Lösungen für anspruchsvolle Aufgaben - Mit smarten Gebäuden Energie einsparen – ein Blick auf den Markt und die Technologien
Smart Home ist zweifelsohne ein Baustein, um die klimapolitischen Ziele in Deutschland zu erreichen. Mit aufeinander abgestimmten Komponenten und einer übergeordneten Systemebene lassen sich die Betriebskosten von Häusern und Wohnungen senken. Die Energieeinsparverordnung (EnEV) und der Energieausweis geben der Gebäudeautomation zudem einen neuen Stellenwert. Komfort und Sicherheit spielen neben der Energieeinsparung für die Interessenten an intelligenter Gebäudetechnik aber ebenfalls eine große Rolle.
Unter dem Begriff Smart Home verbergen sich die intelligente Gebäudeautomation, Haushaltsgeräte und Konsum- bzw. Unterhaltungselektronik in privaten Häusern, Eigentumswohnungen sowie Mietwohnungen. Einzelne Komponenten wie Sensoren und Aktoren werden dabei zu einem intelligenten System vernetzt und bilden die Grundlage für eine umfassende Bedientechnik und optimale Steuerung.
Das Vernetzen verschiedener Disziplinen der Haustechnik ermöglicht ein umfangreiches Einsatzspektrum der intelligenten Steuerung in verschiedenen Gewerken. Zu nennen sind dabei im Wesentlichen Heizung, Lüftung/Klima, Sanitär, Elektrik, Beleuchtung, Beschattung, Überwachung, Zutritt, Notfall, Metering sowie Umwelt. Die Tabelle 1 zeigt Teilsysteme und Ansatzpunkte.
Ein Markt mit vielen Möglichkeiten
Die Tabelle 1 zeigt, die technischen Möglichkeiten sind mannigfach. Vieles, was noch nach Zukunftsmusik klingt, ist längst schon Realität. Doch der Markt zeichnet sich durch unterschiedliche Technologien und teils proprietäre Systeme aus. Im deutschen Markt sind aber erfreulicherweise eine Reihe von technisch guten Systemen sowohl für den Neubau als auch für die Nachrüstung präsent. Die Auflistung zeigt die wichtigsten Marktplayer und liefert einen ersten Überblick. In den letzten Jahren gab es dabei einen Technologieschub, der optimistisch stimmt.
Das technisch „beste System“ gibt es jedoch nicht. Jedes hat seine Stärken und bevorzugten Einsatzgebiete. Eine detaillierte Beschreibung und Einschätzung der wichtigsten Initiativen und Plattformen (Tabelle 2) für das Smart Home liefert die Broschüre „Smart Home 2 Market“, welche vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie herausgegeben wurde (zum Download unter www.autonomik40.de). Dort sind auch unterschiedliche Systeme hinsichtlich entscheidender Kriterien detailliert beurteilt.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Interoperabilität derzeit noch problematisch ist. Denn die einzelnen Systeme sollten in der Lage sein, miteinander zu agieren. Doch das ist noch nicht für alle Anwendungen gegeben. Hinsichtlich der technischen Entwicklungen sind die Plattformen FRITZ!Box, Home Matic (eQ-3), KNX, Qivicon, RWE Smart Home und Revolv Hub am weitesten fortgeschritten. Dabei verzeichnet KNX den größten Marktanteil aller Smart Home-Ansätze in Europa. Diese Initiative verfügt über die meiste Anzahl an Anwendungen und erreicht eine Abdeckung aller Medien im privaten Haus.
Bei der Nutzerfreundlichkeit und Bedienbarkeit zeichnen sich besonders die Initiativen Develo, Home Kit, RWE Smart Home und The Thread Group aus. Devolo punktet nach Einschätzung der Autoren besonders in Bezug auf die Tragfähigkeit des Geschäftsmodells. Besonders offen seien All Seen Alliance, Devolo, KNX, Open Internet Consortium und Revolv Hub. Dieses Kriterium erfasst die mögliche Partizipation und reicht von „closed shop“ über Lizenzierung bis bedingungslos offen. Die Initiativen KNX und Smart Home Paderborn weisen den höchsten Grad der Integration des Handwerks auf.
