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Kritische Töne zum DVGW-Arbeitsblatt W 556 (A)

Unter der Überschrift „Auffälligkeiten wirksam begegnen“ haben wir in Ausgabe 10/2016 einen Bericht zum DVGW-Arbeitsblatt W 556 (A) „Vorgehen bei mikrobiellen Mängeln in der Trinkwasser-Installation“ veröffentlicht. Zum DVGW-Arbeitsblatt erreichten uns daraufhin zahlreiche Anmerkungen und Denkanstöße von Karl-J. Heinemann, Sachverständiger aus Schleching. Wir geben sein Statement hier Auszugsweise wider. Die sehr umfangreiche Originalfassung des Leserbriefes findet sich ebenso wie der Fachbeitrag unter www.ikz.de (Suchwort: W 556).

 

Schon die Beschaffung der „zu berücksichtigen Unterlagen zur Aufnahme des Istzustandes“ der Trinkwasseranlage (W 556, Abs. 5.4.4) dürfte das „Sanierungsteam“ vor unlösbare Probleme stellen. Diese Unterlagen sind aber für eine qualitative Beurteilung der Anlage notwendig, da es „ansonsten zur Fehleinschätzung von relevanten Gefährdungspunkten und Maßnahmen“ kommen kann“. Auch die Kenntnis des Verbraucherverhaltens (Nutzungshäufigkeit, -art, Verbrauchsmengen) ist angesichts der Variationsbreite der möglichen Benutzungsrandbedingungen nicht mit ausreichender Sicherheit zu bekommen. Wie kann z.B. in einem Mietshaus (zeitabhängig) zu geringer Verbrauch oder Stagnation gemessen, bewertet und den einzelnen Verursachern (Mietern) zugeordnet werden?

Allein die Festlegung und Anbringung der Messeinrichtungen, die Erfassung der Messwerte, Aus- und Bewertung, in Abstimmung mit den übrigen Anforderungen setzt ein wissenschaftlich ausgebildetes Sanierungsteam voraus, das keine Zeit und Kosten scheuen darf, um diesen Festlegungen gerecht zu werden. Das gilt auch für die Überwachung der Nachhaltigkeit der Maßnahmen über eine „enge Eigenkontrolle“ der dort genannten „Prozesse“ durch den „Betreiber“ und die Erstellung der Prozessunterlagen durch Mitarbeiter und Fachbetriebe mit nachgewiesener Fachqualifikation für Hygiene.

Der Absatz „Sanierungsmaßnahmen offenbart ein weiteres Problem: Die im W 557, „Anhang B Werkstoffübersicht“ aufgelisteten Werkstoffe gelten nach Herstellerangaben als „beständig“. Die Desinfektionsbeständigkeit wird zwar im DVGW-Regelwerk gefordert, aber wie die Prüfnorm W 542 Mehrschichtenrohre zeigt, nicht geprüft. Ob sich die „Empfehlung" zur „Einhaltung der Anwendungskonzentrationen und Einwirkzeiten“ auf die Werte der Tabelle 3 in W 557 bezieht oder auf die der jeweiligen Herstellerangaben, ist aus dem Wortlaut des W 557 nicht zu erkennen. Darüber hinaus wird z.B. von namhaften Herstellern von Kunststoffrohren und -systemen für die Richtigkeit der Angaben in ihren Technischen Handbüchern keine Haftung übernommen.

Forscher haben aufgrund neuer Nachweismethoden erkannt, dass Legionellen und andere Keime unter Stressbedingungen in einen „Schlafzustand“ wechseln (VBNC-Zustand = viabel but non culturabel = lebensfähig aber nicht kultivierbar). Zu diesen Stressfaktoren zählen u.a. ungünstige Umgebungstemperaturen, die Anwesenheit von Desinfektionsmitteln, Nahrungsmangel, Mikrobenkonkurrenz oder antimikrobielle Werkstoffe (Bericht in IKZ-HAUSTECHNIK 19/2014). Der VBNC-Status erhöht zudem die Widerstandsfähigkeit gegenüber thermischen oder chemischen Desinfektionen. Das haben Untersuchungen zu Biofilmen in der Trinkwasserinstallation (BMBF-Projekt „Biofilme in der Trinkwasserinstallation – 2006/2010“ und „Biofilm-Management – 2010/2014“) gezeigt. Nach Beseitigung dieser Faktoren sind sie wieder aktiv. (Bericht in IKZ-FACHPLANER, Juli 2014).

Die Gefährdung der Gebrauchstauglichkeit der Anlage durch Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen wird u.a. im DVGW-Arbeitsblatt W 557 (Oktober 2012) beschrieben. Eine werkvertragliche Verpflichtung (Erfolgshaftung) ist deshalb existenzgefährdend und abzulehnen. Geschuldet werden kann nicht der „Erfolg“, sondern (nur) die „Handlung“ nach Anweisung des „Sanierungsteams“ (siehe W 556, Abs. 5.4.8) analog Dienstleistungsvertrag.

Unternehmer sollten ihre Auftraggeber mündlich über die Risiken aufklären, schriftlich darauf hinweisen, sowie eine Einverständniserklärung einholen, dass eine Gewährleistung für eine erfolgreiche und nachhaltige Reinigung und Desinfektion und damit verbundene Schäden nicht übernommen wird. Auch sollte der Installateur keine weitergehenden Maßnahme- oder Prüfpflichten übernehmen, die nur von qualifizierten Mikrobiologen, Medizinern und Biochemikern, Hygienikern, Wasser- und Werkstoffkundlern usw. beherrscht, benannt und vorgegeben werden können. Eine Lösung biologisch-hygienischer Probleme kann von Fachfirmen der Hausinstallation weder für die Planung, die Installation noch für die Inspektion und Instandhaltung übernommen werden, wenn schon nach dem Stand der Wissenschaft keine sicheren Handlungsanweisungen gegeben werden können.

Karl-J. Heinemann, Schleching
Telefon/Fax: 08649 1216 oder 089 367926

 


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