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Paradigmenwechsel oder Weiterentwicklung?

Das Internet der Dinge zieht zunehmend in die Haus- und Gebäudetechnik ein. Es verändert die Rolle der SHK-Marktakteure

Befürchtungen, dass das Internet der Dinge (IoT) die Hersteller in die Lage versetzt, zunehmend selbst den Kundenservice zu übernehmen, sind nicht unbegründet. Doch sei das Gegenteil der Fall, betonen sie: die klassische Handwerkerrolle als Ansprechpartner vor Ort für den Kunden bleibt. Bild: Viessmann

Das IoT ist nicht unbedingt gleichzusetzen mit dem Zugriff auf eine Feuerung via App. Es geht einen Schritt weiter… Bild: Viessmann

Die Hersteller investieren in Forschung und die (Weiter)Entwicklung von IoT und Ferndiagnosen für ihre Systeme. Bei Vaillants Fernservice- und Diagnose-Plattform profiDIALOG sind seit kurzem Live-Mitschnitte und Langzeitdatenerfassungen verschiedener Sensorwerte Standard. Bild: Vaillant

Die Komplexität steigt. Die Installateure sind gefordert, sich immer wieder mit neuen, weil weiterentwickelten Materien zu befassen. Die Hersteller bieten in ihren Akademien auch Schulungen zum Thema IoT an. Wie umfangreich diese sind, hängt vom Wissensstand ab. Bild: Viessmann

Marketing-Manager Iliyan Pavlov. Bild: Hoval

 

Das Internet der Dinge (Internet of Things, Kurz IoT) bietet den Anlagenherstellern ganz neue Möglichkeiten – und sie nutzen diese zunehmend. Sie betonen, dass von der neuen Welt alle profitieren. Doch gefährdet diese Entwicklung möglicherweise das bisherige partnerschaftliche Miteinander von SHK-Handwerk und Industrie? Sie wird es offenbar stärken.

Die Netzwelt zieht auf eine neue Weise in die Heizungswelt ein. Das Internet der Dinge (IoT) ist nicht unbedingt gleichzusetzen mit dem Zugriff auf eine Feuerung via App. Diese technische Möglichkeit ist schon weit verbreitet. IoT geht einen Schritt weiter.
Marco Palazzetti ist Leiter der Forschungs- und Entwicklungsabteilung des italienischen Ofenherstellers Gruppo Palazzetti. Die Italiener haben ein Gateway entwickelt, das als Verbindungsglied zwischen Internet und Pelletofen dient. Gateways sind – vereinfacht ausgedrückt – technische Dolmetscher, die verschiedene Sprachen je in die eine oder andere Richtung „übersetzen“, zum Beispiel eine SMS in das Format E-Mail. Dieses Gateway dient der eigenständigen, automatischen Kommunikation zwischen Maschinen. Zwischen der Feuerung, beispielsweise einem Kessel oder einem Ofen und einem Server. In der Praxis sieht das folgendermaßen aus: Der Server liest und wertet Daten des Pelletofens aus, die dieser über die Regelung regelmäßig über das Internet an den Server sendet. Umgekehrt befragt der Server den Ofen systematisch. Seit September 2014 tes­tet Palazzetti IoT im Feldversuch an einigen Hundert Pelletöfen. IoT ist in der Pelletbranche neu – und bei Pelletöfen ist Palazzetti nach eigenem Bekunden Vorreiter.

Server hat drei Hauptfunktionen
Marco Palazetti berichtet von diesem Projekt: „Konkret erfüllt der Server drei Hauptfunktionen: Er empfängt und speichert die von den Öfen gesendeten Informationen. Er befragt und sortiert die Informationen nach Algorithmen und Filtern, die vom Unternehmen bestimmt sind, sodass wir „vorverdaute“ Daten-Mengen bekommen. Und er ermöglicht die Kommunikation zwischen Smartphone (oder andere Tools) und Ofen.“ Die Heizung loggt sich via W-LAN ins Internet ein und wird darüber auch abgefragt, erklärt der Forschungsleiter weiter. Die Daten würden nur nach Zustimmung des Endkunden gesammelt. „Bei der Auswertung lassen wir uns von professionellen Experten unterstützen, die regelmäßig für die Industrie Datenerhebung und -Analyse betreiben.“
Man habe die erste Heizsaison nun hinter sich, berichtet er weiter. „Aktuell befassen wir uns mit der Bewertungsarbeit der Daten, deren Analyse noch nicht abgeschlossen ist.“ Es gehe nun darum, die Informationen zu identifizieren, die im Bereich Service und/oder Produktentwicklung bedeutend sind. „Um es in einem Satz zusammenzufassen: Wir verstehen gerade, dass es viel zu verstehen gibt“, sagt er. „Die ersten Filter, die wir anwenden können, sind z. B. folgende: Regionale Unterschiede mit Bezug auf (unter anderem)

