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Mangelhafter Brandschutz Feuerwehrverband fordert zuverlässige DC-Spannungsfreischaltung

Die Brandbekämpfung an Photovoltaikanlagen ist für die Feuerwehren derzeit mit einigen Unwägbarkeiten versehen. So treten bei Lichteinfall in den reihenverschalteten Solarmodul-Strings häufig Gleichstromspannungen von bis zu 1000 V auf. Der Deutsche Feuerwehrverband (DFV) fordert nun in einem Positionspapier die PV-Industrie auf, „umgehend eine technische Lösung für den gefahrlosen Einsatz im Bereich der Solarstromanlagen zu etablieren.“ Der nachfolgende Beitrag thematisiert Schutzziele und Anforderungen an eine derzeit erarbeitete Anwendungsrichtlinie sowie die Beurteilung aktueller technischer Lösungen.

Die Brandbekämpfung bei Vorhandensein von PV-Anlagen gestaltet sich aufgrund der fehlenden Möglichkeiten zur Gleichstrom-Spannungsfreischaltung schwierig. Der Deutsche Feuerwehrverband sieht dringenden Handlungsbedarf.

 

Photovoltaik-Anlagen stellen für Feuerwehren im Einsatzfall eine ernsthafte Herausforderung dar. So bewegen sich die Brandbekämpfer regelmäßig auf unbekannten Terrain, da Erfahrungen mit den Solarstromanlagen nur aus einer geringen Anzahl von Einsätzen vorliegen. Während bei elektrischen Versorgungseinrichtungen  bzw. Installationen durch Freischalten fast immer Spannungsfreiheit im gesam­ten Stromkreis hergestellt werden kann, ist dies bei PV-Anlagen nur begrenzt möglich.
Gleichstromleitungen, die je nach Modul­anzahl und reihenverschalteten Strings Spannungen bis zu 1000 V (DC) führen können, übertreffen die zulässige und für den Menschen ungefährliche Schutzkleinspannung von 120V (DC) um ein Vielfaches, sodass für die Feuerwehreinsatzkräfte ein nicht unerhebliches Gefährdungspotenzial besteht.

„Bestandsschutz“ der besonderen Art
Bereits seit Oktober 2006 ist gemäß VDE-Richtlinie 0100-712 der Einbau einer allpoligen Freischaltstelle vor dem Wechselrichter vorgeschrieben. Allerdings wurde in der Richtlinie kein konkreter Einbauort definiert, sodass die Freischaltstelle in unmittelbarer Nähe oder sogar in einem oder mehreren Wechselrichtern eingebaut sein kann. So verrinnt unnötig wertvolle Zeit, bis die Feuerwehr die Möglichkeiten der Freischaltung vor Ort erkundet hat.

Trotz Freischaltstelle wie gem. VDE-Richtlinie 0100-712 seit 2006 vorgeschrieben, kann auf der Gleichstromseite (rote Linie) keine Spannungsfreischaltung bei Lichteinfall erfolgen. Eine Nachrüstung in Bestandsanlagen (Bild rechts) ist bislang nicht vorgesehen.

Alle Anlagenteile vor dieser Freischaltstelle führen aber weiterhin die jeweils von der Solarstrahlung generierte Spannung und stellen somit ein Gefahrenpotenzial im Wortsinne für die Einsatzkräfte dar. Darüber hinaus besteht bisher keine Verpflichtung zur Nachrüstung von Freischaltstellen in Bestandsanlagen, sodass teilweise gar keine Abschaltung möglich ist. Ein „Bestandsschutz“ der ganz besonderen Art.
Nicht praktikabel und zu zeitaufwendig ist aus Sicht der Feuerwehren auch die Abdeckung von Solarmodulen mit Folien oder Schäumen, da ihre Wirkung nicht lange anhalte. Bei Versuchen der Feuerwehr München mit verschiedenen Schaumarten konnte die String-Spannung nur für 5 Minuten auf weniger als 47% der Ausgangsspannung reduziert werden. Der Auftrag speziell entwickelter, stark haftender Schäume sei darüber hinaus sehr zeitintensiv und die flächendeckende Bevorratung problematisch [1].
Der Deutsche Feuerwehrverband sieht deshalb dringenden Handlungsbedarf zum Schutz aller Beteiligten und fordert die Photovoltik-Industrie auf, technische Lösungen für die Spannungsfreischaltung zu etablieren.
Die Deutsche Gesellschaft für Sonnen­energie e.V. (DGS) unterstützt die Position des Feuerwehrverbandes vorbehaltlich der Tatsache, dass aktuell weder technische Lösungen, die langfristig Anlagensicherheit gewährleisten können, marktreif seien. Darüber hinaus gäbe es derzeit keine normativen Produktanforderungen.

