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Konfliktsituation: Trinkwassereinsparung oder Trinkwasserhygiene? Planungshinweise für Sanitärtechniken in Gebäuden des öffentlichen Bereichs

Bei der Problemdiskussion einer Planung von Sanitärtechnik für Gebäude des öffentlichen Bereichs macht es Sinn, zwei Planungsbereiche im Kontext zu betrachten; nämlich die der Sanitärraumausstattung simultan mit der der Trinkwasserinstallation. Mit anderen Worten: Entscheidungen zur Wahl von Sanitärausstattungen sollten niemals losgelöst von denen der Trinkwasserinstallation erfolgen – und umgekehrt. Wird dies nicht beachtet, sind mikrobielle Kontaminationen des Trinkwassers, z.B. mit legionella pneumophila oder pseudomonas aeruginosa, einschließlich juristischer Folgen für den Betreiber vorprogrammiert.

Die Quellen mikrobieller Kontaminationen innerhalb von Trinkwasser­installationen.

Wasserbenetzte Innenoberflächen von Trinkwasserinstallationen werden von einem Biofilm besiedelt.

Struktur des Wassermanagementsystems „AQUA 3000 open“.

Duscharmaturen im öffentlichen Bereich müssen eine Verbrühschutz-Funktion besitzen und sollten für den Fall einer thermischen Desinfektion über einen internen Bypass zur Umgehung der Thermostatfunktion verfügen.

Mithilfe eines Wassermanagementsystems ist eine regel- und hygienekonforme thermische Desinfektion einschließlich einer Protokollierung aller notwendigen Daten möglich.

 

Wassergängige Bakterien, die frei mit dem Wasser mitschwimmend über das örtliche Versorgungsnetz in eine Hausinstallation gelangen, haben aufgrund einer in dieser Situation mangelhaften Nährstoffverfügbarkeit in der Regel keinen aktiven Stoffwechsel und somit auch nicht die Fähigkeit sich zu vermehren. Ohne diese sind sie für den Menschen auch nicht krankmachend. Trotzdem kommt es immer wieder zu Infektionsfällen, wenn dieses bis dahin unbedenkliche Wasser an den Zapfstellen vom Verbraucher genutzt wird. Demzufolge ist auf dem Wege durch die Installation ein Qualitätsverlust zu besorgen. Um diese Ursächlichkeit zwischen Hausinstallation und möglicher Zustandsveränderung des Trinkwassers zu verstehen, bedarf es eines kleinen Exkurses in die Mikrobiologie.

Grundvoraussetzung: Biofilm
Damit Bakterien einen Stoffwechsel und damit die Fähigkeit zur Replikation erlangen können, bedarf es einer wichtigen Voraussetzung, nämlich die eines intakten Biofilms. In diesem können sie sich dann kollektiv wechselwirkend gegenseitig Nahrung und Schutz bieten, lebenswichtige Informationen austauschen und notwendige Symbiosen eingehen. Ein solcher Bio­film wird immer dann und dort entwickelt, wenn eine flüssige und eine feste Phase eine gemeinsame Grenzschicht bilden. Also beispielsweise auf der Innenoberfläche eines mit Wasser berührten Installationsmaterials. Durch Adsorptionskräfte, die seitens des Installationsmaterials auf die in der flüssigen Phase feinst verteilte Spezies wirken, werden diese regelrecht an die Materialoberfläche gezogen. Hier angelangt beginnen sie sofort mit einem gegenseitigen Informationsaustausch über ihre Anwesenheit. Der sich jetzt entwickelnde Bio­film durchläuft mehrere Entwicklungsstadien bis hin zur fertig ausgebildeten Plateauphase.
Der Biofilm ist für die Bakterien zwar die wichtigste Voraussetzung, ihre Replikationsfähigkeit zu erlangen, was aber nicht zwingend zu ihrer Human-Pathogenität führen muss. Dazu bedarf es individueller Rahmenbedingungen. Die Spezies legionella pneumophila beispielsweise ist nicht per se krankmachend, sondern nur unter bestimmten Umständen. Zu diesen zählen, neben einem ausreichenden Nährstoffdargebot, auch die beiden durch die Sanitärtechnik und ihren Betrieb zu beeinflussenden Faktoren: geringe Wasseraustauschraten in Form von Stagnation und günstige Temperaturen.
Somit sei zusammenfassend gesagt, dass grundsätzlich jedes Trinkwasserinstallationssystem früher oder später mit einem Biofilm besiedelt wird. Die Geschwindigkeit und seine Ausprägung sind von einer Vielzahl von Faktoren abhängig, wie dem Grad der Bioverwertbarkeit des verwendeten Installationsmaterials und dem Umgang mit diesem vor und während der Montage. Demzufolge muss das Planungsziel einer hygienekonformen Sanitärtechnik sein, dem Betreiber am Tage der Bauabnahme eine Trinkwasserinstallation und Sanitärausstattung übergeben zu können, die dieser von diesem Tage an hygienekonform betreiben kann. Also unter Vermeidung der beiden idealen Replikationsbedingungen Stagnation und güns­tige Temperaturen.

