Keine einfache Materie
Den Ursachen von Werkstoffkorrosion und verkürzten Standzeiten von Installationen in der Technischen Gebäudeausrüstung auf der Spur
Auf dem Deutschen Sachverständigentag am 9./10. November in Leipzig trafen sich rund 350 Sachverständige, u.a. aus den Bereichen Bauwesen, Betriebswirtschaft, Innenraumhygiene, Immobilienbewertung, Maschinen und Betriebseinrichtungen sowie Technische Gebäudeausrüstung (TGA) zum Wissens-Update. IKZ-Chefredakteur Markus Sironi war vor Ort und hat insbesondere die Vorträge aus dem Bereich der Werkstoffkorrosion in der TGA verfolgt.
Die Ursachen von Korrosionsschäden in der Sanitär- und Heizungstechnik sind ebenso vielfältig wie komplex. Mal liegt es am Werkstoff selbst, mal an den Betriebsbedingungen oder der Verarbeitung. Mitunter kommt es auch zu einem Bauteilversagen, weil das Material zu dünnwandig dimensioniert wurde und nach wenigen Jahren im Alltagsbetrieb versagt. Zudem treten aufgrund von Werkstoffwechseln oder Legierungsanpassungen in der Praxis immer wieder neue, unbekannte Korrosionsphänomene auf. Daneben scheint es so, als dass immer wieder auch bislang wenig beachtete mikrobiologische Prozesse bei der Ursache von Schäden eine mitunter entscheidende Rolle spielen.
Lochkorrosion an Kupferrohren
Ein Beispiel sind ungeklärte Fälle von Kupferkorrosion. Betroffen sind halbharte Kupferrohre in warmen oder kalten Trinkwasseranlagen. Bereits nach wenigen Jahren kommt es zu einer tunnelartigen Lochkorrosion. „Die kennen wir so nicht“, sagt Prof. Ralf Feser von der Fachhochschule Südwestfalen. Er hat Untersuchungen zu den Schadensmechanismen durchgeführt und dabei im Bereich der Schadstellen häufig silikatische Ablagerungen entdeckt. Testreihen mit unterschiedlichen Wässern hätten gezeigt, dass diese Silikatfilme auf voroxidierten Kupferrohren tatsächlich die Lochkeiminitiierung und damit die Bildung von Lochkorrosion begünstigen. „Die Mechanismen dieser Korrosionsform sind damit verstanden. Ungeklärt ist aber nach wie vor, wie sich die Silikatablagerungen im betroffenen Versorgungsgebiet erklären lassen“, so Prof. Feser. Der Silikat-Gehalt im Wasser sei nicht auffällig gewesen. „Möglicherweise spielen mikrobielle, also bakterienindizierte Prozesse eine Rolle“, so seine Vermutung. Inbetriebnahme oder Betriebsbedingungen – Stichwort Stagnation – seien weitere Faktoren, die ursächlich sein könnten. Doch wären weitere Untersuchungen notwendig, um die Zusammenhänge vollends zu verstehen.
Nichtrostenden Stahl gibt es nicht
Über Korrosionsschäden an Rohrleitungen aus nichtrostenden Stählen im Trinkwasserbereich berichtete Dr. Hubertus Schlerkmann. „Nichtrostenden Stahl gibt es nicht, das ist nur der Name“, lautete eine markante Aussage des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für Korrosion und Korrosionsschutz von Stahl. Bereits das Ablängen von Edelstahl-Rohrleitungen mittels Winkelschleifer könne Ursache für eine spätere Korrosion sein. Zum einen aufgrund der Wärmeentwicklung und der damit einhergehenden Strukturveränderung im Bereich der Trennstelle. Zum anderen kann der beim Trennen entstehende Funkenflug Innen- wie auch Außenkorrosion zur Folge haben, weil der Stahl sich an den betroffenen Stellen nicht mehr passivieren kann. Auch bei Einsatz geeigneter Trennscheiben sei das Verfahren kritisch zu bewerten.
Desinfektionsmaßnahmen seien eine weitere, inzwischen bekannte Ursache von Korrosionsschäden. Weniger bekannt sei dagegen die Ursache „Tropfwasser von außen“. Dabei kommt es – stets unter dem Einfluss von Wärme – in einem lokal begrenzten Bereich zur Aufkonzentration der im Tropfwasser gelösten Salze auf der Rohroberfläche und dadurch im weiteren Verlauf zu Rissen im Material.
