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Neue Normenreihe für Flächenheiz- und -kühlsysteme

DIN EN ISO 11855 bietet inhaltliche Erweiterungen gegenüber DIN EN 1264

Im November 2015 wurde die DIN EN ISO 11855 veröffentlicht, die u. a. inhaltliche Erweiterungen gegenüber der DIN EN 164 bietet, wie z. B. die Berechnungsmöglichkeit für thermoaktive Bauteilsysteme.

Bild 1: Die Normenreihe DIN EN ISO 11855 ist in sechs Teile gegliedert.

Bild 2: Unterschied im Berechnungsergebnis nach DIN EN ISO 11855 für eine typische Fußbodenkonstruktion vom Typ A mit einer turbulenten und einer laminaren Strömung.

 

Die Normungsreihe DIN EN 1264 [1] ist ein seit vielen Jahren für die Planung, Auslegung und Inbetriebnahme von Flächenheiz- und Flächenkühlsystemen bewährtes Instrument. Im Geltungsbereich stellt sie eine europäische Norm dar, welche in zahlreiche nationale Normen überführt wurde. International waren bisher keine vergleichbaren Standards vorhanden. Dieser Umstand war der Anlass, vor mehr als vier Jahren ein ISO-Normungsprojekt zu initiieren, welches substanziell an die DIN EN 1264 angelegt ist. Daraus entstanden ist die DIN EN ISO 11855 [2], die im November 2015 veröffentlicht wurde. Sie bietet neben dem Vorteil eines einheitlichen internationalen Berechnungsverfahrens auch inhaltliche Erweiterungen gegenüber der DIN EN 1264 an, wie z. B. die Berechnungsmöglichkeiten für thermoaktive Bauteilsysteme sowie einen separaten Teil für regelungstechnische Aspekte. Der nachfolgende Artikel soll einen Überblick über die neue Norm geben und deren Struktur beschreiben.

Die Normenreihe DIN EN ISO 11855 „Umweltgerechte Gebäudeplanung – Planung, Auslegung, Installation und Steuerung flächenintegrierter Strahlungsheizungs- und -kühlsysteme“ ist in sechs Teile untergliedert (Bild 1). Gegenüber der DIN EN 1264 enthält die Norm einen eigenen Teil für regelungstechnische Aspekte (Teil 6 „Mess- Steuer und Regeleinrichtungen“) sowie vereinzelte Verbesserungen im Berechnungsverfahren, die es nunmehr ermöglichen, auch laminare Rohrströmungen zu berücksichtigen.

Begriffe, Symbole und Komfortkriterien
Im Teil 1 der ISO Norm werden grundlegende Definitionen und Symbole behandelt, die zum Verständnis der Norm notwendig sind. Darüber hinaus erfolgt eine Definition von Komfortkriterien, die auf die Norm DIN EN ISO 7730 [3] zurückzuführen sind. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Definition der operativen Raumtemperatur, da sie sowohl die Strahlungstemperatur als auch die Lufttemperatur mit berücksichtigt. Mit der operativen Raumtemperatur kann das thermische Empfinden des Nutzers besser widergespiegelt werden, als mit den Teiltemperaturen (Luft- und Strahlungstemperatur). Zusätzlich werden globale und lokale Kriterien der thermischen Behaglichkeit benannt. Hierzu zählen der PMV-Index1) (vorhergesagte Klimabewertung der Raumnutzer) und der PPD-Index2) (Prozentsatz der mit dem Raumklima unzufriedenen Nutzer) sowie die lokalen Behaglichkeitskriterien: maximale Oberflächentemperaturen, Strahlungsasymmetrie, vertikaler Lufttemperaturgradient sowie Zugluftrisiko. Der Teil 1 ist somit als Einleitung in die Berechnung von Flächenheiz- und Flächenkühlsystemen zu verstehen.

