Möbelmarkt Brasilien: Mittelfristig gute Perspektiven
Großes Interesse und viel positive Resonanz fand am 1. März die Informationsveranstaltung „Möbelmarkt Brasilien – Chancen für Import und Export“ in den Räumen der IHK in Bielefeld. Die Möbelverbände NRW in Herford, die IHK Ostwestfalen zu Bielefeld, die Koelnmesse GmbH (Köln) und die Unternehmensberatung Titze (Neuss) hatten gemeinsam zum Kennenlernen des expansiven Wachstumsmarktes Brasilien eingeladen.
Sieben Fachreferenten zeichneten vor 40 Branchenteilnehmern ein differenziertes Bild des dortigen Möbelmarktes. Sie zeigten die Chancen, aber auch die Risiken beim Markteinstieg auf. Dr. Lucas Heumann, Hauptgeschäftsführer der Möbelverbände NRW, kündigte zum Abschluss dieser Auftaktveranstaltung die Gründung eines speziellen Arbeitskreises und weitere Aktivitäten zum Thema Brasiliengeschäft an. „Brasilien wächst weiter und bietet hervorragende Chancen für die nächsten Jahre. Ob mit Ihnen, das entscheiden Sie selbst“, lautete das Fazit von Winfrid Titze, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Titze GmbH. Auch Harald Grefe, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK zu Bielefeld, sieht in Brasilien das Schlüsselland für den Einstig in den südamerikanischen Markt. Für viele der deutschen Hersteller ist Brasilien jedoch noch immer eine „terra incognita“.
Detaillierte Informationen
Daher war der thematische Bogen für die Zuhörer in Bielefeld weit gespannt: Auf dem Programm standen allgemeine Eckdaten zu Brasilien, Informationen zum brasilianischen Einrichtungshandel, zum Objektmarkt und zur Bedeutung der Möbelindustrie. Ebenso beleuchtet wurden die brasilianische Messelandschaft, Logistik- und Transportlösungen für den Im- und Export, mögliche Chancen für den deutschen Maschinenbau und die Ausstattung der brasilianischen Möbelindustrie.
Als Experten referierten die Branchenkenner Winfried Titze, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Titze (Neuss) und Verfasser der Studie „Der Möbelmarkt in Brasilien“, Karlheinz K. Naumann, Geschäftsführer der Eurolatina International Ltda. (São Paulo/ Brasilien), Frank Haubold, Geschäftsbereichsleiter Einrichten & Objekt der Koelnmesse (Köln), Dr. Frank Blom, Senior Logistic Consultant von Transmode Overseas Partners (Bremen), Dr. René Pankoke, Geschäftsführer Hymmen Industrieanlagen GmbH (Bielefeld) und Martin Kohnle, Partner bei Lignum Consulting (Kupferzell). Den Vortrag von Clovis Rech, Editor des Fachmagazins Revista da Madeira (Wood Magazine, São Paulo/Brasilien) übernahm vertretungsweise Karlheinz K. Naumann.??Andreas Rieß, Ewedo GmbH in Dortmund, stellte als Geschäftsführer den neu gegründeten Verein „Furniture Club – Made in Germany e.V.“ vor und warb für eine aktive Teilnahme. Die abschließende Fragerunde der Veranstaltung moderierte Harald Grefe gemeinsam mit Dr. Lucas Heumann.
Großer Markt – mit kleinen Fehlern
Brasilien gehört zu den Ländern, die sich in den letzten Jahren wirtschaftlich am schnellsten entwickelt haben. Die jährlichen Wachstumsraten lagen kontinuierlich zwischen fünf und sieben Prozent, und so ist das Land mittlerweile zur einer der größten Volkswirtschaften der Welt aufgestiegen. Die 196,7 Millionen Einwohner Brasiliens machen heute knapp die Hälfte des gesamten südamerikanischen Kontinents aus. Rund zwei Millionen Brasilianer sprechen sogar die deutsche Sprache. Stütze des Aufschwungs in Brasilien ist der stabile Binnenmarkt mit einer sehr hohen Konsumquote. Dabei kommt dem Land auch die Altersstruktur seiner Bevölkerung zugute: Rund 60 Prozent der Brasilianer sind jünger als 40 Jahre und somit in einem besonders konsumfreudigen Alter. Wohnungseinrichtung ist daher für sie ein wichtiges Thema.
Im Zuge der anstehenden Sportgroßereignisse Fußballweltmeisterschaft (2014) und Olympische Sommerspiele (2016) in Brasilien werde das Land in den nächsten Jahren durchstarten, prophezeit Titze. Auch Karlheinz K. Naumann sieht Brasilien in diesem Zeitfenster als lohnenden „Spotmarkt“ für das Objektgeschäft, besonders in den bevölkerungsreichen Ballungsräumen Rio de Janeiro und São Paulo. Ob das Land jedoch langfristig für die deutsche Möbelindustrie relevant werden könne, sei noch nicht sicher, stellte Titze zur Diskussion. Als größte Hindernisse sahen alle Referenten die hohen Importzölle und steuerlichen Abgaben, Einfuhrkontingente, eine unberechenbare Wirtschaftspolitik, Korruption und Kriminalität, den Mangel an qualifizierten Fachkräften sowie eine unzureichende Fremdsprachenkompetenz der Arbeitskräfte.
