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Plan „B“ für die L-/H-Gas-Umstellung

Marktraumumstellung geht in die entscheidenden Jahre

Eine Mammutaufgabe: Bis zum Jahr 2030 müssen 5,2 Mio. Gasgeräte von L- auf H-Gas umgestellt sein. Bild: Bundesnetzagentur

Vergleich L-Gas und H-Gas. Bild: Ruhrgas

Die Förderung von L-Gas aus den deutschen und niederländischen Feldern geht in den nächs­ten Jahren deutlich zurück. Bild: Fernleitungsnetzbetreiber

Mussten im Jahr 2016 lediglich rund 10000 Geräte umgestellt werden, steigen die Stückzahlen ab dem Jahr 2021 auf bis zu 560 000 Einheiten jährlich. Bild: Fernleitungsnetzbetreiber

„Wenn wir die kommenden Jahre mit mehr als einer halben Million Geräteumstellungen pro Jahr betrachten, wird alleine bei den Anpassern, eine Mannschaft von 500 bis 600 Personen benötigt“, so Herbert Kuschel, Leiter Marktraumumstellung bei Vaillant Deutschland. Bild: Vaillant

Gas-Heizgerät bereits von L- auf H-Gas umgestellt? Hierzu informiert u. a. ein Aufkleber am Gerät, dass die Umstellung auf H-Gas durch­geführt wurde. Bild: Vaillant

 

5,2 Mio. Gasgeräte müssen im Zeitraum von 2015 bis 2030 von L- auf H-Gas umgestellt werden. Das L-Gas-Aufkommen sowohl aus den Niederlanden als auch aus Deutschland geht kontinuierlich zurück und wird zudem überschattet von heftigen Erdbeben im Erdgasfeld Groninngen (NL). Nach den ersten Jahren der Umstellung mit kontinuierlich steigendem Geräteaufkommen gibt es bis zum Jahr 2021 nochmal einen großen Sprung nach oben – von derzeit rund 320 000 Gasverbrauchseinrichtungen pro Jahr auf ca. 560 000 ab dem Jahr 2021. Dazu taucht immer öfter die Frage auf, ob die derzeitigen Strukturen tatsächlich ausreichend sind.

Worum geht es? Die Förderung von L-Gas (Low calorific gas) aus den deutschen und vor allen Dingen aus dem niederländischen Groningen geht deutlich zurück. Teilweise sind die Felder erschöpft, teilweise wird die Förderung aufgrund von Erdbeben in den Niederlanden, die auf die Förderung zurückgeführt werden, heruntergefahren. Dies passiert schrittweise bis zum Jahr 2030. Deswegen wird die Erdgasversorgung auf Quellen vorwiegend aus Norwegen, Russland und Großbritannien umgestellt. Bei dem hier geförderten Gas handelt es sich um H-Gas (High calorific gas), das einen höheren Energiegehalt, sprich einen höheren Brennwert im Vergleich zu L-Gas hat. Aufgrund der unterschiedlichen Beschaffenheit der Gase ergeben sich auch andere Anforderungen sowohl an Gasverbrauchseinrichtungen aber u. a. auch an den weiteren Ausbau von Gasleitungen und Verdichterstationen. Um auch künftig eine sichere und zukunftsfähige Erdgasversorgung zu gewährleisten, wird das Netz nach einem festen Plan der Fernleitungsnetzbetreiber (FNB) in enger Zusammenarbeit mit der Bundesnetzagentur seit 2015 kontinuierlich mit H-Gas angepasst. Schritt für Schritt werden die Geräte in den Anpassungsregionen erfasst, umgerüstet und dann termingenau auf H-Gas umgeschaltet.
Waren es 2016 noch lediglich rund 10 000 Geräte, die umgerüstet werden mussten, haben die jeweiligen Projektkoordinatoren und Anpassungsfirmen jetzt so viel Erfahrung gesammelt, dass die jährlichen Stückzahlen von derzeit 320 000 Einheiten pro Jahr auf rund 400 000 Geräte in 2020 und bis auf ca. 560 000 Einheiten ab dem Jahr 2021 steigen werden. Dabei geht es aber nicht nur um reine Gas-Heizgeräte. Vielmehr sind alle L-Gas-Verbrauchseinrichtungen betroffen – vom Gasofen in der Industrie bis hin zum Gasherd. Und das alles zusammen mit einem Gerätebestand, der oftmals 30 Jahre überschritten hat und für den es keine Ersatzteile mehr gibt. Doch die gro­ßen Hersteller zeigen sich derzeit ent­spannt: „Wir sind mit den Prozessen und der Organisation aus den ersten Jahren der Marktraumumstellung sehr zufrieden und haben in diversen Gesprächen viel gelernt“, beschreibt dazu Herbert Kuschel, Leiter Marktraumumstellung bei Vaillant Deutschland. „Alle Prozesse wurden soweit wie eben möglich vollständig digitalisiert. Das hat dafür gesorgt, dass alle Beteiligten schnell und sicher auf die gleichen Informationen zurückgreifen konnten.“

Probleme in der Umstellung verdeutlichen Praxisalltag
Schaut man sich dagegen die Stimmen aus den örtlichen Tageszeitungen und die Meinung von Endkunden an, ändert sich die Grundstimmung deutlich. „Verbraucher sind unzufrieden mit Gasumstellung in Niedersachsen“ ist noch eine der freundlicheren Schlagzeilen in lokalen und regionalen Medien. So befragte die Verbraucherzentrale Niedersachsen 180 Personen im Rahmen ihrer Untersuchung zur Gasumstellung. Im Zentrum der Kritik stand die Kommunikationspolitik einiger Netzbetreiber. Bemängelt wurden insbesondere fehlende Informationen, schlecht erreichbare Hotlines sowie die kurzfristige Ankündigung der Vor-Ort-Termine. Die gesetzlichen Fristen von drei Wochen vorab angekündigten Terminen wurden demnach regelmäßig unterschritten. Darüber hinaus misslingt in der Praxis auch öfter beim ersten Versuch die Umstellung des Gasgerätes. Das wiederum bedingt weitere Termine und einen hohen zeitlichen Aufwand für alle Beteiligten. Zudem ließen die Probleme aus
Sicht der Kunden teilweise erhebliche Zweifel am Vorgehen der Monteure aufkommen. Laut der Verbraucherzentrale Niedersachsen zeigen die Ergebnisse, dass das Thema Gasumstellung in vielen Unternehmen erst am Anfang stehe und sich daraus ein erhebliches Verbesserungspotenzial nach oben ergibt.
„Wir haben aus den Gesprächen vor Beginn der Gasumstellung bereits 2015 alle internen Strukturen überprüft und neue Prozesse aufgebaut, die für unseren Part an der Marktraumumstellung relevant sind“, beschreibt dazu Kuschel. „Für uns als Hersteller ist es wichtig, schon während der Erfassung der Geräte einen Einblick in die erfassten Daten zu erhalten. Auf dieser Grundlage können wir unsere Produktionsprozesse frühzeitig aussteuern, um termingerecht die Ersatzteilverfügbarkeit sicherzustellen.“

Ersatzteile für bis zu 30 Jahre alte Geräte
Was das im Endeffekt heißen kann, wird am durchschnittlichen Alter eines Gasgerätes im Markt deutlich. Geht man hier von 24 Jahren aus, heißt das, dass die Werkzeuge zur Herstellung von Ersatzteilen für viele Geräte kaum noch vorhanden sind. Teilweise existieren auch die Hersteller eines Gasheizgerätes nicht mehr. Oder die Geräte sind schlichtweg so alt, dass eine Umrüstung nicht mehr infrage kommt oder das Gerät irreversibel beschädigen würde. „2015 lag die Quote der nicht anpassbaren Geräte in Schneeverdingen bei 0,5 % und war damit sehr niedrig“, erläutert Kuschel dazu. „Erst in den Ballungsräumen steigt diese Quote deutlich. In Bremen lag sie beispielsweise bei ca. 2,5 %. Hier ist natürlich das SHK-Fachhandwerk gefragt, einen schnellen und reibungslosen Austausch des Wärmeerzeugers zu gewährleisten. Vaillant als Hersteller hält beispielsweise Düsenwechselsätze in der Regel für bis zu 30 Jahre alte Geräte bereit, jedoch ist wie auch bei allen anderen Herstellern eine komplette Ersatzteilversorgung nur noch sehr eingeschränkt vorhanden.

Verantwortung und Durchführung der Umstellungsarbeiten
Lange vor Beginn der eigentlichen Umstellung schreibt der örtliche Netzbetreiber das komplette Projekt aus. Dazu gehören das Projektmanagement, die Erfassung aller Daten, die eigentliche Anpassung sowie die anschließende Qualitätskontrolle. Es können sich alle Firmen bewerben, die sich nach dem DVGW-Arbeitsblatt G 676-B1 haben zertifizieren lassen. In einer zweiten Ausschreibung wird das örtliche Projektmanagement gesucht, das durch den Netzbetreiber mit der kompletten Projektdurchführung beauftragt wird. Hauptaufgabe ist es, hier den gesamten Prozess zu koordinieren sowie alle Fragen rund um die Marktraumumstellung für alle Beteiligten bzw. Betroffenen zu beantworten. Die letzte Ausschreibung betrifft das Unternehmen, das nach erfolgter Umstellung mindestens 10 % aller Anlagen auf ihre ordnungsgemäße Anpassung und ihre Sicherheit überprüft. Die bisherigen Erfahrungen in allen Gebieten, in denen die Umstellung bereits erfolgt ist, zeigen, dass diese Organisations- und Prozessstruktur eine erfolgreiche Grundlage für eine sichere Marktraumumstellung bietet. Grundlage für diese Tätigkeiten ist das DVGW-Arbeitsblatt G 680, das z. Z. überarbeitet wird und in der neuen Fassung vorrausichtlich im 1. Quartal 2020 erscheint.

