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Kauf-oder Werkvertrag? - Erwerb und Installation einer Photovoltaikanlage

rotz des starken Zubaus von PV-Anlagen auf Wohngebäuden ist die Rechtsnatur von Verträgen über Erwerb und Installation solcher Anlagen unklar. Diese aber hat erhebliche Auswirkung darauf, welche Rechtsvorschriften anwendbar sind: Während bei Kaufverträgen unter Beteiligung von Verbrauchern z.B. Vorschriften über den Verbrauchsgüterkauf gelten, kann die VOB/B nur bei Werkverträgen wirksam einbezogen werden. Das Kaufrecht ist – von gewissen Einschränkungen abgesehen – grundsätzlich kundenfreundlicher als das Werkvertragsrecht. Es stellt sich daher die Frage, wie die Verträge rechtlich einzuordnen sind.

Bild: IKZ-ENERGY Archiv/RWE Effizienz

 

Unproblematisch ist die rechtliche Einordnung, wenn zwei getrennte Verträge vorliegen. Dies wäre z.B. der Fall, wenn der zukünftige Anlagenbetreiber unterschiedlicher Anbieter mit der Lieferung und der Bauleitung beauftragt mit der Folge, dass ein Kaufvertrag über die Lieferung der Komponenten sowie ein selbstständiger Werkvertrag über die Bauleitung vorliegen. In der Praxis erwirbt der zukünftige Anlagenbetreiber jedoch die PV-Anlage regelmäßig als Komplettlösung inklusive Montage, Anschluss und Inbetriebnahme von einem Anbieter (im Folgenden „Installateur“). Die formelle Aufteilung in einen selbstständigen Kaufvertrag und einen selbstständigen  Montage-Werkvertrag wäre unwirksam, wenn sie der Umgehung des zwingenden Verbrauchsgüterkaufrechts dient. Was also gilt? In Betracht kommt eine Behandlung nach Kaufvertragsrecht, nach Werkvertragsrecht oder nach beiden Rechtsgebieten.