Bestimmung der Auslegungs- Heiz- bzw. Kühlleistung
Der Teil 2 der Normenreihe liefert ein Berechnungsverfahren, um bei unterschiedlichen Konstruktionen die Leistungsabgabe von in den Baukörper integrierten Flächenheiz- und -kühlsystemen bestimmen zu können. Der Berechnungsgang entspricht dem der DIN EN 1264. Basis der Berechnung stellt eine Potenzfunktion dar, welche mit der Übertemperatur und einem systemabhängigen Koeffizienten multipliziert wird. Alle in der DIN EN 1264 benannten Konstruktionen können auch mit der DIN EN ISO 11855-2 berechnet werden. Neu im Berechnungsverfahren ist, dass mit der Norm auch laminare Rohrströmungen abgebildet werden können. Dies ist besonders für Berechnungen im Neubaubereich signifikant, da hier aufgrund der geringen Heizleis­tungen oftmals sehr geringe Masseströme und daraus resultierend laminare Rohrströmungen zu verzeichnen sind. Mathematisch realisiert wurde dies durch eine Korrektur des systemabhängigen Koeffizienten. Bild 2 zeigt an einem Beispiel den Unterschied im Berechnungsergebnis für eine typische Fußbodenkonstruktion.

Planung und Auslegung
Im Teil 3 der Norm wird die Auslegung von Flächenheiz- und Flächenkühlsystemen beschrieben. Ausgehend von der Heizlastberechnung, z. B. nach DIN EN 12831 [4], kann mit dem Verfahren zunächst ein notwendiger flächenspezifischer Wärmestrom berechnet werden. Anschließend erfolgt eine Berechnung der notwendigen Teilung der Rohre (Abstand) bei den gewählten Systemtemperaturen. Dabei ist zu beachten, dass die maximalen zulässigen Oberflächentemperaturen eingehalten werden. Der Teil 3 der DIN EN ISO 11855 entspricht nahezu vollständig der DIN EN 1264-3.

Auslegung und Berechnung der dynamischen Wärme- und Kühlleistung
Die Auslegung und Berechnung der dynamischen Wärme- und Kühlleistung für thermoaktive Bauteilsysteme (TABS – Thermo Active Building Systems) erfolgt im Teil 4 der Norm. Das Regelwerk beschreibt zunächst die grundlegende Funktionsweise von TAB-Systemen und gibt Anhaltswerte für deren Auslegung. Darüber hinaus wurden für die Umsetzung der Berechnung im Anhang der Norm Berechnungsprogramme genannt, die es ermöglichen, das dynamische Verhalten von TAB-Systemen zu bestimmen.

Installation
Der Teil 5 der Norm befasst sich mit der Installation von Flächenheiz- und Flächenkühlsystemen und ist für die Bauausführung ein wichtiger Abschnitt, um Fehler bei der Installation zu vermeiden. Prinzipiell wird an vielen Stellen der Norm darauf verwiesen, dass die Anforderungen des Herstellers bei der Installation einzuhalten sind. Im Teil 5 wird zudem beschrieben, wie Dichtigkeitstests und wie Aufheizphasen durchzuführen sind. Weiterhin werden maximale Systemtemperaturen in Abhängigkeit unterschiedlicher Materialien angegeben, die nicht überschritten werden dürfen, wie z. B.:

  • Gips- oder Kalkputz: θ,des,max = 50 °C,
  • Lehmputz: θ,des,max = 50 °C,
  • Kalkzementputz: θ,des,max = 70 °C,
  • Vorgefertigte Bauplatten mit Hartputz: θ,des,max = 50 °C.

