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Nordrhein-Westfalen - NRW prüft jetzt landeseinheitlich - Die nächste Gesellenprüfung findet zeitgleich statt

Am 5. Dezember wird in Nordrhein Westfalen zum ersten Mal der fachtheoretische Teil der Gesellenprüfung nach Vorgabe des Fachverbandes SHK landeseinheitlich durchgeführt. Was für viele Beteiligte eine Herkulesaufgabe bedeutet, birgt aber für die Ausbildung eine Menge Vorteile.

Philosophie der Prüfung.

 

Seit vielen Jahren bemühen sich viele Innungen und der FVSHK NRW intensiv um die Nachwuchswerbung. Ein junger Mensch möchte aber nicht nur wissen, welche Möglichkeiten sein späterer Beruf bietet, sondern vielfach auch, welche Hürden – etwa bei der Gesellenprüfung – zu nehmen sind. Nicht zuletzt durch die unterschiedliche Bevölkerungsstruktur war das Anforderungsniveau der Gesellenprüfungen in NRW aber sehr unterschiedlich und dadurch nicht dazu geeignet, als verbindliches Ausbildungsziel für NRW zu dienen.
Nachwuchskräften bei der Berufswahl zu helfen, ist jedoch nicht der einzige Grund, weshalb sich der Landesverband um Transparenz in der Berufsausbildung bemüht. Zudem bieten vorgegebene Prüfungen Sicherheit bei der Prüfungserstellung, entlasten die Prüfungsausschüsse und minimieren die Kosten für die Innungen. In der Umsetzung laufen die Bemühungen zur verbindlichen Definition des Ausbildungsziels für den Anlagenmechaniker SHK aber zwangsläufig auf verbandsseitig vorgegebene Prüfungsaufgaben mit einheitlichem Standard hinaus.
Die Palette dieser Argumente hat die Mitglieder des FVSHK NRW im Jahr 2009 dazu bewogen, die Gesellenprüfungen im fachtheoretischen Teil in Zukunft landeseinheitlich durchführen zu wollen. Um die Durchführung einer Prüfung landeseinheitlich zu gewährleisten, ist es aber nötig, dass sie durch die Handwerkskammern beschlossen und durch die Prüfungsausschüsse umgesetzt wird. Also musste dafür Sorge getragen werden, dass die Kammern die Prüfung akzeptieren und die Prüfungsausschüsse wissen, wie mit dem Prüfungsmaterial umzugehen ist.
Für die Akzeptanz einer Prüfung ist es wichtig, dass sie nicht die Meinung eines Einzelnen wiedergibt, sondern die Wünsche der an der Ausbildung Beteiligten berücksichtigt. Dies betrifft nicht nur die Berufsgruppen (Berufsschullehrer, Arbeitgeber und Arbeitnehmer), sondern auch die verschiedenen Regionen mit ihren unterschiedlichen Ausprägungen. Selbstverständlich hat das Ruhrgebiet mit seiner Struktur aus vielen gasversorgten Mehrfamilienhäusern, die großen Wohnungsbaugesellschaften gehören, andere Anforderungen an den Arbeitsalltag eines Anlagenmechanikers SHK als dies etwa im Sauerland mit seinen Einfamilienhäusern in brennholzreicher Gegend der Fall ist. Dies hatte in der Vergangenheit natürlich auch Einfluss auf die Gesellenprüfungen, in denen deutliche Schwerpunkte erkennbar waren.

Erstellungskommission

Folglich wurde durch den FVSHK zunächst einmal eine paritätisch besetzte Erstellungskommission aus Arbeitgebervertretern, Arbeitnehmervertretern und Berufsschullehrern sowie Vertretern aus allen Kammerbezirken NRWs zusammengestellt. Damit besteht die Kommission nunmehr aus sechs Berufsschullehrern und sechs Vertretern der betrieblichen Ausbildungsseite. Sie alle haben viel Erfahrung in der Prüfungserstellung. Die Vorsitzende des Berufsbildungsausschusses des FVSHK NRW steht auch der Erstellungskommission vor.
Seit 2009 hat sich diese Kommission bereits 15-mal getroffen und Prüfungsmaterial im Umfang von ca. 3,7 GB bearbeitet. Diese Datenmenge ergibt sich aus 4768 Dateien in 1094 Ordnern. Hierbei sind vier eigene Prüfungen mit einer Datenmenge von ca. 150 MB entstanden.
Die ersten Treffen wurden allerdings darauf verwendet, die verschiedenen Vorgehensweisen und Anforderungen in ein Schema zu bringen und die Art der Benotung festzulegen. Hier gab es die verschiedensten Herangehensweisen.

