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Neue Ansätze zur Nutzung

Gas- und Elektrowärmepumpen: vom Einfamilienhaus für Mehrfamilienhäuser lernen

Bild 1: Mögliches Szenario bis 2050 zeigt den relativen Anteil an Anlagen für eine 85%ige Reduktion der CO2-Emissionen.

Bild 2: Vergleich des Primärenergiebeitrags von heute und einer möglichen Verteilung 2050 nach REMod mit 85 % Reduktion der CO2-Emissionen.

Bild 3: Die Arbeitszahl einer Wärmepumpe ist der Quotient aus gelieferter Wärme (grüne Systemgrenze) und der dazu nötigen Antriebsenergie (elektrische Verbraucher innerhalb der roten Systemgrenze).

Bild 4: „WPsmart im Bestand“: Vergleich der CO2-Emissionen eines Gasbrennwertkessels mit 90 % Jahresnutzungsgrad mit denen einer Außenluft-Wärmepumpe.

Bild 5: „WPsmart im Bestand“ Vergleich der CO2-Emissionen eines Gasbrennwertkessels mit 90 % Jahresnutzungsgrad mit denen einer Erdreich-Wärmepumpe.

 

Wärmepumpen werden immer wichtiger. Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg baut seine Aktivitäten auf diesem Gebiet aus. Schon seit zwölf Jahren untersuchen Wissenschaftler Wärmepumpen in Einfamilienhäusern vor Ort. Ihre Erkenntnisse sind unter anderem in die VDI-Richtlinie 4645 eingeflossen. Vor einem Jahr hat das Institut ein groß angelegtes Verbundprojekt gestartet, in dem Industrie und internationale Forschung die Wärmeversorgung von Mehrfamilienhäusern mit Niedrigexergie-Konzepten voranbringen wollen.

Über 80 % der Heizanlagen in 2050 könnten Wärmepumpen sein. Das ist keine Marktvorhersage, sondern eine mögliche Entwicklung, die in Übereinstimmung mit den Klimazielen und anderen Randbedingungen der – ständig fortgeschriebenen – Studie „Was kostet die Ener­giewende“ vom Fraunhofer ISE skizziert wird. Basis ist darin ein Modell des kompletten deutschen Energiesystems einschließlich Verkehr und Prozesswärme. Für die Simulation eines künftigen Energiesystems werden stundengenau Erzeugung und Bedarf für jeden Verbrauchssektor in Einklang gebracht. Rahmenbedingungen sind unter anderem minimale Kosten und Einhaltung der Klimaziele der Bundesrepublik.
Heute verbrauchen Gebäude rund 40 % der Endenergie in Deutschland, davon gehen mehr als vier Fünftel in Raumwärme und Warmwasser. Laut Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie BDH waren von den knapp 21 Mio. Wärmeerzeugern 2016 nur 4 % Wärmepumpen. Nach wie vor dominieren fossile Heizkessel und verbrauchen so hochwertige Energie für niederwertige Energiedienstleistungen.
Bild 2 zeigt den gesamten Primärenergiebedarf Deutschlands heute und wie er nach der erwähnten Studie im Jahr 2050 aussehen könnte. Hier interessiert besonders der Bereich der Wärmepumpen. Im Primärenergiemix für 2050 sind etwa 13 % als Beitrag der Umweltwärme ausgewiesen, der vor allem von Wärmepumpen bereitgestellt wird. Sie passen besonders gut in das künftige Energiesystem, da sie niederexergetische Umweltwärme für Heizzwecke nutzbar machen. Daraus resultiert auch die in Bild 1 dargestellte Dominanz dieser Technik für Heizzwecke.
Hinzu kommt, dass in einem zunehmend erneuerbaren Energiesystem Photovol­taik und Windkraftanlagen zentrale Technologien sein werden. Ihr Strom kann für elektrische Wärmepumpen genutzt werden, die zudem über intelligenten Betrieb auch Netzdienstleistungen erbringen können. Bei Stromüberschuss kann ein Wärmespeicher geladen, bei Strommangel entladen werden – und so Fluktuationen des regenerativen Angebots glätten.

