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Optische Mängel

Viel Lärm um Nichts oder gesetzlicher Rechtsanspruch?

 

Es liegt in der Natur der Sache, dass Auftraggeber und Auftragnehmer unterschiedliche Auffassungen haben, wenn es um kleinere oder sogenannte „optische Mängel“ und den damit im Zusammenhang stehenden Beseitigungsaufwand geht. Das OLG Düsseldorf hatte sich wiederum damit zu befassen, ob eine Verweigerung der Mängelbeseitigung des Auftragnehmers wegen hoher Kosten bei optischen Mängeln in Betracht kommt.

Das Thema ist nicht neu. Aus der bereits vorliegenden Rechtsprechung ist Folgendes zu entnehmen: Wenn ein Werk mangelhaft erstellt wurde, treffen den Auftragnehmer zunächst Nacherfüllungspflichten, ggf. aber auch anstelle dieser Schadenersatzansprüche. Ein Mangel stellt eine Abweichung der Ist-Beschaffenheit von der vorauszusetzenden Soll-Beschaffenheit dar und dieses Ungleichgewicht hat der Auftragnehmer zu beseitigen. Er hat dabei die Wahl. Bei Werkarbeiten kommt hier wohl oft Nachbesserung in Betracht. Nach § 635 Abs. 3 BGB kann der Unternehmer die Nacherfüllung verweigern, wenn sie unmöglich oder nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist. Soweit die gesetzliche Regelung.
Bei Werkverträgen, die auf der Grundlage der VOB/B abgeschlossen wurden, kann der Auftraggeber nach § 13 Abs. 6 VOB/B die Vergütung entsprechend mindern bzw. im Falle der vollständigen Auszahlung des Werklohnes, den Minderungsbetrag einfordern, wenn eine Nachbesserung unmöglich ist oder der Auftragnehmer die Mangelbeseitigung wegen eines unzumutbar hohen Aufwandes abgelehnt hat.

Unmöglichkeit der Mangelbeseitigung
Ob Unmöglichkeit vorliegt, richtet sich nicht nach den subjektiven Möglichkeiten des Auftragnehmers und schon gar nicht nach seiner Auslegung des Begriffs „Unmöglichkeit“, sondern nach objektiven Kriterien. Es muss unabhängig vom Willen und Vermögen des Mangelverursachers unmöglich sein, den Mangel zu beseitigen. Hierbei geht es also um die Frage, ob es auch für andere Unternehmen objektiv unmöglich ist, den aufgetretenen Mangel zu beseitigen. Wird eine Sperrung gegen aufsteigende Nässe in einem Fundament vergessen, dürfte es nach Errichtung des Hauses unmöglich sein, diese Sperrung in das Fundament einzubringen. Ist ein bestimmter Schallschutz in einem Gebäude vertraglich geschuldet und fehlt dieser, wäre wohl ebenfalls von Unmöglichkeit auszugehen. Ob eine Unmöglichkeit der Mangelbeseitigung vorliegt, ist nicht anhand allgemeiner abstrakter Beurteilungen oder Erfahrungsgrundsätze zu sagen. Es bedarf immer der Beurteilung des konkreten Einzelfalles. Insbesondere Sachverständige müssen das berücksichtigen, wenn sie die objektiv völlige oder teilweise Unmöglichkeit einer Mangelbeseitigung einzuschätzen haben.