Prüfungsstruktur

Die vielen Überlegungen zur Ausgestaltung der Prüfung haben schließlich zu einer Struktur geführt, die zum Teil handlungsfeldübergreifend ausgelegt ist. Da sind zum einen sogenannte „Grundaufgaben“. Sie sind vom Anforderungsniveau derart gestaltet, dass sie von allen Prüflingen beantwortet werden können. So ist sichergestellt, dass das Wissen, das in einem Großteil der Betriebe als Grundwissen erwartet wird, bei allen Prüflingen abgeprüft wird. In der handlungsfeldspezifischen „Vertiefungsaufgabe“ wird Fachwissen abgefragt. Dies kann von einem Prüfling abverlangt werden, der im jeweiligen Handlungsfeld ausgebildet wurde.

Philosophie des Fachverbandes

Verlässt man nun die auf eine einzelne Prüfung bezogene Perspektive, klingt die Philosophie hinter dem gewählten Konzept zunächst verwegen und hat auch für viele Diskussionen gesorgt. Denn bei der Einführung einer landeseinheitlich durchgeführten Gesellenprüfung gibt es verschiedene wichtige Gesichtspunkte zu beachten:

  • Wie erfahren die Lehrenden von den Prüfungsanforderungen?
  • Wie erfahren die Prüflinge, welches Niveau angesetzt wird?
  • Welche Möglichkeiten der Prüfungsvorbereitung gibt es?
  • Wie kann man der Gerüchteküche vorbeugen?
  • Wie kann man in Zeiten von Wikileaks & Co. einer vorzeitigen Veröffentlichung der Aufgabenstellungen vorbeugen?

Viele Diskussionen zu diesen wichtigen Fragen mündeten in dem Konzept, die Flucht nach vorn anzutreten. Dahinter steht der Gedanke, dass die beste Prüfungsvorbereitung seit jeher die Bearbeitung alter Prüfungen ist. Das übt – und man kann das geforderte Niveau einschätzen. Folglich wurde der Entschluss gefasst, dass die Erstellungskommission nicht nur eine Prüfung ausarbeitet, sondern in ständiger Fortführung einen Pool von Prüfungen als Übungsmaterial ausarbeitet.
Die Innungen erhalten durch den Fachverband diesen Pool von Prüfungen, die von der Aufgabenstellung her den späteren „scharf gefahrenen“ Prüfungen entsprechen, jedoch mit anderen Zahlenwerten und Details operieren. Damit sind die gemeinsam mit dem Prüfungsmaterial herausgegebenen Musterlösungen für die eigentliche Prüfung nicht mehr relevant.
Das Material aus diesem Pool kann auch in den Berufsschulen zum Unterricht verwendet werden. Bei der Verwendung darf natürlich nicht deutlich werden, dass die Aufgabenstellungen aus der potenziellen Gesellenprüfung stammen. Durch diesen Schritt wird das spätere Prüfungsniveau den Lehrenden sowie den Schülern kommuniziert. Auf diese Weise ist die gezielte Prüfungsvorbereitung gewährleistet und die Gerüchteküche bleibt kalt. Zudem könnte Wikileaks die Prüfungen ruhig veröffentlichen, denn sie sind ja sowieso bekannt. Selbstverständlich ist es wichtig, dass zur Ausgestaltung der „scharfen“ Prüfung die Erstellungskommission die Aufgabenstellungen derart ändert, dass zwar ein Wiedererkennungswert besteht, mit den bekannten Lösungen aber „kein Blumenpott zu gewinnen“ ist.
Die tatsächliche Prüfungsversion wird ca. 4 Wochen vor dem landeseinheitlichen Prüfungstermin durch den Fachverband per CD an die Geschäftsstelle der jeweiligen Innung versendet. Sie konfektioniert und vervielfältigt dann die Unterlagen. Obwohl der Fachverband die Musterlösung bis zum einheitlichen Prüfungstermin nicht herausgibt, beginnt hier natürlich die Geheimhaltungsphase.
Einige Kritiker des Konzepts sehen in dieser Phase eine große Sicherheitslücke. Man muss jedoch festhalten, dass jeder Innung auch bisher ihre Prüfung bekannt war – und diese das Material auch bislang vervielfältigt und bis zum Prüfungstermin erfolgreich geheim gehalten hat. Nichts Anderes tut die Innung nun auch.

