Niedersachsen - Umfangreicher Branchen-Dialog - Energiepolitische Themen standen im Fokus des diesjährigen Landesverbandstages
Austragungsort des diesjährigen Landesverbandstages des Fachverbandes SHK Niedersachsen Mitte Juni war Duderstadt. Neben der traditionellen Obermeisteraussprache standen der fachliche Informationsaustausch und die abschließende Mitgliederversammlung im Fokus der zweitägigen Veranstaltung.
„Verheizen wir unsere Zukunft?“ – unter dieser provokanten Überschrift stand die Podiumsdiskussion am ersten Tag des Verbandstages. Vertreter aus Politik, Wissenschaft Handwerk und Industrie diskutierten über Strategien und Instrumente, mit denen die Energiewende gelingen könnte. Dabei wurde deutlich, dass die Bedeutung der Gebäudetechnik für das Gelingen der Energiewende seitens der Politik meist deutlich unterschätzt wird. „Alles dreht sich um Strom, die enormen Potenziale im Gebäudesektor, etwa durch den Einsatz moderner Heiztechnik oder der Nutzung Erneuerbarer Energien, werden völlig ignoriert“, analysierte Elmar Esser, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes Sanitär Heizung Klima. Offensichtlich sei die Strom-Lobby sehr nahe dran an den Volksvertretern.
Ebenfalls unbefriedigt sei die wechselnde finanzielle und mitunter undurchsichtige Fördermittelvergabe von Bafa und KfW, merkte der stv. Landesinnungsmeister Eberhard Bürgel an. „Das permanente Auf und Ab führe in Summe dazu, dass der Kunde die Investition zurückhält und abwartet. Auch seien viele Förderprogramme in der Umsetzung viel zu kompliziert. „Wir müssen aufpassen, wo wir Geld verbrennen, meinte dagegen Josef Voss, Referent für Umwelt, Landwirtschaft und Verbraucherschutz der Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen. Der Referent sprach sich gegen staatliche Subventionen aus. „Die Technik muss sich allein rechnen“, meinte auch Martin Bäumer, Vorsitzender Arbeitskreis Umwelt der CDU-Landtagsfraktion, wenngleich er Subventionen nicht generell ablehnte. Der Kunde erwarte die finanzielle Spritze vom Staat. „Er hat sich daran gewöhnt“, so Bäumer.
Dr. Marc Andree Groos vom Heiztechnikspezialisten Vaillant forderte mehr Engagement und Objektivität von den Medien: „Die Endverbraucherpublikationen berichten viel zu selten über die Einsparmöglichkeiten in der Haustechnik. Wenn aber bundesweit 120 Mini-KWK-Geräte aufgrund eines potenziellen Gefährdungsrisikos mit einer Schnittstelle nachgerüstet werden müssen, dann wird ein Riesen-Hype veranstaltet.“
Prof. Dieter Wolff von der Ostfalia-Hochschule für angewandte Wissenschaften machte deutlich, wie wichtig ein ausgereiftes und effektives Anlagenkonzept für die breite Akzeptanz der Nutzer ist. Untersuchungen von solarversorgten Nahwärmeanlagen etwa hätten bei der energetischen Bilanzierung sehr schlecht abgeschnitten. „So manch eine Referenzanlage ist bei genauer Betrachtung ein Nullsummenspiel“, so der Professor. Die Ursache dieser Fehlentwicklungen liege in der Gesetzgebung und Förderpolitik. Hier müsse es einen Wandel geben. Eine Lösung sieht Wolff in einer veränderten Förderpolitik, die sich ausschließlich an den Erfolg der Sanierungsmaßnahme koppelt. Das würde der gesamten Branche helfen. „Der Kunde muss Erfolgserlebnisse haben, Einsparungen müssen deutlich sein“, so Wolff.