Anforderungen und Nutzen für die Akteure
Noch handelt es sich bei Smart Home um einen Nischenmarkt. Doch haben verschiedene Studien ein enormes Marktpotenzial für die kommenden Jahre ausgemacht. Wer sich hier frühzeitig qualifiziert, dürfte wie üblich einen Wettbewerbsvorsprung haben.
Doch nicht alles, was technisch machbar ist, nützt auch dem Kunden. Smart Home muss bezahlbar sein und sich vor allem an den individuellen Bedürfnissen der Hausbewohner ausrichten. Viel zu wenig werde darauf eingegangen, was der Kunde wirklich will und braucht, meinen Experten. Um Abhilfe zu schaffen, müssen Planer zunächst herausfinden, welche Funktionen dem Kunden wichtig sind und was das System insgesamt kosten darf. Davon ausgehend können Fachunternehmen dann jeweils geeignete Systeme vorstellen. Das Institut für Gebäudetechnologie (IGT) mit Sitz in Ottobrunn bietet Fachunternehmen dazu beispielsweise Fragebögen und Planungshilfen an. Prinzipiell sind Angebote auch so zu gestalten, dass die Systeme jederzeit erweiterbar sind und eine Integration verschiedener Dienste ermöglichen.
Allgemein sind Sicherheit, Komfort und wirtschaftliche Erwägungen die wesentlichen Determinanten, welche die Entscheidung potenzieller Kunden beeinflussen. Zur Steigerung der Sicherheit gehören beispielsweise Zugangs- und Schließsysteme, Überwachungs- und Notfallfunktionen, Videoüberwachung sowie schnelle und sichere Fehlerdiagnose und Fehlerbehebung. Anforderungen wie Erhaltung der Selbstständigkeit im Alter oder einfache Beherrschbarkeit der Technologie, Eingriffsmöglichkeiten zu jeder Tageszeit sowie sinnvolle und nachvollziehbare Verknüpfung von Diensten steigern den persönlichen Komfort. Niedrige Energiekosten erhöhen die Wirtschaftlichkeit von Gebäuden.
Energieeffizienz im Fokus
In Europa entstehen laut Schätzungen etwa 41% des gesamten Energiebedarfs in Gebäuden. Im Gebäudebereich liegen also große Einsparpotenziale, welche bislang bei Weitem nicht ausgeschöpft scheinen. Sie liegen vor allem in einer gut abgestimmten Gebäudeautomation sowie in Maßnahmen an der Gebäudehülle und an der Anlagentechnik. Grundlagen für Energieeinsparungen durch die Gebäudeautomation sind im Teil 11 „Gebäudeautomation“ der DIN V 18599 „Energetische Bewertung von Gebäuden“ festgelegt.
Die gesamte Energie für ein Gebäude umfasst die thermische Energie für Heizung, Trinkwassererwärmung und Kühlung sowie die elektrische Energie für Beleuchtung und elektrische Verbraucher wie Pumpen, Gebläse und Haushaltsgeräte. Durch die Regelung und Abstimmung der verschiedenen Gewerke lässt sich mit Automatisierung eine bessere Energieeffizienz des Gebäudes erzielen. Wie viel Einsparpotenzial durch welche Maßnahmen jedoch tatsächlich gegeben sind, ist nur schwer zu beziffern. Zu sehr differenzieren die einzelnen Quellen und Untersuchungen. Auch muss hinsichtlich der Nutzung und der Energieart unterschieden werden. Professor Michael Krödel vom IGT spricht etwa von 5% der elektrischen Energie in privaten Haushalten. Wesentlich mehr Energieeinsparung sei bei Nichtwohngebäuden gegeben.
Größte Verbraucher und damit auch das größte Einsparpotenzial in privaten Haushalten dürfte aber bei der Gebäudeheizung liegen. Hauptansatzpunkt ist das bedarfsgerechte Heizen. Das Ziel lautet, in den Räumen nur dann Wärme zur Verfügung zu stellen, wenn diese auch wirklich gebraucht wird. Ein Eingriff in das bestehende Heizungssystem hält sich dabei in Grenzen. Smart Home-Lösungen können hier einen entscheidenden Beitrag leisten, um Vorgänge wie das Absenken der Heizung bei Abwesenheit oder bei Öffnung der Fenster zu automatisieren.