  • wie oft die Öfen an- und ausgeschaltet werden,
  • welche Leistungsstufen bevorzugt werden,
  • wie viel Brennstoff die Produkte verwendet haben.“

Ganz neue Möglichkeiten
Mit IoT tun sich für die Hersteller ganz neue Möglichkeiten auf. Durch die Übermittlung von Daten aus dem praktischen Betrieb können Betreibermuster erkannt und ausgewertet werden: Forschung und Entwicklung erhalten wertvolle Informationen aus dem Alltagsbetrieb zu den von ihnen entworfenen Anlagen, um diese zu optimieren. Das Marketing könnte Verhaltensweisen der Kunden analysieren, deren Präferenzen ausmachen und Trends möglicherweise besser oder schneller erkennen. Und: Anlagen-Störungen können an einen Heizungsfachbetrieb oder an den technischen Service des Herstellers übermittelt werden.
Das alles erzeugt große Datenmengen. Die gilt es zu analysieren und in Zusammenhänge zu bringen. Mit IoT untrennbar verbunden ist eine Big-Data-Analyse. Die Server können nur die Daten filtern und, wie Marco Palazzetti sagt, „vorverdauen“. Am Ende steht immer noch der Mensch, der die Daten auswerten muss.
Das Thema Datensammlung hat aber einen schlechten Ruf. Hersteller und Installateure werden nur mit guten Argumenten Kunden überzeugen können und sie müssen ihnen den Argwohn nehmen sowie den Nutzen kommunizieren.
Doch geht es längst nicht nur um den Kunden. Um überhaupt als gemeinsames Gespann gegenüber dem Kunden aufzutreten, ist den Installateuren erst einmal selbst der Argwohn vor dieser neuen Entwicklung zu nehmen. Denn die Datenanalyse einzelner, klar identifizierbarer Anlagen könnte den Herstellern ja auch die Möglichkeit eröffnen, den eigenen Service auszubauen. Ohnehin zeigt sich in der Praxis, dass viele Heiztechnikhersteller ihren Kundendienst personell mitunter deutlich ausgebaut haben. Vor welchem Hintergrund?

Klares Bekenntnis
Die Hersteller müssen gegenüber den Installateuren glaubhaft kommunizieren, dass das Datensammeln der Hersteller nicht deren Begierde weckt, das bisherige Miteinander in der Branche in Frage zu stellen. Hier gibt es ein klares Bekenntnis. Marco Palazzetti sagt: „Durch IoT soll die klassische Handwerker-Aktivität nicht ersetzt, sondern ergänzt und unterstützt werden. Der Handwerker wird somit in seiner Rolle als Partner des Herstellers bestätigt und bekräftigt. Der Installateur soll enger mit einbezogen statt ausgeschlossen werden.“ Klassische Hersteller anderer Feuerungssysteme sehen dies genauso. Alle sehen eher das Gegenteil, nämlich eine Stärkung der Beziehung. Hans Moser, Leiter Entwicklung Regelungen bei Wolf: „Wir ermöglichen mit unseren Schnittstellenmodulen ISM7i und ­ISM7e die Einbindung des Heizsystems ins Internet. Das ISM7 hält ständig eine verschlüsselte Verbindung zum Wolf-Server. Störmeldungen werden automatisch per E-Mail an den Betreiber und Fachhandwerker verschickt. Im Idealfall konnte der Fachhandwerker die Störung schon beseitigen, bevor der Hausbesitzer überhaupt Kenntnis davon hatte.“ Jens Wichtermann, Sprecher von Vaillant sagt: „An der Schnittstelle zwischen Anlagenbetreiber und Fachhandwerk ist eine digitale Prüfung des Betriebszustands und, wenn erforderlich, internetbasierte Anlagendiagnostik möglich. Das heißt: Der Fachhandwerker stellt fest, ob ein Wartungsintervall vorliegt und welche Wartungsarbeiten anstehen. Dies erfolgt ohne Zeit am Gerät selbst zu inves­tieren. Ebenso ist es möglich, dass der Fachhandwerker online Unterstützung durch den Hersteller bekommt, während die Arbeiten beim Kunden stattfinden.“
Die Unternehmen sind sich bewusst, welches Pfund sie mit ihren Handwerks­partnern haben (siehe Interviewkasten). Auch bei Buderus ist keine Rede davon, das Handwerk zu umgehen. Buderus-Sprecher Jörg Bonkowski: „Uns ist sehr wichtig zu betonen, dass für Buderus der Fachpartner immer der erste Ansprechpartner für den Endverbraucher bleibt. Aufgrund unserer Preisgestaltung für Dienstleistungen treten wir nicht in den Wettbewerb mit unseren Geschäftspartnern.“
Viessmann-Sprecher Wolfgang Rogatty spricht für Viessmann genauso klar pro Partnerschaft: „Viessmann setzt auf den zweistufigen Vertriebsweg, ist Partner des Fachhandwerks und legt auf eine langfristig gute Kunden-Beziehung einen extrem hohen Wert. Aus diesen Gründen hält Viessmann am bestehenden Partnerkonzept fest. Leistungen wie Service und Wartung von Heizungsanlagen bleiben in der Hand der Marktpartner, zumal diese die jeweiligen Anlagen aufgebaut haben und über genaue Kenntnisse des Anwendungsfalls sowie des Anlagenkonzeptes verfügen.“

