Negativer Druck bringt Vorteile
Regenwasser von großen Flachdächern lässt sich effektiv im Unterdruckverfahren ableiten
Das Prinzip einer Unterdruck-Dachentwässerung beruht darauf, die Entwässerungsleitungen für Vollfüllung zu dimensionieren. Bei einem Regenereignis unter Auslegungsbedingungen wird damit durch ein hydraulisch berechnetes Rohrsystem das Regenwasser vom Dach gesaugt. Die Systemunterschiede und Vorteile zeigen sich vor allem im Inneren des Gebäudes: Die Unterdruck-Dachentwässerung arbeitet mit kleineren Rohrquerschnitten und benötigt weniger Fallleitungen und damit auch weniger Grundleitungsanschlüsse. Einfacher wird es für die Montagepraxis durch die Verlegung ohne Gefälle, wodurch auch Kreuzungspunkte mit anderen Installationen einfacher planbar sind.
Logistikzentrum erweitert
Die Herangehensweise an die Planung und die Vorteile für die Gebäudenutzung soll anhand des Beispiels des neu erbauten Geberit-Logistikzentrums in Pfullendorf erläutert werden. Bei der Erweiterung mit einer Leichtbau-Flachdachkonstruktion aus Trapezblech setzten Bauherr und Planungsverantwortliche auf das Unterdruck-Dachentwässerungssystem „Pluvia“ von Geberit. Für die Berechnung und Materialermittlung des Dachentwässerungssystems sind folgende Gegebenheiten zu ermitteln:
- die zu entwässernde Dachfläche,
- Art und Aufbau der Flachdachkonstruktion mit der Lage der Entwässerungsebene,
- Rohrleitungsführung und -längen der Entwässerungsleitungen,
- die Höhe von der Entwässerungsebene bis zum Grundleitungsanschluss,
- Lage und Anzahl der Grundleitungsanschlüsse als Übergang in die Freispiegelentwässerung.
Im Gegensatz zur konventionellen Freispiegel-Dachentwässerung wird beim Prinzip der Druckströmung eine planmäßige Vollfüllung der Rohrleitung angestrebt. Durch die vergleichsweise kleinen Rohrquerschnitte und hohen Fließgeschwindigkeiten erfolgt bei Vollfüllung ein „Absaugen“ des Regenwassers von der Dachfläche in den Ablauf. Eine Funktionsscheibe in den „Pluvia“-Dachwassereinläufen verhindert ab einer Anstauhöhe von 10 mm den Lufteintritt, um das Wirkungsprinzip der Druckströmung zu unterstützen.
Richtungsänderungen und Abzweigungen werden strömungsgünstig mit 45°-Bogen ausgeführt. Im Leitungsinneren entsteht durch die Vollfüllung und die hohen Fließgeschwindigkeiten (≥ 0,5 m/s) ein Selbstreinigungseffekt. Bei geringeren Niederschlagsmengen arbeitet das Dachentwässerungssystem wie eine konventionelle Freispiegelentwässerung.
Auswahl des Dacheinlaufs
Einer der ersten Planungsschritte ist, den passenden Dachwassereinlauf für die jeweilige Dachkonstruktion und -abdichtung zu bestimmen. Die Art der Flachdachkonstruktion entscheidet über die Einbausituation und die Lage der Abdichtungsanschlüsse, da sich die wasserführende Ebene je nach Flachdachart in unterschiedlichen Lagen befindet.
Für die hydraulische Dimensionierung (geodätische Druckhöhe und Druckverluste aus Rohrreibung und Einzelwiderständen) standen bei dem Logistikzentrum verschiedene Höhen zwischen 12,8 m und 31,2 m zwischen der jeweiligen Entwässerungsebene und den Grundleitungsanschlüssen zur Verfügung. Die projektspezifische Berechnung für die zu entwässernde ca. 20 000 m² große Dachfläche ergab die Anzahl von 140 Dachwassereinläufen (davon 65 Einläufe für die Notentwässerung) mit Ablaufleistungen von
4,7 l/s bis 12 l/s. Eine EPDM-Flanschdichtung gewährleistet den Anschluss an die Flachdachabdichtung. Ablaufkörper und Rohranschluss bestehen aus PE, sodass der Anschluss an die Entwässerungsleitungen ohne Werkstoffübergang erfolgt.
Waagerechte Leitungsverlegung hat Vorteile
Die Verlegung der PE-Entwässerungsleitungen erfolgt bei Druckströmungs-Dachentwässerungssystemen nach der Wasserwaage. Damit entfällt das ansonsten nötige Ausrichten des Gefälles. Das geringere Rohrgewicht reduziert die Gewichtsbelastung der Dachkonstruktion. Zudem eignen sich die PE-Rohre besonders für die Anforderungen in Industriegebäuden, weil das Rohrmaterial auch gegen chemische Einflüsse und hohe Temperaturen beständig ist.