WPsmart – Feldtest Wärmepumpen im Bestand
Schon seit zwölf Jahren führt das Institut Feldtests an Wärmepumpenanlagen in sanierten und unsanierten Bestandsgebäuden durch. 2015 startete erneut ein Monitoringprojekt, das die Wärmepumpen in Bestandsgebäuden untersucht, „WPsmart im Bestand“. Daraus liegen jetzt erste Mess­ergebnisse von knapp 30 Wärmepumpenanlagen vor. Die Häuser sind mindestens 20 Jahre alt, die meisten stammen aus den Jahren 1950 bis 1995. Die ganze Bandbreite energetischer Qualität ist vertreten – von unsaniert bis Neubaustandard. Als Wärmeübergabesys­tem sind je nach Gebäude Fußbodenheizungen, Radiatoren, Konvektoren oder eine Kombination davon eingebaut. Ergänzend zur Wärmepumpe ist in einigen Gebäuden eine solarthermische Anlage installiert. Zwölf Anlagen nutzen das Erdreich, 15 Außenluft als Wärmequelle. Die Effizienz einer Wärmepumpenanlage wird mit der Jahresarbeitszahl JAZ angegeben. Die Systemgrenze zu ihrer Bestimmung schließt bei den WPsmart-Messungen folgende elektrische Verbraucher als Input ein: Wärmepumpe, Solepumpe, Ventilatoren und Heizstab. Der thermische Output wird vor dem Speicher gemessen.
Die gemessenen Jahresarbeitszahlen von 14 Luft/Wasser-Wärmepumpen liegen zwischen 2,5 und 3,4. Eine Anlage in einem umfassend sanierten Gebäude erreichte sogar 4,1. Der Mittelwert aller Anlagen beträgt 3,1. Bei 11 Erdreichanlagen lagen die JAZ zwischen 3,1 und 4,8, eine zwölfte Anlage mit 62 °C mittlerer Vorlauftemperatur in der Heizperiode erreichte nur 1,8. Der Mittelwert liegt bei 3,7.
Der Vergleich mit dem Projekt „Wärmepumpen im Bestand“ aus 2007 zeigt, dass die JAZ von Luftwärmepumpen um 19 %, die von Erdreichanlagen um 12 % zugenommen hat. Die beiden Projekte sind nicht vollständig vergleichbar. So waren 2007 mehr Gebäude unsaniert. Es ist jedoch eine klare Verbesserungstendenz zu erkennen. Die Gewinne liegen einerseits an den Geräten selbst, andererseits an verbesserten Installationen und Wärmeübergabesystemen, die geringere Heizkreistemperaturen ermöglichen.
Für eine gute Auslegung der Anlagen spricht, dass der Heizstab mit typisch weit unter 1 % Beitrag keine energetisch relevante Rolle spielt. Zur Beurteilung des Klimaschutzeffekts zeigen die Bilder 4 und 5 die Reduktion der CO2-Emissionen durch die Wärmepumpen gegenüber einem Gasbrennwertkessel mit 90-prozentiger Auslastung. Als statische Emissionsfaktoren nach GEMIS werden dabei für das CO2-Äquivalent bei Elektroenergie 530 g/kWh, bei Erdgas 245 g/kWh verwendet.
Außenluftanlagen mit dem gemessenen Mittelwert 3,1 der Jahresarbeitszahl ersparen der Umwelt danach 38 % an Kohlendioxid. Bei Erdreich- Wärmepumpen sind es 48 %.

Wärmepumpen in Mehrfamilienhäusern
Die guten Erfahrungen mit Wärmepumpen einerseits und die Erkenntnisse aus der Studie „Was kostet die Energiewende?“ waren wichtige Gründe für das neue Verbundprojekt „LowEx. Konzepte für die Wärmeversorgung von Mehrfamilien-Bestandsgebäuden“. Gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie wird das Fraunhofer ISE zusammen mit dem Karlsruher Institut für Technologie KIT bis 2020 neue Ansätze zur Nutzung von Gas- und Elektrowärmepumpen für sanierte Mehrfamilienhäuser untersuchen. Ziel ist die beschleunigte Markteinführung. Neben großen Anlagenherstellern sind auch Wohnbaugesellschaften beteiligt, um zum Beispiel minimalinvasive Sanierungsmethoden zur Integration von Heizungs- und Lüftungskomponenten in der Fassade zu testen. In sechs Technologiefeldern werden unter anderem thermisch angetriebene Wärmepumpen oder Anlagen für die Nutzung mehrerer Wärmequellen entwickelt. Teil des Projektes ist auch die Leitung der Arbeitsgruppe „Wärmepumpen für Raumheizung und Warmwasser in Mehrfamiliengebäuden“ der Internationalen Energieagentur IEA, Annex 50. 

