Werbung

Künstliche Intelligenz auf dem Vormarsch

Was die digitale Fähigkeit leisten kann und wie sie für die Technische Gebäudeausrüstung zum Einsatz kommt. Ein IKZ-Exklusiv-Interview mit zwei Experten

Über künstliche Intelligenz (KI) und wie diese in Softwareanwendungen für die Technische Gebäudeausrüstung zum Einsatz kommt, sprachen Karl-Heinz Hottgenroth (links) und Jens Holtappels (rechts) mit Markus Münzfeld (Mitte).

„Wichtig für die anstehenden Entwicklungsschritte ist, dass durch KI menschliche Entscheidungsfaktoren noch weiter bzw. stärker mit berücksichtigt werden“, so Jens Holtappels.

„Oberstes Ziel ist es, das wir für unsere Kunden optimierte Planungshilfen entwickeln und so Mehrwerte schaffen. In diesem Zusammenhang werden wir weiterhin die Arbeiten des Kunden erleichtern, insbesondere auch durch den Einsatz von KI“, erklärt Karl-Heinz Hottgenroth.

 

Computer und Softwareanwendungen unterstützen schon seit mehr als fünf Jahrzehnten Unternehmen bei ihren täglichen Aufgaben. Das Ergebnis und der Lösungsweg für eine Arbeitsaufgabe stehen bei einem herkömmlichen Computerprogramm bereits von Anfang an fest. Anders, wenn künstliche Intelligenz – kurz KI – in einer Anwendung vorhanden ist. Denn dann besitzt ein Programm eine ähnlich variable Entscheidungsfähigkeit wie sie dem Mensch gegeben ist. IKZ-Redakteur Markus Münzfeld sprach mit Geschäftsführer Karl-Heinz Hottgenroth und Entwicklungsleiter Jens Holtappels vom Softwareunternehmen Hottgenroth / ETU über KI – und wie diese in den hauseigenen Softwareanwendungen für die Technische Gebäudeausrüstung (TGA) zum Einsatz kommt.

IKZ-HAUSTECHNIK: Herr Holtappels, Herr Hottgenroth, den Begriff KI haben wohl viele schon einmal gehört. Aber nicht jeder weiß dessen Bedeutung. Deshalb zu allererst: Was genau ist darunter zu verstehen?
Jens Holtappels: Künstliche Intelligenz versucht im Allgemeinen das Entscheidungsverhalten des Menschen nachzubilden, indem ein System angelernt wird, eigenständig Aufgaben abzuarbeiten oder Probleme zu lösen. Hierbei liegt – und das ist die Besonderheit – ein nicht vorbestimmter Entscheidungsweg zugrunde. Meint im Ergebnis: Wie die Entscheidung der KI sein wird, kann nicht vorhergesagt werden. Die Fähigkeit, selbstständig zu lernen, ist dabei eine Hauptanforderung solcher Systeme.

IKZ-HAUSTECHNIK: Haben Sie dafür ein Beispiel?
Jens Holtappels: Das prägnanteste Beispiel, das ich kenne, kommt aus der Krebsdiagnostik. Hier wurden zunächst Tausende von Erkrankungen per Röntgenbild von Ärzten analysiert und mit den tatsächlichen Befunden zusammengeführt. Diese Daten wurden in ein KI-System gegeben, mit dem Ziel, dass das System anhand von Röntgenbildern die richtige Diagnose stellen kann. Herausgekommen ist, dass das KI-System eine Diag­nosegenauigkeit von durchschnittlich ca. 93 bis 94 % erreicht, während Ärzte eine Genauigkeit von nur 91 bis 92 % erzielen. Durch den Selbstlerneffekt hat sich die KI-Genauigkeit auch noch auf 95 % steigern können.
Karl-Heinz Hottgenroth: Ein weiteres Beispiel: Facebook liest derzeit mehrere Milliarden Gesichter für Gesichtserkennungen ein. Hier soll KI zum Einsatz kommen, um Personen erkennen zu können. Ein klassisches Bilderkennungsprogramm kann dies nur eingeschränkt leisten. Mit KI hingegen geht das dann nicht nur sehr schnell, sondern auch sehr sicher oder sogar noch sicherer, als es Menschen selbst leisten könnten.

