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Mehr Barrierefreiheit durch smarte Technologien

Einsatzmöglichkeiten und -potenzial von Smart-Home-Lösungen im Generationenbad

Digitale Liftersteuerung könnte es hier ermöglichen: Per Knopfdruck lassen sich Nutzerprofile abrufen, und der variable Waschtisch oder das höhenverstellbare WC fahren automatisch auf die ideale, für den jeweiligen Nutzer voreingestellte Höhe. Darüber hinaus kann ein smartes Bad zahlreiche weitere Hilfen bieten, um alle Generationen – mit oder ohne Handicaps – sinnvoll bei der Badnutzung zu unterstützen. Bild: Viega

Leicht erreichbar, einfach zu bedienen: Mit dem „Smart Water“-Programm lassen sich Waschtischarmaturen von Dornbracht elektronisch steuern. Bild: Dornbracht

Sensorgesteuerte Assistenzsysteme sorgen für mehr Komfort: Der in die Leuchte integrierte Bewegungsmelder lässt automatisch das Licht angehen, sobald er eine Bewegung registriert, und macht so den nächtlichen Gang ins Bad sicherer. Bild: Gira

 

Bis zum Jahr 2022 soll sich laut einer Prognose von Statista das Marktvolumen für Smart-Home-Lösungen hierzulande verdreifachen: auf mehr als 5,3 Mrd. Euro. Im Bad sind digitale Technologien bisher eher selten anzutreffen. Dabei würde ihr intelligenter Einsatz für mehr Barrierefreiheit und Komfort sorgen.

Für Paul gehen die Strapazen schon los, bevor er überhaupt das Bad betreten hat: Ganz groß muss sich der Dreijährige machen, um an die Türklinke zu kommen und sie dann mit für ihn viel Kraft herunterzuziehen, bis die Badezimmertüre aufgeht. Auf den Toilettensitz kann sich der „kleine Mann“ nur mithilfe eines Hockers setzen, den er auch zu Hilfe nehmen muss, um von oben ins Waschbecken schauen zu können. Trotzdem muss er sich von dort noch gehörig strecken, um mit den Händen bis an die Armatur im hinteren Bereich des Waschtischs zu reichen und sie zu bedienen. Händewaschen kann, wie man sieht, ganz schön anstrengend sein.

Größe und Alter müssen kein Handicap sein
Für Paul könnte es auch deutlich bequemer sein, das heimische Bad aufzusuchen und zu benutzen. Statt über dem Kopf nach der Klinke zu hangeln, fährt eine elektrische Schiebetür zur Seite – ausgelöst per Sprachbefehl oder über einen Fingerabdruck-Taster an der Wand vor der Tür –, um sich kurz nach dem Betreten des Raums automatisch zu schließen. Über diese Art der Türsteuerung wird den haustechnischen Funktionen im Badezimmer zugleich auch übermittelt, wer aus dem Kreis der Bewohner gerade das Bad betritt. Das elektrisch höhenverstellbare WC und der gleichfalls in der Höhe variierbare Waschtisch bewegen sich daraufhin automatisch auf die Höhe, die für den betreffenden Nutzer ideal ist. Das Licht fährt, in Intensität und Farbigkeit abgestimmt auf den jeweiligen Tageslichteinfall, hoch. Vielleicht wird der kleine Paul sogar mit einem fröhlichen Kinderlied begrüßt. Das Dusch-WC ruft das für ihn voreingestellte, besonders sanfte Reinigungsprogramm ab. Über Sprache oder gut erreichbare digitale Tas­ter an der Vorderseite des Waschtischs steuert Paul den Wasserfluss der Armatur. Er weiß ganz genau, was rotes Licht an der Bedieneinheit oder am Mischer bedeutet – dass das Wasser heiß sein kann und er vorsichtig sein muss. Verbrühen kann er sich aber nicht, da die Programmierung für Paul hier nur eine maximale Warmwassertemperatur von 38 °C zulässt. Über einfaches Drücken des Tasters oder durch den ausgesprochenen Hinweis „kalt“ kann Paul die Wassertemperatur nach unten regulieren, bis das Signallicht auf „blau“ wechselt. Ganz komfortabel – selbst für Paul, dessen einziges, wenn man so will, Handicap darin besteht, dass er noch ein Kind im Kindergartenalter ist.

„Easy Bathroom“: das eine Bad für alle
Dieses barrierefreie Szenario im digital vernetzten „smarten Bad“ ist keineswegs futuristische „Science Fiction“. Denn technisch ist all dies, was hier beschrieben ist, bereits realisierbar. Barrierefrei meint dabei, wie Pauls Beispiel ganz bewusst zeigen soll, deutlich mehr als behinderten- oder seniorengerecht. Es geht vielmehr um den „Easy Bathroom“, wie es die Vereinigung der Deutschen Sanitärwirtschaft (VDS) begrifflich so treffend auf den Punkt gebracht hat. Schließlich ist das Badezimmer in der alltäglichen Praxis ein Raum, der von ganz unterschiedlichen Menschen mit sehr vielgestaltigen Befähigungen genutzt wird: von Erwachsenen ebenso wie von Kindern, von „Kraftprotzen“ genauso wie von Personen mit eingeschränkter Bewegungsfähigkeit, von „Adleraugen“ wie auch von Brillenträgern, von Rechts- genauso wie von Linkshändern. Dieses „eine Bad für alle“ muss also für jedermann ohne Rücksicht auf Alter und Fähigkeiten nutzbar sein. Daher verlangt es geradezu nach Produkten, die diese breite Nutzbarkeit bei hohem Bedienkomfort sicherstellen, indem sie sich den Fähigkeiten des jeweiligen Benutzers anpassen. Der einfachen und intuitiven Benutzung, die weder ein besonderes Fachwissen noch spezielle Fähigkeiten oder ein außerordentlich hohes Maß an Konzentration oder Kraft voraussetzt, kommt für die Barrierefreiheit dabei eine besondere Bedeutung zu. Dies bedeutet auch, dass ein mögliches Fehlverhalten den Nutzer keinem erhöhten Risiko aussetzen darf.