Unverhältnismäßigkeit des Nachbesserungsanspruchs
Ein Auftragnehmer kann anbieten, die Vergütung entsprechend mindern, wenn die Mangelbeseitigung unverhältnismäßig ist. Die Unverhältnismäßigkeit richtet sich aber nicht nach den Kos­ten für eine Mangelbeseitigung. Ob Aufwendungen für die Mängelbeseitigung unverhältnismäßig sind, beurteilt sich nach den Grundsätzen des § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB. Unverhältnismäßigkeit kann der Auftragnehmer nur dann einwenden, wenn der mit der Nachbesserung erzielte Erfolg bei Abwägung aller Umstände des Einzelfalls in keinem vernünftigen Verhältnis zu den aufzuwendenden Mangelbeseitigungsarbeiten und den damit einhergehenden Kosten steht (vgl. BGH, BauR 2006, S. 382 und BauR 1997, S. 638). Für die Unverhältnismäßigkeit muss also ein objektiv geringes Interesse des Auftraggebers an einer mangelfreien Vertragsleistung einem ganz erheblichen unangemessenen Mangelbeseitigungsaufwand des Auftragnehmers gegenüberstehen (vgl. BGH, BauR 2006, S. 382). Es muss für den Unternehmer unzumutbar sein, die vom Auftraggeber in nicht sinnvoller Weise geltend gemachten Aufwendungen tragen zu müssen (BGH, Urteile vom 26. Oktober 1972 – VII ZR 181/71, BGHZ 59, 365 und vom 6. Juni 1991 – VII ZR 372/89, BGHZ 114, 383). Der BGH hat in der Vergangenheit immer deutlich gemacht, dass auch äußerst kostspielige Nachbesserungen vom Auftragnehmer gefordert werden können. Eine Mangelbeseitigung kann selbst dann nicht verweigert werden, wenn die Nachbesserungskos­ten den ursprünglichen Werklohn um ein Vielfaches übersteigen. Entscheidend ist, welchen Nutzen der Auftraggeber aus der Nachbesserung zieht. In der Praxis kann man sich von der Grundregel leiten lassen: Liegt eine spürbare Funktionsbeeinträchtigung vor, kann regelmäßig Nachbesserung verlangt werden.

Einordnung von „optischen Mängeln“
Zu Recht hat die Rechtsprechung im Auge, dass von einer Unverhältnismäßigkeit der Mangelbeseitigung gesprochen werden muss, wenn es um Mängel geht, die die Gebrauchsfähigkeit der Leistung so gut wie nicht beeinträchtigen, sich lediglich in der Optik auswirken und deren Beseitigung ganz erhebliche Kosten nach sich ziehen würde. Deshalb ist bei optischen Mängeln, die zwar das äußere Erscheinungsbild des Werkes, nicht aber dessen Funktion beeinträchtigen, eine Gesamtabwägung auf der Basis des § 635 Abs. 3 BGB vorzunehmen, um „Unverhältnismäßigkeit“ zu beurteilen. Hier geht es um die Frage, ob der Auftraggeber ein nachvollziehbares (nicht nur unbedeutendes) Interesse an der (auch) optisch einwandfreien Herstellung des Werkes hat. Rosterscheinungen am Gehäuse eines Heizkessels werden nicht zum Anspruch auf einen neuen Heizkessel führen. Nur geringfügige Kratzer an einer Scheibe oder kaum auffallende Verschmutzungen, Schönheitsfehler an der Unterseite einer Armatur oder auch die geringfügige Überschreitung von Maßtoleranzen ohne Funktionsbeeinträchtigung zählen hierunter. Das kann sich aber bei einem 100 000-Euro-Bad anders darstellen, als bei einem 10 000-Euro-Bad. Je höher dieses Leis­tungsinteresse an einem makellosen Erscheinungsbild der Werkleistung beim Auftraggeber anzusetzen ist, umso weniger kann der Werkunternehmer mit seinem Einwand aus § 635 Abs. 3 BGB gehört werden. Berührt der nur geringfügige Schönheitsfehler nur leicht das ästhetische Empfinden des Bestellers, ohne dass in objektivierbarer Form die „Wertschätzung“ gegenüber dem Werk beeinträchtigt wird, kann bei erheblichen Mängelbeseitigungsaufwendungen von Unverhältnismäßigkeit ausgegangen werden. Sind vertraglich zugesicherte Eigenschaften nicht eingehalten, wird man bei Verletzung nicht von Unzumutbarkeit reden können, wenn es um die Mangelbeseitigung geht.

