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BIM in der TGA – Herausforderung und Chance

Im Planungsstadium ist es in bestimmten Fällen wichtig, die Kommunikation einer TGA-Applikation mit dem BIM-Modell zeitweise auch außer Funktion setzen zu können, ohne eine spätere Wiederherstellung der Kommunikation zu stören. So lassen sich Varianten der TGA-Berechnungen erstellen, abstimmen und letztlich als fertige Elemente in das BIM-Modell integrieren.

Für die erfolgreiche Anwendung einer BIM-Arbeitsmethodik in der TGA ist die Einbindung von Berechnungsanwendungen mit ausschlaggebend, wie z. B. Heizlast nach DIN EN 12831, sommerlicher Wärmeschutz DIN 4108-2, Kühllast VDI 2078 und Energiebedarf VDI 2067-10.

Beispiel für eine interaktive bidirektionale BIM-Kommunikation mit eingebundenen „Solar-Computer“-Schaltflächen in einer „Revit“-Oberfläche.

Neutrale und Detail-Anlagenplanung in „Revit“: 1) 3-D-Architektur, 2) 3-D-Netz mit spez. „Revit-Familien“, 3) Zuordnen von fabrikatneutraler Netzbauteile für Auslegung und neutralen Massenauszug, 4) autom. Austauschen gegen fabrikat­spezifische VDI 3805-Sortimente in der Ausführungsplanung.

 

„Einführung moderner, IT-gestützter Prozesse und Technologien bei Planung, Bau und Betrieb von Bauwerken“, so lautet der ­Untertitel der im Dezember 2015 erschienenen Broschüre „Stufenplan Digitales Planen und Bauen“ des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI). Darin wird BIM (Building Information Modeling) als kooperative Arbeitsmethodik definiert, um Bauwerks-Daten konsistent und transparent erfassen, verwalten und kommunizieren zu können. Haustechnische Berechnungen für Gebäude und Anlagen sind in diesem Zusammenhang ein wichtiger Bestandteil von BIM-Arbeitsprozessen.

Mit dem im Dezember 2015 veröffent­lichten Stufenplan gibt das BMVI für eigene Bauprojekte vor, wie das „BIM-Niveau 1“ im Zeitraum 2017 bis 2020 konkret erreicht werden soll. Dass dies für alle Beteiligten, vom öffentlichen Bauherrn bis zum Architekten, Tragwerksplaner, TGA-Fachplaner, Bausachverständigen und Ausrüs­ter eine planerische und organisatorische Herausforderung ist, darin lässt das BMVI keinen Zweifel. Deshalb sieht der Stufenplan in der ersten Phase bewusst das Durchführen von Standardisierungsmaßnahmen, Entwickeln von Leitfäden, Aus- und Weiterbildungen, etc. vor. Wie das BMVI sehen auch andere öffentliche und gewerbliche Institutionen, Berufsverbände und Bildungseinrichtungen in der Einführung von BIM große Chancen, ­enorme Qualitäts-, Effizienz- und Schnelligkeits-Potenziale bei Planungsprozessen zu erschließen, insbesondere was Bauzeiten und Baukosten betrifft. Allem voran sei hier auf die Aktivitäten des Bundesminis­teriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB), des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR), der Einrichtung „BuildingSMART“ und der Initiative „Digitales Planen und Bauen 4.0“ verwiesen.
Nachdem das BMVI mit dem Stufenplan seine Pläne zur Einführung von BIM in die Wege geleitet hat, zieht das BMUB nun schrittweise nach. Dazu hat es einen Erlass Mitte Januar 2017 erstellt. Dieser sieht u. a. vor, dass bei größeren Bauvorhaben des Bundes mit einem geschätzten Baukostenvolumen ab 5 Mio. Euro bereits in der Bedarfsplanung die für das Vorhaben sinnvollen Elemente digitaler Unterstützung aufgenommen werden sollen. In den anschließenden Entscheidungsphasen soll dann geprüft werden, ob und welche Elemente der digitalen Unterstützung für den Planungs- und Bauprozess sinnvoll sind und umgesetzt werden sollen.

