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Neustart für solaren Mieterstrom

Mieterstromprojekte blieben bislang hinter den Erwartungen zurück – das EEG2021 stellt hier neue Weichen

Mit den neuen Regelungen des EEG wird es Wohnungsunternehmen leichter möglich sein, selbst als Mieterstromanbieter aufzutreten.

Tatsächlich sind Menschen ohne Wohneigentum bislang die Unterprivilegierten in der Energiewende: Sie verfügen nicht über eigene Dächer und Grundstücke, auf denen sie Solarstrom produzieren oder Solarwärme gewinnen könnten

Der Aufbau von Mieterstromanlagen hatte bislang einen recht schweren rechtlichen Stand. Mit dem neuen EEG 2021 wurden nach Meinung von Tim Meyer, Vorstand des Düsseldorfer Öko stromanbieters Naturstrom und Mietstrom-Projektierer, wesentliche Steine aus dem Weg geräumt. In seinem Beitrag führt er das aus.

Wichtiger Sprung nach vorne durch das neue EEG auch, dass Mieterstrommodelle in einem „Quartier“ gebaut werden können, wenngleich die genaue Definition dessen noch nicht festgelegt, aber doch klar bereits umrissen ist. (Naturstrom)

 

Zum Jahreswechsel trat das novellierte Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) in Kraft – inklusive zahlreicher Verbesserungen für solaren Mieterstrom. Die Chancen stehen gut, dass hausgemachter Sonnenstrom vom Mietshausdach endlich eine deutlich größere Verbreitung findet.

An der Idee liegt es nicht: günstiger und sauberer Strom, direkt auf dem Dach von Mehrfamilienhäusern produziert und an die Wohnparteien geliefert – das ist eigentlich eine Win-Win-Win-Konstellation. Vermieter können so ihre Immobilie aufwerten, strenge EnEV-Anforderungen leichter erfüllen und ihre Mieter mit einem guten Produkt emotional binden. Mieterinnen und Mieter können sich über den attraktiven Tarif ebenso freuen wie das Klima über die vermiedenen Emissionen. Und für Energiewende ist eine stärkere Verbreitung von Mieterstromprojekten ebenfalls unerlässlich, schließlich bieten die Dächer der deutschen Mietshäuser ein riesiges Flächenpotenzial für den weiteren Photovoltaikzubau. Der hier erzeugte Strom kann direkt vor Ort genutzt werden und muss nicht über Leitungen in die Städte transportiert werden.

Allein, die Anzahl der realisierten Projekte ließ seit Inkrafttreten des Mieterstromgesetzes 2017 arg zu wünschen übrig. Abgesehen von wenigen Spezialisten wie Naturstrom haben sich kaum Akteure an die komplexe Materie herangetraut. Insbesondere die Stadtwerke und auch die Immobilienwirtschaft selbst waren bislang zurückhaltend. Angesichts des hohen Aufwands und meist schmaler Renditeaussichten war es ihnen nicht zu verdenken.

Doch das ändert sich nun, denn die EEG-Novelle bringt einige substanzielle Verbesserungen mit sich. Die lassen sich nach ihrem Nutzen grob in zwei Kategorien einteilen: mehr Geld und mehr Rechtssicherheit.

Zuschlag steigt deutlich

Für die dringend nötige verbesserte Wirtschaftlichkeit sorgt insbesondere die Einführung einer eigenen Vergütungskategorie. Gezahlt wird dieser Mieterstromzuschlag für jede direkt vom Dach in die Wohnungen gelieferte Kilowattstunde.

Bislang war die Höhe dieses Zuschlags starr an die Einspeisevergütung der Photovoltaikanlage gekoppelt. Dies hatte zur Folge, dass aufgrund der zuletzt starken Degression der Solarstrom-Einspeisevergütung auch der Mieterstromzuschlag automatisch mit abgesunken ist und vor der Reform in den meisten Konstellationen sogar bei Null lag.

Mit § 48a im novellierten EEG wird der Mieterstromzuschlag nun neu aufgesetzt: Für Anlagen mit einer installierten Leistung von bis zu 10 kW liegt die Vergütung zunächst bei 3,79 ct/kWh, bis einschließlich 40 kW bei 3,52 ct/kWh und bis einschließlich 750 kW bei 2,37 ct/kWh. Das bedeutet einen ordentlichen Schub, der vielen Projekten auch in der Mitte und im Norden Deutschlands, wo die Solarerträge etwas niedriger ausfallen, über die Wirtschaftlichkeitsschwelle helfen wird.

Eine weitere Änderung, die sich auf die Wirtschaftlichkeit auswirkt, betrifft die sogenannte Anlagenklammerung: Unter bestimmten Bedingungen wurden bislang mehrere Solaranlagen, die in einem Projekt installiert wurden, virtuell zu einer einzigen Anlage zusammengefasst. Der Mieterstromanbieter erhielt somit für Stromlieferungen aus dieser virtuellen größeren Anlage einen niedrigeren Mieterstromzuschlag als bei einzelner Betrachtung der tatsächlich verbauten kleineren Anlagen. Denn auch nach der bisherigen Logik sinkt der Mieterstromzuschlag mit der Anlagengröße bzw. -leistung.