Den potenziellen Einfluss von Bakterien verdeutlichte Dr. Schlerkmann anhand von Schadensfällen, die vor Jahren in Köln aufgetreten waren und für Rätselraten sorgten. Damals wurde im betroffenen Gebiet die Wasserversorgung umgestellt. Das durch Uferfiltration gewonnene Rohwasser musste infolge dessen nicht mehr desinfiziert werden. „Doch offensichtlich wurden bestimmte Bakterien im Wasser dadurch nicht mehr abgetötet, es kam zu einer sogenannten Potenzialveredlung und in der Folge zu Korrosionsschäden. „Das Wasser war hygienisch einwandfrei“, so der Experte, „aber eben korrosiv“. Die genauen Ursachen wurden letztlich aber nicht ermittelt. Durch eine Werkstoffanpassung bei den nichtrostenden Stählen für Trinkwasser wurde das Problem nachhaltig eliminiert.
Schäden an Messingfittingen
Entzinkung und interkristalline Korrosion von Messing sind andere, gefürchtete Phänomene, über die Werner Kachler, öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Korrosion und Schadensanalytik metallischer Werkstoffe mit mikroskopischen Methoden, am Beispiel von CW602N berichtete. Diese Legierung ist in Form von Fittings und Verlängerungen millionenfach verbaut worden. Neben installationsbedingten Einflüssen wie zu starkes Einhanfen bzw. Anziehen, der Trinkwasserzusammensetzung und herstellungsbedingten Fehlern seien es besonders die Eigenschaften dieser einphasigen alpha-Messing Legierung, die den Schadensmechanismus interkristalline Korrosion als primäre Ausgangsreaktion für weitere Schäden wie Spannungsrisskorrosion oder Entzinkung verantwortlich machten, so Kachler. Es gäbe keine Sicherheit zur Vermeidung von Korrosionsschäden an Installationsteilen aus Messing. Um das Risiko zu minimieren empfiehlt Kachler, das Regelwerk für eine fachgerechte Installation strikt zu befolgen. Ein Großteil der Schadensfälle ließe sich allerdings vermeiden, wenn die Bauteile entsprechend stärker dimensioniert würden, unterstrich der Korrosionsexperte. Ein Appell, der sich an die Hersteller richtete.
Handwerkliche Fehler als Schadenursache
Über die Auswirkungen fahrlässig ausgeführter Installationen auf die Standzeit(en) berichtete Ralf Masuch, öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger, Installateur und Heizungsbauer. Durch eine mangelfreie Planung und Ausführung der Installation könne eine Standzeit von mindestens 50 Jahren erreicht werden. Gerade auf großen Baustellen zeigten sich aber immer wieder gravierende handwerkliche Fehler, die erhebliche Auswirkungen darauf hätten. Als ein Beispiel nannte der Praktiker den Umgang mit Material auf der Baustelle. Die Rohre würden über den Boden geschleift, Fittings auf dem Rohboden abgelegt. „Eingebrachte Schmutzpartikel oder Baustellendreck lassen sich auch durch mehrfaches Spülen nicht beseitigen und sind nicht selten Ursache von Korrosionsschäden“, so Masuch. Das gelte auch für den unzulässigen Einsatz von Trennschleifern oder für nicht fachgerechtes Entgraten. Selbst ein zu starkes Anziehen der Stellschraube (Vorschub) beim Rohrabschneider mit der bekannten Folge der Einschnürung des Rohrendes lege den Grundstein für einen späteren Korrosionsangriff. Mitunter könne der Sachverständige auf den Baustellen nur mit dem Kopf schütteln, wenn die Kollegen unzulässige Flussmittel wie das altbekannte S 39 für die Trinkwasserinstallation einsetzten. „Kaum zu glauben, aber das Flussmittel kommt auch heute noch zum Einsatz. Die Schäden sehen wir erst in 20 Jahren, aber sie sind vorprogrammiert“, so Masuch. Gleiches gelte sinngemäß für mangelnden Feuchteschutz bei C-Stahlrohren.
Weniger korrosiver Art seien Schäden durch fehlenden Dehnungsausgleich bei ausgedehnten Rohrnetzen, die dem Fachmann in der Praxis immer wieder begegneten. Sie minderten jedoch deutlich die Standzeit einer technischen Anlage und hätten mitunter Regressansprüche zur Folge.
Vielfach seien die Probleme verkürzter Standzeiten hausgemacht und vermeidbar, wenn nach Herstellervorgaben oder einschlägigen Verlegerichtlinien gearbeitet würde. „Auf den Baustellen muss einfach sorgsamer gearbeitet werden“, so der Aufruf des Sachverständigen. Für diesen Appell war allerdings die falsche Zielgruppe in Leipzig anwesend. Unterschreiben mag man‘s dennoch.
www.deutscher-sachverstaendigentag.de