Konfliktsituationen in der Sanitärtechnik
Es gibt bei der Planung und während des Betriebes einer Sanitär-Anlage Konfliktsituationen, die sich in Form von vermeintlich unlösbaren Widersprüchen darstellen. Diese sind schon so alt wie die Sanitärtechnik selbst. Aber entweder waren sie uns aus mangelnden Kenntnissen in der Vergangenheit gar nicht bewusst oder wir haben sie wegen fehlenden technischen Lösungen einfach ignoriert.
Eine erste zu nennende Konfliktsituation besteht in folgenden sich scheinbar unversöhnlich gegenüber stehenden Interessen: Trinkwassereinsparung bei gleichzeitiger Trinkwasserhygiene. Wenn beide Zielstellungen einmal gedanklich in ihrer Maximalforderung formuliert werden, muss man zu dem Schluss kommen, dass sie sich gegenseitig sogar ausschließen. Das Dilemma ist, dass hinter beiden Interessen ein und dieselbe Person steht, nämlich der Betreiber. Sein erstgenanntes Ziel ergibt sich aus der Notwendigkeit einer wirtschaftlichen Betriebsweise. Das zweite Ziel ergibt sich aus der Verkehrssicherungspflicht und der daraus abzuleitenden Haftung, wenn er mit Krankheitserregern kontaminiertes Wasser an andere Nutzer abgibt. Der Kompromiss zu diesem Konflikt kann nur lauten: Wasser muss fließen, wenn es hygienisch notwendig ist; aber wenn es fließt, dann nur in notwendiger Menge. Das bedeutet einerseits, dass das Wasser die Installation verlassen muss, wenn eine kritische Stagnationszeit erreicht wird oder kritische Temperaturen erreicht werden. Andererseits bedeutet es, dass Wassersparen auf „Teufel komm raus“ Unsinn ist. Vielmehr sollte das Vermeiden von Trinkwasservergeudung propagiert werden.
Eine zweite Konfliktsituation ergibt sich durch die Planungsannahmen gegenüber dem späteren tatsächlichen Betrieb. Welcher Planende wolle ernsthaft behaupten, er wisse ganz genau welcher Nutzungscharakteristik die Sanitärtechnik später tatsächlich unterliegt? Eine der aussichtslosesten Versuche besteht allein schon in der Definitionsabsicht der Frequentierungshäufigkeit einzelner Zapfstellen. Und wie soll beispielsweise verfahren werden, wenn die typische Nutzung z.B. in Schulen oder Sportstadien einer erheblichen Schwankung wenn nicht sogar längeren Unterbrechung unterliegt? Die verheerende Folge ist in der Regel eine Überdimensionierung und damit Hauptursache für mangelnde Wasseraustauschraten.
Wenn der bestimmungsgemäße Betrieb zum Zeitpunkt der Planung nicht exakt definiert werden kann, sollte die Sanitärtechnik selbstständig in der Lage sein, den Widerspruch zwischen Planungsannahmen und tatsächlichem Betrieb zu kompensieren. Die Schlussfolgerung kann eigentlich nur lauten: Eine hygienekonforme Planung und Betriebsweise von Sanitärtechnik im öffentlichen Bereich ist mit herkömmlicher Ausstattung kaum noch möglich, sondern nur noch mittels der Gebäudeautomation.