Markthemmnisse für Wärmepumpen
Nach Angaben des BDH waren 2016 bei den neu gebauten Ein- und Zweifamilienhäusern etwa 40 % mit Wärmepumpen ausgerüstet, bei den Mehrfamilienhäusern waren es nur 20 %. Neben der größeren Investition, die bei Wohnungseigentümergemeinschaften oft auf Widerstand trifft, gibt es eine Reihe technischer Besonderheiten. So ist in dicht besiedelten Gebieten die Fläche zur Gewinnung von Umweltwärme meist beschränkt. Hier bieten Gaswärmepumpen eine interessante Alternative, denn sie benötigen nur rund die Hälfte an Umweltwärme bei gleichem Primärenergieeinsatz. Gerade bei Mehrfamilienhäusern ist oft ein Gasanschluss vorhanden.
Wegen der Größe der Gebäude steigt das Potenzial für Leitungsverluste, wegen der Vielzahl der Nutzer die Komplexität der Regelung. Entsprechend muss zum Beispiel beim Warmwasser sorgfältig geprüft werden, ob zentrale oder dezentrale Warmwasserbereitung sinnvoll ist.
Eine große Herausforderung stellt die Nachrüstung sanierter Mehrfamiliengebäude dar. Etwa 90 % der Mehrfamilienhäuser wurden vor 1995 gebaut. Gerade diese Häuser sind energetisch sanierungsbedürftig. Ein Ziel des LowEx Projektes ist die Erarbeitung einer Matrix, die für unterschiedliche Gebäudetypen und Sanierungsstandards mögliche Lösungskonzepte für die Wärmeversorgung mit Wärmepumpen vorschlägt.

VDI 4645 -Praxisanleitung und Fortbildung
Wer Wärmepumpenanlagen plant, der kann auf die VDI Richtlinie 4645 „Planung und Dimensionierung von Heizungsanlagen mit Wärmepumpen in Ein- und Mehrfamilienhäusern“ zurückgreifen. Rund 380 Wärmepumpenanlagen im Feld hat das Institut in den letzten 15 Jahren begutachtet, vermessen und die Ergebnisse analysiert. Dazu kommen die Arbeiten an Anlagen für Ein- und Mehrfamilienhäuser im Prüf- und Entwicklungszentrum für Wärmepumpen und Kältemaschinen und viele Forschungsprojekte. Dieser Fundus an Praxiswissen ist in die Neufassung der VDI Richtlinie eingeflossen. Sie ist ein umfassender Praxisfahrplan für Planer, Anlagenbauer, Betreiber und Produktentwickler in der Industrie. Rechtliche, administrative und technische Vorschriften werden ebenso erfasst wie die Fortbildung. Die großen Wärmepumpenhersteller sind gerade dabei, Zertifikatskurse für die einzelnen Zielgruppen aufzulegen.

Fazit und Ausblick
Wärmepumpen können auch im Gebäudebestand effizient und klimafreundlich arbeiten. Wichtige Voraussetzung für hohe Effizienz ist ein Gebäudezustand, der niedrige Heizkreistemperaturen ermöglicht. Die Feldtests belegen die Verbesserung von Anlagen und Installationstechnik. Durch die VDI Richtlinie 4645 ist eine umfassende Anleitung zu allen praxisrelevanten Aspekten einschließlich Schulungen geschaffen worden, die ein gutes Fundament für die weitere Verbreitung dieser Technik darstellt. Die Resultate der Monitoringprojekte bestätigen das Potenzial von Wärmepumpen als wichtigste Heiztechnik der Ener­giewende. Auch aus diesem Grund baut das Fraunhofer ISE seine Wärmepumpen-Aktivitäten massiv aus, unter anderem mit einem zur Akkreditierung angemeldeten Testlabor und verstärkter Forschung an Mehrfamilienhäusern.

Autoren:
Dr. Marek Miara, Koordinator Wärmepumpen, Jeannette Wapler, Gruppe Gebäudesystemtechnik, bei Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE


Bilder: Fraunhofer ISE

www.ise.fraunhofer.de/was-kostet-die-energiewende
www.wp-monitoring.de

www.ise.fraunhofer.de/de/forschungsprojekte/lowex-bestand-analyse.html

 


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