„Optische“ Mängel und Abnahme­verweigerung
Ein ungeliebtes Praxisproblem ist die Verweigerung der Abnahme wegen „optischer“ Mängel. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass selbstverständlich auch optische Mängel zu Ansprüchen aus dem Gewährleistungsrecht führen können. Es handelt sich in der Regel um eine Abweichung vom vertraglich geschuldeten Leistungssoll, bzw. um eine – u. U. auch nur kleine – Einschränkung hinsichtlich der Gebrauchsfähigkeit.
Die Abnahmeregelung in § 640 Abs. 1 Satz 2 BGB besagt aber, dass wegen unwesentlicher Mängel die Abnahme nicht verweigert werden kann. Über die „Wesentlichkeit“ von Mängeln wird in der Praxis treff­lich gestritten. Im Einzelfall wird wesentlicher Man­gel bestimmt nach Art, Umfang und Auswirkungen. Es kommt bei der Beurteilung von Abnahmeverweigerungen auf die Zumutbarkeitsgrenze aus objektiver Sicht im Verhältnis zwischen dem Vertragszweck und dem erbrachten Erfolg an. Unwesentlich ist ein Mangel, wenn er in seiner Bedeutung so weit zurücktritt, dass es unter Abwägung der beiderseitigen Interessen für den Auftraggeber als zumutbar angesehen werden kann, abzunehmen. Davon dürfte bei Schönheitsfehlern grundsätzlich auszugehen sein. Eine Abnahmverweigerung allein wegen des Vorliegens von optischen Mängeln ist problematisch.

Grad des Verschuldens ist zu berücksichtigen
Viele Handwerker wünschen sich generell für optische Mängel, dass mit einem (möglichst kleinen) Abzug vom Werklohn die Mangeleinreden erledigt werden könnten. Dieser Wunsch geht selten auf. Vor allem dann, wenn der Auftragnehmer den Mangel grob fahrlässig herbeigeführt hat, wird er sich auf Unverhältnismäßigkeit nicht berufen können. Gleiches gilt, wenn er entgegen den vertraglichen Vereinbarungen vorsätzlich ein billigeres, minderwertigeres Material eingebaut hat.
Will sich der Auftragnehmer auf Unverhältnismäßigkeit berufen, muss der Grad des Verschuldens am Mangel geringfügig sein. Das hat der Auftragnehmer zu berücksichtigen, weil er zur Abwehr von Mängelansprüchen im Einzelnen Tatsachen vortragen muss, mit denen er den unverhältnismäßig hohen Mangelbeseitigungsaufwand begründet. Der Auftragnehmer muss weiterhin unmissverständlich seine Ablehnung äußern und auf eben diese Tatsachen der Unverhältnismäßigkeit stützen. Nur dann kann er den Weg einer Minderung gehen.

Fazit
Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat mit seinem diesbezüglich einschlägigen Urteil (Az. I-21 U 23/14) eine für die Praxis gute Zusammenfassung vorgelegt: Hat der Besteller objektiv ein berechtigtes Interesse an einer ordnungsgemäßen Erfüllung des Vertrags, kann ihm der Unternehmer regelmäßig die Nachbesserung wegen hoher Kosten der Mängelbeseitigung nicht verweigern. Der Einwand der Unverhältnismäßigkeit ist nur dann gerechtfertigt, wenn das Bestehen auf ordnungsgemäßer Vertragserfüllung im Verhältnis zu dem dafür erforderlichen Aufwand unter Abwägung aller Umstände einen Verstoß gegen Treu und Glauben darstellt. Von Bedeutung ist auch, ob und in welchem Ausmaß der Unternehmer den Mangel verschuldet hat. Je erheblicher der Mangel ist, umso weniger Rücksicht ist auf die den (vertragsuntreuen) Werkunternehmer belastenden Kosten der Nacherfüllung zu nehmen. Da der Besteller regelmäßig ein starkes Interesse an der Funktionsfähigkeit des von dem Unternehmer geschuldeten Werkes hat, die Herstellung und Lieferung zu den Primärpflichten des Auftragnehmers gehört, führen Mängel, durch die die Funktionsfähigkeit des Werkes spürbar beeinträchtigt wird, regelmäßig dazu, dass eine Verweigerung der Nachbesserung unter Verweis auf die hohen Kosten unberechtigt ist. Dies bedeutet indessen nicht, dass bei Mängeln, die lediglich das äußere Erscheinungsbild des gelieferten Werkes betreffen, also bei Schönheitsfehlern oder optischen Mängeln, die die Funktionsfähigkeit im eigentlichen Sinne unberührt lassen, regelmäßig der Einwand der zu hohen und damit unverhältnismäßigen Aufwendungen der Nachbesserung durch den Unternehmer Erfolg hat. Abzustellen ist vielmehr auch bei solchen Mängeln darauf, ob der Auftraggeber ein nachvollziehbares (nicht nur unbedeutendes) Interesse an der (auch) optisch einwandfreien Herstellung des Werkes hat.

Autor: RA Dr. jur. Hans-Michael Dimanski

 


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