Regelwerke und technische Empfehlungen
Der Maßstab eines Pflichtenverstoßes für den Planenden ist entweder der Vertrag mit dem Auftraggeber oder, wenn dieser Interpretationen zulässt, das Niveau der allgemein anerkannten Regeln der Technik. Nun ist es im Rahmen dieses eingeschränkten Beitrages nicht möglich, die Frage zu diskutieren, welche technische Lösung im Einzelfall diesem Niveau entspricht. Aber es kann hier unterstellt werden, dass die folgenden Regelwerke und ein Großteil ihrer technischen Empfehlungen mit den Meinungen vieler Fachleute übereinstimmen und als sinnvoll angesehen werden.
An dieser Stelle seien nur einige wenige Empfehlungen im Sinne einer Sensibilisierung erwähnt:

  • Eine der wichtigsten Fehlerquellen einer mangelhaften Planung ist bereits in der Nichtbefolgung der Empfehlung der VDI 6023 zu sehen. Hiernach ist vor Beginn einer Planung der bestimmungsgemäße Betrieb zu definieren. Dazu macht es Sinn, dass sich der Auftragnehmer mit dem Auftraggeber als Wissensträger des späteren Betriebes „an einen Tisch setzt“. Ist dies erfolgt, muss die darauf basierend geplante Sanitärtechnik ab dem Tage der Bauabnahme einen hygienekonformen Betrieb, also ohne Stagnation und kritische Temperaturen, ermöglichen.
  • Wenn in der VDI 6023 von einem Wasseraustausch nach drei Tagen die Rede ist, sollte dies als Kompromiss interpretiert werden. Jeder Planer sollte davon ausgehen, dass er bei einer schwer vorhersehbaren Nutzung der Sanitärtechnik eine technische Lösung in Form von elektronischen Armaturen einplanen sollte, die möglichst auf eine selbstständige Aktivierung ab acht Stunden bis spätestens 72 Stunden Nichtbenutzung programmiert werden können.
  • Ebenso wäre sinnvoll, wenn die Technik die Temperaturen im Trinkwasser überwacht und dann selbstständig für einen Wasseraustausch sorgt, falls ein kritischer Wert – verursacht durch Stagnation – erreicht wird. Bedauerlicherweise ist in der VDI 6023 und der DIN 1988-200 von 25°C die Rede, dies ist zu hoch; 19°C wären besser.
  • Laut VDI 6023 sollten permanent die Werte Temperatur, Durchflussmenge und Druck erfasst werden. Dies erleichtert wesentlich die Überwachung der Hygienekonformität und lässt Rückschlüsse auf Problemstellen zu.
  • Da laut DVGW W551 die Warmwassertemperatur im Vorlauf 60°C betragen soll, muss andererseits die Forderung in der VDI 3818 nach einem Verbrühschutz sichergestellt werden. Dies bedeutet, dass im gesamten öffentlichen Bereich, zumindest im Duschbereich, ein Thermostat einzusetzen ist. Ein mechanischer Temperaturanschlag ist nicht ausreichend, da er bei Totalausfall der Kaltwasserseite kein selbstständiges Schließen der Armatur bewirkt.

Für den Fall einer notwendigen thermischen Desinfektion ist dann aber eine für den Betreiber in der Praxis einfach zu handhabende Bypasslösung zur Umgehung des Thermostaten notwendig. Diese sollte so installiert werden, dass trotz Umgehung der gesamte Armaturenkörper – also alles mit einem Biofilm besiedelte Material – mit erwärmt wird.

