Kühlung (fast) zum Nulltarif
Hochleistungs-Energiepfähle zur Nutzung der Kühlwirkung des Bodens
Mit neuartigen Hochleistungs-Energiepfählen lässt sich die Kühlwirkung des Bodens für Großanwendungen, wie Prozesswärmeableitung und Großgebäude-Klimatisierung, wirtschaftlich nutzen. Mit einer Mantelfläche von bis zu 167 m² zum Erdreich und einem Inhalt von 65 m³ Wasser je Pfahl dringt das System in Kühlleistungsbereiche vor, die bisher konventionellen Kühltechniken vorbehalten waren. Möglich wird dies durch die Übertragung der bislang im Mast- und Hochbau eingesetzten Bauweise von vorgespannten Schleuderbeton-Fertigteilen auf die Anwendungen der Geothermie. Zum Einsatz kam die Technik bei der bayrischen Firma OM-Klebetechnik in der Prozesskühlung dreier Druckstraßen. Seither konnte der Strombedarf für die bisherige Kühlung auf den Bedarf der Umwälzpumpen gesenkt werden.
Energieeinsparmaßnahmen und der bewusste Umgang mit den Energien zählen zu den wichtigen betriebswirtschaftlichen Erfolgsfaktoren eines Unternehmens. Die Geothermie bietet mit ihren vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten für Heizen, Brauchwasserbereitung, aber auch für die Kühlung zahlreiche Möglichkeiten zur Einsparung fossiler Energien. Mit den „TerraCool-Hochleistungs-Energiepfählen“ aus hochfestem Schleuderbeton hat das Unternehmen Europoles die Effizienz von geschlossenen Erdwärmetauschern mit den Erfahrungen aus der Schichtenspeichertechnologie kombiniert. So macht der Hochleistungs-Energiepfahl (HEP) die Kühlwirkung des Bodens für Großanwendungen wie Prozesswärmeableitung und Großgebäude-Klimatisierung wirtschaftlich nutzbar.
Das „TerraCool-Basis-System“ wurde von Albert Vögerl in Verbindung mit der Firma Viatherm bereits 2004 entwickelt. Hintergrund waren die steigenden Aufwendungen zur konventionellen Kühlung von Anlagen und Gebäuden. Dieser Trend wird durch den Klimawandel noch verschärft. Im Zusammenhang mit steigenden Energiepreisen und einem hohen Energiebedarf bei konventionellen Gebäudekühlsystemen entstand die Zielsetzung, eine wirtschaftliche, energieeffiziente und nachhaltige Lösung für Kühlanwendungen zu schaffen.
Grundprinzip
Die Idee, die hinter dem Hochleistungs-Energiepfahl steht, ist die Übertragung der bislang im Mast- und Hochbau eingesetzten Bauweise von vorgespannten Schleuderbeton-Fertigteilen auf die Anwendungen der Geothermie. Dabei macht sich der Pfahl die Merkmale des in der Geologie als „oberflächennah“ (bis ca. 400 m Tiefe) definierten Bereichs der Geothermie zunutze. Beim Einsatz zur Kühlung nutzt der Pfahl die konstanten Temperaturen des Erdreichs von ca. 10 °C im Tiefenbereich von 15 bis 30 m – ein bereits seit Jahrhunderten eingesetztes Prinzip der natürlichen Kühlung. Erstmalig verbindet der Hochleistungs-Energiepfahl dabei einen Massivabsorber mit den thermischen Eigenschaften von Wasser, um die Kühle des Bodens für Großanwendungen wirtschaftlich nutzbar zu machen. Je nach Genehmigungsvorgaben und Kundenanforderungen ausgelegt, wird der zylindrische Behälter aus vorgespanntem Schleuderbeton in Längen von 10 bis 28 m sowie Durchmessern von 1,10 und 1,60 m gefertigt. Der Pfahl wird in eine mit einem klassischen Pfahlbohrgerät vorab durchgeführte Bohrung in den Untergrund eingebracht und der Ringraum zum Gebirge mit thermisch verbessertem Verpressmaterial verfüllt. Der Innenraum des Pfahls wird vor Ort mit Wasser gefüllt und mit einem auf die jeweilige Anwendung optimierten Wärmeübertragungssystem versehen.