Einordnung des Vertrages

 Durch § 434 II 1 BGB hat der Gesetzgeber die vereinbarte Montage zur Hauptleistungspflicht der vertragsgemäßen Erfüllung des einheitlichen Kaufvertrages erhoben. Auf Verträge mit Montageleistung ist diese Vorschrift aber nur dann anwendbar, wenn diese nach allgemeinen Kriterien als Kauf- bzw. Werklieferungsvertrag einzuordnen sind. Aus der Vorschrift kann daher nicht die rechtliche Einordnung des in Rede stehenden Vertrages abgeleitet werden, sondern ihre Anwendbarkeit hängt – umgekehrt – von der Einordnung des Vertrages ab. Die Einordnung des Vertrages hat daher nach allgemeinen Kriterien zu erfolgen.
Die Rechtsprechung wendet entweder Kauf- oder Werkvertragsrecht an, sodass es sich entweder um einen Kaufvertrag mit Montage-, Anschluss-und Inbetriebnahmepflicht (im Folgenden „Bauleistung“) oder einen Werkvertrag handelt.
Für die rechtliche Zuweisung kommt es nach ständiger Rechtsprechung darauf an, ob der Schwerpunkt der Leistung auf der Lieferung oder der Bauleistung liegt. Hat die Bauleitung untergeordnete Bedeutung, liegt ein einheitlicher Kaufvertrag vor, da es in diesen Fällen beim typischen Umsatzgeschäft bleibt. Wird der Vertragstyp hingegen durch die Bauleistung geprägt, ist Werkvertragsrecht anwendbar. Zu berücksichtigen sind alle Umstände des Vertrages, insbesondere die Art des Liefergegenstandes, das Wertverhältnis von Lieferung und Bauleistung sowie die Besonderheiten des geschuldeten Ergebnisses. Die von Vertragsparteien gewählte Bezeichnung ist unerheblich.
Ob es sich um sogenannte Auf-Dach-Anlagen, die auf ein Trägersystem auf das bestehende Dach montiert werden, oder um sogenannte In-Dach-Anlagen, bei denen die PV-Module Teil des Daches werden, handelt, ist insoweit unerheblich, als die Eigentumsverschaffungspflicht für die Abgrenzung zwischen Kauf- und Werkvertrag nicht entscheidend ist.
Für die Vertragsabgrenzung ist zunächst die Art des zu liefernden Gegenstands von Bedeutung. Hauptbestandteile typischer PV-Anlagen sind eine von der nutzbaren Dachfläche bzw. der angestrebten Betriebsart abhängige Anzahl von Solarmodulen und ein Solarwechselrichter mit Zubehör. All diese Komponenten sind serienmäßig hergestellte und typmäßig bezeichnete Teile, die der Anbieter seinerseits bei einer Drittfirma bezieht. Der Vertragsgegenstand erfordert eine Anpassung dieser typisierten Komponenten an die individuellen Wünsche des Erwerbers, sodass die Komponenten selbst nicht verändert werden. Angepasst wird lediglich die Dimensionierung der EDV-Anlage, sodass die Art des Liefergegenstandes für die Annahme des Kaufvertrages spricht.
Als weiteres Abgrenzungskriterium wird regelmäßig das Wertverhältnis zwischen dem Lieferungselement und den werkvertraglichen Elementen herangezogen. Bei PV-Anlagen ist das werkvertragliche Element aufgrund der großen Zahl von zu montierenden Komponenten sowie der Notwendigkeit der elektrischen Einbindung aller Komponenten sowie des Anschlusses an das Haus- und öffentliche Stromnetz in der Regel komplexer als bei einer solarthermischen Anlage. Zu den Arbeiten gehören u.a. die Montage der Unterkonstruktion auf dem Dach, die Montage der Solarmodule auf der Unterkonstruktion, Montage des Wechselrichters und anderer Komponenten  sowie umfangreiche Elektroarbeiten. Dennoch stellen auch bei PV-Anlagen die Materialkosten den mit Abstand größten Kostenfaktor dar. Bei typischen Dachanlagen entfallen in der Regel mindestens zwei Drittel der Gesamtkosten auf diese Position. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die gängige Praxis, dass die Kosten für Montage, Anschluss und Inbetriebnahme nicht gesondert ausgewiesen, sondern in die Anlagen- bzw. Komponentenpreise integriert werden. Letztlich spricht also die deutlich höhere Wertelieferung für die Annahme eines Kaufvertrags. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass sich die Kostenanteile von Lieferung und Montage immer mehr aufeinander zu bewegen. Während sich die Montagekosten kaum verändern, sind die Komponentenpreise erheblich gefallen und werden dies voraussichtlich auch künftig tun, sodass das Wertverhältnis kein verlässliches Kriterium mehr für die vertragliche Einordnung ist.