BIM und Haustechnik in der Praxis
Viele namhafte große Planungsunternehmen und erste öffentliche Auftraggeber (u. a. Deutsche Bahn AG) haben in den letzten Monaten die Grundsatz-Entscheidung getroffen, BIM-Arbeitsmethodiken in ihren Wirkungsbereichen einzuführen. Dazu zählen auch viele TGA-Planer, die als externe Fachplaner in die BIM-Kommunikationsprozesse ihrer Auftraggeber eingebunden werden sollen oder dies möchten. Für die reale Umsetzung müssen alle Planungs-Arbeitsabläufe auf den Prüfstand gestellt und meist hinsichtlich BIM-Zielstellung umstrukturiert werden, insbesondere was Redundanzen, Verantwortlichkeiten, Zeitabläufe und Durchgängigkeit von Projektdaten und Rechenergebnissen sowie deren Steuerung aus dem zentralen BIM-Modell heraus betrifft. Die Ausrüstung mit einer entsprechend BIM-fähigen Software ist unerlässliche Randbedingung. Erstes Fazit: BIM-Arbeitsmethodiken können Planungsabläufe effizienter machen, wenn die Beteiligten entsprechend geschult sind und sich an bestimmte Regeln halten, z. B. unter Leitung eines für die Steuerung der Planungsabläufe verantwortlichen „BIM-Managers“. Hier entsteht zurzeit ein zusätzliches Betätigungsfeld, für das z. B. das Unternehmen Mensch und Maschine Deutschland GmbH unter der Bezeichnung „BIM ready“ seit Januar 2017 ein 4-stufiges Ausbildungs- und Zertifizierungsverfahren anbietet. BIM-Kommunikationen zwischen Planungspartnern werden je nach Informationsgehalt in „little“, „transition“, „big“ und „nativ“ als höchst möglich unterschieden. Theoretische Grundlage für BIM-Arbeitsmethodiken zeigt die VDI-Richtlinie 2552, deren Blatt 3 seit Januar 2017 als Entwurf verfügbar ist.

IFC-Schnittstellen-Standard
Ein wichtiges Datenaustausch-Konzept für BIM-Arbeitsmethodiken ist der „IFC-Standard“ auf Basis definierter Import- und Export-Dateien. Mitunter wird der IFC-Standard von Bauherren als Randbedingung für BIM-Arbeitsmethodik eines Projektes vorgeschrieben. IFC ist die Abkürzung für „Industry Foundation Classes“ und stellt ein Datenformat für den Datenaustausch in der Bauindustrie und dem Anlagen-Management dar. Beschrieben ist der Standard in der aktuellen Ausgabe 2013 der ISO 16739 (in Englisch). Federführend für die Inhalte ist eine internationale nichtstaatliche Dachorganisation, die die Zusammenarbeit zwischen den regionalen Verbänden weltweit koordiniert. Für Deutschland ist dies der BuildingSMART e. V., ursprünglich Industrieallianz für Interoperabilität e. V. (IAI). Der IFC-Standard ist als Import/Export-Format für den Datenaustausch zwischen den Beteiligten neutral und unabhängig von Software-Produkten definiert, sodass der Bauherr und jeder an Planung, Ausführung und Betrieb beteiligte Partner selbst entscheiden kann, mit welcher Software er arbeiten möchte. Zudem bietet BuildingSMART ein Zertifizierungsverfahren an, ob eine Software den IFC-Standard erfüllt. Aktuell verbreitet ist der IFC-Standard in Version 2x3; künftig Version 4.

Direkte bidirektionale BIM-Anbindung
Bei komplexen BIM-Projekten wird oft die gleiche Software-Plattform für alle am Planungsprojekt Beteiligten vorgeschrieben. Im Vordergrund steht hierbei, bestmögliche Kommunikation unter den Projektbeteiligten zu erzielen. Die Verwendung einer genormten Kommunikationstechnik (z. B. IFC) ist dabei keine Randbedingung. Entwickler von Softwarelösungen, die das zentrale BIM-Modell verwalten, unterliegen so keinerlei Norm-Restriktionen, eigene Projektdaten zum Lesen und ggf. Schreiben anderen Softwareunternehmen zugänglich zu machen. Autodesk bietet beispielsweise mit seinem CAD-Produkt „Revit“ parallel zur IFC-Schnittstellentechnik zahlreiche solcher Lese- und Schreib-Funktionalitäten für „direkte bidirektionale Anbindungen“ an. Applikations-Entwickler (z. B. Solar-Computer für die TGA) nutzen die von „Revit“ bereitgestellten direkten bidirektionalen Anbindungsmöglichkeiten, indem Funktionsabrufe direkt in die „Revit“-Oberfläche eingebunden werden. Diese dienen nicht nur dazu, Daten lesend oder schreibend auszutauschen (wie IFC), sondern können im laufenden Programm auch Aktionen auslösen, z. B. Zoomen und Markieren eines Fließweges in der Zeichnung, den die parallel laufende Berechnung gerade als „ungünstig“ ermittelt hat. Weitere Beispiele direkter bidirektionaler Anbindung zwischen CAD und Berechnung sind das Prüfen von Gebäude- und TGA-Zeichnungsdaten auf „Rechen-Tauglichkeit“, das automatische Generieren von Standard-Heizkörpern in der Zeichnung aus Raumumschließungen und -Heizlasten, das Redimensionieren eines Luftkanalnetzes in der Zeichnung im Anschluss an den berechneten Druckabgleich, etc. Wichtig ist weiter, relevante Ergebnisse und Daten aus den TGA-Berechnungen in ein übergeordnetes BIM-Modell schreiben zu können.