  • Um die Empfehlungen nach Vermeidung von Schmierinfektionen gerecht zu werden, sollten berührungslos gesteuerte Armaturen zumindest im Spülbereich eingesetzt werden.


Eine mögliche Lösung
Wenn man zu den zuvor genannten Kompromissen eine entsprechende technische Lösung sucht, wird man bei den Anbietern von Gebäudeautomationssystemen oder in diesem Falle Wassermanagementsystemen fündig. Eine mögliche technische Lösung verspricht das „AQUA 3000 open“ von der Franke Aquarotter GmbH. Das Wassermanagementsystem besteht in der Verwendung elektronisch gesteuerter Armaturen, die untereinander über ein CAN-BUS-System kommunizieren und in Gebäudeautomationssysteme via Ethernet integrierbar sind. Alle zuvor genannten Forderungen sind mit dieser Technik realisierbar, so z.B.:

  • Vermeidung von Überdimensionierung durch eine Gleichzeitigkeitsunterdrückung der Armaturen. Der Planer kann dadurch beispielsweise bei der Rohrnetzberechnung für eine Reihe von Spül­armaturen davon ausgehen, dass nur eine programmierte Anzahl von Spülungen gleichzeitig erfolgt. Oder es erfolgt während einer hohen Gleichzeitigkeit bei der Benutzung von Urinalen oder Duschen eine automatische Laufzeitreduzierung.
  • Stagnation und kritische Temperaturen sind praktisch ausgeschlossen, da jede wasserabgebende Stelle auf eine zeitabhängige Hygienespülung oder temperaturabhängige Hygienespülung programmierbar ist.
  • An repräsentativen Stellen im Installationssystem werden alle zwei Minuten sowohl die Kaltwasser- als auch die Warmwassertemperaturen erfasst und protokolliert, einschl. der Volumenströme. Während der thermischen Desinfektion erfolgt dies alle zehn Sekunden.
  • Eine berührungslose Auslösung zur Vermeidung von Schmierinfektionen – notwendig zumindest bei allen Spülarmaturen – ist durch Infrarot- oder kapazitive Sensoren möglich. Im Duschbereich werden in der Regel Piezosensoren eingesetzt.
  • Alle Duscharmaturen sind als Thermostat mit internem Bypass für die thermische Desinfektion ausgelegt.
  • Eine wirtschaftliche Betriebsweise wird u.a. erreicht durch das selbstständige Anpassen der Wasserabgabe an den tatsächlichen Bedarf durch die Elektronik. Dies wird beispielsweise durch eine automatische Laufzeitreduzierung bei Frequentierungsanstieg oder unerwünschter Manipulation erreicht.


Literatur:
DIN 1988-200: Technische Regeln für Trinkwasser-Installationen - Teil 200: Installation Typ A (geschlossenes System) - Planung, Bauteile, Apparate, Werkstoffe; Technische Regel des DVGW
VDI 6023: Hygiene in Trinkwasser-Installationen - Anforderungen an Planung, Ausführung, Betrieb und Instandhaltung
DVGW W 551: Technische Maßnahmen zur Verminderung des Legionellenwachstums in Neuanlagen
DVGW W 553: Bemessung von Zirkulationssystemen in zentralen Trinkwassererwärmungsanlagen
VDI 3818: Öffentliche Sanitärräume
VDI 6000: Ausstattung von und mit Sanitärräumen
VDI 2067: Wirtschaftlichkeit gebäudetechnischer Anlagen
DIN 1988-100: Technische Regeln für Trinkwasser-Installationen - Teil 100: Schutz des Trinkwassers, Erhaltung der Trinkwassergüte; Technische Regel des DVGW
DIN EN 1717: Schutz des Trinkwassers vor Verunreinigungen in Trinkwasser-Installationen und allgemeine Anforderungen an Sicherungseinrichtungen zur Verhütung von Trinkwasserverunreinigungen durch Rückfließen; Deutsche Fassung EN 1717:2000; Technische Regel des DVGW

Autor: Reinhard Bartz

www.franke.com

 


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