IKZ-HAUSTECHNIK: Es gibt „schwache“ und „starke“ KI-Systeme. Was ist der Unterschied?
Jens Holtappels: Starke KI sind Computersysteme, die auf Augenhöhe mit Menschen arbeiten und diese bei schwierigen Aufgaben unterstützen können. Bisher sind aber keinerlei solcher Systeme bekannt. Die Systeme, die wir heute kennen, basieren somit auf schwacher KI. Dabei geht es um die Unterstützung des menschlichen Denkens. Zudem können technische Anwendungen in Einzelbereichen unterstützt werden. Doch bereits diese technologischen Entwicklungen haben meiner Meinung nach, man kann sagen, erschreckende Möglichkeiten. Denn diese Systeme sind im Vergleich zum Menschen viel leistungsstärker – und das rund um die Uhr. Beispiel: die automatische Passkontrolle am Flughafen. Die Pässe haben mittlerweile verschiedenste Sicherheitsmerkmale. Diese werden dann mit dem Scan-Ergebnis einer Kamera abgeglichen. Oder selbst die Gesichtserkennung am Handy, die der Handynutzer in einer Anwendung für sich selbst zur Geräteentsperrung nutzen kann. Oder in einer anderen Anwendung auch zur Bildzuordnung, d. h. Personenerkennung auf den eigenen Fotos. Die Anwendungen können dabei eigenständig lernen und sich selbst verbessern.

IKZ-HAUSTECHNIK: Was ist elementar wichtig, damit KI-Systeme überhaupt funktionieren können?
Karl-Heinz Hottgenroth: Wer künstliche Intelligenz generieren will, braucht Daten. Wenn wir jetzt in Richtung TGA blicken, dann ist z. B. die VDI-Richtlinie 3805 für den Produktdatenaustausch sehr wichtig. Ebenso die neue DIN EN ISO 16757-1, die im Oktober 2019 erschienen ist und sich mit den Datenstrukturen in der TGA beschäftigt. Für ein KI-System sind derartige Datenpakete eine wichtige Basis.

IKZ-HAUSTECHNIK: Wo kommen diese Daten her? Und wie steht es um die Qualität der Daten?
Karl-Heinz Hottgenroth: Die Daten kommen von den Herstellern. Dazu kann man sagen, dass die Unternehmen natürlich ein Eigeninteresse haben, dass ihre Daten im Markt vorhanden sind. Denn sonst kann es sein, dass ein Unternehmen, wenn es keine Daten liefert, bei der Produktauswahl nicht berücksich­tigt wird.
In puncto Datenqualität gibt es zum Teil erhebliche Unterschiede. Einige Unternehmen stellen umfassende und qualitativ hochwertige Daten zeitnah zur Verfügung, andere wiederum leisten dies nicht. Ihr Datenbestand ist zum Teil veraltet oder unvollständig. Allgemein wird die Qualität der Daten aber besser, wenngleich noch immer Luft nach oben ist.
Jens Holtappels: Dazu sollte ergänzt werden, dass man bei qualitativ guten Produktdaten auch z. B. Installations- und Wartungsräume findet, in denen keine weiteren Komponenten geplant werden dürfen. Dies ist nicht bei allen Herstellern in der Qualität gleich, da die Daten keiner Validierung unterliegen, d. h., keinen bestimmten Vorgaben.

IKZ-HAUSTECHNIK: Um es greifbarer zu machen: Wie viel der Daten – prozentual gesehen – sind qualitativ gut?
Karl-Heinz Hottgenroth: Geschätzt sind rund 75 bis 80 % der Daten in Deutschland, d. h. von in Deutschland ansässigen Firmen, qualitativ gut. Bei den restlichen Daten kann es sein, dass diese nicht vollumfänglich sind oder dem neuesten Stand entsprechen. Unsere Kunden, d. h. Softwarenutzer, haben rund um das Thema Daten allerdings einen Vorteil. Denn diese Daten werden von uns vor Übernahme in unseren Programmen auf Funktionalität und Verwendbarkeit geprüft. So kann der Nutzer sicher sein, dass das vorhandene Datenmaterial auch Anwendung finden kann. Allerdings können wir keine von Herstellern verursachten Lücken schließen.