Technische Beschreibung
Der Pfahl besteht aus Schleuderbeton der Güte C80/95. Der Beton der Expositionsklasse XA2 zeichnet sich durch einen hohen Widerstand gegenüber chemischen Angriffen aus. Der Hochleistungs-Energiepfahl verfügt über eine befahrbare Schachtabdeckung nach DIN EN 124. Das auf die jeweilige Anwendung ausgelegte Wärmeübertragungssystem mit gedämmtem Steigrohr gibt es in zwei Ausführungen: V4A-Edelstahl und PVC-U. Durch seine strömungsoptimierte Bauweise fasst er Volumenströme von 1000 bis 38 000 l/h. Die maximale Betriebstemperatur bei der Edelstahl-Variante beträgt dabei 95 °C, bei der PVC-U-Ausführung 60 °C. Zur Verpressung zum Gebirge wird die Suspension ähnlich wie bei Sondenbohrungen im Kontraktorverfahren eingebracht. Dies kann durch handelsübliche Mischpumpen, Kolloidalmischer oder mit der Fertigmischung aus Silos geschehen.
Funktionsweise
Das dem Pfahl zulaufende Trägermedium (Rücklauf des Kühlkreislaufs) überträgt einen Großteil seiner Wärmeenergie durch den Wärmetauscher auf die Füllung des Pfahls. Dabei steigt die Temperatur der Pfahlfüllung. Diese gibt die Wärme über die gesamte Pfahlwand an das thermisch optimierte Verpressmaterial und das umgebende Gebirge ab. Die Erwärmung des Wassers im Pfahl „puffert“ Lastspitzen in das Gebirge ab.
Das auf ca. 12 °C abgekühlte Trägermedium wird über das isolierte Steigrohr zurück zum Kühlkreislauf geleitet und über das Mischsystem exakt auf die jeweils geforderte Kühltemperatur geregelt. Aufgrund seiner Bauweise ist das System zweifach zum Erdreich geschlossen. Der Zugang zum Innenraum und zum Wärmeübertrager erfolgt über eine Revisionsöffnung am Pfahlkopf. Aufgrund des einfachen Funktionsprinzips ist für den Betrieb lediglich eine Umwälzpumpe für das Trägermedium erforderlich. Der Hochleistungs-Energiepfahl wird über standardisierte Sensorik-Schnittstellen in bestehende Steuerungssysteme integriert (Bild 1).
Planung und Bemessung
Die individuelle Leistung des Systems ist immer in Abhängigkeit von den entsprechenden geologischen Parametern zu sehen. Zur Einschätzung eines Standorts und der Ermittlung der Leistung kann die in Anlehnung an die VDI 4640 „Thermische Nutzung des Untergrunds“ erstellte Tabelle 1 herangezogen werden. Diese definiert drei beispielhafte Bodentypen. Die Planungs- und Realisierungsdauer beträgt etwa acht bis zehn Wochen. Aufgrund der geringen Tiefe von 10 bis maximal 28 m kann der Hochleistungs-Energiepfahl auch an Standorten eingesetzt werden, die bisher für geothermische Anwendungen nicht erschließbar waren. Zusätzlich verhindern das geschlossene System und der Verzicht auf Frostschutzmittel das Kontaminationsrisiko des Untergrunds in wasserwirtschaftlich kritischen Bereichen. Auf Basis bisheriger Projekterfahrungen wurde der Hochleistungs-Energiepfahl durch Wasserwirtschaftsämter auch in Gegenden genehmigt, die sonst keine Nutzung der Geothermie zulassen. Die Energiepfähle können dabei sowohl im Rahmen von Modernisierungsmaßnahmen, als auch von Neubauprojekten eingesetzt werden.