Abgrenzung des Vertrages

Zu berücksichtigen sind für die Abgrenzung zwischen Kauf- und Werkvertrag immer auch die Besonderheiten des geschuldeten Ergebnisses. Allein der Umstand, dass ohne die Montage der Zweck des Vertrages – Betrieb der PV-Anlage zur Stromerzeugung – nicht erreicht wird, stellt noch kein prägendes Element dar. Ob ein hoher Arbeitsaufwand oder das Erfordernis spezieller Fachkenntnisse für einen Werkvertrag sprechen, ist fraglich. Zwar ist die Bauleistung durchaus aufwendig und für die Elektroarbeiten sind Fachkenntnisse unerlässlich, jedoch stellen diese Tätigkeiten keine besonderen Herausforderungen dar. Die Installation von PV-Dachanlagen ist ein Massengeschäft, die erforderlichen Tätigkeiten werden routinemäßig und nach entsprechenden Standards durchgeführt.
Als Zwischenergebnis kann daher festgehalten werden, dass bei typischen Auf- Dach-Anlagen die mit dem Warenumsatz verbundene  Übertragung von Eigentum und Besitz im Vordergrund steht, sodass der Vertrag als Kaufvertrag mit Montage-, Anschluss-und Inbetriebnahmepflicht qualifiziert werden kann mit der Folge, dass die kaufrechtlichen Bestimmungen anwendbar sind.
Dies bedeutet zum einen, dass die Einigung über den Kaufpreis unabdingbar ist. Im Gegensatz zum Werkvertragsrecht kennt das Kaufrecht keine übliche Vergütung. Auch hat der Verkäufer im Gegensatz zum Werkunternehmer keinen Anspruch auf Sicherheitsleistungen.
Als weitere Besonderheiten sind zu nennen:
Es gilt das Verbrauchsgüterkaufrecht, das die meisten kaufrechtlichen Vorschriften für zwingend erklärt. Abweichungen sind auch durch Individualvereinbarung nicht möglich. Darüber hinaus gilt die Beweislastumkehr in den ersten sechs Monaten nach Übergabe. Es gelten auch besondere Anforderungen für die Ausgestaltung von Garantien, die insbesondere hinsichtlich der Garantien für Solarmodule, Wechselrichter und Speicher von praktischer Bedeutung sind.
Die Einbeziehung der VOB/B bei PV-Anlagen ist zwar üblich, bei einer Qualifizierung als Kaufvertrag jedoch nicht wirksam. Die VOB/B ist auf das Werkvertragsrecht zugeschnitten und soll werkvertragliche Regelungen für Bauverträge ergänzen und modifizieren, sodass ihre Regelungen dem Kaufrecht fremd sind. Sofern der Vertrag über die Installation einer PV-Anlage ausnahmsweise als Werkvertrag anzusehen ist, könnte die VOB/B zwar wirksam einbezogen werden, allerdings bleiben die Bestimmungen gegenüber einem Verbraucher der Kontrolle nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Recht) unterworfen.
Bei Gewährleistungsfragen sind gegenüber Verbrauchern die Vorschriften über den Verbrauchsgüterkauf zwingend anzuwenden. Daraus folgt, dass alle bei der Montage auftretenden Störungen dem Kaufgewährleistungsrecht zuzuordnen sind. Ein Sachmangel liegt daher nicht nur bei einer Mangelhaftigkeit der gelieferten Einzelteile, sondern auch bei unsachgemäßer Montage vor, unabhängig davon, ob die gelieferte Kaufsache einen Mangel davonträgt. Im Unterschied zum Werkvertragsrecht steht dem Käufer ein Wahlrecht zwischen Nachbesserung und Nachlieferung zu. Bei Baumaterial räumt auch das Kaufrecht eine fünfjährige Gewährleistungsfrist ein.
Die Vertragsvorschriften unterliegen in vollem Umfang der Kontrolle nach dem AGB-Recht.
Als Ergebnis bleibt damit festzuhalten: Verträge über den Erwerb und Installation einer typischen PV-Anlage sind grundsätzlich als Kaufverträge einzuordnen und einheitlich nach den kaufrechtlichen Bestimmungen zu behandeln. Die Art zu liefernden Gegenstandes sowie deren Wert sprechen dafür, dass die Montage-, Anschluss und Inbetriebnahmepflichten des Verkäufers nicht den Schwerpunkt der vertraglichen Leistung darstellen. Dadurch wird die Stellung der Käufer von PV-Anlagen überwiegend gestärkt. Anbieter von Komplettlösungen sollten daher prüfen, ob die von ihnen verwendeten Verträge und AGB mit den Rechtsvorschriften vereinbar sind. Sie sollten auch darauf reagieren, dass die VOB/B nicht wirksam einbezogen werden kann. In Betracht kommt insofern die Regelung einzelner Aspekte mittels Individualabreden, der allerdings Grenzen gesetzt sind.
Letztlich bleibt abzuwarten, wie der BGH über die Einordnung solcher Verträge entscheiden wird. Im Interesse aller Marktteilnehmer dürfte dies für entsprechende Rechtssicherheit sorgen.

Autor: Prof. Dr. Ulrich Dall, Essen, ist seit 1993 als Rechtsanwalt auf wirtschaftsrechtlichem Gebiet tätig. Sein Leistungsspektrum erstreckt sich auf die Beratung (insbesondere Vertragsgestaltung) sowie die bundesweite Prozessführung (einschließlich Schiedsverfahren) in den Bereichen Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Wettbewerbsrecht und Arbeitsrecht.
Seine umfangreichen Erfahrungen bringt Prof. Dr. Dall auch in seine Vortrags- und Lehrtätigkeit ein. Im März 2002 wurde er zum Professor ernannt und ist Herausgeber mehrerer Gesetzeskommentare.

 


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