Optimierte Lüftungs- und Klimatisierungssysteme für Rechenzentren
Rahmenbedingungen für Planung, Bau und Betrieb von Rechenzentren nach VDI-Richtlinie 2054
Obwohl der Energieverbrauch einzelner Computer stetig sinkt, führt die fortschreitende Digitalisierung in Gesellschaft und Industrie zu einer Zunahme von Rechenzentrumsleistungen. Die rasante Entwicklung der IT-Systeme stellt neue und höhere Anforderung an die Infrastrukturtechnik. Aus diesem Grunde musste die aus dem Jahr 1994 stammende VDI-Richtlinie 2054 „Raumlufttechnische Anlagen für Datenverarbeitung“ zwingend aktualisiert werden. Nachfolgend einige Kernpunkte der aktuellen Richtlinie.
Die Zeiten, in denen bloß um die Machbarkeit hoher Rechenleistungen gerungen wurde, sind vorbei. Die Standards sind gesetzt und nach oben verschoben. In der Folge rückten andere Aspekte von Rechenzentren in den Fokus: Ein möglichst niedriger Energieverbrauch, Effizienz und damit auch Klimaschutz gewinnen zunehmend an Bedeutung. Die aktuelle VDI-Richtlinie 2054 „Raumlufttechnik – Datenverarbeitung (VDI-Lüftungsregeln)“, von August 2019, setzt an diesem Punkt an und stellt die Anforderungen an Planung, Bau und Betrieb von energieeffizienten Rechenzentren dar. Ein wichtiger – wenn nicht der wichtigste – Faktor in diesem Zusammenhang ist die Wärmefreisetzung von Systemen der Datenverarbeitung. Die Wärmeentwicklung liegt bei solchen Systemen um ein Vielfaches höher als bei herkömmlichen Wärmelasten wie Lampen, Sonnenlicht oder der Umgebungstemperatur. Entsprechend ist es Aufgabe der Belüftungssysteme, die hohen Wärmelasten sicher und effizient abzuführen.
Alternative Auslegungsgrundlagen
Die klimatechnischen Rahmenbedingungen, die innerhalb eines Rechenzentrums eingehalten werden sollen, sind im Wesentlichen die Temperatur und die Luftfeuchte. Dabei handelt es sich um die Lufteintrittszustände in das IT-Equipment. Als Auslegungsgrundlagen stehen dazu neben der VDI-Richtlinie 2054 alternativ weitere Regelwerke zur Verfügung:
- DIN EN 50600-2-3:2019-08 „Informationstechnik – Einrichtungen und Infrastrukturen von Rechenzentren, Teil 2-3: Regelung von Umgebungsbedingungen“,
- ASHRAE Thermal Guidelines for Data Processing Environments 2012; ASHRAE (American Society of Heating, Refrigeration, Air-Conditioning Engineers),
- DIN EN 60721-3-3:1995-09 „Klassifizierung von Umweltbedingungen (für Telekommunikationsräume) – Teil 3: Klassen von Umwelteinflussgrößen und deren Grenzwerte“.
Die VDI 2054 enthält Empfehlungen, die bei Planung, Errichtung und Betrieb von technischen Anlagen zur Klimatisierung von Einrichtungen für die Datenverarbeitung zu beachten sind. Dabei werden folgende Systeme allerdings nicht berücksichtigt:
- Systeme zur Abführung von hohen Prozessorleistungen direkt am Rechenkern mittels flüssiger Kälteträger und
- Anlagen für Maschinenräume mit Arbeitsplätzen (für Anforderungen bezüglich dauerhafter Arbeitsplätze wird auf die technischen Regeln wie ASR A 3.5, ASR A 3.6, DIN EN 16798, DIN EN 15251, VDI 6022 und VDI 3804 verwiesen). Im Gegensatz zur Fassung der Norm von 1994 [1] – in der noch Vorgaben für periphere Räume und Operatorräume mit ständigen Arbeitsplätzen enthalten waren – wurde der Inhalt der Neufassung bewusst auf reine Rechnerräume beschränkt.
Im Folgenden werden einige Aspekte zum Inhalt und zu Schnittstellen der VDI 2054 dargelegt.