Praxisbeispiel „OM-Klebetechnik“
Ein Beispiel aus der Praxis ist der Einsatz der Technik bei der Firma OM-Klebetechnik aus dem bayerischen Seligenporten, die das System zur Prozesskühlung ihrer Druckstraßen verwendet. Die OM-Klebetechnik ist ein mittelständisches Unternehmen und bietet ein großes Spektrum an speziellen Klebeprodukten und Dienstleistungen an. Zum Maschinenpark des Unternehmens zählen neben Stanz- und Laserschneidmaschinen drei Druckmaschinen, die mit Kühltemperaturen von 21 bis 23 °C versorgt werden müssen. Bisher wurde zur Erzielung der hohen Druckqualität eine aktive Kühlung durch Einsatz von Kaltwassermaschinen eingesetzt, die Kosten von mehr als 30 000 Euro pro Jahr verursachten. Um sich von steigenden Energiepreisen unabhängig zu machen und langfristig die Wettbewerbsfähigkeit am Standort Deutschland zu sichern, suchte das Unternehmen eine Möglichkeit, Erneuerbare Energien einzubinden. Neben der Wirtschaftlichkeit wurde vonseiten der Geschäftsführung besonderer Wert auf die Verbesserung der Umweltbilanz gelegt. Nach intensiven Beratungsgesprächen mit der Firma Europoles entschied man sich für den Einsatz des Hochleistungs-Energiepfahls und konnte damit die Nutzung der Geothermie umsetzen. Dabei waren für den Auftraggeber insbesondere die Energieeffizienz und der geringe Platzbedarf der Energiepfähle wichtig. Ein weiterer Pluspunkt war die reibungslose Integration der Pfähle in das vorhandene Kühlsystem, ohne den laufenden Betrieb unterbrechen zu müssen.
Die Aufgabe bestand auch darin, mit dem Großbohrgerät „Liebherr LB36“ in einem Abstand von nur 2 m zum Gebäude verrohrte Bohrungen mit einem Durchmesser von 1,50 m vorzunehmen. Nach der Durchführung der Bohrungen wurden sechs Hochleistungs-Energiepfähle in den Boden eingebracht und gegen das Gebirge verpresst (Bild 2). An das bereits installierte Rohrleitungssys-
tem wurden zwei Pumpen angeschlossen, die das Wasser durch die sechs unter dem Parkplatz eingelassenen Pfähle (20 m, 1,10 m Durchmesser, 13,5 m³ Wasserinhalt je Pfahl) umwälzen. Dabei wurde der Kühlkreislauf der Druckanlagen mittels Wärmeübertrager mit den sechs eingesetzten Hochleistungs-Energiepfählen verbunden. Auf diese Weise konnte die Rücklauftemperatur der Druckmaschinen von 50 °C auf die benötigte Vorlauftemperatur von 21 bis 23 °C gesenkt werden. Mithilfe eines Echtzeit-Monitorings kann jederzeit der aktuelle Status des Systems abgerufen und die Temperaturen überwacht werden (Bild 3).
Anfang April 2013 wurde ein mehrwöchiger Spitzenlastversuch in einem Pfahl durchgeführt, um die tatsächliche Leistung der Anlage zu ermitteln. Hierzu wurde im Wochenabstand jeweils einer der weiteren fünf Pfähle vom Netz genommen und die zusätzliche Mehrleistung auf den Test-Pfahl gelegt. Mithilfe von Temperaturfühlern in zusätzlich niedergebrachten Bohrungen konnte überwacht werden, wie weit sich Temperaturfahnen im anliegenden Gesteinsverbund ausbreiten. Nach Auswertung der Anlagendaten kann bei einer durchschnittlichen Jahresarbeitszeit von 2400 h somit eine Gesamtkühlenergie von 6 MWh pro Energiepfahl und Jahr sicher erreicht werden. Als durchschnittliche Leistung können bei 2400 Arbeitsstunden ca. 2,5 kW pro Pfahl angesetzt werden (= 25 kWh pro Arbeitstag).
Durch den ca. sechswöchigen Spitzenlastversuch konnten empirische Grenzwerte erfasst werden: Sie liegen oberhalb der gemessenen Kühlenergie von 6 MWh pro Energiepfahl und Jahr. Als Ergebnis kann abschließend eine theoretische Kühlleistung von durchschnittlich ca. 4,5 kW pro Pfahl bei einer Betriebsdauer von 2400 h im Jahr für die Anlage in Seligenporten angenommen werden. Somit kann für ein Arbeitsjahr mit 2400 h eine theoretische maximale Jahreskühlenergie von 10,8 MWh/a pro Pfahl erreicht werden. Diese Zahl soll ausschließlich als Richtwert betrachtet werden. Im Mittelpunkt der Projektumsetzung bei der Firma OM-Klebetechnik stand die Aufrechterhaltung des laufenden Druckbetriebs während der Einbringung der Hochleistungs-Energiepfähle.