Aufsteigende Lernkurve
IoT besitzt ein breites Spektrum. Viessmann bot bereits 2002 erste Netzwerkverbindungen an, als das Unternehmen sein Telecontrol-System Vitocom/Vitodata einführte. Mittlerweile wird diese Lösung zur Fernüberwachung, Fernbedienung und Fernwartung eingesetzt, differenziert nach den jeweiligen Anforderungen der unterschiedlichen Anwender.
Für die Fernüberwachung und Fernwartung wird den Marktpartnern als Dienstleistung angeboten, eine Anlage bei Viessmann aufzuschalten. „Sie wird dann von Viessmann-Mitarbeitern überwacht und bei Bedarf können auch Optimierungsmaßnahmen durchgeführt werden – in jedem Fall geschieht dies in enger Zusammenarbeit mit dem Fachhandwerker“, berichtet Viessmann-Sprecher Rogatty. Vaillant hat seine Fernservice- und Diagnose-Plattform profiDIALOG für Fachhandwerker vor Kurzem ausgebaut. „Live-Mitschnitte und Langzeitdatenerfassungen verschiedener Sensorwerte und die Analyse der Temperaturverlaufskurven sind neben der Parametrierung und Anlagenanalyse nun Standard“, berichtet Vaillant-Sprecher Wichtermann. Buderus stellte auf der ISH mit seinem Control Center ConnectPRO ein neues Online-Portal vor. „Das Portal vernetzt die Fachbetriebe mit den Heizungsanlagen ihrer Kunden, sofern diese zustimmen. Heizungsfirmen können so die Anlagen jederzeit vom Büro oder von unterwegs aus überblicken“, sagt Buderus-Sprecher Jörg Bonkowski.
Die Komplexität steigt. Die Installateure sind gefordert, sich immer wieder mit neuen, weil weiterentwickelten Materien zu befassen. Wolf Heiztechnik integriert in seiner Akademie diese Themen im Schulungsplan und bietet zu den Regelsystemen auch spezielle Fachseminare an. „Der Zeitbedarf richtet sich – wie bei allen Themen – nach dem Wissensstand und den Fragen der Kursteilnehmer“, berichtet Entwicklungsleiter Hans Moser. „Das Handwerk muss sich ebenso wie die Branche als Ganzes auf neue Entwicklungen und Kundenanforderungen einstellen, um von diesen zu profitieren“, sagt Wichtermann. Doch wie sich zeigt, könnte gerade die zunehmende Komplexität der Heizsysteme die beiden Partner, Hersteller und Handwerk, noch enger zueinander bringen. „Es geht um einen Paradigmenwechsel, nämlich präventiv zu arbeiten“, sagt Palazzetti: „Wie bei Autos, werden Störfunktionen präventiv diagnostiziert und nicht wenn diese bereits offensichtlich geworden sind.“ Eine Furcht, dass die Installateure über die neue Entwicklung ausgebootet werden könnten durch einen Kundenservice und somit die Stufigkeit verringert wird, lässt sich an Hand der Aussagen nicht erkennen. Vielmehr ist das Ergebnis, dass die Beziehung im Gegenteil gestärkt werden wird. Allerdings müssen die Installateure an den Veränderungen teilnehmen.