TGA-Berechnungsdaten aus IFC-Dateien ableiten
Das Berechnen z. B. einer Heizlast nach vorgegebener Zeichnung des Architekten ist eine typische Aufgabenstellung für den TGA-Planer und ein Musterbeispiel für einen möglichen BIM-Prozess auf Basis IFC-Kommunikation. Der Architekt muss dazu in 3-D zeichnen und seine Zeichnung in Form einer IFC-Export-Datei bereitstellen. Der TGA-Planer importiert diese; daraus benötigte Daten werden automatisiert abgeleitet und anschließend die Heizlasten nach DIN EN 12831 berechnet. In der Praxis stößt dieser Arbeitsablauf nicht selten auf Probleme, die letztlich in der Komplexität und im Interpretationsspielraum des IFC-Standards ihre Ursache haben. So ist es Sache des CAD-entwickelnden Softwarehauses, die Daten des in 3-D planenden Architekten zu interpretieren, mehr oder weniger vollständig in IFC-Elemente umzusetzen und die „richtigen“ teils alternativ vorgesehenen IFC-Daten-Felder zu füllen. Die den IFC-Standard lesende TGA-Software hat es zudem eventuell noch mit ganz anderen Problemen zu tun: Was wird z. B. aus einer Wand-Rundung, die es in TGA-Normen und -Berechnungen nicht gibt? Sollen zwei Räume wirklich zu einem einzigen Raum für die Heizlastberechnung verschmelzen, nur weil der Architekt eine Innenwand nicht sauber an eine Außenwand angeschlossen hat?
In diesem Zusammenhang bieten einige Softwareunternehmen zusätzliche Tools an, um zielführend arbeiten zu können, beispielsweise Solar-Computer das „Raumtool 3D“. Das Tool stellt einerseits die Verbindung zu den Berechnungen für Heizlast, Kühllast, EnEV, etc. her und ist gleichzeitig ein „Prüf- und Korrektur-Tool“: IFC-Daten werden gelesen, interpretiert und daraus ein temporäres 3-D-Bauwerksmodell generiert und dargestellt. Dabei werden die 3-D-Daten automatisch auf BIM-Konformität für TGA-Anwendungen geprüft und eventuelle Konfliktfälle visualisiert, z. B. überlappende Wände oder fehlende Dächer und Anschlüsse. Mit geeigneten Zeichenfunktionen können visualisierte Konfliktfälle behoben und bei Bedarf sogar IFC-Dateien „rückerstellt“ werden. Hauptaufgabe ist jedoch, das 3-D-Algorithmus-Modell für die Anbindung der Berechnungsprogramme zu generieren.