Wissenschaftliche Begleitung
Das Gesamtprojekt wurde durch das Geo-Zentrum Nordbayern der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg wissenschaftlich begleitet. Im Zuge dessen wurden Leistungsversuche durchgeführt und für drei ausgewählte und definierte Bodengruppen Planungsgrundlagen geschaffen. Andreas Oßberger verfasste zu diesem Thema seine Masterarbeit mit dem Titel „Dokumentation und Auswertung eines Spitzenlastversuches zu Hochleistungsenergiepfählen am Beispiel der Pilotanlage Seligenporten“ bei Prof. Dr. Joachim Rohn am Lehrstuhl für Angewandte Geologie. Zur wissenschaftlichen Auswertung wurden die Temperaturmesswerte jedes einzelnen Pfahls mitsamt den Parametern der Druckmaschinen über elf Monate in Abständen von 5, 10 oder 20 min aufgezeichnet, sodass insgesamt etwa 3,51 Mio. Werte zur Verfügung standen. Aus den Leistungsversuchen wurden u. a. folgende Aussagen abgeleitet:
- „Das Anlagensystem ist geeignet, die in Seligenporten anfallenden Wärmemengen dauerhaft abzutragen. Die einzelnen Hochleistungs-Energiepfähle sind darüber hinaus belastbarer, als dies in der Anlagenprojektierung vermutet wurde. Durch Optimierung von Nutzerprofil und Pfahlgeometrie [...] sind weitere Leistungssteigerungen der Pfähle möglich.“
- „Prinzipiell sind Hochleistungs-Energiepfähle immer dann sinnvoll, wenn hohe Leistungen auf geringen Flächen abgetragen werden sollen. Dies macht Energiepfähle zu einer wirtschaftlichen Alternative bei großen Industrieanlagen mit hoher Prozessabwärme.“
„Optimierungspotenzial besteht vor allem in der Anpassung der Geometrie und der Nutzerprofile sowie der Verbesserung des Wärmeflusses in das Gebirge. Besonders durch einen Pendelspeicherbetrieb, bei dem der Pfahl im Sommer zur Kühlung und im Winter zur Wärmegewinnung herangezogen wird, kann eine weitere signifikante Erhöhung der Entzugsleistung bewirkt werden“, erklärt Albert Vögerl, Technischer Berater bei Europoles. Zudem besteht die Möglichkeit, das System als unterirdischen thermischen Energiespeicher auszulegen. Erkenntnisse zu konvektiven und oberflächennahen Einflüssen stehen für weitere Langzeitbeobachtungen ebenfalls im Fokus des Interesses. Bild 4 zeigt das Leistungsdiagramm eines Hochleistungs-Energiepfahls.
Fazit
Bei der Firma OM-Klebetechnik wurden die Back-up-Kaltwasser-Kühlmaschinen nach Abschluss des Probebetriebs entfernt. Sie werden nun vollständig durch Hochleistungs-Energiepfähle ersetzt. Dabei rechnet die Firma mit Energiekosten für den Betrieb der Umwälzpumpen für das System von gut 200 Euro pro Jahr – und spart damit rund 30 000 Euro Kosten pro Jahr ein. „Mit herkömmlichen am Markt erhältlichen Systemen, wie konventionellen Energiepfählen oder Erdwärmesonden, wäre dies nicht realisierbar. In der Anwendung ist das System einfach auszulegen und in bestehende Kühlsysteme einbindbar. Es kann schnell montiert werden und hat einen geringen Platzbedarf“, erläutert Vögerl und weiter: „Zusammengefasst ist der Hochleistungs-Energiepfahl die schlüssige Kombination bewährter Systeme aus der Geothermie. Zudem erfolgt eine direkte Substitution elektrischer Energie durch Erneuerbare Energie. Damit ist der Energiepfahl nicht nur eine effiziente und wirtschaftliche, sondern auch eine nachhaltige Lösung. Beim Einsatz im Pendel- oder gleichzeitigem Betrieb im Kühl- und Heizmodus erzielt der Pfahl noch größere Leistungen, sodass die zugeführte Wärmeenergie zielgerichtet für Heizzwecke eingesetzt werden kann.“
Bilder: Europoles, Neumarkt