Kritisch wurden Vorschläge zur verpflichtenden Sanierung von Bestandsgebäuden und Anlagentechnik aufgenommen. Über die Kostenfrage könnte die Akzeptanz verlorengehen, warnte Dr. Stefan Birkner, stv. Fraktionsvorsitzender der FDP-Landtagsfraktion und ehemaliger Niedersächsischer Umweltminister: „Wenn wir mit Zwangsinstrumenten kommen, verlieren wir die Menschen.“ Dem pflichtete auch der Grünenpolitiker Voss bei: „Wohnen muss schließlich bezahlbar bleiben.“
Auf eine Frage des Moderators Friedrich Budde aber gab es an diesem Vormittag keine zufriedenstellende Antwort: „Die Energiewende ist kein Nullsummenspiel für die Bürger. Wann kommt diese ehrliche Aussage aus den Mündern der Politik?“
Wohnungslüftung - ein Betätigungsfeld mit Zukunft
Nach der Diskussion folgte am Nachmittag der technische Part, diesmal zur KWL. Bereits seit Mai 2009 gilt die DIN 1946-6 – Lüftung von Wohnungen. „Das Regelwerk fordert“, so Prof. Gerald Lange, Landesfachgruppenleiter Fachausschuss Sanitär- und Heizungstechnik, „die Erstellung eines Lüftungskonzeptes im Neubau, aber auch bei bestimmten Sanierungsmaßnahmen in Bestandsgebäuden wie etwa einer umfassenden Fenstererneuerung.“ Inzwischen stehen dafür diverse, kostenlose Tools zur Verfügung, etwa die „Software Lüftungskonzept“ des Bundesverbands für Wohnungslüftung. Ob lüftungstechnische Maßnahmen notwendig werden und welches Lüftungssystem verwendet wird, entscheiden in der Praxis Fachhandwerker und TGA-Planer in Abstimmung mit dem Bauherren, sagte der Experte für Versorgungstechnik und empfahl: „Verzichtet der Investor auf eine Lüftungsanlage, so sollte der Unternehmer seine Bedenken schriftlich dokumentieren, um im eventuellen Schadensfall nicht mit in der Haftung zu stehen.“
Wichtige Kerngrößen bei der Planung einer Wohnungslüftungsanlage sind der Außenluftvolumenstrom und die Einhaltung des Mindestluftwechsels in der Wohnung. Empfehlenswert für die Praxis sind in diesem Zusammenhang Strömungsgeschwindigkeiten im Rohrnetz von 2,5 m/s und 30 m³ pro Stunde und Person bzw. ein 0,5-facher Luftwechsel. Bei der Planung ist überdies die Lage der Schalldämpfer zu berücksichtigen. Im Bezug auf den Brandschutz sind die Landesbauordnung und die Landes-Lüftungsanlagenrichtlinie zu beachten. „Werden besondere Eigenschaften bei der Hygiene, beim Schallschutz oder der Energieeffizienz gefordert, sind diese im Angebot gesondert zu vereinbaren“, betonte Lange.
Die Handwerksorganisation arbeitet derzeit an einer Fachregel Lüftung mit entsprechender Schulungsmaßnahme. Ab Herbst soll den interessierten Betrieben beides zur Verfügung stehen.
Mitgliederversammlung - Gastvortrag vom VdZ-Geschäftsführer
Der Samstag stand ganz im Zeichen der Mitgliederversammlung. Nach den Grußworten der Ehrengäste Wolfgang Nolte, Bürgermeister von Duderstadt, und Delfino Roman, Handwerkskammerpräsident Hildesheim-Südniedersachsen, berichtete Dr. Michael Herma über laufende und anstehende Projekte der VdZ – Forum für Energieeffizienz in der Gebäudetechnik. Als große Herausforderung bezeichnete der Geschäftsführer die Umsetzung der Energiewende in Deutschland. Dem Gebäudebereich komme dabei eine Schlüsselrolle zu, weil dort gut 40?% des Endenergieverbrauchs anfielen. Herma: „Seit 1995 sind die Kaltmieten um 25?% gestiegen, die Energiekosten stiegen im gleichen Zeitraum um 166?%. Betrugen die Energieimporte aller 27 EU-Länder 1999 noch rund 84 Mrd. Euro, so waren es 2011 bereits mehr als 488 Mrd. Euro.“ Energieeffizienzmaßnahmen seien dringend erforderlich, resümierte der Geschäftsführer mit Blick auf das Zahlenwerk. Mit dem Gebäudesanierungsfahrplan habe die VdZ ein Anreiz- und Lenkungssystem zur Beschleunigung der energetischen Gebäudesanierung entwickelt. Das den politischen Verbänden und Ministerien zur Diskussion gestellte Papier beinhaltet zum einen Umsetzungsvorschläge für die einheitliche Bewertung von Gebäuden mit einem optimierten Energieausweis, zum anderen Ideen für eine Reform der Grundsteuer. So spricht sich der VdZ dafür aus, die Energieeffizienz eines Gebäudes in die Berechnungsgrundlage aufzunehmen. Außerdem plädiert der Verband für eine einheitliche Grundsteuer in Ost- und Westdeutschland.
Herma mahnte abschließend: „Ohne eine Optimierung und Verstetigung der aktuellen Fördermittel wird die energetische Sanierung und damit auch die Energiewende nicht funktionieren.“ All zu viele Hoffnungen in die Politik setzt der Geschäftsführer aber nicht. Denn in seinen Gesprächen mit führenden Vertretern werde immer wieder deutlich, dass der eigentliche Fokus der Energiewende auf dem Stromsektor liege.
Umfangreiche Neuwahlen standen in diesem Jahr nicht an. Vorstand und Geschäftsführung wurden nach dem Bericht des Rechnungsprüfers entlastet. Mit großer Mehrheit beschlossen wurde die Aussetzung der Beitragszahlungen für Sonderfonds für das Jahr 2014.
Den Abschluss des Verbandstages bildeten die Ehrungen verdienter Mitglieder. In Würdigung ihres langjährigen Engagements für die Organisation erhielten Obermeister Olaf Nehmke (Calberlah) und Kurt Gilhaus (Müden-Gerstenbüttel) die Große Ehrennadel in Gold.
Im nächsten Jahr wird der Landesverbandstag in Osnabrück stattfinden. Über Termin und Programm informieren wir frühzeitig an dieser Stelle.