Diese Regelung wurde nun gelockert. Zur Berechnung der Vergütung für die ins Netz eingespeisten Strommengen, also für die althergebrachte EEG-Förderung der Überschussmengen, werden die Solaranlagen zwar immer noch zusammengefasst, nicht mehr aber für die Berechnung des Mieterstromzuschlages für den vor Ort an Kunden gelieferten Solarstrom. Sofern mehrere Anlagen in einem Projekt nicht über denselben Anschlusspunkt ins Stromnetz einspeisen, besteht somit nun Anspruch auf einen Mieterstromzuschlag, der den tatsächlichen Anlagenleistungen entspricht.

Ketten knüpfen erlaubt

Für Rechtssicherheit sorgt derweil eine wichtige Klarstellung: Das sogenannte Lieferkettenmodell ist nun ausdrücklich erlaubt. Gemeint ist damit eine Projektkonstellation, in welcher der Betreiber der Solaranlage und der Mieterstromlieferant unterschiedliche Akteure sind. Dies war auch bisher unter den realisierten Projekten schon weit verbreitete Praxis, da sich nur wenige Betreiber einer Solaranlage – infrage kommen beispielsweise der Vermieter oder eine Energiegenossenschaft – zugleich die energiewirtschaftlichen Pflichten eines Stromversorgers ans Bein binden können und wollen. Die Bundesnetzagentur (BNetzA) vertrat allerdings eine recht eigenwillige Lesart der bisherigen Gesetzeslage. Der BNetzA zufolge wären solche Lieferketten, also der Verkauf des Solarstroms vom Anlagenbetreiber an einen Energieversorger, der wiederum das Mieterstromprodukt an die Hausbewohner liefert, nicht zulässig gewesen.

Mit der Klarstellung werden nun endlich Partnerschaften von Immobilienunternehmen und Mieterstromspezialisten explizit zugelassen. Auch Wohnungsbaugesellschaften, die nicht selbst zum Ener gieversorgungsunternehmen werden wollen, wegen dieser Unsicherheit aber nicht auf die Unterstützung von Dienstleistern wie Naturstrom zurückgreifen wollten, können nun Mieterstrom umsetzen.

Bekenntnis zur Gewerbesteuerkürzung

Weitere wichtige Erleichterungen sind zudem mit dem EEG-Beschluss konkret in Aussicht gestellt. Die Immobilienwirtschaft dürfte besonders ein Passus freuen, der nicht im EEG selbst enthalten ist, sondern im „Drumherum“ der Beschlussempfehlung. In einem Entschließungsantrag fordert der Bundestag die Bundesregierung auf, „einen Regelungsvorschlag unverzüglich vorzulegen, der es dem Deutschen Bundestag ermöglicht, eine gesetzliche Regelung zu beschließen, nach der Wohnungsunternehmen die erweiterte Kürzung bei der Gewerbesteuer nicht verlieren, wenn sie unter anderem Mieterstrom über Solaranlagen auf ihren Gebäuden erzeugen und veräußern.“

Für die nötige Anpassung im Körperschaftsteuergesetz wird das Bundeswirtschaftsministerium hoffentlich sehr bald einen Vorschlag machen, auch wenn dieser knapp drei Monate nach dem Beschluss noch nicht in Sicht ist. Hier schadet es also sicherlich nicht, wenn die Verbände der Immobilienwirtschaft weiterhin Druck machen. Ist die Regelung dann umgesetzt, wird es Wohnungsunternehmen leichter möglich, selbst als Mieterstromanbieter aufzutreten.

Mieterstrom goes Quartier

Und noch ein Versprechen für die nahe Zukunft: Mieterstrommodelle können nach neuen EEG nun auch im „Quartier“ umgesetzt werden, der Begriff ersetzt den des enger gefassten „räumlichen Zusammenhangs“. Warum dies aktuell noch ein Versprechen ist, obwohl es bereits im Gesetz steht: Darüber, was ein Quartier im Sinne des Gesetzgebers ausmacht, schweigt sich das EEG aus. In welche Richtung eine Definition gehen könnte, zeigt allerdings die Gesetzesbegründung des Wirtschaftsausschusses im Bundestag auf: „Quartier ist dabei ein zusammenhängender Gebäudekomplex, der den Eindruck eines einheitlichen Ensembles erweckt. Die Gebäude des Quartiers können auf unterschiedlichen Grundstücken liegen oder durch Straßen getrennt sein, so lange der Eindruck des einheitlichen Ensembles gegeben ist.“ In diesem Sinne würde der Quartiersbegriff Mieterstromprojekte vielfach auch dort ermöglichen, wo sie nach den engeren Kriterien des „räumlichen Zusammenhangs“ zuvor nicht umsetzbar waren.

In Summe sind die EEG-Anpassungen zum Thema Mieterstrom äußerst erfreulich, viele Forderungen aus den Verbänden der Energie- und Immobilienwirtschaft wurden bei der Novellierung berücksichtigt. Mehr Mieterstrom ist ein zentraler Hebel, um mehr klimafreundliche Vor-Ort-Versorgungsmodelle in städtischen Räumen zu etablieren und Gebäude zu einem aktiven Element einer neuen, von unten gedachten Energieversorgung zu machen. Nun ist es an den Unternehmen beider Branchen, die Paragrafen mit Leben zu füllen. Die Vorzeichen für mehr Solarstrom in den Innenstädten waren nie besser.

Autor: Dr. Tim Meyer, Vorstand Naturstrom AG

 


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