Systemauswahl
Bild 2 zeigt eine Vielzahl von Lösungsmöglichkeiten, die sich bei der Kombination der Anlagen bzw. Komponenten für wasser-, luft- und kältemittelbasierte Wärmeträgersysteme mit den Installationsorten (Rack, DV-Raum, Gebäude) ergeben, um die im Server anfallende Wärmeleistung abzuführen. I. d. R. muss das System:
- die Kriterien des Anforderungskatalogs,
- die jeweiligen Anwendungsbedingungen und örtlichen Gegebenheiten sowie
- die Anforderungen hinsichtlich der Energie- und Kosteneffizienz erfüllen.
Für den Nachweis der Effizienz ist meist eine Berechnung des Jahresenergieverbrauchs und der jährlichen Energiekosten – auf der Grundlage der statistischen Jahresstunden für die Außentemperatur und unter Berücksichtigung der Abhängigkeit des Energie- sowie des Wasserverbrauchs von der Außentemperatur – zu erstellen.
Die Kälteträgersysteme (Kaltwasser, Kühlwasser, indirekte freie Kühlung, direkte freie Kühlung, Kältemittel) werden in dem Kapitel Systemauswahl erläutert. Die Zielstellung der Norm bestand jedoch nicht darin, detaillierte Planungshinweise für das gewählte System zu erstellen. Hierfür wird auf separate Regelwerke verwiesen, z. B. auf die VDI-Richtlinie 6018 für die Auswahl und die Dimensionierung der Kälteerzeugung sowie die Auswahl des Kältemittels, oder auf die VDI-Richtlinie 2047 Blatt 2, für die Auslegung von Verdunstungs- und Hybridkühleinrichtung.
Luftführungssysteme im Rechenzentrum
Die Luftführung im Rechenzentrum beeinflusst entscheidend die mögliche Wärmeabführung aus den Racks sowie die energetische Effektivität der Anlage. Eine Übersicht über mögliche Luftführungs-
systeme wird in Tabelle 1 dargestellt. Diese angeführten Varianten werden jeweils auch auf Basis einer Prinzip-Darstellung (wie in Bild 3), in der Richtlinie mit Vor- und Nachteilen beschrieben.
Im Kapitel „Luftführungssysteme“ zeigt sich besonders der Fortschritt bezüglich effektiver Abführung von Wärmelasten aus Rechenzentren. In der Fassung von 1994 [1] wurde nur die Variante „Freie Strömung durch Doppelboden“ beschrieben. Dies spiegelt die damalige Praxis der unstrukturierten Aufstellung und Anordnung der Server/Racks wider. Die konsequente Ausrichtung der Server mit der Lufteintrittsseite in einem Gang und der Luftaustrittsseite im anderen Gang („Kalt-/Warmgangprinzip“) war noch nicht üblich.
Doppelbodenausführung/-auslegung
Aus energetischen und funktionellen Gründen wird der Doppelbodenauslegung ein separates Kapitel in der Richtlinie gewidmet. Die Praxis zeigt, dass bei der Luftverteilung über den Doppelboden häufig Probleme infolge falscher Dimensionierung auftreten. Die Zielstellung besteht darin, eine möglichst gleichmäßige Beaufschlagung der Lüftungsplatten, die im Kaltgang angeordnet sind und die Kaltluft für die Server einströmen lassen, zu erreichen. Dies wird erreicht, indem im Doppelboden ein entsprechend hoher Vordruck durch den Strömungswiderstand der Lüftungsplatten aufgebaut wird. In der VDI 2054 sind Auslegungsrichtwerte für die Geschwindigkeit und den Druckverlust im Doppelboden entsprechend Tabelle 2 empfohlen.
Des Weiteren sind in der Norm Auslegungshilfen für die Berechnung des Druckverlustes sowie zur Berechnung der Geschwindigkeit im Doppelboden in Abhängigkeit von der Kühlleistung angeführt.
Betriebssicherheit – Verfügbarkeitsklassen für Klima und Kälte
Rechenzentren werden in der Regel durchgehend betrieben und stellen somit hohe Anforderungen an die Betriebssicherheit, die durch redundante Ausführung der Anlagen bzw. Komponenten erreicht wird. Bei der Planung von Rechenzentren hat insbesondere die geforderte Verfügbarkeit einen großen Einfluss auf Anlagenkonzeption, späteren Energie- und Medienverbrauch sowie Investitionskosten. In der Richtlinie werden, in Anlehnung an international verbreitete Definitionen, vier Verfügbarkeitsklassen (Klassen A, niedrigste Verfügbarkeit, bis D, höchste Verfügbarkeit) für Anlagen zur Klimatisierung von IT-Equipment festgelegt und die Merkmale sowie Anforderungen an die Anlagen der einzelnen Verfügbarkeitsklassen beschrieben. Die Klassifizierung basiert darauf, dass sich technische Komponenten hinsichtlich ihres Einflusses auf die Verfügbarkeit wie folgt unterscheiden lassen:
ausfallkritische Komponenten (z. B. Kälteerzeuger, Rückkühler, Umluftklimageräte, Pumpen, Antriebe, regelmäßig instandsetzungsbedürftige Armaturen) und
weniger ausfallkritische Komponenten (z.B. Rohrleitungen einschließlich Dämmungen, manuelle Absperrklappen).
