstallation zum Tragen.
Die drei Professoren der Fachhochschule Münster (v.l.) Prof. Dr.-Ing. Franz-Peter Schmickler, Prof. Dipl.-Ing. Bernd Rickmann und Prof. Dr.-Ing. Bernhard Mundus gaben einen Ausblick auf die bevorstehenden Änderungen in der DIN 1988-300 und bewerteten den Einfluss von Zeta-Werten für Rohrfittings auf die Dimensionierung von Trinkwasserinstallationen.
Dies konnte Jürgen Dewald anhand eines realistischen Mess-Aufbaus bestätigen. So wich der tatsächlich gemessene Druckverlust einer typischen Stockwerksinstallation von den Ergebnissen einer Druckverlustberechnung mit theoretischen Zeta-Werten um deutlich über 40 % nach unten ab. Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass moderne Installationsarten, wie Reihen- oder Ringleitungen, wie sie beispielsweise mit dem System „Mepla“ ausgeführt werden können, nicht mehr mit den Berechnungsparametern der inzwischen 22 Jahre alten DIN 1988-3 rechnerisch darstellbar sind.
Neues Prüf- und Messverfahren für Zeta-Werte in der Kritik
Die Referenten waren sich einig, dass der SVGW vorschnell ein Prüf- und Messverfahren entwickelt hat, das noch Unzulänglichkeiten aufweist. Ein neues Prüf- und Messverfahren in Deutschland steckt noch in der Entwicklung, sodass es bisher keine normativ verabschiedete Grundlage zum Umgang mit dem Thema der Einzelwiderstände gibt.
Stockwerksinstallationen, die mit Ringleitungen ausgeführt werden, vermeiden hohe Druckverluste und sichern einen schnellen Wasseraustausch für den Erhalt der Trinkwasserhygiene.
Ein weiterer wichtiger Aspekt im Hinblick auf die Vermeidung von Stagnation in Trinkwasser-Installationen ist die Verwendung der nutzungsabhängigen Berechnungskurven zur Bemessung des Spitzenvolumenstroms, der in der DIN 1988-3 zur Rohrleitungsdimensionierung herangezogen wird. Messungen in ausgeführten Installationen zeigen immer wieder, dass die tatsächlichen Spitzenvolumenströme teilweise bis zu 100 % geringer sind, als der normativ ermittelte Wert. Rickmann empfiehlt Planern und Fachhandwerkern daher, die ermittelten Spitzenvolumenströme kritisch zu hinterfragen und sich bei der Rohrleitungsdimensionierung nicht allein auf die normativen Vorgaben zu stützen. So könne nachträglich eine stagnationsfördernde Überdimensionierung des Trinkwasser-Rohrnetzes messtechnisch nachgewiesen werden, was im schlimmsten Fall zu hohen Folgekosten durch den Rückbau führen könne. Die Bemessung der Spitzenvolumenströme ist derzeit ebenfalls Gegenstand der Neufassung der DIN 1988-300.
Planungssicherheit durch Praxisbewährung
In diesem Zusammenhang ging Baurechts-Fachanwalt Dr. Rainer Koch auf die für eine rechtliche Einordnung von Planungsleistungen so wichtige Frage nach der Übereinstimmung mit den anerkannten Regeln der Technik ein. Ob eine DIN-Norm, die grundsätzlich zunächst nur eine Ausführungsempfehlung darstelle, auch die anerkannten Regeln der Technik wiedergebe, hänge auch von deren Praxisbewährung ab. Er wies darauf hin, dass die viel zitierte DIN 1988-300 noch nicht den Status einer allgemein anerkannten Regel der Technik und damit wenig Verbindlichkeit für die Planungspraxis hat.
Reiheninstallationen vermeiden Stichleitungen zu Einzelverbrauchern, indem die Leitungen über alle Einzelanschlüsse „durchgeschleift“ werden.
Um Unwägbarkeiten bei der Planung vorzubeugen, hat Geberit in einer Kooperation mit Kemper ein CAD-basiertes Berechnungsprogramm entwickelt, mit dem der Planer in der Lage sei, schlanke und hygienisch einwandfreie Rohrnetze zu dimensionieren. So zeigte Peter Feldmann, Chefentwickler der Software bei Kemper, wie die Einhaltung der Anforderungen an die Temperaturhaltung in Zirkulationsleitungen nach DVGW-Arbeitsblatt W553 mithilfe einer integrierten Simulationsrechnung überprüft werden kann.
Bilder: Geberit Vertriebs GmbH, Pfullendorf
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