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Mikrobielle Korrosion - Vorkommen - Mechanismen - Identifizierung

Biokorrosion oder mikrobiell beeinflusste Korrosion (MIC, vom englischen microbiologically influenced corrosion) umfasst alle Arten von Korrosion, die von Mikroorganismen ausgelöst oder beeinflusst werden. Die Verhinderung von Biokorrosion stellt eine große Herausforderung dar, da Kenntnisse in verschiedenen Disziplinen nötig sind - von Materialwissenschaften über Chemie und Mikrobiologie bis zur Biochemie.

Die Identifizierung von MIC stellt sich häufig als problematisch dar. In den meisten Fällen sind die Schadensbilder auch durch klassische Korrosionsmechanismen erklärbar, die den meisten mit der Schadensanalyse befassten Personen zudem vertraut sind.Bilder: MiC Europe BV

Mikrobieller Schädigungsmechanismus, Beispiel. Bild: MiC Europe BV

Rasterkraftmikroskopische Aufnahme eines Sulfat-Reduzierers auf unlegiertem Stahl ST-37 (Baustahl).

 

Dies wird auch daran deutlich, dass in der entsprechenden Literatur viele verschiedene Begriffe für Biokorrosion verwendet werden, beispielsweise Biodeterioration, biologischer Abbau oder Biomineralisierung. Obwohl sie alle dasselbe grundlegende Phänomen beschreiben, besitzen sie doch einen unterschiedlichen Fokus: Biodeterioration z. B. wird verwendet, wenn ein schädlicher Einfluss von Mikroorganismen auf verschiedene Materialien, vom Plastik bis zum Beton, beschrieben werden soll. Die Begriffe "biologischer Abbau" und Biomineralisierung gehen noch weiter und beschreiben die Verwendung eines (meist organischen) Werkstoffes als Nährstoff bis hin zu seinem vollständigen Abbau zu anorganischen Endprodukten wie CO2 oder Wasser.

Mikroorganismen und Biofilme

Um Biokorrosion bzw. Biodeterioration besser zu verstehen, muss man sich zuerst einmal mit den beteiligten Mikroorganismen auseinandersetzen. Der Begriff Mikroorganismus bezieht sich hauptsächlich auf die Größe (etwa 0,5 bis 10 µm) und umfasst einzellige Organismen wie Bakterien über Mehrzeller wie Algen, Flechten, Hefen oder Pilzen bis hin zu den Protozoen (einzellige Organismen). Mikroorganismen besitzen ein enormes biologisches Potenzial. So sind z. B. Bakterien durch ihre Vielzahl verschiedener Stoffwechselwege in der Lage, nahezu alle bekannten natürlichen oder künstlichen (Bau-)Materialien einschließlich Metall, Holz, Beton und verschiedene Polymere abzubauen oder (negativ) zu verändern. Ein weiteres Merkmal ist ihre enorm hohe biologische Aktivität. Einzelne Zellen sind in technischen Systemen harmlos, sie vermehren sich aber sehr schnell (exponentiell). Escherichia coli z. B. verdoppelt sich unter optimalen Bedingungen alle 20 Minuten und kann Zellzahlen von bis zu 1012 Zellen pro Milliliter erreichen. Bei typischen Zelldimensionen von höchstens 1 µm3 kann die spezifische Oberfläche, die den Stoffaustausch zwischen Zellen und Umgebung kontrolliert, schnell 6 m2 pro Milliliter erreichen.
Praktisch alle Materialoberflächen werden von Mikroorganismen besiedelt. Selbst technische Systeme mit extremen Bedingungen bilden keine Ausnahme, da Mikroorganismen Temperaturen von -20 bis +116 °C, pH-Werte von 0 bis 14, extreme Drücke von 1000 bar und mehr, sauerstofffreie oder sauerstoffreiche Bedingungen, toxische, mutagene oder karzinogene Stoffe und selbst starke ionisierende Strahlung (wie sie z. B. in den Abklingbecken von Atomkraftwerken vorkommt) ertragen und ihnen widerstehen können. Sie bilden komplexe, in eine stabile Matrix aus extrazellulären polymeren Substanzen (EPS) eingebettete Lebensgemeinschaften - die sogenannten Biofilme. Ihre Struktur und Zusammensetzung wird sowohl von den beteiligten Mikroorganismen selbst als auch von externen Faktoren bestimmt. Die Mikroorganismen beeinflussen sie unter anderem durch die Ausscheidung von EPS unterschiedlicher an den Werkstoff angepasster Zusammensetzung. Chemische Hauptbestandteile der EPS sind Kohlenhydrate, Uronsäuren, Eiweiße, Fette und Nukleinsäuren. Zusätzlich können Exoenzyme, Detritus und Korrosionsprodukte vorkommen. Äußere Faktoren sind z. B. das Substratum, das umgebende Medium und das Nährstoffangebot. Durch die Bildung von Konzentrationsgradienten einzelner Stoffe bietet der Biofilm einen Lebensraum für viele verschiedene vergesellschaftete Arten von Mikroorganismen und besitzt damit ein hohes biochemisches Potenzial sowie eine enorme Widerstandsfähigkeit gegen externe Faktoren wie Austrocknung, aber auch Biozide und Desinfektionsmittel. Dies macht die Bekämpfung von Biofilmen schwer bis nahezu unmöglich. Einzig eine gründliche mechanische Reinigung mit anschließender Desinfektion des Systems sowie ein massiver Einsatz von Oxidationsmitteln wie Wasserstoffperoxid oder Hypochlorit zeigen nachhaltige Effekte.