Abschaltungen auf Modulebene derzeit nicht realisierbar
So erklärt Ralf Haselhuhn, Vorsitzender  des Fachausschusses Photovoltaik der DGS, dass die im Rahmen des BSW-Arbeitskreises „Brandschutz“ untersuchten technischen Abschaltlösungen für den flächendeckenden Einsatz von Abschaltungen auf Modulebene nicht geeignet seien. Als gravierender Mangel wurde der fehlende Nachweis der Langzeitzuverlässigkeit von Abschaltlösungen festgestellt.
Nach Meinung des Brandschutzexperten haben die Hersteller zu gewährleisten, dass die Abschaltvorrichtungen im Einsatzfall sicher und nachvollziehbar funktionieren. Eine Zertifizierungsanforderung für den Nachweis der Funktion und Langzeitbeständigkeit fehle bisher völlig.
Ein weiterer Mangel liege bei Modulanschlussdosen mit integrierter Abschaltvorrichtung vor. So sei die nach VDE-Richtlinie 62446 Netzgekoppelte PV-Systeme – Mindestanforderungen an die Dokumentation, Inbetriebnahmeprüfung und wiederkehrende Prüfung – erforderliche Messung des Kurzschlussstroms und der Leerlaufspannung der Strings mit den bisher angebotenen Modulabschaltlösungen nicht möglich.

Anwendungsrichtlinie als Normenentwurf
Die Deutsche Kommission Elektrotechnik (DKE) im DIN und VDE erarbeitet derzeit  eine „Anwendungsrichtlinie zur Anforderungen der Freischaltung im Gleichspannungsbereich einer PV-Anlage“. Sie soll als Normenentwurf VDE-AR-E 2100-712 die grundsätzlichen Anforderungen für Freischaltvorrichtungen festlegen.

Handlungsempfehlung zur Brandbekämpfung an PV-Anlagen des Deutschen Feuerwehrverbandes e.V. und des DKE-Arbeitskreises 221.1.4.

Mit einer Markteinführung entsprechend zertifizierter Geräte sei aber frühestens in zwei Jahren zu rechnen, sodass der DGS in Abstimmung mit dem BSW-Arbeitskreis „Brandschutz“ ein übergeordnetes Schutzziel vorschlägt, mit dem das Risiko der Einsatzkräfte im Brand- und Havariefall schon heute reduziert werden könne:
„Durch die Installation von PV-Anlagen dürfen keine berührbaren DC-Spannungen von mehr als 120 Volt im Brandfall im Gebäude auftreten, sodass Personenrettung und Brandbekämpfung im Gebäudeinnern sicher durchgeführt werden kann [2].“
Dieses Schutzziel sei bereits mit marktverfügbarer Technik zu realisieren und stehe der Entwicklung von neuen Technologien zur Abschaltung von Modulen nicht entgegen. So soll der folgende Maßnahmenkatalog sofort für mehr Sicherheit im Brandfall sorgen:

  • Feuerbeständige Verlegung von DC-Leitungen innerhalb des Gebäudes oder
  • Wechselrichter vor dem Gebäudeeintritt (nur freischaltbare Wechselspanunngung im Gebäudeinnern) oder
  • zertifizierte Freischalter bzw. Kurzschließer der DC-Leitungen an der Gebäudeeintrittsstelle oder
  • Verlegung der DC-Leitungen außerhalb des Gebäudes.


Weiterhin weist die DGS auf die Wichtigkeit der Einhaltung von Brandabschnitten für die Kabelführung hin, die in den Muster-Bauordnungen (MBO) der Länder bzw. der Muster-Leitungsanlagen-Richtlinie (MLAR) beschrieben sind.
Um für Löscharbeiten die benötigten Mindestabstände gewährleisten zu können, schlägt die DGS weiter vor, abschaltbare PV-Generatorfelder von max. 10m Länge zu realisieren und einen Mindestabstand für Löscharbeiten von 1m zum nächsten PV-Feld einzuhalten.
Außerdem sollen die Einsatzkräfte durch ein Hinweisschild, das bereits auf VDE-Normungsebene vorgestellt wurde, auf das Vorhandensein einer PV-Anlage aufmerksam gemacht werden.

Literatur:
[1] Thorns J., Technische Lösungen zur Gefahrenabwehr bei Photovoltaikanlagen, Deutsche Feuerwehrzeitung Brandschutz 11/2010 Seite 891 ff.
[2] Haselhuhn R., DGS-Position zur Brandschutzproblematik, Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie e.V., www.dgs.de

www.feuerwehrverband.de
www.www.dgs-berlin.de

 


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