Prüferschulungen

Damit die Mitglieder der Gesellenprüfungsausschüsse über diese neue Vorgehensweise informiert sind, hat der Fachverband ca. 400 Prüfer in vier Prüferschulungen mit dem neuen Material vertraut gemacht. Unschwer kann man sich vorstellen, dass hier viele Fragen und Vorbehalte auftraten. Dass der Schritt in die Durchführung landeseinheitlicher Prüfungen richtig ist, wurde jedoch von der deutlichen Mehrheit anerkannt. Dass jede Innung Unterschiede zu ihren ehemaligen eigenen Prüfungen feststellt, ist unvermeidbar. Verbesserungsvorschläge werden dennoch ernst genommen, denn jeder Fehler hat Auswirkung auf 59 Innungen mit ca. 2500 Prüflingen in NRW.


Was beinhaltet die Prüfung?

Jede herausgegebene Prüfung beinhaltet

  • die Aufgabenstellungen zu Fachaufgaben (je Handlungsfeld je vier Grundaufgaben + eine Vertiefungsaufgabe)
  • Musterlösungen zu Aufgabenstellungen der Fachaufgaben
  • Aufgabenstellungen zu WiSo (Wirtschaft- und Sozialkunde)
  • Musterlösungen zuAufgabenstellungen WiSo
    Bewertungsschemata
  • Begleitmaterialien inkl. Einladungsschreiben und Prüfungsregeln (notwendige Informationen, Auslegungswerte, Tabellen, Diagramme etc.)

Geprüfte Prüfungen

Nicht zuletzt durch den Wirrwarr mit diversen Zentralabituren ist jeder Anbieter von einheitlichen Prüfungen vorgewarnt. Glücklicherweise waren bereits im Juli 2011 drei durch die Kommission erstellte Prüfungen so weit, dass sie den Innungen zur freiwilligen Durchführung angeboten werden konnten. Ein großer Teil der dem Fachverband angeschlossenen Innungen hat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und dem Verband seine Erfahrungen zu allen drei Prüfungen mitgeteilt.
Fazit: Alle Aufgaben waren lösbar, die zeitliche Aufteilung hat gepasst und die Punkteverteilung wurde größtenteils als angemessen bewertet. Eine Erfahrung wie beim Zentralabitur blieb dem nordrhein-westfälischen SHK-Handwerk also erspart. Dennoch gab es einige Hinweise und berechtigte Verbesserungsvorschläge, die in einer Sitzung der Erstellungskommission bewertet und zum Teil berücksichtigt wurden.
Somit liegen zurzeit in den dem FVSHK NRW angeschlossenen Innungen drei Prüfungen vor, die das Niveau der zukünftigen landeseinheitlichen Prüfungen aufzeigen und zum Üben zur Verfügung stehen. Anfang November werden alle nordrhein-westfälischen Innungen durch den FVSHK NRW die „scharfen“ Prüfungen zur Vervielfältigung und Vorbereitung erhalten. Am 5. Dezember 2012 wird dann die erste landeseinheitliche Gesellenprüfung im fachtheoretischen Teil durchgeführt.
Die eingangs genannten Vorteile werden jedoch das beachtliche Wagnis einer landeseinheitlichen Prüfung für 59 Innungen aufwiegen. Zumal die Erstellungskommission aus hervorragenden Fachleuten besteht, die konzentriert an dem gro­ßen Ziel arbeiten.

 


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