Mess-, Steuer- und Regelungseinrichtungen
Der abschließende Teil 6 der DIN EN ISO 11588 stellt einen neuen eigenständigen Normungsteil dar, der nicht in der DIN EN 1264 abgebildet ist. Hier werden Verfahren zur Gruppenregelung sowie zur Einzelraumregelung von Flächenheiz- und -kühlsystemen beschrieben. Im Kernpunkt steht u. a. die Forderung nach einem Taupunktsensor im Kühlbetrieb, um Kondensation an der Oberfläche der Flächensysteme zu vermeiden. Im Weiteren wird der Selbstregelungseffekt bei den Wärmeüber­­tra­gungseinrichtungen ausführlich beschrieben. Dazu ist anzumerken, dass durch die geringen Übertemperaturen der Flächenheizung bei zusätzlichem Wärmeeintrag die thermische Wärmeabgabe des Systems stark beeinflusst wird. In weitestem Sinne erfolgt hierdurch eine raum­seitige Vor-Regelung. Die Norm beachtet diesen Punkt im Speziellen, da dieser Effekt bei Flächenheiz- und -kühlsystemen größer ist, als bei konventionellen Systemen (freie Heizflächen). Hinzugekommen sind auch Aspekte des hydraulischen Abgleiches, der grundsätzlich durch die Norm gefordert wird.

Fazit
Mit der DIN EN ISO 11855 steht erstmals ein einheitliches internationales Berechnungsverfahren für bauteilintegrierte Flächenheiz- und -kühlsysteme zur Verfügung, worauf sich Planer und Installateure, die national und international agieren, berufen können. Die Entwicklung der Normenreihe ist mit dem aktuellen Stand jedoch noch nicht abgeschlossen. Derzeit wird intensiv an einer Ankopplung der Norm an energetische Berechnungsvorschriften (Systemnormung/Energiebedarf) gearbeitet. Hintergrund hierzu ist, dass die energetischen Systemnormen zukünftig die Möglichkeit bieten, produktspezifische Kennwerte im Berechnungsgang zu integrieren. Hierzu müssen aus den Produktnormen die relevanten Parameter detektiert und als sogenannte Inputparameter in energetischen Systemnormen überführt werden. Diese Aktivitäten laufen derzeit auf CEN-Ebene sowie auf ISO-Ebene. Angedacht ist, in einem zusätzlichen Teil 7 die Inputparameter von Flächenheiz- und -kühlsystemen zusammenzufassen.

Literatur:
[1]    DIN EN 1264: Raumflächenintegrierte Heiz- und Kühlsysteme mit Wasserdurchströmung: Teil 1: Definitionen und Symbole, Teil 2 Prüfverfahren für die Bestimmung der Wärmeleistung unter Benutzung von Berechnungsmethoden und experimentellen Methoden, Teil 3 Auslegung, Teil 4 Installation, Teil 5: Bestimmung der Wärmeleistung und Kühlleistung, Deutsches Institut für Normung e. V., Berlin, 2009 bis 2013
[2]    DIN EN ISO 11855: Umweltgerechte Gebäudeplanung – Planung, Auslegung, Installation und Steuerung eingebetteter Strahlungsheizungs- und -kühlsysteme: Teil 1: Begriffe, Symbole und Komfortkriterien, Teil 2: Bestimmung der Auslegungs- Heiz- bzw. Kühlleis­tung, Teil 3: Planung und Auslegung, Teil 4: Auslegung und Berechnung der dynamischen Wärme und Kühlleistung für thermoaktive Bauteilsysteme (TABS), Teil 5 Installation, Teil 6: Mess-, Steuer- und Regelungseinrichtungen, Deutsches Institut für Normung e. V., Berlin, 2015
[3]    DIN EN ISO 7730: Ergonomie der thermischen Umgebung – analytische Bestimmung und Interpretation der thermischen Behaglichkeit durch Berechnung des PMV- und des PPD-Indexes und Kriterien der lokalen thermischen Behaglichkeit, Deutsches Institut für Normung e.V., Berlin, 2007
[4]    DIN EN 12831: Heizungsanlagen in Gebäuden – Verfahren zur Berechnung der Norm-Heizlast, Deutsches Institut für Normung e. V., Berlin, 2003

Autor: Priv.-Doz. Dr.-Ing. habil. Joachim Seifert, TU Dresden, Institut für Energietechnik


Bilder, sofern nicht anders angegeben: Dr.-Ing. habil. Joachim Seifert

1) PMV–Index: Predicted mean vote
2) PPD–Index: Predicted Percentage of Dissatisfied

 


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