Denn Studien belegen auch, wie sehr das Nutzungsverhalten der Bewohner den Energieaufwand beeinflusst. Die Vernetzung und Automatisierung der eingebundenen Komponenten stellt aber eine bedarfsgerechte Anpassung des Heizverhaltens sicher. Das Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP hat rechnerisch die Standard- mit der Einzelraumregelung verglichen. In der Betrachtung wurde zusätzlich eine automatische Rollladensteuerung berücksichtigt. Je nach Nutzungsprofil ergaben sich Einsparpotenziale von rund 17% bei Familien, rund 21% bei Senioren und rund 38% bei Singles, bezogen sowohl auf den Neubau- als auch Altbaubestand.
Zusätzliches Energieeinsparpotenzial bietet auch Smart Metering. Dem Kunden werden damit tageszeitaktuelle Energiepreise angeboten. Ziel ist, bestimmte Energieverbraucher wie Wasch- oder Spülmaschine automatisiert nach dem Energiepreis zu steuern. Durch diese Maßnahmen soll der private Haushalt als Verbraucher und zunehmend auch als Erzeuger über Photovoltaikanlagen in die Netz- und Erzeugungssteuerung der EVU integriert werden. Eine derartige Vernetzung, das sogenannte Smart Grid, optimiert das Gesamtsystem hinsichtlich Effizienz und Sicherheit. Im weiteren Sinne ist unter Smart Metering auch das gezielte Messen von einzelnen Geräten durch den Kunden zu verstehen. Über die Darstellung von Verbrauchskurven auf PC oder Smartphone kann er Einsparpotenziale wie den Stromverbrauch von Geräten im Stand-by-Zustand erkennen. Sensibilisierung und Transparenz sorgen im Idealfall für ein energiesparendes Nutzerverhalten. Bis 2020 sollen Smart Meter eine Marktdurchdringung von 80% in Europa erreicht haben.
Das Institut Borderstep ist Koordinator des Forschungsprojekts SHAPE, welches sich mit dem Energiemanagement im mehrgeschossigen Wohnungsbau durch intelligente Heimvernetzung und Heimautomatisierung beschäftigt. Durch ein dezentrales Energiemanagement könnten demnach bis zu 30% Heizenergie und bis zu 10% Stromverbrauch eingespart werden. Möglich würde dies durch den Einsatz von gezielter Gebäudeautomatisierung, kombiniert mit Smart-Grid-Techniken.
Laut Borderstep ist das Energieeinsparpotenzial in Haushalten nicht so leicht zu mobilisieren, da zum einen wenig Kenntnis über den Verbrauch einzelner Geräte herrscht, und zum anderen ein hoher Anteil der Immobilien und Wohnungen in Deutschland vermietet ist. Investitionen in Energieeffizienz müssten, wenn sie relevante Einsparpotenziale mobilisieren sollen, sowohl durch den Mieter als auch durch den Vermieter erfolgen. An diesem Punkt setzt SHAPE an. Das Projekt zielt darauf ab, technische Komponenten und Softwaredienste zu entwickeln, die eine effiziente Nutzung von Energieverbrauchern (Strom und Heizung) im Haushalt steuern sowie eine Aggregation und Nutzung vieler kleiner, haushaltsbezogener Energieeffizienz- und Speicherpotenziale insbesondere in Mietwohnungen erlauben. Dadurch wird eine Kopplung an Technologien des Smart Grids (Smart Metering, intelligente Nahwärmenetze und Integration regenerativer Energiequellen, etc.) möglich. So könnten in einem unsanierten Gebäude Energieeinsparungen vergleichbar mit einer energetischen Sanierung der Gebäudehülle erzielt werden.
Fazit und Ausblick
Für eine breitere Entwicklung der Smart Home-Nachfrage scheinen also die Faktoren Interoperabilität der Systeme und die Ausrichtung am Kundennutzen sowie ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis relevant. Aber auch staatliche Anreize dürften eine Rolle spielen. Die Förderpolitik im Gebäudebereich zur Mobilisierung von Potenzialen zum Energiesparen darf sich daher nicht nur auf klassische Sanierungsmaßnahmen fokussieren, sondern sollte verstärkt Energiemanagement mithilfe von Smart Home-Lösungen berücksichtigen. Dies gilt vor allem deshalb, weil letztlich das Nutzungsverhalten den Ausschlag für den tatsächlichen Energieverbrauch eines Gebäudes gibt.
Autorin: Angela Kanders, freie Journalistin, www.angelakanders.de