Ausgehend von der Systemausstattung führen die Verfügbarkeitsklassen in Verbindung mit der Komponenteneinteilung zur Betriebsweise (nicht redundant, redundant, parallel Betrieb etc.). So lassen sich die einzelnen Anlagenbetriebsweisen leichter ermitteln.
In VDI 2054 werden darüber hinaus auch die Auswirkungen von Störungen sowie Wartung und Instandsetzung der technischen Komponenten auf die Klimatisierung des IT-Equipments detailliert beschrieben.
Planungsgrundlagen/Auslegungsparameter
Ausgehend von der Definition der für das Rechenzentrum relevanten Temperaturen, wie Zulufttemperatur, DV-Eintritts- und DV-Austrittstemperatur und Ablufttemperatur, sind nachfolgende Grundlagen u.a. zu beachten:
Die Lufteintrittstemperatur sollte aus energetischen Gründen möglichst hoch sein. Bei den heutigen Rechnertechnologien sind Eintrittstemperaturen im Bereich von 25 °C bis 30 °C möglich (Bild 4).
Die Anforderungen an die Luftfeuchtigkeit ergeben sich aus den Einsatzbedingungen für das IT-Equipment. Üblicherweise liegen die Grenzwerte für die minimale und maximale relative Luftfeuchtigkeit bei 20 % r. F. und 80 % r. F. Damit ist der Toleranzbereich wesentlich größer, als in der ersten Fassung der Richtlinie (mit Grenzwerten von 30 % r. F. sowie 68 % r. F.). Es ergeben sich somit höhere Einsparmöglichkeiten, wenn die Luftfeuchtigkeit variabel nach den Kriterien eines wirtschaftlichen Betriebs geregelt wird.
Konkrete Anforderungen an den Schalldruckpegel im Rechnerraum sind im Gegensatz zur Vorgänger-Richtlinie nicht mehr angeführt. Dies hat u. a. zum Hintergrund, das in modernen Rechenzentren mit hoher Leistungsdichte die Schallemission der Rechentechnik in der Regel wesentlich größer als die Schallemission der Klimageräte ist.
Neben verschiedenen Möglichkeiten zur Berechnung der IT-Wärmebelastung bietet die VDI 2054 auch Berechnungsgrundlagen zur Bestimmung der Gesamtkühllast und des Kühlluftvolumenstroms.
Regelkonzepte
Beispiele für Regelkonzepte von Klimageräten sind in der Anlage C der Richtlinie aufgeführt. Es wird dabei prinzipiell unterschieden zwischen den Ausführungsvarianten „mit“ und „ohne“ Kaltgang-Einhausung.
Dazu ein Beispiel der Variante A2 – „Regelkonzept zur Leistungsregulierung der Umluftklimageräte, ohne Kaltgang-Einhausung, Regelgröße Lufttemperaturdifferenz:
Zusätzlich zur Ablufttemperatur wird die Zulufttemperatur auf einen vorgegebenen Sollwert geregelt. (Dieses Konzept entspricht einer ∆T = konst.-Regelung). Die Einhaltung der Zulufttemperatur geschieht durch Stellen des Kaltwasserregelventils, während zur Einhaltung der Ablufttemperatur die Drehzahl des Ventilators angepasst wird (Bild 5).
Literatur:
[1] VDI 2054:1994-09 „Raumlufttechnische Anlagen für Datenverarbeitung“ (mit Überprüfung vom Januar 2000), Beuth Verlag
[2] VDI 2054:2019-08 „Raumlufttechnik – Datenverarbeitung (VDI-Lüftungsregeln)“, Beuth Verlag
Autor: Dr.-Ing. Jürgen Zschernig, Projektleiter bei dc-ce RZ-Beratung in Frankfurt am Main und Mitglied des VDI-Richtlinienausschusses VDI 2054