IKZ-HAUSTECHNIK: Wieder zurück zur KI. In welchen Anwendungen bzw. Produkten aus Ihrem Hause kommt KI bereits zum Einsatz?
Jens Holtappels: Hier wäre z. B. der 3D-Raumscanner „HottScan“ zu nennen. Das Gerät erfasst beliebige Raumgeometrien mit Lasermessungen und erstellt in 2 Minuten eine 360°-Panorama-Aufnahme eines Raumes. Die dazugehörende Modellierungssoftware unterstützt anschließend den Nutzer beim Konstruieren, auch von Raumkanten, die hinter Bauteilen verborgen liegen. Durch KI werden beispielsweise Möbel oder sonstige Gegenstände im Raum von der Erfassung ausgeschlossen oder aber auch bestimmte Bauteile erfasst, wie ein Heizungsfußbodenverteiler.
Ein weiterer Einsatzbereich von KI ergibt sich beispielsweise bei der Rohrnetzdimensionierung. Hier trainieren wir gerade ein System, für das Herstellerdaten aus VDI 3805 bzw. zukünftig nach ISO 16757 unerlässlich sind.

IKZ-HAUSTECHNIK: Eine ergänzende Frage zum „HottScan“. Wie hoch ist die Fehlerrate bei der Raumerfassung mit dem System? Und gibt es noch weitere Verbesserungsschritte?
Karl-Heinz Hottgenroth: Die Fehlerrate ist sehr gering, da wir direkt die ganze Rauminneneinrichtung durch das System ausschließen. Der Anwender hat so leichtes Spiel, einen Raum für die weitere Verarbeitung in Programmen zu erfassen.
Durch die fortlaufenden Scans, die eventuell durch den Kunden im Ergebnis etwas angepasst werden, lernt das System für weitere Raumerfassungen dann auch noch automatisch dazu.

IKZ-HAUSTECHNIK: Welche weiteren Entwicklungsstufen haben Sie für Ihre Anwendungen heute schon vor Augen?
Jens Holtappels: Wichtig für die anstehenden Entwicklungsschritte ist, dass durch KI menschliche Entscheidungsfaktoren noch weiter bzw. stärker mit berücksichtigt werden. Beispiel: Wenn nach einer Norm-Berechnung mit Planung der menschliche Erfahrungswert sagt, dass dies zwar richtig ist, aber so nicht oder nicht einwandfrei funktioniert, dann ist dies ein Ansatzpunkt für KI, die den Nutzer vor dem möglichen Fehler bewahrt.
Karl-Heinz Hottgenroth: Oberstes Ziel ist es, dass wir für unsere Kunden optimierte Planungshilfen entwickeln und so Mehrwerte schaffen. In diesem Zusammenhang werden wir weiterhin die Arbeiten des Kunden erleichtern, insbesondere auch durch den Einsatz von KI. So soll die Datenerfassung weiter minimiert werden, indem z. B. die Daten aus Architekturprogrammen oder anderen Anwendungen über IFC in unsere Software transportiert werden. IFC bietet mithilfe von Zertifizierungen die Möglichkeit, diese Daten in unterschiedlichen Leveln für entsprechende Anwendungsfälle auszutauschen. Natürlich ist damit nicht das Ende der Fahnenstange für die Einsatzgebiete von KI bei unseren Produkten erreicht. Im Gegenteil: Einige weitere Anwendungen sind auch schon in Bearbeitung, doch diese Geheimnisse wollen wir heute noch nicht lüften.

Bilder: IKZ

 


Artikel teilen:
Weitere Tags zu diesem Thema: