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Passivhaus: Marktchance oder Umsatzkiller

Viele SHK-Handwerksunternehmer befürchten, dass ihre Umsätze wegbrechen, weil künftig "nur noch" Passivhäuser ohne nennenswerte Heiztechnik realisiert werden könnten. Doch wenn man sich die Entwicklungen bei den energetischen Standards genauer anschaut, kann - bezogen auf den Haustechnik-Gesamtumsatz - von Einbußen keine Rede sein.

 

Welche Veränderungen wird es für den Geschäftsbetrieb eines SHK-Handwerkers geben, wenn im Bereich Heizung deutlich anspruchsvollere energetische Standards etabliert werden? Um Antworten darauf finden zu können, gilt es insbesondere den Umsatz pro Gebäude, die Montagezeit sowie den Aufwand für Planung, Beratung und Einweisung im Blick zu haben.


Zukünftig wird der Anteil von Beratung und Planung im Vergleich zum Montageaufwand steigen. Für die Kalkulation wird es sich in Zukunft als günstig erweisen, wenn Servive-Leistungen separat ausgewiesen werden.

Aus den bereits gewonnenen Erfahrungen mit der Passivhaus-Bauweise lässt sich schon jetzt ablesen, dass Auswirkungen auf die Mitarbeiterzahl sowie auf die Kalkulation der Stunden zu erwarten sind. Außerdem lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt bereits prognostizieren, wie die Energieeinsparverordnungen in den Jahren 2009 und 2012 die energetischen Standards der Wohngebäude weiter verschärfen werden. Aus den Ankündigungen der Bundesregierung (Meseberger Beschlüsse) lässt sich folgern, dass das Passivhaus bis 2020 als Standard etabliert ist und auch das Plusenergiehaus an Bedeutung gewinnen wird.

Die nächsten zehn Jahre bringen Verschärfungen

Um die Veränderungen für den SHK-Betrieb auf dem Weg in die Zukunft besser nachvollziehen zu können, stehen im Folgenden zunächst die Entwicklungen in der Gebäudetechnik der nächsten zehn Jahre im Vordergrund. Eine vergleichende Musterrechnung für ein Einfamilienhaus mit ca. 140 m² einschließlich einer Kalkulation mit mittleren Werten für Lohn und Material kann dies in vielen Einzelpositionen herausarbeiten.

 


Verschärfte Standards - veränderte Kalkulationen
Musterrechnungen für eine typische Heizungstechnik von heute, Veränderungen in der Anlagentechnik durch Verschärfungen der EnEV 2009 und 2012 mit dem jeweils kalkulierten Aufwand für Planung, Montage und Beratung finden Mitgliedsbetriebe der SHK-Organisation detailliert im Web gelistet. Unter www.wasserwaermeluft.de (Quick-Link wwl-1951) sind weiterführende Informationen zusammengetragen. Tabellenkalkulationen, die sich auch individuell verändern lassen, zeigen dort beispielhaft auf, welche Verschiebungen im Laufe des nächsten Jahrzehnts zu erwarten sind. Der Vergleich für den Aufwand an Anlagentechnik erstreckt sich bei den Musterrechnungen auch auf das Passivhaus in einfacher und gehobener Variante und komplettiert die Gegenüberstellungen mit dem Plusenergiehaus. ###newpage###

 

EnEV 2007: Für die haustechnische Musteranlage in der Beispielrechnung wurde ein Gas-Brennwertgerät (ohne Solartechnik) in Verbindung mit einer konventionellen Fußbodenheizung ausgewählt. Sonstige Extras sind im Gewerk Heizung nicht vorgesehen. Die Wohnräume werden über die Fenster gelüftet. Für den Planungsaufwand zur Heizlast- sowie Rohrnetzberechnung wurde eine Zeit von 4 Stunden angenommen. Für die Beratung des Kunden im Vorfeld des Auftrags kommen 2 Stunden hinzu, die Einweisung in die fertige Anlage schlägt mit 1,5 Stunden zu Buche. Letzteres mag im Jahr 2008 immer noch "Service am Kunden" sein, doch im Vergleich mit weiteren Anlagenbeispielen der Zukunft werden sich gravierende Veränderungen ergeben.

EnEV 2009: Ein neuer energetischer Mindeststandard wird für den Neubau zu erwarten sein. Mit gewisser Verzögerung werden sich diese Rahmenbedingungen voraussichtlich auch im Bestand durchsetzen, wenn es um die Totalsanierung geht.

Für die Musterrechnung wird angenommen, dass das Brennwertgerät mit einer Solaranlage zur Warmwasserbereitung ergänzt wird. Der dichten Gebäudehülle wird mit einer einfachen Abluftanlage Rechnung getragen. Der Planungsaufwand steigt durch Solaranlage und Lüftung und auch der Beratungsaufwand wird größer. Weil weitere haustechnische Komponenten hinzugekommen sind, macht sich der höhere technische Aufwand in den Montage-Zeiten und auch bei der Einweisung des Kunden bemerkbar.

EnEV 2012: Weil die Rahmenbedingungen für einen möglichst geringen Energieverbrauch weiter verschärft werden, muss das Brennwertgerät eine solare Heizungsunterstützung bekommen. Den Platz der Abluftanlage nimmt eine kontrollierte Wohnungslüftung mit Wärmerückgewinnung ein. Die Verrohrung erfolgt sternförmig: Von der Außenkante Haus bis zu den Etagenverteilern werden starre Rohre verlegt, danach flexible Rohre. Weil Lüftungsanlagen eingemessen werden müssen, zeigt sich dies in einem erhöhten Stundenaufwand. Zwischenfazit: Vom EnEV-Stand im Jahr 2008 bis zur EnEV 2012 steigert sich der Auftragsumfang merklich.

Passivhaus: Ein deutlicher Systemwechsel steht ins Haus. Die Wasserheizung wird im Musterbeispiel durch eine Lüftungsanlage ersetzt, die die Heizungsfunktion übernimmt (Luft-Luft-Wärmepumpe). Zur Klarstellung: Ein Passivhaus bedeutet nicht unbedingt das Aus für ein Wassersystem, soll aber an dieser Stelle die Veränderungen klar herausstellen. Der Beratungsaufwand für das Passivhaus allgemein und im Speziellen für das Lüftungsgerät steigt deutlich an. Denn analog zur nicht mehr vorhandenen Kesselregelung entsteht für das Lüftungsgerät mehr Einweisungsbedarf.

In der Variante "Passivhaus pur" nimmt es der Bauherr bewusst in Kauf, bei Bedarf wärmere Kleidung tragen zu müssen. Würde sich das Heizsystem als nicht leistungsfähig genug erweisen, gäbe es keine akzeptable Möglichkeit für einen Ausgleich. Schließlich würde ein Heizlüfter an der Steckdose das Effizienzkonzept konterkarieren.

Die  Variante "Passivhaus Komfort" vermag durch einen Pellet-Kaminofen im Wohnzimmer mehr zu leisten. Denkbar ist auch der Einsatz von (bis jetzt noch unüblichen) Klimasplitgeräten, die im Sommer kühlen und im Winter punktuell nachheizen. Diese Geräte sind momentan jedoch zu leistungsstark.

Vergleicht man zwischen dem nach EnEV 2007 geforderten Mindeststandard und der haustechnischen Variante "Passivhaus Komfort", kann sich der Umsatz für den SHK-Betrieb allerdings verdoppelt haben.

Plusenergiehaus: In der Musterrechnung zeigt sich der zusätzliche Aufwand beispielsweise in einer Photovoltaikanlage, die im Jahresmittel mehr Strom erzeugt, als im Gebäude für die Beheizung verbraucht wird. Was den Auftragsumfang anbelangt, wird der Spezialfall Plusenergiehaus vermutlich am umfangreichsten sein und zwar mehr als das Dreifache gegenüber dem Standard nach EnEV 2007. Doch aufgrund der hohen Investitionssumme dürfte das Quantum an Aufträgen für die meisten Betriebe eher eine Nische bleiben. ###newpage###

Montagezeiten werden Beratungsumfang weichen

Der Auftragsumfang wird also bis zur EnEV 2012 deutlich ansteigen, dann mit dem Passivhaus leicht sinken, aber über dem bisherigen Niveau liegen. Beim Montageaufwand jedoch sieht dies anders aus. Dort wird es nach den deutlichen Steigerungen bis EnEV 2012 ab dem Passivhaus einen drastischen Einbruch geben, der selbst beim Plusenergiehaus kaum aufgefangen wird. Allerdings wird die Präsenz des SHK-Betriebs auf der Baustelle steigen, weil der Aufwand für Planung, Qualitätssicherung und Beratung bis letztlich zur Einweisung für ein effizientes Nutzerverhalten ein erhebliches Ausmaß annehmen muss. Dies kann in der Größenordnung von 35 % der Montagezeit liegen - als kostenloser Service unmöglich. Dennoch: Trotz der verringerten Installationszeiten nach EnEV 2012 wird die Summe aus Dienstleistung und Montage im Passivhaus aller Voraussicht nach höher als heute liegen.


Der Auftragsumfang beim Plus-energiehaus wird vermutlich mehr als das Dreifache gegenüber dem Standard nach EnEV 2007 sein.


In den nächsten Jahren werden deutlich mehr Monteurstunden geschrieben werden können. Das Passivhaus verlangt nach mehr Beratung.


Erfahrungen mit dem Passivhaus zeigen, dass diese Bauweise Auswirkungen auf Mitarbeiter-Qualifikation sowie auf die Kalkulation der Stunden hat.


###newpage###Komplettangebot ist der Schlüssel

Das Passivhaus wird sich für den SHK-Betrieb also nicht als der befürchtete Umsatzkiller erweisen, sofern der Handwerksunternehmer die komplette Bandbreite haustechnischer Dienstleistungen anbietet. Außerdem wird es unbedingt nötig sein, zeitgemäße Anpassungen im Bereich der Kalkulation und Qualifikation vorzunehmen. Denn es ist deutlich erkennbar, dass der Anteil der produktiven Stunden sinken wird. Für die Kalkulation wird es sich in Zukunft als günstig erweisen, wenn Service-Leistungen separat ausgewiesen werden. Zudem wird dieser Aufwand dadurch auch für den Kunden transparenter.

Auch bei der Qualifikation der Mitarbeiter wird es Änderungen geben müssen: Steigt der Anteil von Beratung und Planung im Vergleich zum Montageaufwand, wird der Meister stärker eingebunden sein und für die Mitarbeiterführung weniger Zeit haben. Hier gilt es, die Eigenverantwortlichkeit im Team zu stärken, damit letztlich alle erforderlichen Dienstleistungsbereiche eines SHK-Betriebes kompetent bedient werden können.

MW

 

 


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