Messen für den Einstieg nutzen
Aus Sicht des Messeveranstalters Koelnmesse beurteilt Frank Haubold Brasilien derzeit eher als Zukunfts-, denn als kurzfristigen Zielmarkt. Wie die übrigen Referenten betonte er, es sei grundsätzlich wichtig, zur Vorbereitung eines Engagements in Brasilien die großen Branchenmessen im Land zu nutzen. Als lohnende Möbelmessen, die in Brasilien traditionell im Zweijahresturnus stattfinden, empfahl er den Herstellern die Movelsul in Bento Gonçalves, die Brasil Móveis in São Paulo sowie spezielle „Design Weeks“ für den Highend-Bereich. Hochinteressant für Zulieferer oder Maschinenbauer sei die FIMMA in Bento Gonçalves.
Wegen abweichender Handelsstrukturen im Vergleich zum europäischen Markt sieht Haubold die Suche nach einem Partner vor Ort in Brasilien als gute Einstiegsmöglichkeit für deutsche Unternehmen.
Ist man schließlich soweit, erste Waren nach Brasilien zu versenden, sollten einige Grundregeln beachtet werden. Dr. Frank Blom konnte zum Thema Logistik einige praktische Hinweise geben: So sei es ratsam, die Waren erst dann auf den Weg zu bringen, wenn auch wirklich alle Genehmigungen und Dokumente vorlägen. Wer als „Anfänger“ auf Nummer sicher gehen und sich nicht mit den diversen Zöllen, Steuern und zusätzlichen Abgaben beschäftigen wolle, solle bei den Incoterms die „FOB“ (Free on Board) wählen.
Für Maschinenhersteller wie Hymmen biete Brasilien vor allem Absatzmöglichkeiten im Großanlagenbau, stellte Dr. René Pankoke in seinem Vortrag fest. Für sein Unternehmen habe sich das Engagement bislang ausgezahlt. Besonders gute Chancen – da auf dem lokalen Markt so nicht vorhanden – hätten Beschichtungspressen, Laminatpressen und industrieller Digitaldruck (DGP). Geringe Aussichten wegen örtlicher Konkurrenz und hoher Zollschranken gebe es jedoch bei Lackier- und Druckanlagen.
Martin Kohnle beleuchtete schließlich die Strukturen der Möbelherstellung in Brasilien. Die Produktion ist vor allem im Süden des Landes in den Regionen Rio Grande del Sul und Santa Catarina konzentriert. Im Jahr 2010 zählte der brasilianische Möbelsektor 293.300 Beschäftigte in insgesamt 16.300 Unternehmen. Die Durchschnittsgröße lag bei 18 Mitarbeitern. Der Gesamtumsatz der Branche betrug 2010 ca. 13.8 Mrd. €. Derzeit sei ein Trend hin zu individuell geplanten Möbeln (Losgröße 1) erkennbar, so Kuhnle. Die brasilianischen Möbelhersteller seien zwar technisch gut aufgestellt, aber die Prozessabläufe seien weniger effektiv organisiert als in Deutschland. Als große Herausforderung nannte er die abnehmende Verfügbarkeit von qualifizierten Fachkräften. Mangelnde Berufsausbildung zwinge die Firmen, bei der Aus- und Weiterbildung von Mitarbeitern selbst aktiv zu werden. Handlungsbedarf gebe es auch in der Ausstattung der Unternehmen mit Software in brasilianischer Sprache.
Weitere Einstiegshilfen geplant
„Besuchen Sie Brasilien, lernen Sie den Markt kennen.“ gab Referent Naumann den Zuhörern mit auf den Weg. Dr. Heumann griff diesen Punkt in der Abschlussrunde auf: Man sehe Brasilien als mittel- und langfristiges Projekt für die deutsche Möbelindustrie. Die Möbelverbände NRW planen daher mit ihren Partnern weitere Aktivitäten. Derzeit werde eine Unternehmereise nach Brasilien inklusive Messebesuchen konzipiert, bei der Produzenten mit möglichen Handelspartnern in Kontakt kommen können. Eine weitere Option sei die Organisation gemeinsamer Messeauftritte in Brasilien. „Wir werden einen Arbeitskreis zum Thema Brasilien gründen, der von Winfrid Titze geleitet wird“, kündigte Dr. Heumann an. „Wir sind offen für Ihre Vorschläge und laden Sie herzlich zur Teilnahme ein.“ Einzelheiten werden die Möbelverbände NRW in einigen Wochen bekannt geben. (dib)