Mikrobielle Schädigungsmechanismen

Obwohl die mikrobielle Vielfalt enorm ist, lassen sich die Schädigungsmechanismen in einige wenige Kategorien einteilen (Übersicht in Tabelle 1), wobei eine mikrobielle Stoffwechselgruppe die Biokorrosion auch auf mehrere Arten beeinflussen kann. Im Folgenden werden einige der wichtigsten Schädigungsmechanismen kurz erläutert.
Verschiedene bakterielle Spezies wie die Acidithiobacillen sind in der Lage, Schwefel oder Schwefelverbindungen zu Schwefelsäure zu oxidieren. Neben dem Schwefel brauchen sie lediglich CO2 zum Aufbau von Zellmasse (Wachstum) und sind in der Lage, in alkalischen bis stark sauren Umgebungen zu leben. Die Schwefelsäureproduktion senkt mit der Zeit den pH-Wert der Umgebung, teilweise bis auf Werte unter pH 1. Bei Metallwerkstoffen kommt es zu klassischer Säurekorrosion z. B. unlegierter und niedrig legierter Stähle, aber auch Plastik kann durch Säuren angegriffen werden, es kommt zu einer Versprödung oder Verformung des Materials. Alkalische Werkstoffe wie Beton können durch Bildung leicht löslicher Salze zerstört werden. Im Gegensatz zu anorganischen Säuren (wie Schwefelsäure) stellen organische Säuren wie Oxal-, Milch- oder Essigsäure im Hinblick auf die Biokorrosion eine eher untergeordnete Rolle. Sie werden üblicherweise nur im Falle eines unausgeglichenen Stoffwechsels ausgeschieden und später von den Mikroorganismen wieder aufgenommen. Falls aber in der Umgebung eine hohe organische Last auftritt, können große Mengen dieser Säuren produziert werden und ebenfalls zu den oben beschriebenen Schäden führen.
Organische Lösungsmittel werden vor allem unter sauerstoffarmen Bedingungen freigesetzt. Sie entstehen aus der Fermentation organischer Substanzen, falls geeignete Elektronenakzeptoren wie Nitrat, Sulfat, Eisen-, oder Manganionen nicht zur Verfügung stehen. Endprodukte der Fermentation sind entweder organische Säuren, deren Angriffsmechanismen schon zuvor beschrieben wurden, oder Lösungsmittel wie Ethanol, Propanol oder Butanol. Letztere stellen vor allem ein Problem für Polymere dar und können zu Schwellung, teilweiser oder völliger Auflösung des Materials führen. Auch die Versprödung weicher Materialien (z.B. Dichtungen) durch Herauslösung enthaltener Weichmacher kann eine Folge sein.
Schwefelwasserstoff (H2S) entsteht ebenfalls unter sauerstoffarmen Bedingungen, und zwar durch die Reduktion von Sulfat, Sulfit, Schwefel oder Thiosulfate durch Sulfatreduzierende Prokaryoten (SRP) - das sind Lebewesen, die keinen Zellkern besitzen. Schwefelwasserstoff kann selbst sauer reagieren und säureempfindliche Werkstoffe schädigen. Der Säureangriff wird bei Sauerstoffzutritt oder in Gegenwart geeigneter alternativer Elektronenakzeptoren wie Nitrat durch Re-Oxidation des Schwefelwasserstoffs zu Schwefelsäure noch verstärkt. Bei Metallwerkstoffen kann Schwefelwasserstoff auch direkt mit dem Werkstoff zu schwerlöslichen Metallsulfiden (z. B. Eisensulfid, FeS) reagieren, das auf der Oberfläche ausfällt und durch Vergrößerung der Kathode zu einer Verschiebung des elektrochemischen Gleichgewichts hin zu beschleunigter Eisenauflösung (und damit Korrosion) führt. Historisch gesehen stellt dieser Mechanismus den ersten bekannten mikrobiellen Schädigungsmechanismus von Metallwerkstoffen dar und wurde in Grundzügen bereits 1934 beschrieben. Der genaue Mechanismus sowie die Rolle der Mikroorganismen ist jedoch bis heute nicht endgültig geklärt.
Nicht nur mikrobielle Stoffwechselprodukte können Werkstoffe schädigen, oft reicht auch ihre rein physische Präsenz. Biofilme können z. B. poröse Systeme verstopfen und durch den hohen Wassergehalt das Risiko von Gefrier-/Tauschäden erhöhen. Die Bildung schleimiger, teilweise Zentimeter dicker Schichten kann z. B. die Effizienz von Wärmetauschern drastisch reduzieren, da sie isolierend wirken. In Rohrleitungssystemen kann die einhergehende Erhöhung der Oberflächenrauigkeit zu erhöhtem Strömungswiderstand führen. Dies kann höhere Energiekosten (durch verminderte Transporteffizienz) sowie verstärkten Verschleiß von z. B. Pumpen oder Dichtungen in druckführenden Systemen verursachen. Ein anderes, häufig beobachtetes Problem stellen Innenbeschichtungen von Dosen dar. Schon kleine Mengen an Mikroorganismen in der (noch flüssigen) Beschichtung können zu unvollständigen Beschichtungen führen und das Korrosionsrisiko erhöhen.