Lösungen für Kapazitäts-Engpässe?
Eine große Herausforderung für die jeweiligen Netzbetreiber sowie für deren Dienstleister beschreibt Kuschel: „Für die Erfassung der Gasverbrauchseinrichtungen sowie auch für die eigentliche Anpassung muss die benötigte Personalstärke der beauftragten Firmen gehalten und weiter aufgebaut werden. Derzeit sind rund 340 Spezialisten mit den Aufgaben beschäftigt. Wenn wir die kommenden Jahre mit mehr als einer halben Million Geräteumstellungen pro Jahr betrachten, wird alleine bei den Anpassern, eine Mannschaft von 500 bis 600 Personen benötigt.“
Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels, keine leichte Aufgabe. Ein Plan „B“ könnte dann sein, dass qualifizierte SHK-Handwerksbetriebe Aufgaben mit übernehmen. Allerdings stehen auch hier Kapazitätsengpässe nicht aus. „Möglich wäre auch, dass sich personell gut aufgestellte Werks-Kundendienste der Heiztechnik-Hersteller hier mit als „Backup-Lösung“ anbieten. So könnte der termingerechte Verlauf der weiteren Marktraumumstellung in Ausnahmefällen weiter gesichert werden“, ergänzt Kuschel und hebt hervor: „Viele Hersteller haben dazu bereits Erfahrungen gesammelt, denn im Anpassungshandbuch des DVGW sind bestimmte Geräte gekennzeichnet, die ausschließlich nur von den jeweiligen Herstellern angepasst werden dürfen.“

Praxisalltag der Branche
Nicht abstellen ließen sich aber auch dann nicht ganz alltägliche Ereignisse rund um die Marktraumumstellung. So ist für die Anpasser vor Ort gerade bei extrem alten Gasgeräten oft Vorsicht bei den Arbeiten am Gerät geboten. Denn es handelt sich nicht lediglich um Einzelfälle, in denen die Anpassung dazu führte, dass andere Geräteteile aufgrund ihres Alters in Mitleidenschaft gezogen wurden, die sich dann nicht mehr ersetzen ließen. Das Resultat: Totalschaden – da wie berichtet, die benötigten Ersatzteile aufgrund des hohen Alters eventuell nicht mehr zur Verfügung stehen.
Auch prinzipiell niemals gewartete Heizgeräte stellen die Monteure vor Ort vor ungewohnte Aufgaben. Denn dann ist es oftmals die Pflicht des Sachkundigen, dass bei „Gefahr im Verzug“ Gas-Heizgeräte umgehend stillgelegt werden müssen. Auch mit der einfachen Weigerung der Kunden, die Anpassungsfirma an das eigene Gas-Heizgerät zu lassen, sind die Monteure vor Ort oftmals konfrontiert. Reagiert der Eigentümer bzw. der Betreiber nach mehrmaligem Anschreiben und Anrufen nicht, droht dann die Sperrung des Gasanschlusses.
Wichtig ist aber auch, alle Beteiligten stets deutlich über die erfolgte Umstellung auf dem Laufenden zu halten. Dies betrifft vor allen Dingen die Schornsteinfeger und Fachhandwerker. Denn wenn die L- gegen eine H-Gas-Düse getauscht wird, das Heizgerät aber noch nicht mit H-Gas versorgt wird, erfolgt gleichzeitig eine zwangsweise erforderliche manuelle Reduzierung der Nennwärmeleistung des Heizgerätes – bedingt durch den künftig höheren Heizwert des H-Gases. Dadurch verändern sich leicht sowohl CO- als auch CO2-Werte bis zur Belieferung mit H-Gas. Finden gerade in diesem Zeitraum die gesetzlich vorgeschriebenen Messungen des Schornsteinfegers laut Bundesimmissionsschutzgesetz oder turnusmäßige Wartungsarbeiten des Fachhandwerkers statt, wird das Gasgerät oftmals bemängelt. „Hier sind bereits mehrfach Fälle aufgetreten, bei denen das Fachhandwerk nicht korrekt informiert oder aber auch Informationen nicht beachtet wurden, wie die Kennzeichnung (Aufkleber) am Gerät, dass eine Umstellung auf H-Gas durchgeführt wurde“, so Kuschel. Im Falle einer versehentlichen Rückstellung des Gerätes geht dieses dann bei Umstellung auf H-Gas in Störung.

Fazit
Die Marktraumumstellung von rund 5,2 Mio. Gasgeräten von L- auf H-Gas ist in vollem Gang. Die Erfahrungen in den bereits umgesetzten Gebieten zeigen, dass die vorab von dem Projektmanagement und den Anpassungsfirmen aufgestellten Prozesse und Strukturen sowie Organisationen größtenteils greifen. Dabei hat sich deutlich gezeigt, wie individuell sich der Bestand an Gasgeräten im Markt und damit auch die jeweiligen Probleme darstellen, die letztendlich Zeit kosten. Für den Anstieg der jährlich durchzuführenden Geräteumstellungen sind ggf. Kapazitäten durch das Fachhandwerk bzw. durch Hersteller gegeben, falls der Bedarf durch die Anpassungsfirmen nicht gedeckt werden kann.

 


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