Bereits in der Planung entschärft die Unterdruck-Dachentwässerung die möglichen Kollisionen unterschiedlicher Gebäudetechnik-Installationen. Denn der Installationsraum unter dem Dach ist gerade in gewerblichen Hallengebäuden kostbar – neben der Dachentwässerung müssen dort auch Lüftungskanäle, Elektroverteilungen und Leuchten, Deckenheizgeräte oder Deckenstrahlplatten, Dachventilatoren und andere Installationen Platz finden. Die Kreuzungspunkte treten oft erst in der Ausführung zutage – zum Beispiel, wenn die Entwässerungsleitung am oberen Punkt beim ersten Dachwassereinlauf noch problemlos die Sprinklerleitung kreuzt, aber bedingt durch das Gefälle an anderer Stelle ein Kollisionspunkt mit dieser Leitung entsteht.
Zu den Komponenten für die Unterdruck-Dachentwässerung gehört das „Pluvia“-Befestigungssystem, dessen Basiselement eine Vierkantrohr-Tragschiene ist. Die einfache Aufhängung an der Tragschiene sorgt für eine Unabhängigkeit von geeigneten Befestigungspunkten. Mit Befestigungsabständen bis maximal 2,5 m eignet es sich vor allem für Leichtbaudächer, die beispielsweise aus einer Trapezblechkonstruktion bestehen. Die Systembefestigung ermöglicht sowohl eine starre Montage mit Fixpunktrohrschellen als auch Gleitbefestigungen. Die durch die Längenausdehnung der PE-Rohre entstehenden Kräfte können durch eine starre Montage kompensiert, bzw. durch den Einsatz von Langmuffen oder durch die Ausbildung von Biegeschenkeln aufgenommen werden.
Reduzierte Anzahl an Fallleitungen
Das Prinzip der Dachentwässerung mittels Druckströmung bietet für den Gebäudeeigentümer zudem den Vorteil, dass eine geringere Anzahl von senkrechten Fallleitungen notwendig ist. Die waagerechte Leitungsführung erlaubt längere Leitungsstrecken, sodass beim Geberit-Logistikzentrum die Grundleitungsanschlüsse an den Außenwänden angeordnet werden konnten und damit keine Fallleitungen im mittleren Hallenbereich nötig waren. Die gesamte Dachentwässerungsanlage des Logistikzentrums verteilt sich auf 13 Fallleitungen. Die Notentwässerung wurde ebenfalls als innen liegende Entwässerung ausgeführt, die trotz der Gebäudegeometrie mit unterschiedlichen Höhen auf 10 Fallleitungen begrenzt werden konnte.
Autor: Johannes Demischew, Produktmanager Rohrleitungssysteme, Geberit Vertriebs GmbH
Bilder: Geberit
Unterdruck-Dachentwässerungssysteme – Prinzip und allgemeine Grundlagen
Flachdachkonstruktionen
Als Flachdächer werden Dachkonstruktionen mit einer Gefälleneigung von weniger als 5° bezeichnet. Zum Schutz des Bauwerks vor Niederschlagswasser dient eine Dachabdichtung aus Bitumen-, Kunststoff- oder Elastomerwerkstoffen. Für Flachdächer ist eine zuverlässige Entwässerung von Bedeutung – auch weil die Statik oft größere Spannweiten vorsieht und hohe Lasten durch das angestaute Wasser auftreten können.
Ablaufpunkte
Die Lage der Entwässerungspunkte und damit die Einbauorte von Dachwassereinläufen orientiert sich an einem linearen Tiefpunkt, der im Regelfall entlang der Attika verläuft. Die Flachdachentwässerung wird überwiegend als innen liegende Entwässerung ausgeführt. Die Notentwässerung kann als innen liegende Entwässerung oder mittels Gebäudedurchdringungen durch die Außenwand (Speier) ausgeführt werden.
Zur Planung der Flachdachentwässerung wird der Grundriss zunächst in mehrere Teildachflächen unterteilt, die jeweils über eine bestimmte Anzahl von Dachwassereinläufen entwässert wird. Grundlage ist die DIN EN 12056 Teil 3 in Verbindung mit der nationalen Ergänzungsnorm DIN 1986-100.
Vollfüllung + Wassersäule = Druckströmung
Die Unterdruck-Dachentwässerung wird als planmäßig vollgefülltes System betrieben, bei dem die Ableitung des Regenwassers als Druckströmung erfolgt (Unterdruckentwässerung). Genutzt wird hierbei die Wassersäule im senkrechten Teil des Entwässerungssystems. Damit der nötige Unterdruck zustande kommt, ist eine Mindesthöhe zwischen der Dachentwässerungsebene und dem Übergang in eine Freispiegelentwässerungsleitung (im Regelfall der Grundleitungsanschluss) erforderlich.
Geringere Anzahl an Fallleitungen
Die einzelnen Sammelleitungen der Unterdruck-Dachentwässerung werden in einer gemeinsamen Fallleitung zusammengeführt. Über eine Fallleitung können bis zu 5000 m² Dachfläche entwässert werden. Damit verringert sich im Vergleich zu konventioneller Dachentwässerung auch die Anzahl der benötigten Kanal-Grundleitungsanschlüsse.
Dimensionierung nach hydraulischer Berechnung
Für die Berechnung einer Unterdruck-Dachentwässerung sind konkrete Planungsdaten für die abzuleitenden Regenwassermengen, für die Rohrleitungsführung und die hydraulischen Höhen erforderlich. Änderungen an der ursprünglichen Planung erfordern auch eine Neuberechnung der projektspezifischen Dimensionierung.