Autor: Dittmar Koop

„Unsere Partner sind das Sprachrohr zum Kunden“

Hoval zählt zu den Kesselherstellern, die im gesamten Energiequellenspektrum aufgestellt sind und deswegen in der Breite die Entwicklung am Markt besonders verfolgen. Die Liechtensteiner sind im Vergleich zu anderen Unternehmen ein relativ kleiner Player am Markt. Doch gerade das macht es interessant, weil es die Abhängigkeit der Hersteller vom Handwerk perspektivisch besonders herausschält und in seinen Aussagen stellvertretend für die meisten ist. Die IKZ-HAUSTECHNIK sprach mit Iliyan Pavlov, Marketing-Manager bei Hoval.

IKZ-HAUSTECHNIK: Herr Pavlov, das Internet der Dinge – kurz IoT – und Big-Data-Analysen ziehen auch in die Heizungsbranche ein. Welche Entwicklungen gibt es dazu aktuell bei Hoval, was ist der Stand – wie weit sind Sie?
Iliyan Pavlov: Am 1. Juli hat Hoval seine neue, selbstentwickelte System-Reglung auf den Markt gebracht: die „TopTronic E“. Die Regelung ist das Herzstück und gleichzeitig das Gehirn der neuen Generation der Hoval-Wärmeerzeuger. Das Besondere für den Fachmann: Ob Kessel, Wärmepumpe, Solar oder Warmwasser-System – jedes Gerät wird mit der gleichen, intuitiven Steuerung bedient. Kennt der Installateur beispielsweise die Steuerung des „UltraGas“-Brennwertkessels, kann er auch die Steuerung der „Belaria twin“ Luft/Wasser-Wärmepumpe bedienen. Die „TopTronic E“ ist internetfähig und kann sich über LAN, WLAN oder UMTS mit dem World Wide Web verbinden.
IKZ-HAUSTECHNIK: Wird das IoT die Heizungsbranche verändern, indem z. B. neue Services entstehen und die Wartung mehr und mehr beim Hersteller direkt angesiedelt ist?
Iliyan Pavlov: Hoval bekennt sich auch in Zukunft zu seinem Partnerkonzept und dem zweistufigen Vertriebsweg. Wir haben in Deutschland sehr viel in die Partnerschaft mit Installateuren investiert und durch die vernetzten Geräte werden wir diese noch weiter ausbauen und intensivieren. Hoval ist eine Premiummarke und wir möchten nicht auf die Expertise unserer Partner aus dem Handwerk verzichten. Der Partner ist das Sprachrohr zum Kunden und arbeitet Hand in Hand mit unserem Kundendienst zusammen. Aber die Internetvernetzung der Heizungsanlage bietet natürlich eine Vielzahl von neuen Möglichkeiten zum Vorteil der Installateure, aber auch der Endkunden. Zum Beispiel können bestehende Produkte und Dienstleistungen aufgrund der Real-Time-Daten optimiert und verbessert – oder sogar neue Services entwickelt werden. Unter anderem werden Service-Bedarf oder Störungen frühzeitig angezeigt und können so oft per Fernwartung schneller erledigt werden. Auch erhält der Kunde jederzeit transparent Informationen zu seinem Verbrauch, etc. Von diesen Entwicklungen wird nicht nur der Geldbeutel des Kunden, die Prozesse des Installateurs, sondern auch die Umwelt enorm profitieren.
IKZ-HAUSTECHNIK: Welche Auswirkungen wird das für das Handwerk haben? Werden sie sich verändern (müssen)?
Iliyan Pavlov:  Die konkreten Erfahrungen mit dem Internet der Dinge in der SHK Branche stehen uns noch bevor und wir möchten nicht spekulieren. Wichtig aus unserer Sicht ist, dass das Handwerk als Experte offen für neue Technologien ist und diese beim Endverbraucher fördert. Die neuen Technologien sind keine Spielereien, um – überspitzt gesprochen – vom Nordpol die Heizung daheim an und aus zu schalten oder gar ein Selbstzweck. Rund 20 % der pro Kopf CO2-Emissionen entfallen aktuell aufs Heizen – das muss massiv reduziert werden. Unsere Mission ist es – getreu unserem Claim Verantwortung für Energie und Umwelt – diese Emmissionen zu reduzieren. Deswegen haben wir die „TopTronic E“ entwickelt. Wir als Hersteller sind weiterhin gefragt, dem Handwerk Systemlösungen zu liefern, die dem Verbraucher Sicherheit und Komfort geben, aber gleichzeitig die Umwelt schonen.

 


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