Optionalität einer BIM-Anbindung
So unerlässlich die Kommunikation einer TGA-Applikation mit dem BIM-Modell auch ist, so wichtig ist es in bestimmten Fällen, diese zeitweise auch außer Funktion setzen zu können, ohne eine spätere Wiederherstellung der Kommunikation zu stören. Dazu ein Beispiel aus der Gebäudeplanung: Wenn in einer frühen Planungsphase die Architektur im BIM-Modell mit dem Bauherrn abgestimmt ist, können auf den Bau- oder TGA-Ingenieur viele rechnerische Aufgaben zukommen, um das Gebäude hinsichtlich Baustoffe, Wandaufbauten, Sonnenschutzeinrichtungen, Regelstrategien, Behaglichkeiten, etc. zu optimieren. Werkzeuge dazu sind Rechenprogramme nach Energieeinsparverordnung (EnEV)/DIN V 18599, Kühllast und Simulation nach VDI-Richtlinie 2078/VDI 6007/VDI 6020 sowie Heizlast nach DIN EN 12831 mit ihren vielen von Architektur und BIM-Modell unabhängigen numerischen Parametern, die Energieverhalten und Anlagenauslegung in Wechselwirkung beeinflussen. Der optimierende Planer wird bauliche und technische Lösungsansätze in Form von Varianten durchrechnen, Ergebnisse vergleichen, sich mit dem Bauherrn für eine Lösung entscheiden und erst dann wieder die Kommunikation mit dem übergeorneten BIM-Modell aktivieren und relevante Daten und Ergebnisse in das BIM-Modell eintragen. Analoges gilt für Rechenprogramme für die Anlagenplanung für Heiz-, Kühl-, Luftkanal- und Sanitärnetze. Hier kann es zielführend sein, schnell und einfach mit fabrikatneutralen Anlagenkomponenten zu zeichnen und zunächst nur die Grundlagen für die Netzberechnungen zu generieren. Entkoppelt von der Zeichnung lassen sich in den Netzberechnungen dann alle Auslegungsdetails ermitteln und ggf. optimieren, u. a. durch Vergleichen von Lösungsansätzen infolge alternativ möglicher Auslegungsparameter, Material- oder Produkteigenschaften. Mit Abschluss der Detailplanung können die BIM-Anbindungen wieder aktiviert  und relevante TGA-Anlagen-Daten und Ergebnisse ins BIM-Modell eingetragen werden.

Umgang mit Hersteller-Datensätzen
Schon seit Jahren hat sich in der TGA-Branche der Standard VDI 3805 für Hersteller-Datensätze etabliert. Vollständig bestückte Datensätze enthalten sowohl berechnungs- wie zeichnungsrelevante fabrikatspezifische Daten des Herstellers. In frühen Projektphasen stellt die Nutzung des VDI 3805-Standards den Planer vor ein Dilemma, wenn Fabrikatentscheidungen erst in der späteren Ausführungsplanung anstehen. Vor diesem Hintergrund bietet z. B. die BIM-Plattform „Revit“ mit ihren fabrikatneutralen „Revit-TGA-Familien“ eine Planungs-Alternative, um TGA-Netze in logischer Struktur mit allen Komponenten einfach und fabrikatneutral zu zeichnen. Weiter hat Autodesk die „Revit-Familien“ „zugänglich“ strukturiert, um Applikations-Entwicklern die Möglichkeit zu geben, eigene Rechenprogramme für TGA-Netze und -Komponenten durchgängig anschließen zu können.
In Analogie zu den weltweit anwendbaren Original-„Revit-Familien“ sind im Markt weitere „Revit-Familien“ für die TGA entstanden, die auf die Spezifika des deutschen bzw. europäischen Marktes zugeschnitten sind. Sie werden von verschiedenen EDV-Dienstleistern angeboten, z. B. „projectBox“ von CADStudio oder „MagiCAD“ von Progman. Sie zielen darauf ab, frühe fabrikatneutrale zeichnerische TGA-Anlagenplanungen durchgängig mit späterer optimierter und bei Bedarf fabrikatbezogener Detailplanung auf Basis von Hersteller-Datensätzen nach VDI 3805 inkl. Eintragen relevanter Daten und Ergebnisse ins BIM-Modell zu kombinieren.

Fazit
BIM in der TGA ist kein theoretisches Zukunftsthema mehr, sondern kommt zunehmend in der Praxis an. Von theoretischer Seite wird es in der VDI 2552 untermauert, in der Praxis von Institutionen, großen Planungsunternehmen und Behörden zunehmend vorangetrieben. BIM-fähige TGA-Berechnungsprogramme für Gebäude und Anlagen sind im Markt vorhanden. Insbesondere
TGA-Ingenieure, die in übergeordnete BIM-Arbeitsmethodiken eingebunden sind, können davon profitieren, da Bauwerksmodelle zunehmend in 3-D-Logik und in verbesserter Qualität bereitgestellt werden. Damit reduzieren sich erforderliche Nacharbeiten bis zum Herstellen der Rechentauglichkeit und Arbeitseffizienzen erhöhen sich. Hinzu kommt, dass BIM-Arbeitsmethodiken zunehmend in Ausschreibungen vorgegeben werden.

Autor: Dr. Ernst Rosendahl, Solar-Computer

Bilder: Solar-Computer GmbH

www.solar-computer.de

 


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