Impulsgeber für sinnhafte Digitalisierung
Tatsächlich kann dieses Ideal des generationenübergreifenden und barrierefreien „Easy Bathrooms“ einer der wesentlichen Treiber für eine sinnhafte Digitalisierung des Badezimmers sein, die derzeit noch in den Kinderschuhen steckt. Ein Treiber dieser unterstützenden Technologie könnte auch die demografische Entwicklung sein. „Vor dem Hintergrund einer alternden Gesellschaft werden Themen wie Convenience, ‚Ambient Assisted Living‘ oder auch die Gesundheitsvorsorge im eigenen Zuhause immer wichtiger“, betont etwa Andreas Dornbracht, Geschäftsführer des gleichnamigen Armaturenherstellers aus Iserlohn, der dem Badezimmer hierbei eine zentrale Rolle zuschreibt.
Auch 92 % der Deutschen, die ansonsten zu einem guten Teil aus unterschiedlichen Gründen „Smart Home“-Lösungen gegenüber skeptisch eingestellt sind, sehen laut einer Umfrage aus dem Jahr 2016 digital vernetzte und gesteuerte Assistenzsysteme in den eigenen vier Wänden durchaus positiv. Weil sie hier – so darf man annehmen – sofort deren Mehrwert erkennen und verstehen.
Tatsächlich können digitale Lösungen dazu beitragen, ein generationenübergreifendes, barrierefreies und selbstbestimmtes Wohnen und Leben zu ermöglichen – von ziemlich jung, so wie im Beispiel von Paul, bis ins hohe Alter hinein. Grundsätzlich sind die „smarten Helfer“ im eigenen Zuhause für alle konzipiert, die größten Wert auf vollen Komfort und bequeme Bedienbarkeit legen – eben keineswegs ausschließlich für Seniorinnen und Senioren. Die Palette dieses „Ambient Assisted Living“ reicht von elektronisch bedienbaren Kleider- und Gardinenliften und hoch- und herunterfahrbaren Küchenschränken bis hin zu Mobilitätserkennungssys­temen, die mithilfe im Raum und im Boden befindlicher Sensoren erkennen, ob ein Bewohner gestürzt ist oder sich nicht mehr regt. 88 ganz unterschiedliche dieser digitalen Assistenzsysteme testet derzeit ein Forschungsprojekt unter Federführung des Lehrstuhls für Telematik an der Technischen Hochschule Wildau in einer 140 m² großen Wohnung.

Mehr individueller Komfort
Im Bad beginnen die Anwendungsmöglichkeiten digitaler Technologien bei Systemen, die den nächtlichen Gang zum WC automatisch beleuchten und damit sicher und komfortabel machen – etwa durch integrierte Orientierungsleuchten, die über Bewegungsmelder oder Funksensoren gesteuert werden, oder ein in die Toilette bzw. die Drückerplatte integriertes Nachtlicht, das sich automatisch anschaltet, sobald sich die Badtür öffnet. Zu dem „einen Bad für alle“ tragen aber auch höhenverstellbare Waschtische und WCs bei, die zumeist über elektronische Liftersysteme auf die für den jeweiligen Nutzer richtige Höhe eingestellt werden. Eine digitale Steuerung des Lifters würde es ermöglichen, individuelle Nutzerprofile anzulegen und per Knopfdruck abzurufen. Deren digitale Vernetzung mit anderen smarten Geräten – etwa einer Kamera zur Gesichtserkennung – könnte in Zukunft dazu führen, dass diese ganz automatisch abgerufen werden, sobald man das Bad betritt. Dies ließe sich überdies auch auf die Wasseranwendungen im Badezimmer ausdehnen: „Die Dusche kennt meine persönliche Wohlfühltemperatur“, ist sich Andreas Dornbracht beim Blick in die Zukunft sicher. „Die Wanne befüllt sich von selbst, am Waschtisch kann ich mit einem Knopfdruck die ideale Temperatur für eine schonende Gesichtsreinigung einstellen und vieles mehr.“

Persönlicher Wohlfühlort
So gesehen greift der Ansatz, den barrierefreien „Easy Bathroom“ durch den Einsatz smarter Technologien und deren intelligente Vernetzung Realität werden zu lassen, auch einen weiteren Trend auf, der das Baddesign derzeit maßgeblich bestimmt: die Gestaltung des Bads als individuellen Wohlfühlort. Denn die Digitalisierung macht es möglich, noch umfassender als bisher auf die persönlichen Vorlieben und Bedürfnisse der Nutzer einzugehen. Vor diesem Hintergrund bedeutet Barrierefreiheit im Bad nicht allein, einen universalen, für alle einfach nutzbaren Raum zu schaffen, sondern darüber hinaus auch für ein Höchstmaß an individuellem Komfort Sorge zu tragen. CT

 


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