Mikrobielle Korrosion in Hausinstallationen?

Es gibt einige Beispiele von mikrobieller Korrosion in wasser- und abwasserführenden Hausinstallationen, meist stehen sie im Zusammenhang mit sulfatreduzierenden oder schwefeloxidierenden Mikroorganismen. Besonders abwasserführende Systeme oder Belüftigungssysteme mit hohem Nährstoffgehalt (z. B. Belüftungen an Fettabscheidern in Großküchen) sind anfällig und können starker Korrosion unterliegen. Am anfälligsten sind hierfür unbeschichtete Metallwerkstoffe wie Gussrohre. Abhilfe kann eine geeignete Beschichtung der Werkstoffe schaffen. Dabei sollte aber darauf geachtet werden, welche Mikroorganismen vorkommen; insbesondere, wenn nicht nur Sulfatreduzierer, sondern auch Schwefeloxidierer aktiv sind und somit ein geschlossener Schwefelkreislauf ausgebildet ist, stellt die teilweise extreme Erniedrigung des pH-Werts viele Beschichtungssysteme vor große Herausforderungen.
Auch in Heizanlagen inklusive Fernheizsystemen kommt es immer wieder zu mikrobiell verursachten Korrosionsschäden durch Säureangriffe. So wurde das Bakterium Nitrospira moscoviensis aus einem Fernheizsystem in Moskau isoliert, in dem es Salpetersäure (vermutlich aus dem Korrosionsinhibitor Nitrit) produziert hat.
In jüngerer Zeit wurde auch vermehrt von mikrobieller Korrosion an Kupferwerkstoffen berichtet. Bei niedrigen pH-Werten bilden sich auf Kupfer oft schützende Schichten aus Malachit oder Cuprit, die eine weitere Korrosion und einen Kupfereintrag in das Wasser stoppen. Verschiedene Mikroorganismen greifen diese Schichten an und ermöglichen damit eine fortschreitende Korrosion des darunterliegenden Materials. In Trinkwassersystemen kann die Freisetzung des Kupfers zu gesundheitlich bedenklichen Konzentrationen führen, die die erlaubten Grenzwerte um ein Vielfaches überschreiten.

Wie erkenne ich MIC?

Die Identifizierung von MIC stellt sich häufig als problematisch dar. In den meisten Fällen sind die Schadensbilder auch durch klassische Korrosionsmechanismen erklärbar, die den meisten mit der Schadensanalyse befassten Personen zudem vertraut sind. Ein Grundproblem ist oft, dass viele Ingenieure und Techniker in ihrer Ausbildung nie auf die Möglichkeit einer mikrobiellen Schadensursache vorbereitet wurden und somit "kein Auge" für derartige Probleme haben.
Bei der Analyse eines Korrosionsfalles gibt es fünf wichtige Punkte, die auf Biokorrosion hindeuten können:

1. Schleimschichten auf der Werkstoffoberfläche (kann einfach mit dem Finger überprüft werden). Wenn etwas von dem Schleim verbrannt wird, deutet der Geruch nach verbranntem Haar auf die Gegenwart von Proteinen (und damit Mikroorganismen) hin.
2. Der Geruch nach verfaulten Eiern (Schwefelwasserstoff).
3. (Ver)färbung von Materialien wie Kunststoffen.
4. Hoher Wassergehalt und eine weiche Beschaffenheit von Ablagerungen.
5. Spalt- oder Lochkorrosion, die oft durch mikrobielle Aktivität ausgelöst werden.

Es kann nicht genug betont werden, dass Mikroorganismen eine bedeutende Rolle in vielen Fällen von Korrosion spielen können. Die genannten Punkte sollten überprüft und Experten hinzugezogen werden. Dafür ist es wichtig, die Schadensstelle möglichst unberührt zu lassen; eine Reinigung der entsprechenden Stellen sollte auf jeden Fall vermieden werden, da anschließend eine mikrobiologische Untersuchung nicht mehr möglich ist. Zudem sollte der Schadensfall ausführlich dokumentiert werden. All dies ist notwendig, um die beteiligten Mikroorganismen identifizieren zu können; nur so ist es möglich, geeignete Gegenmaßnahmen zu treffen und das Risiko eines erneuten Schadens an der selben oder einer benachbarten Stelle minimieren zu können.

Autoren: Andrzej Kuklinski und Prof. Dr. Wolfgang Sand, Biofilm Centre / Aquatische Biotechnologie, Universität Duisburg-Essen

 


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